Protokoll der Sitzung vom 26.08.2004

Es bleibt dabei: Hartz IV bietet für viele Menschen, die seit vielen Jahren von Arbeitslosigkeit oder Sozialhilfebedürftigkeit betroffen sind, Chancen. Es wird versucht, die Arbeitslosigkeit nicht auf Dauer zu verwalten, sondern sie zu bekämpfen, abzubauen und eine aktive Arbeitsmarktpolitik in allen Bereichen einzufordern.

Es sind allerdings auch einige kritische Bemerkungen zu machen. Es gibt zum Beispiel ein Vermittlungsproblem für Maßnahmen, die durch Hartz IV angeschoben werden. Es ist schon gesagt worden, dass es nicht sachgerecht ist, von 1-€-Jobs zu sprechen. Die entsprechende Regelung, die mit den 1-€-Jobs angedeutet wird, kennen wir im Bereich der Sozialhilfe schon seit vielen Jahren. Es geht darum, Arbeit anzubieten, bei der der normale Leistungsbezug weiterge

währt wird und zusätzlich 1 bis 2 € pro Arbeitsstunde gezahlt werden. In der Sozialhilfe nannte sich dies Arbeit mit Mehraufwandsentschädigung. Das Lübecker Modell war seinerzeit bundesweit ein Vorreiter für diese Form der Integration von Sozialhilfeberechtigten bezüglich der Arbeit.

Ein weiterer Punkt, den man ansprechen muss: Die Politik muss zu ihrem Wort stehen, die kommunalen Ebenen in voller Höhe finanziell zu entlasten.

(Beifall der Abgeordneten Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Wir begrüßen die Aussage der Landesregierung; sie schafft die notwendige Klarheit für SchleswigHolstein. Dass dies andernorts ganz anders gehandhabt wird, machen die Aufschreie von Kommunalpolitikern und Bürgermeistern in Niedersachsen deutlich. Die dortige CDU/FDP-Landesregierung will von den 250 Millionen €, die den niedersächsischen Städten und Gemeinden als Entlastung zustehen, 158 Millionen € in die eigene Tasche wirtschaften, sodass nur noch 92 Millionen € für die Kommunen in Niedersachsen übrig bleiben. Dass ein solches Verhalten auch zu Verunsicherungen andernorts führen kann, ist verständlich. Hier in Schleswig-Holstein entlasten wir die Kommunen in voller Höhe mit den ihnen zustehenden finanziellen Mitteln. Dies ist ein wohltuender Beitrag zur Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung und der Fairness in den Beziehungen zwischen Land und Kommunen.

(Beifall bei der SPD)

Ein weiterer Punkt bleibt die pünktliche und zuverlässige Zahlung der Unterstützungsleistungen ab dem 1. Januar 2005. Die Umsetzung erfordert überall große Anstrengungen - bei der Bundesagentur für Arbeit, bei den kommunalen Sozialämtern, aber auch bei den Beratungsstellen von Wohlfahrtsverbänden und anderen. Für diese Aufgabe, die vor Ort mit großem Engagement angegangen wird, gilt es den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in diesen Bereichen zu danken. Sie leisten viel, um die fristgerechte Zahlbarmachung des Arbeitslosengeldes II bzw. des Sozialgeldes für mehr als 100.000 Langzeitarbeitslose und ihre Familien in Schleswig-Holstein sicherzustellen.

(Beifall bei der SPD und der Abgeordneten Angelika Birk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN])

Die Arbeitsgemeinschaften zwischen der Bundesagentur für Arbeit und den Kommunen, aber auch die Landkreise, die sich für das Optionsmodell entscheiden wollen, haben noch sehr viel Arbeit vor sich und viele offene Fragen zu beantworten.

(Wolfgang Baasch)

Mit Hartz IV wird auch in Schleswig-Holstein ein entscheidender Schritt zum Abbau der Arbeitslosigkeit getan. Mit dem Vierten Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt, Hartz IV, und den von der Bundesregierung eingeführten Verbesserungen - alle Anspruchsberechtigten werden die Leistungen ab dem 1. Januar 2005 erhalten und für die Kinder wird es einen einheitlichen Freibetrag von 4.100 € ab der Geburt geben - wird deutlich: Hartz IV bringt mehr Gerechtigkeit.

Dies gilt aber nur, wenn es neben den veränderten Zahlungen und Einschränkungen, die auf die Betroffenen zukommen, auch zur Förderung der Arbeitslosengeld-II-Berechtigten kommt. Gezielte Einzelfallbetreuung sowie Angebote zur Qualifizierung und für Beschäftigung darf es nicht irgendwann geben, deshalb sind sie von Anfang an Bestandteil des Forderns und Förderns.

(Beifall bei der SPD - Werner Kalinka [CDU]: Das ist CDU-Politik!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir wollen den Bericht im Sozialausschuss und mitberatend im Wirtschaftsausschuss gern weiterberaten, weil uns Hartz IV nicht nur aufgrund des Berichts, sondern auch in der weitergehenden Umsetzung beschäftigen wird. Ich glaube, es wäre gut, wenn wir uns in diesen beiden Ausschüssen weiterhin damit beschäftigen würden.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich erteile dem Herrn Oppositionsführer, Herrn Abgeordneten Kayenburg, das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wer zu Hartz IV schweigt, leistet den Populisten Vorschub.

(Beifall der Abgeordneten Jutta Schümann [SPD])

Wer die Demonstrationen rechtfertigt und glaubt, seinen Mitgliedern raten zu müssen, daran teilzunehmen, der schadet einer wichtigen Sache.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD)

- Klatschen Sie nicht zu früh. - Wer Hartz IV, wie Herr Sommer, in weiten Teilen als soziale Deklassierung von Menschen bezeichnet und wer das ein Verarmungsprogramm für Hunderttausende nennt, der tut der Reform keinen Gefallen.

(Beifall der Abgeordneten Jutta Schümann [SPD])

Wer aber glaubt, Vergleiche mit der Volksfront aufstellen zu müssen, der stellt sich an den Rand unseres gesellschaftlichen Grundkonsenses. Schließlich: Wer uns Gemeinheiten vorwirft, der ist an einer gemeinsamen Wahrnehmung der Verantwortung offenbar nicht interessiert. Dies finde ich in der Sache schade.

(Beifall bei CDU und FDP)

Hartz IV wurde notwendig - das wissen wir doch alle -, weil es die Regierung nicht geschafft hat, ihr Versprechen einzulösen, die Arbeitslosigkeit in diesem Lande zu halbieren. Dennoch: Wir unterstützen das Hartz-IV-Gesetz, weil wir es für richtig halten, dass die Arbeitsvermittlung verbessert wird. Wir stehen zu dem Prinzip „fördern und fordern“. Wir tragen die Grundsatzentscheidung mit, lassen uns für Verfehlungen der Regierung bei der Umsetzung allerdings nicht haftbar machen.

(Beifall des Abgeordneten Uwe Eichelberg [CDU])

Wir haben die Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe gewollt und halten sie für notwendig. Hartz IV ist ein notwendiger, allerdings noch kein hinreichender Schritt zur Verbesserung der Beschäftigungssituation. Wir stehen deshalb auch dazu, dass Anreize geschaffen werden müssen, Arbeit wieder aufzunehmen.

(Beifall des Abgeordneten Werner Kalinka [CDU])

Leider werden wir - so das Institut für Weltwirtschaft - die Auswirkungen erst 2006 spüren.

Ich glaube, dass Flexibilisierungen im Arbeitsrecht und zum Beispiel auch die Lockerung des Flächentarifvertrages nach wie vor als begleitende Instrumente fehlen, damit Hartz IV ein Erfolg werden kann.

(Beifall bei CDU und FDP)

Die Landesregierung hat uns einen Bericht zur Umsetzung von Hartz IV in Schleswig-Holstein geliefert und wollte ihn heute präsentieren. Ich sage: Einen unpräziseren und oberflächlicheren Bericht habe ich selten gelesen. Die Regierung ist die Antworten auf die wichtigen Fragen schuldig geblieben. Bemerkenswert finde ich es allerdings, dass uns die Landesregierung offenbar eine ähnliche Unkenntnis unterstellt wie den Betroffenen; denn anders ist es nicht zu erklären, dass sie uns Definitionen und Erläuterungen zu Hartz IV bietet, wie beispielsweise Einzelheiten zu dem politischen Ansatz des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt, dass sie die

(Martin Kayenburg)

Grundsicherung für Arbeitssuchende darstellt und dass sie dann zum kommunalen Optionsgesetz übergeht.

Die konkreten Maßnahmen, die sie vorhat, werden von der Landeregierung allerdings nicht berichtet; es werden weder zu Verordnungen noch zu Landesgesetzen - bis auf kleine Hinweise im Ausblick, Herr Minister -, noch zu den Finanzzuweisungen klare Auskünfte gegeben. Ich glaube, das ist eine mangelhafte und unzureichende Informationspolitik und eine unzureichende Vorbereitung der Umsetzung von Hartz IV.

(Beifall bei CDU und FDP)

Herr Minister, in Ihrer Antwort beziehen Sie im Übrigen überwiegend zu Teilbereichen Position, die der Kollege Dr. Garg überhaupt nicht abgefragt hat. Ich frage mich: Warum nehmen Sie zu Dingen Stellung, die nicht gefragt werden? Nichts Konkretes, allenfalls Hinweise! Eines haben wir aus dem Bericht allerdings erfahren: Die Landesregierung hat sich schon sehr frühzeitig für die Zusammenführung der beiden Fürsorgeprogramme für Langzeitarbeitslose ausgesprochen. Ich will daran erinnern, dass mein Fraktionskollege Torsten Geerdts für die CDU-Fraktion die Zusammenführung bereits im Mai 2001 hier in einem Antrag gefordert hat. Der Antrag wurde damals mit Stimmen der SPD abgelehnt.

(Beifall bei CDU und FDP)

Wir haben uns immer für die Zusammenlegung von Sozial- und Arbeitslosenhilfe eingesetzt, um diese überwiegend aus Steuermitteln finanzierten Hilfesysteme aus einer Hand gestalten zu können, damit eine Konzentration der Hilfe erreicht wird. Deswegen fordern wir die Landesregierung auf, endlich ein abgestimmtes Verfahren durch die beiden zuständigen Ministerien sicherzustellen, damit Reibungsverluste gar nicht erst entstehen. Herr Minister, die letztliche Verantwortung für die Umsetzung liegt nicht - wie Sie uns am Abschluss suggerieren wollen - bei den Kommunen. Sie als Landesregierung haben die Verantwortung und die Mitverantwortung. Wir werden es nicht zulassen, dass Sie den Kommunen den schwarzen Peter zuschieben wollen.

Entsprechend unserer Grundüberzeugung haben wir die Zustimmung des Bundesrates im Juli dieses Jahres begrüßt. Auch daran will ich Sie erinnern. Wir haben uns also von Anfang an hinter diese Regelung gestellt. Es hat ohnehin schon viel zu lange gedauert, bis die Bundesregierung eine interne Klärung bezüglich der von der Union geforderten Optionsgesetze vorgenommen hatte. Diese Verzögerungstaktik ist es,

die die Menschen unsicher macht; sie wirkt sich bis heute nachteilig aus.

(Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wer verantwortet die?)

- Die Bundesregierung! Herr Hentschel, ich habe es doch klar gesagt.

(Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein, Ihre Blockade im Bundes- rat!)

- Herr Hentschel, wir müssen das hier nicht diskutieren. Sie können das nachlesen. Die Problematik der Langzeitarbeitslosigkeit ist viel zu lange ein vernachlässigtes Feld gewesen. Angebliche Erfolgsmeldungen zur Vermittlung in den Arbeitsmarkt wie geschönte Arbeitslosenzahlen und Ähnliches, zum Beispiel bei der Veränderung von Statistikgesetzen, können über die wirklichen Probleme nicht hinwegtäuschen. Diese wirklichen Probleme sind den Wählerinnen und Wählern bewusst. Das hat bei der letzten Wahl auch der Wählerwille deutlich gemacht. Ich denke, auch hier haben wir eine demokratische Verantwortung, damit auch bei künftigen Wahlen keine Trittbrettfahrer und Extremisten Chancen bekommen, weil wir uns an so einer wichtigen Stelle nicht einigen können.

Langzeitarbeitslosigkeit darf aus einer effektiven und positiv effektvollen Wirtschaftspolitik nicht ausgeklammert werden. Der Schwerpunkt von Arbeitsmarktpolitik muss die Vermittlung der Langzeitarbeitslosen in den ersten Arbeitsmarkt bleiben. Erst wenn dies nicht gelingt, stellt sich die Frage der Zumutbarkeit von zum Beispiel gemeinnütziger Arbeit bei gleichzeitigem Bezug von ALG II. Herr Baasch, sie stellt sich nicht als Grundvoraussetzung!

Ich glaube, dass Hartz IV mit den verschiedenen Instrumenten und Optionen grundsätzlich eine gute Chance zur Bekämpfung der Langzeitarbeitslosigkeit bietet. Die Umsetzung des Gesetzes auf Bundes- und Landesebene, aber auch bei der Bundesagentur für Arbeit, muss deswegen jetzt ohne weitere Verzögerung vor sich gehen. Fördern und fordern gilt nämlich nicht nur gegenüber den Arbeitslosen, sondern das gilt auch gegenüber denen, die die Verantwortung für die Umsetzung tragen.

(Beifall bei CDU und FDP)

Herr Minister, deswegen brauchen wir von Ihnen möglichst schnell die ausstehenden Festlegungen, Definitionen und Kriterien. Was ist zum Beispiel Vermögen? Was muss man unter angemessenem Wohnraum verstehen? Das ist nun wirklich ein sehr auslegungsfähiger Begriff. Nach welchem Schlüssel

(Martin Kayenburg)