Protokoll der Sitzung vom 30.01.2013

Lassen Sie mich noch etwas zur Situation in den privaten Haushalten sagen. Das, was Sie in Ihrem Antrag schreiben, ist völlig einseitig. Ja, es stimmt. Auf der einen Seite ist der Sparer von den Niedrigzinsen betroffen. Es stimmt auch, dass eine lang anhaltende Niedrigzinsphase negative Auswirkungen auf die Altersvorsorge hat. So kritisch die niedrigen Zinsen für die Vermögensanlage sind, gehört zur Wahrheit auch, dass sie es anderen erleichtern, die auch keine hohen Einkommen haben, wenn sie erst in der Phase des Vermögensaufbaus sind. Das Zinsniveau betrifft auch die Kreditzinsen.

Gerade im Moment merken wir, dass viele junge Familien diese Situation auch nutzen, um erst einmal Vermögen aufzubauen und vor allen Dingen in die eigenen vier Wände zu investieren. Ich finde, wenn man eine solche

Betrachtung vornimmt, dann sollte man ehrlicherweise die unterschiedlichen Effekte ansprechen.

Auch Ihre Betrachtungsweise bei den Banken greift aus meiner Sicht sehr stark zu kurz. Natürlich erfordert die jetzige Situation auch eine Anpassung bei den Banken bei ihren Geschäftsmodellen. Das sind primär erst einmal unternehmerische Entscheidungen. Sie dürfen davon ausgehen, dass wir diese als Politik aufmerksam verfolgen.

Herr Schreiner, lassen Sie mich noch einen Satz zur Staatsfinanzierung sagen, weil Sie diese angesprochen haben. Sie wissen sehr genau, dass sowohl der Bund als auch die Länder von dieser Niedrigzinsphase im Hinblick auf ihre Zinsausgaben profitieren. Hätten Sie noch ein bisschen intensiver in den Haushalt und vor allen Dingen in den Haushaltsabschluss geschaut, dann wüssten Sie auch, dass wir aus gutem Grund das, was wir dort sparen, nutzen, um in unserer Konsolidierung schneller voranzukommen, als dies ursprünglich in der Finanzplanung vorgesehen war, um damit auch ein Stück Vorsorge zu treffen.

(Zuruf des Abg. Gerd Schreiner, CDU)

Sie haben uns eben nur das Gegenteil vorgeworfen.

(Zuruf des Abg. Gerd Schreiner, CDU)

Herr Schreiner, noch habe ich das Wort. Wenn Sie eine Zwischenfrage hätten, hätte ich sie selbstverständlich auch beantwortet. Sie haben uns vorgeworfen, dass wir nicht adäquat auf diese Situation reagieren. Das weise ich mit Nachdruck zurück. Wir nutzen die niedrigeren Zinsausgaben, um schneller zu konsolidieren und treffen damit eine zusätzliche Vorsorge für die Zukunft.

(Zuruf des Abg. Gerd Schreiner, CDU)

Lassen Sie mich abschließend zusammenfassend sagen: Abgesehen davon, dass die EZB aus gutem Grund unabhängig handelt und wir darauf auch Wert legen, sehe ich auch in der Sache keinen Grund für Rheinland-Pfalz, die Geldpolitik der EZB abzulehnen und zu kritisieren.

Herzlichen Dank.

(Beifall der SPD, der FDP und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht mehr vor. Damit kommen wir zur unmittelbaren Abstimmung. Wer dem Antrag der Fraktion der AfD – Drucksache 17/374 – zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen! – Wer stimmt dagegen? – Damit ist der Antrag mit den Stimmen der SPD, der CDU, der FDP und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die Stimmen der AfD abgelehnt.

Ich rufe Punkt 17 der Tagesordnung auf:

Wirtschaft schützen, Großbritannien im Binnenmarkt halten Antrag der Fraktion der AfD

Drucksache 17/375 –

Zur Begründung erteile ich Herrn Abgeordneten Dr. Bollinger das Wort. Bitte schön, Herr Dr. Bollinger.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kollegen, liebe Gäste! Großbritannien ist das viertwichtigste Exportland für Rheinland-Pfalz. Im Jahr 2015 gingen Exporte in Höhe von 3,5 Milliarden nach Großbritannien. Das sind 6,7 % unseres Gesamtexports, ein Außenhandelsüberschuss von 2,2 Milliarden Euro unsererseits.

Dieses insgesamt positive Bild der britisch-rheinlandpfälzischen Wirtschaftsbeziehungen ist aktuell leider etwas eingetrübt. Diese Eintrübung resultiert aus unserer Sicht nicht so sehr aus dem souveränen Beschluss des britischen Volkes, die EU zu verlassen, sondern vielmehr aus den Reaktionen der europäischen und deutschen Politik auf die Brexit-Entscheidung.

Viele Aussagen vor und nach dem Brexit ließen das auch von der Wirtschaft verlangte Fingerspitzengefühl vermissen. Hier wäre vor allem Jean-Claude Juncker zu nennen, der bereits am 1. Juni in einem SPIEGEL-Interview meinte:

„Zu den Konsequenzen eines Brexit habe ich gesagt, dass der Deserteur nicht mit offenen Armen empfangen wird.“ Das steht für die Haltung der Kommission.

Solche und ähnliche Äußerungen ließen an den Märkten die Sorge aufkommen, dass es nach der BrexitEntscheidung eine Art Handelsstreit zwischen der EU und Großbritannien geben würde. Dabei haben die Märkte auch die erwiesene Unbelehrbarkeit der EU, wie sie sich im europäisch-russischen Handelsstreit zeigte, gleich mit einkalkuliert. Die Folge waren Marktturbulenzen, an den Aktienmärkten nur vorübergehend, am Devisenmarkt aber wohl dauerhaft. Der Kurs des Euro stieg von 76,6 Pennys am 23. Juni auf heute 83,8 Pennys, respektive der Kurs des britischen Pfunds fiel entsprechend.

Dieser neue Wechselkurs wird die rheinland-pfälzischen Exporte nach Großbritannien belasten, da sie damit, in britischem Pfund gerechnet, nun teurer sind. Und selbst wenn sich solche Belastungen in den aggregierten Wirtschaftsdaten des Landes nur wenig widerspiegeln werden, für einzelne Unternehmen und auch für einzelne Regionen können sie trotzdem sehr stark sein.

Umso wichtiger ist es, dass auch das Land RheinlandPfalz ein schnelles Signal setzt und seinen Einfluss geltend macht, damit nun bald ein geordnetes Verfahren für den Brexit in Gang gesetzt wird.

(Zuruf des Abg. Hans Jürgen Noss, SPD)

Wir wissen aus allen Meldungen von der Insel, dass die Briten, die traditionell seit mehr als 200 Jahren internationale Vorkämpfer für den freien Handel sind, keine Vorbehalte gegen den EU-Binnenmarkt haben und ihn weiterhin erhalten möchten, und das ist sicherlich auch in unserem Interesse.

Auch der freie Kapitalverkehr wurde in der BrexitDiskussion nicht infrage gestellt, was auch in unserem Sinne ist. Es gab aber Vorbehalte in Großbritannien gegenüber der wuchernden und immer mehr Kompetenzen an sich ziehenden EU-Kommission, was wir als AfD verstehen können.

Vorbehalte gab es auch gegenüber der Personenfreizügigkeit. Das ist interessant, da Großbritannien nach der EU-Erweiterung 2004 seine Tore für Arbeitnehmer aus den damaligen Beitrittsländern am weitesten öffnete. Es hat aber offensichtlich in dieser Zeit ein Lernprozess in Großbritannien stattgefunden und sich immer mehr gezeigt, dass die Freizügigkeit auch zu einer Einwanderung in die Sozialsysteme führte

(Abg. Martin Haller, SPD: Die Masseneinwanderung, da war es doch! Der Klassiker!)

und diese so langfristig in Frage stellte, ein Problem, das wir teilweise auch in Deutschland kennen, das aber beschwiegen wird und nicht angegangen wird.

(Beifall der AfD – Heiterkeit des Abg. Martin Haller, SPD)

Es ist letztlich nicht im deutschen und im rheinlandpfälzischen Interesse, bei den nun anstehenden BrexitVerhandlungen das Thema Personenfreizügigkeit rein dogmatisch zu behandeln und auf die reine Lehre zu setzen. Wichtiger auch für unser Land ist ein zügiges Verhandlungsergebnis zum Vorteil beider Seiten, das den freien Waren-, Dienstleistungs- und Kapitalverkehr garantiert. Da könnten die bilateralen Verträge der EU mit der Schweiz in vielen Punkten als Blaupause dienen.

(Beifall der AfD)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Schweiz fährt übrigens wirtschaftlich sehr gut mit diesem Modell. Sie hat über die 10 Jahre von 2004 bis 2014 ein Wirtschaftswachstum von fast 23 %. In Deutschland waren es im gleichen Zeitraum 14 %, in Frankreich 9 %, und in Italien war das reale Bruttoinlandsprodukt 2014 sogar knapp 5 % niedriger als 2004.

Die Interessen unserer Wirtschaft und Arbeitnehmer müssen in jedem Fall Vorrang vor anderweitigen Erwägungen haben. Wir beantragen daher, dass der Landtag die Landesregierung beauftragen möge, sich auf allen Ebenen entschieden dafür einzusetzen, dass kurzfristig sichergestellt wird, dass Großbritannien im gemeinsamen Binnenmarkt der EU verbleibt und keinerlei Handelshemmnisse aufgebaut werden.

Danke sehr.

(Beifall der AfD)

Als Nächstes spricht für die Koalitionsfraktion der SPD der Abgeordnete Dr. Alt.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, meine Damen und Herren! Am 23. Juni dieses Jahres hat die Bevölkerung im Vereinigten Königreich von Großbritannien und Nordirland mit Mehrheit entschieden, aus der Europäischen Union austreten zu wollen. Wenn wir uns hier mit den Folgen beschäftigen, dann gehört, glaube ich, zunächst einmal die Feststellung dazu, dass diese Folgen ganz überwiegend oder doch zu einem großen Anteil heute noch nicht absehbar sind. Wir können einige Gebiete benennen, bei denen es definitiv Folgen geben wird.

Es wird politische, auch außenpolitische Folgen geben, die der Rest der Welt auch uns spüren lassen wird. Es wird kulturelle, hochschulbezogene Folgen geben, und es wird dann – das ist der Schwerpunkt Ihres Antrags, wenn man bei sechs Zeilen von einem Schwerpunkt reden kann – natürlich auch rechtliche und wirtschaftliche Folgen geben. Es wird die Frage zu stellen sein: Was passiert mit den Rechtsformen wie Limited in Großbritannien, also mit Unternehmen, die auch in den übrigen Mitgliedstaaten der Union agieren?

Großbritannien ist unser viertgrößter Handelspartner, und wir in Rheinland-Pfalz müssen uns natürlich die Frage stellen: Welche Auswirkungen werden sich auf uns zeigen?

Weil das eine wichtige Frage ist, haben wir uns damit auf Antrag der Koalitionsfraktionen in einer gemeinsamen Ausschusssitzung des Wirtschafts- und des Europaausschusses schon intensiv beschäftigt,

(Zuruf von der SPD: Eine gute Idee!)

und wenn ich das an dieser Stelle sagen darf, in dieser Debatte hatten die Wortbeiträge und der Vortrag der Landesregierung sicher einen stärkeren Tiefgang, als es beim Antrag der AfD festgestellt werden muss.

(Zuruf des Abg. Dr. Jan Bollinger, AfD)

Schwerpunkt unserer Betrachtung ist natürlich RheinlandPfalz, ist Deutschland, aber es darf der Hinweis nicht fehlen, dass die negativen wirtschaftlichen Auswirkungen vor allem natürlich Großbritannien selbst zunächst treffen werden. Die Abwertung des Pfundes, die wir unmittelbar nach der Entscheidung gesehen haben, wird mittelfristig zu einer Erhöhung des Preisniveaus in Großbritannien führen, wird reale Konsumausgaben und Investitionsausgaben dort ein Stück weit drosseln und zu einem niedrigeren Wirtschaftswachstum führen. Herr Dr. Bollinger, im Übrigen kann man an der Sache Wechselkurs auch schön sehen, dass Ihre steile These bezüglich des Verhaltens von Herrn Juncker und den Auswirkungen auf die Märkte unzutreffend ist. Es gab nämlich vorher Prognosen, was mit dem Wechselkurs im Falle einer Negativentscheidung in Großbritannien passieren würde. Diese Prognosen sind genau so eingetreten. Die Devisenmärkte wussten wohl nicht, wie Herr Juncker sich in den Tagen danach äußern würde,

(Abg. Dr. Jan Bollinger, AfD: Doch, sie haben es genau gewusst, das ist es ja! Sie kennen Herrn Juncker!)

und aus diesem Grund entbehrt diese Behauptung auch

jeder Grundlage, meine Damen, meine Herren.

Nachrichten zu einzelnen Unternehmen hören wir derzeit in Großbritannien. So sagt zum Beispiel Vodafone, der Telekommunikationsriese, es ist für uns ein großes Problem, die EU-Mitgliedschaft zu verlieren, und ganz generell sehen wir, 25 % der britischen Unternehmen hatten vor der Brexit-Entscheidung eine negative Einschätzung über die nächsten zwölf Monate – jetzt ist es die Hälfte der Unternehmen –, und diese Unternehmen wissen wahrscheinlich ein bisschen besser als viele hier im Raum, was auf sie zukommen wird durch diese Entscheidung, die das britische Volk getroffen hat.