Protokoll der Sitzung vom 19.09.2019

Ich nenne ein nächstes Zitat bzw. ein ernüchterndes Fazit dieses Planbeispiels der Ministerin aus NordrheinWestfalen: Der Entwurf der neuen TA Luft verhindert in der gegenwärtigen Fassung viele Umbauten für mehr Tierwohl. Dazu wäre es notwendig, im Rechtstext an vielen Stellen eine privilegierte Vorrangstellung für tierwohlbedingte Umund Neubauten einzuführen. Nur so könnte der Gesetzgeber dem gesellschaftlichen Wunsch nach mehr Tierwohl Rechnung tragen. – Auch das kann ich so nur unterstreichen.

Der Chefredakteur Dr. Ludger Schulze Pas dieser Zei

tung hat dies schlussendlich zu der Aussage bewegt – ich zitiere –: Wenn die beiden Ministerinnen wirklich den Willen haben, die Zielkonflikte auszuräumen, sollten Sie sich schleunigst zusammensetzen. TA Luft und Tierwohl müssen zusammenpassen, sonst hat die Tierhaltung in Deutschland vor allem unter Tierwohlaspekten keine Chance. Am besten beginnen wir damit gleich morgen. –

Meine sehr geehrten Damen und Herren, hier in RheinlandPfalz wird durch innovative Projekte, Investitionsförderung und einzelbetriebliche Maßnahmen versucht, diesem in der Landwirtschaft Rechnung zu tragen.

(Glocke des Präsidenten)

Dies wollen wir unterstützen. So, wie es im Agrarpaket verabschiedet worden ist, werden massiv weitere grüne Kreuze auf unseren Feldern zu sehen sein.

Vielen Dank.

(Beifall der FDP, der SPD und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich erteile der Abgeordneten Klinkel das Wort.

Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir reden jetzt einmal über das Tierwohllabel. Es ist schon spektakulär, was die Landwirtschaftsministerin am 4. September auf dem YouTube-Kanal des Bundesministeriums angekündigt hat. Sie sagte „Heute ist ein guter Tag für das Tierwohl.“ Es war der Tag, an dem das Bundeskabinett – wohlgemerkt das Kabinett, die Entscheidung des Bundestages steht noch aus – das Tierwohllabel auf den Weg gebracht hat.

Sie sagte, der Verbraucher könne – ich zitiere – „erkennen, wo in den Nahrungsmitteln mehr Tierwohl drinnen steckt. In Wurst und in Fleisch.“ Das ist nicht nur grammatikalisch schwierig, nein, das Tierwohllabel an sich ist schwierig; denn es bedeutet so, wie es jetzt ist, zum einen nicht mehr Wohl für das Tier, und es bedeutet auch nicht mehr Transparenz für den Verbraucher.

All das haben wir schon im Februar festgestellt, als wir an dieser Stelle debattierten. Wir haben im Februar festgestellt, dass es sich um ein Stückwerk statt um ein Gesamtkonzept handelt und ein solches Konzept für die Nutztierhalter her müsse. Aber Frau Klöckner hört nicht auf uns. Sie hört auch nicht auf die Kollegen aus den anderen Bundesländern. Sie hört nicht auf die Minister der anderen Bundesländer, die sich einig waren, dass das Label sehr komplex und nicht im Sinne des Verbrauchers sei.

Die niedersächsische Landwirtschaftsministerin der CDU meinte, jede Kritik am Label, jede Einlassung pralle an der Bundesministerin ab. Unser Landwirtschaftsminister Dr. Wissing attestierte. „Was soll man von so einer Politik erwarten? Frau Klöckner liegt hier falsch.“

Sie hört auch nicht auf den Bauernverband. Der pro

gnostiziert, dass das Label auf dem Markt nicht angenommen würde. Sie ignoriert die Interessengemeinschaft der Schweinehalter, die fast 12.000 Schweinehalter in der Republik vertritt, die ein verpflichtendes Label fordern.

Nun hat das Bundeskabinett das freiwillige staatliche Label auf den Weg gebracht. Wie gesagt, es wird spannend, wie sich morgen der Bundestag hierzu verhalten wird.

(Vizepräsidentin Astrid Schmitt übernimmt den Vorsitz)

Schauen wir nach Rheinland-Pfalz. Was bedeutet das Label genau für uns? Für den Verbraucher heißt das zunächst einmal maximale Verwirrung; denn neben dem Label des Lebensmitteleinzelhandels (LEH) der Handelsketten EDEKA, REWE, Kaufland, LIDL, ALDI, PENNY und Netto, die bereits längst ein einheitliches Label mit dem Titel „Haltungsform“ eingeführt haben – welches übrigens nicht nur Schweinefleisch berücksichtigt wie das Klöckners Label, sondern auch Rindfleisch und das zudem eine vierte Stufe, eine Biostufe hat, auch das ist im aktuellen Label nicht vorgesehen –, kommt nun dieses Label auf den Markt und steht im Regal neben Naturland, Bioland, Demeter, Neuland, dem Label für mehr Tierschutz und dem Siegel der Initiative Tierwohl.

Hat man genug Zeit in den Supermarkt mitgebracht und sich hiermit auseinandergesetzt, dann greift man vielleicht zum staatlichen Tierwohllabel, schaut drauf und erwartet vielleicht eine vergleichbare Regulierung, wie es sie bei den Eiern gibt, für die es bereits ein verpflichtendes europäisches Label gibt. Man stellt fest, nein, die Kennzeichnung ist ganz anders. Bei Eiern ist eine niedrige Bewertungszahl gut, beim Fleisch nicht. Wie soll sich dieses Label unter diesen Voraussetzungen durchsetzen?

Was bedeutet es für die Nutztierhalter im Land? Es gilt, wie gesagt, erst einmal nur für die Schweinehalter. Wir haben in Rheinland-Pfalz mehr Schaf- als Schweinehalter, doch gerade die werden jetzt in die Verunsicherung gestürzt. Man schickt sie weiter ins Preisdumping; denn diejenigen, die nichts ändern wollen, können dies mit dem Verweis auf den Preis weiter tun.

Doch was bekommen eigentlich diejenigen, die etwas ändern wollen? Es wurde bisher keine Förderpolitik bekannt gegeben. Ich habe einmal nachgefragt, aus dem Haushalt ist bisher noch nichts abgeflossen. 33 Millionen Euro stehen bereit, noch nichts wurde auf das Label verwendet.

Was bedeutet das für die Tiere? Für die große Mehrheit der Tiere wird sich erst einmal nichts ändern. Damit ist das Label eine Mogelpackung.

Was hätten wir denn gebraucht? Herr Kollege Weber hat es angesprochen. Wir hätten eine verpflichtende europäische Regelung gebraucht. Es liegt, wie gesagt, ein funktionierendes europäisches Label vor, an dem man sich hätte orientieren können. Wir hätten ein Gesamtkonzept gebraucht, wie wir mit Tieren umgehen. Dass eine Nutztierstrategie längst auf dem Tisch liegen sollte, das wissen Sie auch, meine sehr verehrten Damen und Herren.

Die Strukturen in der Agrarindustrie zu verändern, bleibt

Aufgabe der Landwirtschaftsministerin: vernünftige Haltung subventionieren, statt Massenproduktion fördern. Das hätte sie tun können.

Für den Verbraucher brauchen wir mehr Transparenz. Ein staatliches Label hätte – auch das habe ich im Februar gesagt – gut diese Lücke zwischen konventionellen Angeboten und Bio füllen können; denn nicht jeder Verbraucher kann gleich zu Bio greifen.

Was wir nicht gebraucht hätten, ist dieses Label, einen Aufkleber mit einer 70 Millionen Euro teuren Werbekampagne: Letztlich ein riesiges Spektakel, das ohne Wirkung bleibt.

(Beifall der SPD, der FDP und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Abg. Martin Haller, SPD: Genau so ist es! – Zuruf des Abg. Alexander Schweitzer, SPD)

Für die CDU-Fraktion spricht der Abgeordneten Licht.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Wer den beiden Vorrednern aufmerksam zugehört hat, der kann die ganze Bandbreite des Widerspruchs erkennen.

(Beifall der CDU – Abg. Marlies Kohnle-Gros, CDU: Genau!)

Marco Weber weiß das genau, ich sehe es schon an seinem Gesicht, weil er genau gehört hat, was Frau Kollegin Klinkel deutlich machen wollte oder deutlich gemacht hat. Meine Damen und Herren, es ist einfach schwer, wenn der Blinde vom Sehen redet. Das ist schon schwer. Er muss es begriffen haben, um was es eigentlich geht.

(Zuruf von der SPD: Gut, dass Sie jetzt mal reden!)

Lieber Marco Weber, was ich Ihnen langsam übel nehme,

(Abg. Alexander Schweitzer, SPD: Oje!)

wirklich übel nehme, ist, immer in Nebensätzen eine Ministerin zu diskreditieren, bei der wir – unser Berufsstand, Sie als Bauer und ich als Winzer – als Rheinland-Pfälzer stolz sein können, jemanden an der Spitze eines Ministeriums zu haben,

(Zurufe von der SPD)

das in dieser schwierigen Gemengelage für uns ein Herz hat und für uns überlegt, unsere Dinge vertritt.

(Beifall der CDU)

Ich bin sicher, Sie haben genau gehört, was Frau Klinkel jetzt noch einmal gesagt hat.

(Abg. Alexander Schweitzer, SPD: Das wäre sogar der Frau Klöckner jetzt zu viel!)

Der Unterschied zwischen der ersten und zweiten Säule, den Sie jetzt noch einmal versucht haben zu kennzeichnen, hat mit dem Antrag nicht direkt etwas zu tun,

(Abg. Alexander Schweitzer, SPD: Hat er Angst, dass sie zurückkommt?)

wurde aber von Ihnen angesprochen. Es gibt die Forderung der SPD, 15 % zu nehmen. Es gibt das Schreiben der Frau Ministerin, noch ein paar Prozent höher zu gehen.

Dass man sich in einer Bundesregierung, in einer Großen Koalition mit Kompromissen auseinandersetzt, das will ich Ihnen noch einmal vortragen, indem ich Ihnen einfach nur den Koalitionsvertrag vorlese, Frau Klinkel. Ich spare mir die Aussage, was die FDP hätte machen können. Sie hätte einen anderen Koalitionsvertrag schreiben können, meine Damen und Herren.

(Beifall der CDU)

Dort steht dann: „Die Erkennbarkeit von tierischen Lebensmitteln, die über die gesetzlichen Vorgaben der Haltung hinausgehen, wollen wir verlässlich, einfach und verbraucherfreundlich gestalten. Dazu brauchen wir den mehrstufigen Aufbau einer staatlichen Kennzeichnung anhand verbindlicher Kriterien für Fleisch aus besserer Tierhaltung (Tierwohllabel) und schaffen dafür bis zur Mitte der Legislaturperiode die rechtlichen und organisatorischen Voraussetzungen. Der Mehraufwand soll honoriert werden.“

Das wird umgesetzt, meine Damen und Herren.

(Beifall der CDU)

Das wird in dieser Großen Koalition umgesetzt. Das heißt natürlich, viele Ecken zusammenzubinden. Meine Damen und Herren, wir diskutieren und streiten – ja – über verpflichtende und freiwillige Kennzeichnung. Darüber kann man streiten. Nur wenn man dann wiederum in die Tiefe hineingeht,