Protokoll der Sitzung vom 13.11.2019

(Glocke der Präsidentin)

stärken wir deutlich die parlamentarische Kontrolle, indem wir Maßnahmen des Verfassungsschutzes noch stärker demokratisch rückkoppeln werden. Mit zehn zentralen Regelungen eines eigenen Teils dieses Gesetzes haben wir die Rechte der Parlamentarischen Kontrollkommission gestärkt.

Meine Damen und Herren, zusammenfassend kann man sagen,

(Glocke der Präsidentin)

das neue Verfassungsgesetz weitet die Befugnisse des Verfassungsschutzes vor dem Hintergrund der zunehmenden Digitalisierung und digitaler Mobilität von Verfassungsfeinden aus. Demgegenüber unterliegt die Arbeit des Verfassungsschutzes

(Glocke der Präsidentin)

letzter Satz – noch deutlicher als bisher der parlamentarischen Kontrolle.

Ein allerletzter Satz.

Letztendlich werden die hohen Anforderungen an den individuellen Datenschutz gewahrt.

Vielen Dank.

(Beifall der FDP, des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht die Abgeordnete Pia Schellhammer.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Wir diskutieren heute in erster Lesung über eine umfassende Reform des rheinland-pfälzischen Landesverfassungsschutzes. Vorangegangen sind viele Abwägungen und Diskussionen, welche Befugnisse es sein sollen, was wir tun sollen, wie die Entwicklung auch im Bereich Extremismus ist, was angemessen ist. Es geht um nichts Weniger als um die Sicherheitsarchitektur, die wir in diesem Bundesland haben. Genau von dieser Überlegung, wie wir die Sicherheitsarchitektur in Rheinland-Pfalz weiterentwickeln können, waren auch unsere Diskussionen getragen. Ich bin sehr froh, dass wir heute über das Ergebnis diskutieren und es in das parlamentarische Verfahren für weitere Diskussionen einbringen können.

Die Verfassungsschutzbehörde in Rheinland-Pfalz schützt nämlich die freiheitlich-demokratische Grundordnung und den Bestand und die Sicherheit des Bundes und der Länder. Diese Behörde ist sozusagen ein Frühwarnsystem gegen Demokratiefeindlichkeit und ist deshalb von erheblicher Bedeutung. Sie ist Teil unserer wehrhaften Demokratie. Es ist deshalb wichtig und richtig, dass wir uns die Zeit genommen haben, das abzuwägen, und wir uns jetzt im parlamentarischen Verfahren noch weitere Zeit nehmen.

In der Vergangenheit – das haben meine Vorrednerinnen und Vorredner schon gesagt – ist in den 20 Jahren, seitdem das Landesverfassungsschutzgesetz zum letzten Mal umfangreich novelliert wurde, vieles geschehen. Wir haben zum einen einen anwachsenden internationalen islamistischen Terrorismus, aber auch in Deutschland mit dem NSU-Komplex eine intensive Diskussion darüber gehabt, was Verfassungsschutzbehörden tun. Wir reden über ein Erstarken des Rechtsextremismus. All das macht es erforderlich, dass wir uns genau den Landesverfassungsschutz in Rheinland-Pfalz anschauen und jetzt dieses Update mit diesem Gesetzesvorhaben vorlegen.

Wir haben das nicht nur mit dem Blick auf Rheinland-Pfalz getan, sondern uns auch die gesetzliche Entwicklung in anderen Bundesländern und im Bund angeschaut. Wir haben uns natürlich auch die Rechtsprechung angeschaut. Das alles ist in die Abwägung eingeflossen. Im Kern regeln wir drei Punkte:

Wir erweitern die Befugnisse. Wir haben uns genau angeschaut, in welche Bereiche der Verfassungsschutz hineinschauen soll. Ich möchte Beispiele wie die Mobilfunkortung

und die Erkennung von Mobilfunkkarten nennen. Ich möchte aber auch die Möglichkeit nennen, Legenden anzulegen, um in sozialen Netzwerken aktiv zu sein. All das sind Dinge, die die technische Entwicklung nun ermöglicht und es wichtig machen, dass der Verfassungsschutz genau hinschaut. Oder ich nenne die Inbesitznahme von Datenträgern, dass also ein Handy auch ausgelesen werden kann, dies natürlich nur unter bestimmten Voraussetzungen.

All das sind aber keine pauschalen Ermächtigungsgrundlagen. Das war ganz wichtig in der Abwägung. Wie Frau Kollegin Becker schon erwähnt hat, Onlinedurchsuchungen, Quellen-TKÜ und die Vorratsdatenspeicherung – bei einigen dieser Punkte ist noch nicht abschließend die Verfassungsmäßigkeit geklärt – haben keinen Eingang in dieses Gesetz gefunden. Nichtsdestotrotz haben wir eine Erweiterung der Befugnisse. Das ist ein wesentlicher Teil des Gesetzes.

Ebenso wesentlich ist die Ausweitung der Kontrolle. Auch dazu haben wir Erkenntnisse, die in anderen Ländern zu Untersuchungsausschüssen geführt haben, Erkenntnisse, die auch im Bund diskutiert worden sind, wie wir eine effektive parlamentarische Kontrolle gewährleisten können. Es ist ganz wichtig, es wird künftig eine Geschäftsstelle eingerichtet, die es ermöglicht, mit juristischem Sachverstand die Mitglieder in der PKK zu unterstützen.

Eine weitere Sache, die wir uns in anderen Parlamenten und auch im Bund angeschaut haben, ist, die Zusammensetzung der Parlamentarischen Kontrollkommission wird mit Beginn der Legislaturperiode festgelegt und eben nicht im Landesverfassungschutzgesetz mit einer Zahl beschrieben. In dem Punkt schauen wir uns an, wie in anderen Ländern die Parlamentspraxis ist, was die parlamentarische Kontrolle anbelangt.

Ein dritter wichtiger Punkt ist, der Verfassungsschutz hat viel mit Daten, die er unter bestimmten Voraussetzungen erheben kann, zu tun. Wie werden diese Daten erhoben? Wie werden sie verarbeitet? Wie werden sie gespeichert oder auch gelöscht? Es ist wichtig, dass wir auch den Umgang mit Daten neu regeln. Hier haben wir eine erhebliche Verbesserung, was die Möglichkeiten des bereichsspezifischen Datenschutzes anbelangt.

Insgesamt ist es ein sinnvolles Update, in dem viel Arbeit und Abwägung steckt. Wir schaffen insgesamt mehr Transparenz und Nachvollziehbarkeit durch die parlamentarische Kontrolle. Wir liefern aber mit diesem Gesetz – angepasst an die geänderten Bedingungen, die es durch den Extremismus gibt, und an die geänderte Bedrohungslage – eine Möglichkeit, effektiver vorzugehen. Wir liefern damit Sicherheit und Freiheit unter einem Hut mit diesem Gesetz. Deswegen legen wir hier als Ampelkoalition ein Sicherheitsgesetz mit Augenmaß vor.

Ich freue mich sehr auf die weitere Beratung in den Ausschüssen; denn natürlich braucht ein 136-seitiges Gesetz auch eine entsprechende parlamentarische Befassung. Ich freue mich auf die Diskussion in den Ausschüssen.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der FDP)

Für die Landesregierung erteile ich Staatsminister Roger Lewentz das Wort.

Verehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Im übertragenen Sinne singen wir heute das Hohelied auf die Demokratie. Warum sage ich das? – Weil wir neben dem Rettungsdienstgesetz, dem Landesbrandund Katastrophenschutzgesetz und dem Polizei- und Ordnungsbehördengesetz eben auch das Verfassungsschutzgesetz, also dieses Sicherheitsgesetz in diesem Land öffentlich in einem demokratischen Parlament diskutieren. Die Opposition als auch die Mehrheitsfraktionen diskutieren alle Punkte, die dieses Gesetz beinhaltet. Da gibt es nichts, was nicht vorliegt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, warum sage ich das? – Ich war am Sonntag in der Synagoge in Koblenz aus Anlass der 81. Wiederkehr der Reichspogromnacht. Ich habe dort den jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern versichert, dass dieser Staat alles dafür tun wird, dass ihre Sicherheit – Stichwort Halle – gewährleistet bleibt.

Ich war gestern in einem Gymnasium in Lahnstein und durfte dort einen Teil der innerdeutschen Mauer, der Berliner Mauer, übergeben und möchte deswegen sagen, es gab zwei deutsche Unrechtssysteme. Wir leben heute in einer freiheitlichen Demokratie, die es zu verteidigen gilt.

(Beifall der SPD, der CDU, der FDP und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die Damen und Herren des Verfassungsschutzes, tun genau dies, was ihnen diese Überschrift vorgibt, unsere Verfassung, die freiheitlichste Verfassung, die unser Deutschland je gesehen hat, zu schützen und zu verteidigen. Deswegen bin ich fest davon überzeugt, dass die Aufstellung in dem für den Verfassungsschutz, für das Staatsrecht und für die Innere Sicherheit zuständigen Ministerium eine richtige und eine gute ist. Wir können feststellen, dass unser Verfassungsschutz nie ein Eigenleben negativer Art entwickelt hat. Das ist die richtige und die gute Aufstellung.

Ich möchte mich bei den Kolleginnen, bei Ihnen, liebe Frau Kohnle-Gros, bei Frau Becker, bei Frau Schellhammer, aber auch bei Dir, lieber Wolfgang Schwarz, sehr herzlich für das Miteinander in der Diskussion um ein sehr diffiziles Gesetz bedanken, das in Rechte von Bürgerinnen und Bürgern eingreift, im Zweifelsfall eingreifen muss. Deswegen freue ich mich, dass wir – mit Ausnahme der kleinsten Oppositionspartei – eine sehr große parlamentarische Mehrheit erreichen können, vorausgesetzt, die weiteren Diskussionen verlaufen so, wie heute die Einbringung des Gesetzes erfolgte.

Ich möchte mich bei den drei regierungstragenden Fraktionen bedanken. Es ist ein Auftrag, den wir uns gemeinsam bei den Koalitionsvereinbarungen gegeben haben,

der auch dem Umstand geschuldet ist, dass sich Dinge verändert haben. Einige können sich noch daran erinnern, 1998 gab es das Rollenfax als Hauptdatenübertragungsmittel – in dem Punkt hat es sich schon einiges verändert –, nur um ein Bild zu geben, warum natürlich eine Notwendigkeit gegeben ist; dies neben anderen vielen Dingen. NSU ist genannt, Urteile unserer Verfassungsgerichte möchte ich ausdrücklich nennen.

Wir haben nach wie vor große Herausforderungen. Die größte ist der Rechtsextremismus. Ich habe das sehr oft an dieser Stelle betont und möchte noch einmal sagen, ich denke an der Stelle auch an den Kasseler Regierungspräsidenten, an Halle und andere Ereignisse und schreckliche Herausforderungen.

Wenn das Bundeskriminalamt sagt, von 24.000 Rechtsextremisten in Deutschland sind 12.700 als gewaltbereit eingestuft, sagt das genauso viel wie dass im Jahr 2018 bundesweit 19.409 rechtsextremistisch motivierte Straftaten und 4.622 linksextremistisch motivierte gezählt wurden. Das sind schon Unterschiede, und trotzdem sind es natürlich beides Herausforderungen des rheinland-pfälzischen Verfassungsschutzes, genauso wie Ausländerextremismus und islamistischer Extremismus.

Wir haben gerade wieder in diesen Tagen Festnahmen im Rhein-Main-Gebiet erlebt mit dem Vorwurf, dass drei Personen Bombenattentate, Sprengstoffattentate im RheinMain-Gebiet in Deutschland ausführen wollten. Wir sind auf keinem Auge blind. Das ist eine Selbstverständlichkeit.

Eben ist auch das Stichwort der Spionageabwehr genannt worden. Ja, auch der Schutz unserer Außenwirtschaft, der Schutz unseres wirtschaftlichen Know-hows ist auch heute noch genauso wichtig wie vor Jahrzehnten. Deswegen ist das einer der Schwerpunkte unseres Verfassungsschutzes.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Änderungen sind alle inhaltlich genannt worden. Ich finde es eine gute Idee, eine gute Anregung zu sagen, lassen wir doch einmal Innenausschuss und Rechtsausschuss gemeinsam tagen. Das ist selbstverständlich die Entscheidung des Parlaments. Wir würden das sehr gerne in dieser Form begleiten. Ich freue mich auf die weitere Diskussion.

Vielen Dank.

(Beifall der SPD, der FDP und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Zu einer Kurzintervention erteile ich dem Abgeordneten Junge das Wort.

Herr Minister, herzlichen Dank für Ihre Ausführungen. Ich hatte einige Fragen gestellt. Ich hatte mir erhofft, dass Sie darauf eingehen, warum bestimmte Passagen aus dem alten Gesetz gestrichen wurden

(Staatsminister Roger Lewentz: Das kommt im Ausschuss!)

und durch, wie ich finde, interpretationsfähige Dinge ersetzt worden sind.

Ich bin kein Jurist, aber ich habe mich doch noch einmal schlau gemacht. Für Juristen zählt, was im Gesetz steht. Einer unserer Rechtsgrundsätze in der deutschen Justiz lautet: Keine Strafe ohne Gesetz. Deshalb muss es im Gesetz klar definiert sein. Ich finde, daran haben wir noch zu arbeiten.

(Zuruf der Abg. Marlies Kohnle-Gros, CDU)

Wenn wir das im Ausschuss machen, ganz unvoreingenommen, dann kommen wir, glaube ich, zu einem wirklich guten Ergebnis.

Alles andere, was Sie zum Verfassungsschutz gesagt haben, können wir mittragen, weil es notwendig und wichtig ist und der Verfassungsschutz eine ganz wichtige Aufgabe hat.

Herzlichen Dank.