Protokoll der Sitzung vom 12.12.2019

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Bericht des Ausschusses der Regionen dokumentiert eindrucksvoll: Wir geben Rheinland-Pfälzerinnen und Rheinland-Pfälzern in der EU eine starke Stimme; denn wo die Rechten – wir haben das vorhin wieder gehört – die EU abschaffen wollen, stärken wir ein klares Konzept unserer regionalen und lokalen Identitäten.

Rechte Kleinstaaterei, getrieben von politischem Aktionismus, führt in die internationale Bedeutungslosigkeit. Die Zeit des Protektionismus und Rassismus ist vorbei.

(Beifall bei FDP, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir Freie Demokraten streben mit unseren Koalitionspartnern und mit Sicherheit auch mit der größten Oppositionspartei in diesem Parlament eine pluralistische Gesellschaft an, die auf europäische Integration und Vielfalt statt auf geistige Dumpfheit und gesellschaftliche Ausgrenzung setzt; denn Europa ist nicht braun, Europa ist bunt, meine sehr geehrten Damen und Herren. Europa ist Frieden, ist Wohlstand, ist Freiheit. Europa ist stark. Europa ist die Idee von Kultur und liberalen Werten.

Als Rheinland-Pfälzer lebe ich diese Werte voller Stolz.

(Beifall bei FDP, SPD, CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Deshalb lasse ich mir meine Freiheit in Europa, meine Selbstbestimmtheit und unsere Brüderlichkeit weder auf Straßen in Paris noch auf den Marktplätzen unserer Heimat wegnehmen;

(Abg. Alexander Schweitzer, SPD: Sehr richtig! – Zuruf des Abg. Dr. Jan Bollinger, AfD)

denn für mich sind diese Werte Teil meiner liberalen Identität, und für die lohnt es sich mit Sicherheit zu kämpfen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, so erinnert uns der Jahrestag des 9. November daran, dass unsere Freiheit in Europa keineswegs selbstverständlich ist. Als Europäerinnen und Europäer wollen wir keine Mauern mehr, weder auf den Straßen noch in den Köpfen.

(Beifall bei FDP, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Abg. Dr. Sylvia Groß, AfD: Auf den Weihnachtsmärkten!)

Wir möchten nie wieder – auch dies mahnt uns dieses Datum – brennende Synagogen und Judenfeindlichkeit in unserem Land.

(Abg. Alexander Schweitzer, SPD: Sehr richtig!)

Deshalb ist es unsere Pflicht, wachsam zu bleiben und rechtem Gedankengut mit den Mitteln des Rechtsstaats entschieden entgegenzutreten;

(Abg. Dr. Timo Böhme, AfD: Was wäre denn, wenn Ihr dieses Argument nicht hättet?)

denn andernfalls würden wir unseren Rechtsstaat verlieren, müssten unsere Freiheit aufgeben, und damit würden wir uns letzten Endes selbst aufgeben.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, deshalb möchte ich an dieser Stelle der Landesregierung danken,

(Abg. Dr. Jan Bollinger, AfD: Peinliche Plattitüden!)

die sich täglich für Toleranz und Demokratie einsetzt. Das Engagement der Bevollmächtigten des Landes RheinlandPfalz beim Bund und für Europa, Medien und Digitales, Frau Staatssekretärin Heike Raab, ist hierbei besonders hervorzuheben. Zusammen mit ihrer Stellvertreterin Frau Heike Scharfenberger beweist sie täglich, dass die Integration Europas in Rheinland-Pfalz gelebte Praxis ist.

(Beifall bei FDP, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Gerd Schreiner, CDU)

Sie sind das Sprachrohr rheinland-pfälzischer Regionalund Kommunalverbände auf europäischer Ebene.

Als wichtigste politische Resonanz konnten Sie mit dem Ausschuss der Regionen die europäische Kohäsionspolitik stärken und sichtbar machen, zum Glück. Dabei wurde die Idee eines People-to-people-Fonds für die grenzüberschreitende Zusammenarbeit aufgegriffen.

In den letzten Jahren wurden auf diese Weise Tausende kleine Projekte realisiert, die Menschen über Grenzen hinweg zu Begegnungen zusammengebracht und sehr viele Impulse in Grenzregionen gesetzt haben.

Ich erinnere mich an die letzte Sitzung des Europaausschusses, in dem noch einmal verstärkt auf die Zusam

menarbeit der Region Trier mit dem Großherzogtum in Luxemburg verwiesen worden ist. Mit diesem und weiteren Projekten leisten Sie in Zeiten wachsender Europaskepsis einen wertvollen Beitrag zur politischen Debatte.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir haben soeben gehört, heute finden in der Tat die Parlamentswahlen in Großbritannien statt. Diese sind entscheidend dafür, wie die nächsten Schritte zum Brexit aussehen werden.

Damit ein solches Szenario wie der Brexit bei uns niemals passieren kann, bitte ich Sie, auch in Zukunft Ihre Stimme für den Zusammenhalt in Europa und in Rheinland-Pfalz zu erheben.

Haben Sie vielen Dank.

(Beifall bei FDP, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Marlies Kohnle-Gros und Gerd Schreiner, CDU)

Nun erteile ich das Wort dem Abgeordneten Hartenfels für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Vielen Dank, Herr Präsident. – Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, wir reden heute über Europa und – das ist besonders schön – über das Europa der Regionen. Dafür steht der Ausschuss der Regionen par excellence.

Ich bin Frau Raab noch einmal dankbar. Ich habe wieder ein bisschen dazugelernt, nämlich dass es in der Tat 300 Regionen sind, über die wir hier reden.

Ich möchte meine Rede damit beginnen, zunächst einmal Wertschätzung auszudrücken, weil ich glaube, an der Zahl der 300 Regionen wird deutlich, was seit Jahrzehnten geleistet wird. Es ist immer wieder eine Kraftleistung, diese 300 von der Nationalität, von der Sprache, von der Heimatgeschichte, von den verschiedenen Qualitäten, die jede Region mitbringt, sehr unterschiedlichen Regionen zusammenzuführen. Das Stichwort Kohäsion ist angesprochen worden. Insbesondere Herr Barth hat es noch einmal thematisiert. Es ist eine Leistung, diese Regionen zusammenzuführen und zu einer gemeinsamen Entwicklung zu bringen.

Ich glaube, viele Männer und Frauen in diesem Ausschuss, aber nicht nur in diesem Ausschuss, leisten jeden Tag eine sehr gute Arbeit, über die wir viel zu wenig reden. Das möchte ich an den Anfang stellen, gerade vor dem Hintergrund der Einlassungen von Herrn Lohr, der deutlich gemacht hat, dass er für ein Europa der Neiddebatten und der Konkurrenz steht und letztlich ein Europa des Scherbenhaufens produzieren will.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und FDP)

Ich möchte das am Anfang kurz deutlich machen: Bei der Neiddebatte, die Sie gerade aus einem deutschen

Gesichtspunkt heraus initiieren, möchte ich Sie daran erinnern: Deutschland ist Exportweltmeister. Wir verdienen auch in Rheinland-Pfalz zu über 55 % über Exportleistungen unser Geld. Davon hängen Arbeitsplätze ab. Gerade für Deutschland ist Europa der größte Mehrwert, den wir uns vorstellen können. Aber auch zu Europa als Ganzes gedacht möchte ich eine Zahl in den Raum stellen: Europa hat in Drittländer im Jahr 2016 Waren in einem Wert von 1,7 Billionen Euro exportiert.

Herr Lohr, daran wird deutlich, dass umgekehrt ein Schuh daraus wird. Wegen Europa haben wir mehr Wertschöpfung. Wegen Europa haben wir mehr Arbeitsplätze. Wegen Europa werden Sozialstandards auf einem hohen Niveau festgeschrieben. Wegen Europa haben wir mehr Klimaund Umweltschutz. Wegen Europa haben wir auch mehr soziales Miteinander. Darum geht es, und darüber sollten wir heute reden.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD, CDU und FDP)

Zum Europa der Regionen und dem Ausschuss der Regionen möchte ich kurz drei Themenblöcke ansprechen, um die fleißige Arbeit zu verdeutlichen. Stichworte sind Kohäsionspolitik und Kohäsionsallianz. Der Ausschuss für Europa hat es mit angeregt, und Frau Raab, Sie haben es schon angesprochen: Über 5.000 Personen, überwiegend Privatpersonen, aus dem Bildungsbereich und aus der Unternehmerschaft haben diese Allianz unterschrieben, weil die Sorge war, beim nächsten Mehrjährigen Finanzrahmen könnte der Aspekt der Kohäsion zu kurz kommen.

Die Akteure haben sich verdient gemacht, damit im zukünftigen Mehrjährigen Finanzrahmen weiterhin ausreichend finanzielle Mittel zur Verfügung gestellt werden, um die drei Gebietskategorien, die wir haben – die etwas unterentwickelten Regionen, die Übergangsregionen und die besser entwickelten Regionen –, nach wie vor finanziell auszustatten, um diese 300 Regionen in der Gänze zusammenzuführen und den Mehrwert, den wir in Europa haben, auch unten spürbar zu machen.

Wer ist dafür besser geeignet, als die Kommunen vor Ort und als die Regionen vor Ort? Es ist ein schöner Gedanke, sich vorzustellen, dass schon seit 25 Jahren Europa auch von unten nach oben wächst und damit dort die wichtigste Schnittstelle ist, um den Menschen den Mehrwert von Europa zu erläutern.

Ein zweites Themenpaket, das ich auch wichtig finde, ist das Europäische Investitionsvorhabenportal. Auch zu diesem Arbeitsprogramm hat der Ausschuss der Regionen wichtige Impulse für die nächste Finanzperiode gegeben. Die verschiedenen Finanzierungsinstrumente in Europa werden unter einem Dach auf einer Onlineplattform zusammengefasst. Es werden wieder gut 15 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt, um in den nächsten sechs bis sieben Jahren ein Gesamtinvestvolumen von 650 Milliarden Euro in Europa auf den Weg zu bringen.

Die Hauptnutznießer sind zu 80 % kleine und mittlere Unternehmen. Wenn man dann weiß, dass in Rheinland-Pfalz die Hauptwirtschaftskraft bei den kleinen und mittleren Unternehmen liegt – nämlich deutlich über 80 % bis zu 90 % –,

wird deutlich, gerade für uns Rheinland-Pfälzerinnen und Rheinland-Pfälzer ist es gut, dass Impulse vom Ausschuss der Regionen gesetzt worden sind.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und FDP)

Ein letzter großer Themenblock, der deutlich macht, dass Europa die Zukunft von uns allen stark im Blick hat: Es wurden wichtige Impulse vom Ausschuss der Regionen in Richtung mehr Nachhaltigkeit gesetzt. Beim Aktionsplan für mehr Kreislaufwirtschaft gehen starke Impulse vom Ausschuss der Regionen in diese Richtung, auch zu der verabschiedeten Plastikstrategie auf europäischer Ebene.

(Glocke des Präsidenten)

Auch hier kamen Impulse aus dem Ausschuss für Europa. Es wird deutlich, wie wichtig es ist, dass wir ein Europa im Sinne der Nachhaltigkeit haben, weil es leider so ist, dass viele Nationalstaaten zum Jagen getragen werden müssen, was die Nachhaltigkeitspolitik betrifft. Auch hier ist es ein guter Impuls. Frau Raab, dafür vielen Dank.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und FDP)

Zu den Ausführungen des Abgeordneten Hartenfels hat sich Abgeordneter Lohr zu einer Kurzintervention gemeldet.