Protokoll der Sitzung vom 29.09.2000

Das Pällmann-Gutachten hast du ja eben zitiert, Bernd. Ich denke, darin ist die Problemlage der Bundesbahn ganz deutlich aufgezeigt. Lassen Sie mich zitieren:

„Der Finanzbedarf für die Bundesschienenwege im Zusammenhang mit der Realisierung der ‘Strategie Netz 21’ umfasst rund 13 Milliarden DM, zunächst nur bis zum Jahr 2010. Davon kann das Unternehmen allenfalls 3,7 Milliarden DM selbst aufbringen. Von den verbleibenden 9,3 Milliarden DM werden nach dem gegenwärtigen Stand 6,8 Milliarden DM durch den Bund abgedeckt. Das führt rechnerisch auf einen ungedeckten Finanzbedarf von 2,5 Milliarden DM.

Darin ist noch nicht einmal der Instandhaltungsrückstand gerade in den regionalen Netzen eingeschlossen. Brückenbauwerke und Sonderbauwerke sind überhaupt nicht erst berücksichtigt.“

Bei dieser Situation kann sich die Bundesbahn eigentlich nur durchwursteln, denn betriebswirtschaftlich lässt sich da gar nichts machen.

Warum sollen sie uns nun besser ausstatten? Herr Mehdorn hat meines Erachtens - für so dumm halte ich ihn schlichtweg nicht, dass er das nicht erkennen würde - keine andere Möglichkeit, als sich durchzulavieren, denn woher soll er die 9 Milliarden DM, die ihm fehlen, bekommen?

Summa summarum meinen wir, wir sollten diesen Antrag heute nicht überstürzt verabschieden, auch wenn das im Augenblick populistisch erscheint, sondern wir sollten im Ausschuss noch einmal genau darüber sprechen, was wirklich getan werden muss. Welche Strecken sind in der Zukunft wirklich zwingend notwendig, nicht nur ökologisch, sondern auch ökonomisch? Da müssen wir ganz realistisch werden.

Weiter müssen wir von der Bundesregierung aber wirklich die strikte Trennung von Bahnnetz und Betrieb verlangen, die die DB AG ja nicht will.

(Beifall bei CDU und F.D.P.)

Diese Trennung muss einfach kommen. Das verlangt auch das EU-Recht - die Richtlinie 91/440.

Die finanzielle Sicherung der Investitionen muss außerdem in vollem Umfang beim Bund bleiben. Sie wird ja aus dem Mineralölsteueraufkommen finanziert, aber nach unserer Meinung muss auch eine Zweckbindung zumindest eines gewissen Anteils für die Bundesbahn vorgesehen werden, denn auch dies gehört ja zu einer solchen Struktur dazu.

Außerdem meinen wir, dass sich die Deutsche Bahn AG im Personenfernverkehr auf die TEN-Linien - also die Hauptlinien, die europaweit vorgeschrieben sind beschränken sollte, also auf die Verbindungsstrecken zwischen den Metropolen.

Die Monopolstellung im Güterfernverkehr für die DB-Cargo sollte aufgehoben werden. Wir meinen, dass gerade ein Wettbewerb im Güterfernverkehr erhebliche Bereinigungen und Entlastungen auf den Bundesstraßen mit sich bringen könnte.

Weiter: Die Länder werden den Personennahverkehr übernehmen, aber nicht die Strecken, sondern die Bewirtschaftung. Was dies angeht, so meine ich, dass die der Interregiostrecken durch uns vernünftig bewirtschaftet werden können - allein wegen der besseren

(Uwe Eichelberg)

Beurteilungsmöglichkeit, die wir hier vor Ort haben. Der Herr Minister hat immer sehr deutlich gesagt, dass wir in diesem Punkte gut vorangekommen sind.

Die Bahnstationen gehören unseres Erachtens mit zum Netz. Die Verantwortung dafür muss auch beim Bund bleiben.

Andererseits muss - damit das auch vernünftig abläuft - das Bundesbahnaufsichtsamt gestärkt werden. Die Bundesbahnaufsicht muss die Qualität der Anbieter und die Sicherheit gewährleisten. Sie gilt auch als Regulierungsbehörde.

Deswegen bitten wir Sie, im Ausschuss noch einmal mit Vernunft darüber zu sprechen. Das Ziel ist ja für alle Parteien dasselbe, nur dürfen wir uns beim Bund nicht lächerlich machen, sondern wir müssen die richtigen Zahlen und vernünftige Wünsche auf den Tisch legen. Dann kann man damit auch arbeiten.

(Beifall bei CDU und F.D.P.)

Ich erteile der Frau Abgeordneten Aschmoneit-Lücke das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Wirtschaftsminister will den Wettbewerb auf der Schiene fördern, indem er weitere Strecken ausschreibt. Die Regierungsfraktionen wollen - jedenfalls habe ich ihren Antrag so verstanden - den Wettbewerb auf der Schiene fördern, indem sie das Schienennetz wieder in unmittelbares Staatseigentum zurückführen Bund oder Land. Das ist Privatisierung auf SchleswigHolsteinisch!

(Beifall bei F.D.P. und CDU)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Absicht des Ministers unterstützen wir voll und ganz, die Rückwärtsrolle von SPD und Grünen machen wir allerdings nicht mit. Es ist inzwischen ja wohl unbestritten, dass sich die DB selbst Vorteile bei der Nutzung des Netzes eingeräumt und Konkurrenten benachteiligt hat. Diese Entwicklung ist nicht überraschend. Sie liegt sozusagen in dem Institut „Eigentum“; der Eigentümer versucht natürlich immer, sich so weit wie möglich Vorteile zu verschaffen, und Monopolisten überschreiten dabei häufig - ich nehme an, darin sind wir uns einig die Grenzen des Hinnehmbaren. Ein Verfahren beim Bundeskartellamt war deshalb anhängig und die DB hat reagiert. Zum 1. Januar 2001 wird das Preissystem für die Trassennutzung umgestellt und die Mengenrabatte für die DB entfallen.

Das Problem ist insofern etwas kleiner geworden. Trotzdem zeigt der Vorgang, dass die institutionellen Bedingungen des Netzzugangs noch nicht optimal sind. Der Staat hat die angemessene Versorgung der Bevölkerung mit Transportangeboten auf der Schiene zu sichern. Das folgt ganz konkret aus Artikel 87 e Abs. 4 des Grundgesetzes,

(Wolfgang Kubicki [F.D.P.]: Nachlesen!)

bedeutet aber nicht, dass er das Schienennetz unmittelbar selbst betreiben muss; im Gegenteil!

(Beifall bei der F.D.P.)

Die Jahrzehnte bis 1994 haben gezeigt, dass dies zu erheblicher Misswirtschaft führte, die wiederum die Erfüllung des staatlichen Versorgungsauftrags eher gefährdete. Die Folgen haben wir heute noch zu tragen, zum Beispiel ein in weiten Strecken verrottetes Gleismaterial.

Genau diese Missstände und diese Misswirtschaft waren der Anlass für die Bahnreform.

(Wolfgang Kubicki [F.D.P.]: So ist es!)

Wir stimmen mit Ihnen allerdings darin überein, dass prinzipiell alle Anbieter diskriminierungsfreien Zugang zum Schienennetz haben müssen und dass der Staat diese Chancengleichheit sichern muss.

(Beifall bei der F.D.P.)

Ihre aus dem Pällmann-Gutachten übernommene Forderung nach totaler Verstaatlichung des Netzes schießt allerdings weit über dieses Ziel hinaus. Zugang zu gleichen Bedingungen für alle Anbieter lässt sich verwirklichen, indem lediglich die Preisgestaltung für Fahrplantrassen überwacht wird.

Nehmen Sie das Beispiel des Telekommunikationsmarktes: Eine Regulierungsbehörde sorgt dafür, dass alle Anbieter gleiche Konditionen für die Nutzung des ehemals staatlichen Monopolnetzes haben. Warum soll ein ähnliches Modell nicht auch für das Schienennetz infrage kommen?

(Beifall bei der F.D.P. und vereinzelt bei der CDU)

Wir brauchen dazu nicht einmal eine neue Behörde. Die Aufsicht könnte im Bundesverkehrsministerium selbst oder beim Eisenbahnbundesamt liegen.

Ich möchte noch zwei möglichen Missverständnissen vorbeugen.

Erstens. Gleich hohe Preise für die Nutzung einer Fahrplantrasse bedeuten nicht, dass die Preise für alle Fahrplantrassen gleich hoch sein müssen.

(Wolfgang Kubicki [F.D.P.]: So ist es!)

(Christel Aschmoneit-Lücke)

Die ökonomische Effizienz gebietet es vielmehr, dass die Nutzung besonders stark nachgefragter Fahrplantrassen teurer sein sollte als die Nutzung der weniger nachgefragten. Hier kommt dann auch der staatliche Versorgungsauftrag, die Garantie des Staates, wieder zum Tragen: Bei Strecken mit geringen Ertragsaussichten muss der Staat die Anbieter - Netz oder Betreiber - stärker unterstützen, um die Anbindung der Bevölkerung an das Schienennetz zu sichern.

Zweitens. Die Regulierung der Trassenpreise bedeutet auch nicht, dass sich der Staat komplett aus der Finanzierung des Erhalts und des Ausbaus des Schienennetzes zurückziehen könnte. Eine flächendeckende Anbindung an die Schiene wird sich privatwirtschaftlich auf absehbare Zeit nicht rechnen.

(Beifall des Abgeordneten Uwe Eichelberg [CDU])

Ich glaube, auch hier sind wir uns einig. Steuergelder müssen weiterhin in das Schienennetz fließen und die Ankündigung, in den nächsten zehn Jahren 25 Milliarden DM für das Schienennetz einzubringen, war ja deutlich genug.

Ein öffentliches Unternehmen in privatrechtlicher Form und mit Gewinnerzielungsabsicht wird diese Gelder allerdings effektiver einsetzen als jede öffentliche Verwaltung.

Die totale Verstaatlichung des Schienennetzes ist der falsche Weg, um Chancengleichheit beim Zugang zu sichern. Das wäre ein Rückfall in schlechte alte Zeiten. Deshalb lehnen wir diesen Antrag im Prinzip ab. Selbstverständlich werden wir uns aber einer Ausschussüberweisung keinesfalls widersetzen und mit Ihnen stimmen und dieses Problem mit Ihnen allen diskutieren.

(Beifall bei der F.D.P. und des Abgeordneten Uwe Eichelberg [CDU])

Ich erteile Herrn Abgeordneten Hentschel das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Dieser Antrag ist das Ergebnis meiner vierjährigen Erfahrung als Verantwortlicher „Verkehr“ in einer der beiden Regierungsfraktionen in diesem Landtag.

(Wolfgang Kubicki [F.D.P.]: Das merkt man! - Präsident Heinz-Werner Arens übernimmt den Vorsitz)

Meine Geduld ist am Ende. Wir treiben in SchleswigHolstein die Regionalisierung voran, wir haben einen Landesnahverkehrsplan verabschiedet, der den Ausbau des Schienenverkehrs in 15 Jahren beschreibt, wir haben begonnen, alle Strecken nach und nach auszuschreiben und bis 2008 sollen alle Strecken in Schleswig-Holstein in den Wettbewerb gehen.