Angesichts der Schwierigkeiten, die sich beim Vollzug der asylrechtlichen Bestimmungen vor allem dann ergaben, wenn Asyl- und Vertriebenenbewerber sowie Bürgerkriegsflüchtlinge bereits länger in Deutschland waren und sich faktisch integriert hatten, haben die Innenminister und -senatoren der Länder zahlreiche Altfall- und Härtefallregelungen beschlossen: Ich nenne die Altfallregelung anlässlich des Asylkompromisses 1992, die Regelung für ehemalige DDR-Vertragsarbeitnehmer aus Angola, Mosambik, Vietnam von 1993, die Härtefallregelung von 1996 für Familien mit minderjährigen Kindern, die Altfallregelung von 1999 für abgelehnte Asylbewerber, die Altfallregelung für Bürgerkriegsflüchtlinge aus dem ehemaligen Jugoslawien von November 2000, Februar 2001 und Mai 2001, die Bleiberegelung für abgelehnte Spätaussiedlerbewerber von November 2001 und schließlich die Härtefallregelung im Rahmen des Zuwanderungskompromisses aus dem Juni dieses Jahres.
Hinzu kommt die Umsetzung der EU-Anerkennungsrichtlinie die nichtstaatliche und geschlechtsspezifische Verfolgung betreffend, die auch Bestandteil des ausgehandelten Zuwanderungskompromisses ist. Diese umfangreiche Auflistung macht deutlich, dass es in diesem Bereich bereits zahlreiche Regelungen gegeben hat. Wir sollten allerdings nicht den nun gefundenen Zuwanderungskompromiss wieder durch weit reichende zusätzliche Forderungen von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN aus Schleswig-Holstein
gefährden. Bei allem Verständnis für die grünen Kollegen, weil sie an der Ausformulierung des gefundenen Kompromisses nicht direkt beteiligt gewesen sind, sollte doch die gefundene Einigung Bestand haben. Wir als CDU haben volles Vertrauen in diejenigen, die den gefundenen Kompromiss in Gesetzestexte gegossen haben. Wir haben Vertrauen zu Herrn Schily, zu Herrn Beckstein und zu Herrn Müller.
Erlauben Sie mir noch einige Bemerkungen zu unserem Antrag „Sicherheit, Integration und Zuwanderung“ aus der vorletzten Landtagstagung. Das notwendige Beharren der Union, den untrennbaren Zusammenhang zwischen Zuwanderung, Integration und Sicherheit auch bei diesem Gesetzesvorhaben beizubehalten, hat sich gelohnt. Es ist der Union zu verdanken, dass etwa eine Abschiebungsanordnung der Länder und des Bundes schon aufgrund einer tatsachengestützten Gefahrenprognose erfolgen kann, dass bei Einbürgerungsverfahren und vor Erteilung unbefristeter Niederlassungserlaubnissen zwingend eine Regelanfrage beim Verfassungsschutz erfolgt, dass Hassprediger ausgewiesen werden können, dass Schleuser, die zu Freiheitsstrafen von einem Jahr verurteilt sind, ausgewiesen werden müssen und dass eine Warndatei für Visumverfahren eingerichtet wird und damit eine erste Konsequenz aus dem SchleuserSkandal aufgrund des Fischer-Volmer-Erlasses gezogen wird.
Ein weiterer Erfolg ist darüber hinaus, dass der Bund seine finanzielle Verantwortung bei der Integration endlich wahrnimmt und damit Länder und Kommunen vor weiteren finanziellen Belastungen geschützt werden. Ich bin sehr froh darüber, dass im Rahmen der Ausformulierung des Zuwanderungskompromisses all diese Punkte, die wir vor zwei Plenartagungen als Unionsinitiative hier eingebracht haben, übernommen worden sind. Ich finde, das ist eine positive Entwicklung. Wir sollten diesen gefunden Kompromiss und die darin enthaltenen wichtigen Punkte nicht weiter belasten und gefährden.
Für die Fraktion der FDP erteile ich dem Fraktionsvorsitzenden, Herrn Abgeordneten Wolfgang Kubicki, das Wort.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ein herzliches Lachen überkam mich, als ich den Antrag von SPD und Grünen auf meinem Schreibtisch sah;
nicht wegen des Inhalts, der ist sicherlich wichtig, aber wegen der Absender. Ich bin völlig begeistert, dass der Kollege Lehnert und der Kollege Puls den heutigen Gesetzestext, der vereinbart worden ist, in höchsten Tönen loben, ohne dass sie ihn kennen, ohne dass ihn überhaupt jemand kennt. Ich finde, das ist eine neue Qualität. Ich freue mich auch, dass die Grünen als Koalitionspartner dem jetzt auch zustimmen.
- Herr Kollege, ich bitte um ernsthafte Beiträge! Es ist schon interessant, wie Rot-Grün in Kiel Rot-Grün in Berlin vorführen möchte. Da SPD und Grüne es aber anscheinend nicht anders wollen, nutze ich gern gemeinsam mit Ihnen die Gelegenheit, die rot-grüne Politik in Berlin zu kritisieren.
SPD und Grüne fordern im Landtag, dass sich die Landesregierung in den weiteren Beratungen über das Zuwanderungsgesetz dafür einsetzt, die übrigens zu Ende sind, eine eigene Bleiberechtsregelung für Menschen mit langjährigem Duldungsstatus, eine so genannte Altfallregelung zu treffen. Ich bin gespannt, was der Innenminister unseres Landes in den weiteren Debatten gegenüber Herrn Schily und anderen durchsetzen wird. Wir werden ihn im Laufe der SeptemberTagung fragen, wie gewichtig das Wort SchleswigHolsteins - die Stimme des Landes und dieses Innenminister - war. Wir werden fragen, ob sich an dem, was heute vereinbart worden ist, auch nur ein Jota ändern wird. Darauf bin ich wirklich gespannt!
Wie immer möchten sich Rot und Grün in SchleswigHolstein als Parteien mit hohen moralischen und ethischen Werten darstellen. Dabei sind sie nichts als zahnlose Papiertiger. Fakt ist doch: Wenn Schily mit der Keule schwingt, dann verkriechen sich die Bundestagsfraktionen von SPD und Grünen lieber wie zahme Schoßhündchen in die Kuschelecke. Ich stelle zunächst fest, dass der Zuwanderungsgesetzentwurf von SPD und Grünen, der zur Abstimmung gestellt worden war und wieder zur Abstimmung gestellt werden sollte, zunächst die Altfallregelung nicht aufwies, Kollege Puls. Erst die FDP-Bundestagsfraktion hat diese Regelungen in die Verhandlungen zum Zuwanderungsgesetz eingeführt.
Zugegebenermaßen stieß unser Vorschlag bei den Regierungsfraktionen in Berlin einhellig auf Sympathie. Da war aber noch der Bundesinnenminister. Zur Historie: Er war maßgeblich daran beteiligt, zusammen mit den Unionsfraktionen die Altfallregelung zu verhindern. Unser Landesinnenminister weist im Übrigen in den letzten Monaten immer mehr Gemein
samkeiten mit Herrn Schily auf. Sogar die Union umjubelt ihn im Innen- und Rechtsbereich, weil er Unionspositionen immer konsequenter vertritt.
Ob dieser Innenminister nun der richtige Ansprechpartner zur Durchsetzung der Altfallregelung bei Herrn Schily ist, daran haben wir zumindest Zweifel, obwohl ich seine persönliche Haltung in dieser Frage kenne. Ich denke, wie groß die Durchsetzungsfähigkeit ist, werden wir noch sehen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von SPD und Grünen, reden Sie doch zuerst mit Ihren eigenen Fraktionen in Berlin, denn die stimmen im Bundestag darüber ab. Reden Sie mit Ihren eigenen Fraktionen in Berlin, bevor Sie hier im Parlament Anträge stellen, von denen ich sage, dass sie reine Placebos sind.
Die Forderung, die so genannten Altfälle zu regeln, ist nicht neu. Sie wird seit Jahren von der FDP, von Verbänden und Vereinen - übrigens auch von den Grünen - zu Recht gefordert. Übrigens wird sie auch von den Kirchen gefordert; dies nur als Hinweis an die CDU.
Was aber bedeutet der Duldungsstatus real? Es geht dabei um die Menschen, die keine eigene Aufenthaltsberechtigung in der Bundesrepublik besitzen, sondern lediglich attestiert bekommen, dass die Abschiebung für einen unbestimmten Zeitraum ausgesetzt ist. Die Abschiebung wird beispielsweise dann ausgesetzt, wenn Herkunftsländer die Flüchtlinge nicht aufnehmen konnten, den Flüchtlingen dort Folter drohen oder weil das Herkunftsland bisher nicht ermittelt werden konnte.
Nach der Intention des bisherigen Ausländerrechts sollen Duldungen nicht länger als ein Jahr erteilt werden. Tatsächlich sind die Duldungen aber zu einem Ersatzaufenthaltsrecht geworden, welches die Betroffenen in administrativer Hinsicht erheblich schlechter stellt als Personen mit Aufenthaltsrecht. So unterliegen geduldete Flüchtlinge der Residenzpflicht. Sie dürfen ihren Wohnort nicht frei wählen und müssen für Reisen die Genehmigung der Ausländerämter einholen. Sie unterliegen oftmals einem faktischen Arbeitsverbot.
Weil deutsche Staatsbürgerinnen und Staatsbürger Vorrecht auf einen Arbeitsplatz haben, bekommen geduldete Flüchtlinge in der Regel keine Arbeitserlaubnis. Das gilt auch dann, wenn sie einen Arbeitsplatz nachweisen können. So sieht es aus und hier gibt es noch viel zu tun, denn es geht nicht nur um
menschliche Schicksale, sondern es geht auch darum, dass der Bevölkerung bei uns kaum zu vermitteln ist, warum die, die bei uns geduldet werden, an ihrem eigenen Erwerbseinkommen aufgrund der jetzigen rechtlichen Regelung nicht teilnehmen können.
Wir stimmen Ihrem Antrag in der Intention zu. Das wissen Sie. Ich habe mir allerdings auch gedacht, dass Sie ihn möglicherweise zurücknehmen, weil wir zunächst abwarten sollten, wie der Gesetzestext aussieht. Herr Puls, vielleicht denken Sie noch einmal darüber nach. Wir stimmen in der Intention Ihrem Antrag zu. Wir werden mit Ihnen gespannt beobachten, wie die Union und Herr Schily bei Untätigkeit der rot-grünen Regierungsfraktionen in Berlin das Petitum des Schleswig-Holsteinischen Landtags in der parlamentarischen Rundablage versenken werden.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kubicki, wir haben uns aus mehreren Gründen für den vorliegenden Antrag entschieden. Ich bin auch nicht dafür, ihn zurückzunehmen. Das werde ich gleich begründen: Erstens. Immer wieder können wir Berichte lesen, in denen Gemeinden, Firmen, Schulklassen und andere Gruppierungen in unserer Gesellschaft und auch in unserem Land darum kämpfen, dass Menschen aus ihren Reihen nicht herausgerissen und zwangsweise in ihre so genannten Herkunftsländer zurückgeführt werden, wobei zurückführen hier natürlich ein blanker Euphemismus ist. Sie sollen in Herkunftsländer zurückgeführt werden, mit deren Kultur und Sprache sie noch nie oder mittlerweile nicht mehr vertraut waren oder sind.
Zweitens. Eine große Initiative eines Flüchtlingsverbandes hat - ich glaube, seit März - unter der Leitung des ehemaligen Bundesministers Schwarz-Schilling 40.000 Unterschriften gesammelt, um auf die zwischenzeitlich immer größeren Widersprüche zwischen der tatsächlichen Situation in Ländern wie Afghanistan, dem Kosovo oder dem Irak und der Beurteilung der zuständigen Behörden zu verweisen.
So weist der Hohe Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen auf die bedrückenden Verhältnisse im Kosovo hin. Sein Fazit im April diesen Jahres: „Angehörige aller Minderheiten, vor allem der Volksgruppen der Serben, Roma, Ashkali und Ägypter …“ soll „Schutz in den Asylländern gewährt werden“.
Besonders gefährlich ist dabei nach Einschätzung des UNHCR die Situation für Kosovo-Albaner, die in biethnischen Partnerschaften leben, sowie für Personen gemischter ethnischer Herkunft und Kosovo-Albaner, die mit dem serbischen Regime nach 1990 in Verbindung gebracht werden. Gleichzeitig kommen unsere Innenministerkonferenzen immer wieder dazu, verschärft Rückführungen und zwangsweise Rückführungen auch in den Kosovo zu planen. Ich möchte in diesem hohen Hause, wo sich offensichtlich Menschen sehr engagiert mit der Frage der Zuwanderung beschäftigen, auf diesen Zusammenhang aufmerksam gemacht haben.
Im Klartext heißt das nämlich, dass über 10.000 anerkannten Flüchtlingen aus dem Kosovo das Asylrecht aberkannt werden soll, abgesehen von den lediglich geduldeten Menschen, die seit Jahren bei uns leben und hier zum großen Teil auch integriert sind, wenn sie denn Wege gefunden haben, all diese schwierigen Hürden - Herr Kubicki hat sie ja dargestellt, Klaus-Peter Puls übrigens auch - zu überwinden.
Drittens. Der Streit um das Zuwanderungsgesetz wird nun vielleicht hoffentlich endlich beigelegt, was man nicht wissen kann, denn die CDU streitet noch und ob die Grünen das so akzeptieren, ist fraglich. Man muss ihnen beinahe davon abraten. Denn es ist tatsächlich das daraus geworden, was schon zu Anfang zu befürchten war, es ist nämlich kein Zuwanderungsgesetz, sondern ein Zuwanderungsverhinderungsgesetz. Das haben Sie auch so gewollt und das haben Sie jetzt noch einmal bekräftigt, jedenfalls ist das in den Unterlagen, die ich gesehen habe, so. Darin wurde noch einmal die so genannte Aufnahmefähigkeit Deutschlands als Kriterium ausdrücklich mit eingebracht. Das heißt also, es wurde eher die Begrenzung von Zuwanderung betont als deren Ermöglichung. Wir Grüne sind mit den Sozialdemokraten und den Freien Demokraten sowie vielen Unternehmensverbänden - darauf habe ich vor zwei Monaten schon hingewiesen - der Meinung, dass dieses Land dringend Zuwanderung braucht.
Wir haben Zuwanderung in unserem Land. Wir haben Menschen, die herkommen wollen. Wir haben Menschen, die sich hier integrieren wollen, die an der deutschen Gesellschaft teilhaben wollen und Sie wollen sie rausweisen. Das ist die Wahrheit.
- Nein, das ist kein gemeinsamer Gesetzentwurf. Herr Kubicki hat das deutlich dargestellt. Das ist der Gesetzentwurf von CDU und CSU - wobei sich noch nicht einmal die einig sind - und Schily, SPD. Ob wirklich die SPD-Fraktion dahinter steht, ist noch die Frage. Ob die Grünen als Koalitionspartner dazu stehen, ist auch noch die Frage.
Ich möchte sagen, was meine Gründe sind, meinen Parteifreunden in Berlin eher zu raten und zu sagen: Überlegt euch das gut. Selbst Flüchtlingsverbände sind inzwischen wieder dazu übergegangen, dass sie sagen, dieses ist ein Zuwanderungsverhinderungsgesetz und kein Zuwanderungsgesetz. Das ist der Grund, der dritte Grund, weshalb ich diesen Antrag gern beibehalten möchte, weil aus meiner Sicht nämlich noch überhaupt nicht ausgesungen ist, was hier passiert.
Ich möchte gern, wenn denn dieser Konflikt über das Zuwanderungsgesetz endlich beigelegt sein sollte, dass es gelingt, diese Unmenschlichkeiten, auf die ich eben hingewiesen habe, aus der Welt zu schaffen.
Kriegsflucht und Verfolgung bringen für die Überlebenden die Welt nicht zum Stillstand. Menschen richten sich in neuen Heimatländern ein, finden Arbeit und soziale Kontakte, bekommen Kinder, werden nach und nach - trotz aller Schrecken, die sie hier hergebracht haben - heimisch und fangen ganz von vorn an.
Last, but not least: Herr Innenminister, im Juli werden Sie mit Ihren Ministerkollegen hier in Kiel zusammenkommen. Wir wollen Sie darin unterstützen, sich dafür einzusetzen, dass Menschen, die Opfer von Krieg und Verfolgung geworden sind und bei uns einen Neuanfang geschafft haben, auch bei uns bleiben können.
Das Wort für den SSW im Schleswig-Holsteinischen Landtag hat jetzt Frau Abgeordnete Silke Hinrichsen.