Protokoll der Sitzung vom 23.01.2004

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abgeordneten Helmut Plüschau [SPD] und Anke Spoorendonk [SSW])

Wenn man sich in den USA anguckt, woher die Spitzenforscher eigentlich kommen, dann sieht man, dass über 60 % der Spitzenforscher und Spitzenlehrenden zugewandert sind; sie sind woanders ausgebildet worden.

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Ekkehard Klug [FDP])

- Nun lassen Sie mich erst einmal diesen Gedanken zu Ende bringen.

Von diesen 60 % sind sehr viele aus Deutschland. Das heißt, dass die Breitenförderung in Deutschland, die Qualifikation sehr gut ist, dass aber vielleicht das, was in Deutschland darauf aufbaut, fehlt. Darin gehe ich Ihnen ja Recht. Das ist ja eine Erkenntnis - „Brain-Train“ -, der auch vonseiten der Bundesregierung schon mit gewissen Maßnahmen, mit Programmen begegnet wird, weil dieses Phänomen längst erkannt worden ist.

Eines möchte ich besonders betonen: Über die Qualität der Hochschulen wird auch durch Studierende entschieden; auf die kommt es wesentlich an. Was bringen sie mit, welchen Leistungswillen bringen sie mit, welche Ideen haben sie, die in Forschungsprojekte und in Studiengänge von Graduiertenkollegs eingebracht werden? Davon hängt im Übrigen in den USA sehr stark das Prestige der jeweiligen Universität ab. Deswegen suchen sie sich ja die interessantes

ten Bewerber aus. Sie wissen: Wo es die guten Studierenden gibt, da gibt es eben auch die guten Professoren. Das sollten wir im Blick haben, nicht das traditionell gewachsene Vermögen. Damit können wir ohnehin nicht konkurrieren; das ist dort über Jahrhunderte über riesige Stiftungen aufgebaut worden. Exzellenz kann man nicht verordnen - das habe ich vorhin schon gesagt -; sie entsteht im Wettbewerb um Geld und Fördermittel und sie entsteht durch Freiheit und Konkurrenz.

Aber was wir von den USA lernen können, ist doch zweierlei: zum einen die entschiedene Ausrichtung an den Studierenden. Ich finde, wir sollten an den Hochschulen nicht nur dafür werben, dass sie vom Selbstauswahlrecht mehr Gebrauch machen als in dem Umfang, in dem sie es jetzt schon können, sondern wir sollten dieses Recht deutlich ausweiten. Ich bekenne mich dazu.

Ich stehe zu dem Modell, das die KMK vorgelegt hat, mindestens 50 % der Studierenden sollten die Hochschulen selbst auswählen können. Das finde ich richtig. Ich habe auch die Bundesregierung schon mehrfach aufgefordert - eine letzte Äußerung von Frau Bulmahn lässt mich da hoffen -, dieses Thema nun einmal abzuarbeiten, und zwar in dem Sinne, wie ich es gesagt habe: Stärkung des Selbstauswahlrechts der Hochschulen.

Wenn die Bedingungen für dieses Selbstauswahlrecht stimmen, dann kann auch die Funktion der ZVS auf die einer Serviceleistung beschränkt werden; dann brauchen wir sie in der bisherigen Art und Weise nicht mehr. Das Modell, das Herr Demuth in die Debatte gebracht hat, ist natürlich auch eines, das man bedenken sollte und steht übrigens nicht im Widerspruch dazu.

Der Nobelpreisträger Ketterle, der in Boston lehrt, sagt, die Auswahl der Studierenden sei eine seiner vornehmsten und wichtigsten Aufgaben; diese Aufgabe würde er unter keinen Umständen delegieren.

Vor diesem Hintergrund müssen wir uns doch fragen, warum das bei uns noch nicht so gesehen wird, denn darin drückt sich der Wert, das Potenzial der Studierenden aus - in welcher Form auch immer. Da müssen unsere Hochschulen und Professoren noch ein Stück dazulernen.

(Vereinzelter Beifall bei SPD und BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, ich möchte zum Schluss noch einen Gedanken äußern, weil er hier in der Debatte angeklungen und mir wichtig ist. Es geht um die Definition von Elite. Dabei geht es um die Debatte

(Ministerin Ute Erdsiek-Rave)

um eine zunehmende - so will ich es einmal sagen - Verwertungsorientiertheit. Das ist zu Recht von Frau Birk angesprochen worden: Die Geisteswissenschaftler melden sich zu Wort und sagen: Elite im Sinne einer gesellschaftlichen Definition von Verantwortungselite heißt immer, die Wissenschaften miteinander zu vernetzen und den Geisteswissenschaften dabei sozusagen eine konstitutive Rolle zuzuweisen.

(Vereinzelter Beifall bei SPD und BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN)

Wo Geistes- und Naturwissenschaften nicht miteinander verknüpft und vernetzt werden und wo nur noch auf die unmittelbare ökonomische Verwertbarkeit geschaut wird, reden wir über einen falschen Begriff von Elite; es war mir wichtig, Ihnen das zu sagen.

(Vereinzelter Beifall bei SPD und BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN)

Frau Präsidentin, ein letztes Wort zur Neuordnung von Kompetenzen von Bund und Ländern in Sachen Forschungsförderung und Hochschulbau! Ich bitte den gesamten Landtag um Unterstützung bei dieser Position. Die norddeutsche Position müssen Sie nicht anmahnen. Am Montag treffen sich die norddeutschen Wissenschaftsminister, um dies miteinander zu besprechen.

Hochschulbau muss Gemeinschaftsaufgabe bleiben und ein Rückzug des Bundes aus der Förderung der Einrichtungen der Blauen Liste - Sie wissen, dass einige unserer Institutionen auf der Blauen Liste stehen, beispielsweise das Leibniz-Institut für Meereswissenschaften - würde in Schleswig-Holstein zu Millionenverlusten führen. Das kann es nicht sein.

Ich bin dafür, dass die Einrichtungen, die von nationaler und internationaler Bedeutung für unser Land und Schleswig-Holstein sind, Gemeinschaftsaufgabe von Bund und Ländern bleiben. Bei dieser Position bitte ich Sie alle um Unterstützung.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich schließe die Debatte.

Es ist beantragt worden, den Antrag an den Bildungsausschuss zu überweisen. Wer so beschließen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Dies ist einstimmig so beschlossen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 2 auf.

Zweite Lesung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung der Verfassung des Landes SchleswigHolstein und des Gesetzes über Initiativen aus dem Volk, Volksbegehren und Volksentscheid (Volksabstimmungsgesetz)

Gesetzentwurf der Fraktionen von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 15/2154

Bericht und Beschlussempfehlung des Innen- und Rechtsausschusses Drucksache 15/2973

Ich erteile der Berichterstatterin des Innen- und Rechtsausschusses, der Frau Abgeordneten Schwalm, das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Innen- und Rechtsausschuss hat sich mit dem Gesetzentwurf beschäftigt. Der Ausschuss empfiehlt dem Landtag mit den Stimmen von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die Stimmen von CDU und FDP, den Artikel 1 des Gesetzentwurfs anzunehmen, und mit den Stimmen von SPD, CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bei Enthaltung der FDP empfiehlt der Ausschuss dem Landtag, den Artikel 2 des Gesetzentwurfs in der aus der Drucksache 15/2973 ersichtlichen Fassung anzunehmen.

Ich danke der Frau Berichterstatterin. Gibt es Wortmeldungen zum Bericht? - Das ist nicht der Fall.

Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat Herr Abgeordneter Puls.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir als Landtag sind nicht das Volk; wir vertreten es nur.

Wenn das Volk in Schleswig-Holstein mit immerhin mehr als 2,5 Millionen Menschen nicht so groß wäre - das sind über 2 Millionen Wahlberechtigte -, dann brauchte es uns gar nicht. Eine urdemokratische Volksversammlung könnte selbst beraten und bestimmen, wohin die Reise jeweils gehen soll.

Das ist aus organisatorischen Gründen bei einer solch großen Zahl von Bürgern und Bürgerinnen nicht möglich. Deswegen gibt es uns. Und wir als Regierungsfraktionen von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN haben einen Entwurf zur Neuregelung des Volksabstimmungsrechts in Schleswig-Holstein vorgelegt, der die bisherigen Erfahrungen mit direkter Demokratie hier bei uns im Lande berücksichtigt und

(Klaus-Peter Puls)

aufgetretene Probleme bei der Anwendung und Umsetzung beseitigen soll.

Uns geht es nicht nur um die Wahlbeteiligung des Volkes einmal alle fünf Jahre, wenn es um die personelle Neuzusammensetzung unseres Landtages geht. Wir wollen das Interesse der Bürger und Bürgerinnen an schleswig-holsteinischer Landespolitik auch zwischen den Wahlen erhöhen und die dafür gegebenen Voraussetzungen für die Mitbestimmung an landespolitischen Sachentscheidungen verbessern und zu Verbesserungen anregen.

Die Regelungen zum Volksabstimmungsrecht sind schon relativ alt. 1990 gab es die Verfassungsreform. Da haben wir die Verfassungsgrundsätze für die Volksabstimmung festgelegt und im Volksabstimmungsgesetz von 1995 sind sie weiter konkretisiert worden.

Die Praxis zeigt, dass das Instrument nicht immer leicht zu handhaben gewesen ist. Formaljuristische Anforderungen sind in den Gesetzestexten enthalten und auch bürokratische Verfahren und Vorgaben wurden häufig als Behinderung empfunden. Mit der Aufhebung des erfolgreichen Volksentscheids gegen die Einführung der neuen Rechtschreibung durch den Landtag ist außerdem vielfach der Eindruck entstanden - insbesondere bei den Initiatoren der Volksinitiative, die damals erfolgreich war -, das Parlament könne sich jederzeit und ohne weiteres über einen Volksentscheid hinwegsetzen und etwas Anderes, als es das Volk will, entscheiden.

Wir wollten mit unserem Gesetzentwurf die Durchführung von Volksbegehren und Volksentscheiden durch Verfahrensvereinfachungen erleichtern. Wir wollten die Information der Bevölkerung über die Möglichkeiten des Verfahrens und den Inhalt eingebrachter Vorlagen verbessern. Wir wollten während des gesamten Verfahrens - von der Volksinitiative über das Volksbegehren bis hin zum Volksentscheid - mit Zustimmung der Initiative Änderungen ermöglichen, um gegebenenfalls den Volksentscheid bei Einvernehmen auch vor dem Hintergrund seines doch nicht unbeachtlichen Kostenaufwandes ganz zu ersparen, und wir wollten die Verbindlichkeit des Ergebnisses einer erfolgreichen Volksabstimmung verfassungsrechtlich verankern und ausdrücklich unterstreichen.

Wir freuen uns, dass die Opposition angekündigt hat, den meisten dieser Verbesserungsvorschläge heute zuzustimmen. Wir bedauern, dass die von uns angeregte Verfassungsänderung zur Verbindlichkeit eines erfolgreichen Volksentscheids von beiden Oppositionsfraktionen offenbar auch heute abgelehnt werden

soll. Wir finden das deshalb bedauerlich, weil wir dafür insbesondere die CDU-Fraktion

(Zuruf des Abgeordneten Wolfgang Kubicki [FDP])

- auch Sie sind uns willkommen, Herr Kubicki - brauchen. Für eine Verfassungsänderung sind wir schließlich auf die Zweidrittelmehrheit im Landtag angewiesen. Dieses Anliegen wird hinsichtlich des Punktes „Haltbarkeitsdatum eines erfolgreichen Volksentscheids“ heute nicht zu erreichen sein; so hat es jedenfalls der Kollege Dr. Wadephul angekündigt. Sie wollen diesen Punkt weiterhin blockieren, Herr Kollege Wadephul. Dies geschieht - wie wir insgesamt in der rot-grünen Regierungskoalition denken - aus formaljuristischen und rechtsdogmatischen Gründen.

Auch wir sehen Volksgesetzgebung nicht höherrangig als Landesgesetzgebung an. Gleichwohl sollten wir uns - um die Attraktivität und unsere Glaubwürdigkeit gegenüber dem Volk, dem wir solche Möglichkeiten anbieten, zu erhöhen - eine gewisse Zurückhaltung auch in die Verfassung hineinschreiben, was erfolgreiche Volksentscheide angeht. Wir sollten ferner zumindest eine Sperrfrist von zwei Jahren - wie von uns vorgeschlagen - im Gesetz und dann in der Verfassung vorsehen.

Wir hoffen nicht mehr darauf, dass Sie diesem Punkt zustimmen werden. Gleichwohl können Sie Ihre Meinung zum Unterschied zwischen Landtagsgesetzgebung und Volksgesetzgebung darstellen. Ich meine nicht, dass man das formaljuristisch sehen sollte, sondern dass man aus pragmatischen Gründen dem Volk entgegenkommen sollte.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich erteile Herrn Abgeordneten Dr. Johann Wadephul das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich darf zur Abstimmung darum bitten, dass wir zunächst über die Ziffern 1 und 2 des Artikels 1 ohne den Absatz 5 abstimmen, dann über Absatz 5 und danach über Artikel 2.