Protokoll der Sitzung vom 23.09.2004

Doch ebenso wie von solch einem Gipfeltreffen eine Initialzündung ausgehen kann und auch ausgegangen ist, kann das Ergebnis in Teilen auch einen negativen Effekt hervorbringen. Ich glaube, dass ein solcher negativer Effekt vom Kyoto-Gipfel ausgegangen ist. Kaum jemand erinnert sich so recht an den Erfolg und an die positiven Errungenschaften der Klimakonferenz, wo ein Klimaprotokoll verabschiedet wurde, in dem sich die Industrieländer verpflichtet haben, bestimmte Treibhausgasemissionen zu reduzieren. Das ist ein riesiger Schritt voran gewesen. Vielmehr wird Kyoto immer noch mit der Blockade des weltweit größten Treibhausgasproduzenten, der USA, verbunden, die sich weigern, die eigenen Emissionen zu verringern. Was kann ich dann im Kleinen, im Dorf, im Bundesland oder auch in Europa, erwarten, was im Großen nicht gelebt wird? Hier gibt es garantiert noch Handlungsdefizite.

Demnach ist es wichtig, dass wir das Unsere dafür tun, um dem Klimakollaps entgegenzuwirken. Denn nach allem, was wir wissen - darauf weist auch schon seit längerem das internationale Klimawissenschaftlergremium der Vereinten Nationen hin -, wird es bei einer weiteren globalen Klimaerwärmung zu weltweiten Umweltkatastrophen kommen. Der Bericht zeigt deutlich auf, mit welchen Folgen wir rechnen müssen und welche Auswirkungen diese für Schleswig-Holstein haben können.

Ein verantwortungsvoller Umgang mit Ressourcen und Umwelt sollte selbstverständlich sein. Wer das nicht begriffen hat, den muss man in schärfster Weise abmahnen. Denn ich kann doch nicht für etwas eintreten, was ich nicht selbst vorlebe. Daher bin ich der Auffassung, dass hier die Vorbildfunktion und die Selbstverpflichtung anfangen. Auch das ist eine ständige Aufgabe von Politik, die sie zu leisten hat.

Was können wir also tun, um die Situation in Schleswig-Holstein zu verbessern? Vordringlich müssen wir

erreichen, dass die CO2-Emissionen minimiert werden. Dazu gibt es bereits seit langem Ziele und Beschlüsse. Doch selbstkritisch müssen wir erkennen, dass die gesteckten Ziele im angestrebten Zeitraum nur teilweise erreichbar sind. Dass die Ursachen hierfür zum Teil an den in der Vergangenheit unterlassenen Reformen der energiewirtschaftlichen Rahmenbedingungen auf Bundesebene zu suchen sind, kann uns nicht zufrieden stellen. Die Signale hätten dort rechtzeitig erkannt werden müssen und dementsprechend hätten Handlungen folgen müssen. Leider ist dies bisher unterblieben.

Dass die Landesregierung nicht untätig war, zeigen die Handlungsfelder der umgesetzten Agenda-21- und Klimaschutzmaßnahmen. Diese gehen von den Selbstverpflichtungen bei den Landesliegenschaften über den Ausbau regenerativer Energieformen bis hin zu Initialberatungen von Industrie- und Gewerbebetrieben, um Einsparpotenziale zu untersuchen. Diese Bemühungen erkennen wir durchaus an, aber wir sind der Auffassung, dass wir landes- und bundesweit weitreichendere Konzepte und Maßnahmen benötigen, um die gesetzten Ziele und Selbstverpflichtungen auch wirklich erreichen zu können. Trotzdem stehen wir in Schleswig-Holstein besser da als andernorts, als in anderen Bundesländern. Das möchte ich ausdrücklich hervorheben.

Abschließend möchte ich noch kurz auf das 21Punkte-Programm der Landesregierung eingehen. Hier werden schwerpunktmäßig umzusetzende Maßnahmen angesprochen, die für die Zukunft notwendig sind, um weiter die Ziele des CO2-Minderungs- und Klimaschutzprogramms zu erreichen. Das Programm macht aber auch deutlich, dass in vielen Bereichen noch viel nachgearbeitet oder verbessert werden muss. Die enge Verzahnung dieser Maßnahmen mit der Nachhaltigkeitsstrategie der Landesregierung halte ich für sinnvoll, damit dies aus einem Guss ist. Aber ich möchte anregen, dass eine ständige Überprüfung des Erreichten und des Erreichbaren stattfindet. Nur so lässt sich rechtzeitig feststellen, ob sich ein gewünschter Erfolg einstellt oder ob wir umsteuern müssen.

Einen Punkt des Programms möchte ich hier doch noch einmal konkretisieren. Eingangs haben wir festgestellt, dass die Aufstellung neuer Agenda-21Projekte auf kommunaler Ebene rückläufig ist. Dem müssen wir entgegenwirken. Denn gerade im kommunalen Bereich ist es wichtig, die Klimaschutzziele und ihre Chancen bekannt zu machen. Nur mit einer breit angelegten und aktiven Öffentlichkeitsarbeit ist es möglich, die Bevölkerung für dieses umfangreiche Thema zu sensibilisieren und zu interessieren.

(Lars Harms)

Dazu zählt - wie ich vorhin schon erwähnte -, dass wir uns in unserer Wirtschafts-, Umwelt- und Verkehrspolitik, aber auch in allen anderen Politikfeldern an den Prinzipien der Agenda 21 orientieren. Das heißt letztlich, dass wir die Bürgerwünsche noch mehr in den Mittelpunkt unserer Politik stellen müssen. Das heißt für uns als Land Schleswig-Holstein konkret, dass wir die Akademie für Natur und Umwelt unterstützen müssen, damit sie die Vorarbeiten für diese Arbeit leisten kann.

(Beifall bei SSW, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort zu einem Kurzbeitrag nach § 56 Abs. 4 der Geschäftsordnung erteile ich Herrn Abgeordneten Konrad Nabel.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist schade, dass bei diesem spannenden Thema zum Schluss ein bisschen der Eindruck erweckt wurde, die Luft sei raus, und es ein bisschen langweilig wurde. Ich will versuchen, das wieder ein bisschen umzudrehen.

(Zurufe)

Meine Damen und Herren, es ist schon erstaunlich, dass CDU und FDP nur rückwärts gewandt beklagen, dass der Ausstieg aus der Atomenergie beschlossen ist. Ich glaube, das dient nur der Verschleierung der Tatsache, dass sie keine Alternativen zu dem haben, was im Bericht vorgestellt worden ist.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Schnatternabel! - Weitere Zurufe von CDU und FDP)

Meine Damen und Herren, wir hingegen tun etwas, um unsere Verpflichtung im Agenda-Prozess und in dem Prozess seit Rio deutlich zu machen. Wir tun auch etwas, um die mit der Kernkraft wegfallenden Energiemengen zu ersetzen. Die Umsetzung und Verbesserung der Rahmenbedingen für KraftWärme-Kopplung ist unsere Initiative gewesen.

(Beifall des Abgeordneten Detlef Matthies- sen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Die Einführung eines EEG - auch schon unter Kohl - ist unsere Initiative gewesen. Die Biomassenutzung in Schleswig-Holstein schwerpunktmäßig ist ein Riesenthema und ist unsere Initiative gewesen.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Du bist ja so Klas- se! - Weitere Zurufe von CDU und FDP)

Auch die Geothermie treiben wir voran mit Unterstützung des Landesamtes für Natur und Umwelt und dem politischem Willen, in Schleswig-Holstein wirklich etwas zu ändern und voranzubringen.

Es ist schon sehr schade, dass die CDU auch nicht erwähnt hat, was Lars Harms dankenswerterweise gesagt hat: Die Akademie für Natur und Umwelt ist die Multiplikatoreneinrichtung im Land, die viele Menschen im Umgang mit diesem wichtigen Thema schult. Was haben Sie vor? - Sie wollen, wenn Sie jemals regieren sollten, was ja nicht passieren wird, diese Einrichtung schließen.

(Veronika Kolb [FDP]: Abwarten, Herr Na- bel!)

Es ist unglaublich, eine so hoch effiziente und kompetente Einrichtung schließen zu wollen und damit den Weg hin zu einer Bildung für nachhaltige Entwicklung dichtzumachen. Das ist mir völlig unverständlich. Aber ich denke, wir werden das verhindern.

(Beifall des Abgeordneten Lars Harms [SSW])

Meine Damen und Herren, wir hingegen sind der nachhaltigen Entwicklung verpflichtet.

Am Ende ist noch einmal eine kleine Spitze notwendig: Wenn Sie davon reden, dass die Agenda-Büros geschlossen werden - wer hat denn neuerdings die kommunalen Mehrheiten, seitdem die Agenda-Büros geschlossen werden? Nein, meine Damen und Herren von der CDU, Sie versuchen es zu verschleiern, aber kriegen es nicht hin: Schleswig-Holstein ist Spitze im Klimaschutz und darüber muss geredet werden.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Das Wort zu einem Kurzbeitrag erteile ich jetzt Herrn Abgeordneten Karl-Martin Hentschel.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte auf einige Argumente eingehen, die hier von Frau Todsen-Reese gefallen sind. Auf Herrn Hildebrand braucht man kaum einzugehen, denn das, was die FDP hier zur Klimaschutzpolitik vorgetragen hat, hat ja nichts mit Klimaschutz zu tun, sondern eher mit Ignoranz des Problems überhaupt.

Zu den Atomkraftwerken! Für die Frage des CO2Anstiegs ist die Zahl der Atomkraftwerke weltweit bezogen auf den Energieverbrauch relativ unrelevant.

(Karl-Martin Hentschel)

Er liegt deutlich unter 10 %, mit abnehmender Tendenz. Die Atomkraftwerke sind auch von der Zeitdimension her irrelevant, denn in der Geschichte der Menschheit sind die 50 Jahre, die Atomenergie maximal gebraucht werden kann, ein Klacks. Dagegen hat die Menschheit mit den Folgen von 50 Jahren Nutzung der Atomenergie etwa 25.000 bis 50.000 Jahre lang zu tun. Über 1.000 Generationen werden damit zu tun haben, das immer noch zu bewachen, sich um den Abfall zu kümmern und abzubauen, was eine Generation an Energie verpulvert hat. Das ist eine so große Verrücktheit, dass ich glaube, jeder der denkt und seinen Verstand benutzt und nicht nur von heute auf morgen, sondern auch einmal an seine Kinder denkt, weiß, was für ein Unsinn das ist.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Ich möchte noch etwas zur Grundlastfrage der Windenergie sagen. Es wird immer behauptet, Windenergie könne die Atomkraft nicht ablösen, weil sie keine Grundlast liefere. Das ist natürlich unzutreffend. Windenergie kann sehr wohl Grundlast liefern, wenn sie im Mix gefahren wird.

Ich möchte das anhand des Verhältnisses zwischen Windenergie und Wasserkraft darstellen. Wasserkraft ist eine Energie, die zwar ständig, aber nicht unbegrenzt zur Verfügung steht. Das heißt, die Wasserkraftwerke sind keineswegs 100-prozentig, sondern häufig nur zu 25 % ausgelastet, weil nicht genügend Wasser vorhanden ist.

Wenn wir also Windenergie und Wasserkraft alternativ ergänzend einsetzen - bei wenig Wind drehen wir die Wasserkraftwerke auf und bei viel Wind drehen wir die Wasserkraftwerke zu, sodass sich beide Energielieferanten ergänzen -, dann haben wir eine wunderbare Möglichkeit, Grundlast zu produzieren, die in einem europäischen Netz überhaupt kein Problem darstellt.

Dazu kommt die Möglichkeit, lastabhängige Verbraucher einzuschalten, wie wir das in Eckernförde schon modellhaft ausprobiert haben, das heißt, über Schaltungen starke Verbraucher nur dann zuzuschalten, wenn genügend Strom produziert wird, und diese wiederum dann abzuschalten, wenn weniger Strom produziert wird.

Zusammengefasst: Ich meine, dass Klimaschutzpolitik auch etwas mit Technologiepolitik zu tun hat und dass diejenigen Staaten der Erde den Vorteil haben werden, die rechtzeitig anfangen, weil sie dann technologisch führend sein werden.

Ich glaube auch, dass die Frage, welche Technologien in Zukunft überhaupt sinnvoll und ökonomisch sind, leicht zu beantworten ist: Es sind diejenigen, die wenig Ressourcen verbrauchen. Denn die Ressourcen werden knapp. Es sind diejenigen, die energiesparend sind. Denn die Energie wird knapp. Und es sind diejenigen, die umweltfreundlich sind. Denn die Umweltproblematik und das Umweltbewusstsein werden wachsen.

Das heißt, diejenigen, die in solche Technologien investieren, werden die Vorreiter sein und die Vorteile haben. Deswegen macht es einen großen Sinn, dass wir Vorreiter sind, weil wir hinterher davon profitieren werden.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

Die jüngst aufgetretenen Hurrikans in Florida

(Glocke des Präsidenten)

- ich komme zum Schluss, Herr Präsident - machen nicht nur die Dimension des Problems, sondern auch die Dimension der Wahrnehmung des Problems deutlich. Ich kann nur hoffen, dass

(Martin Kayenburg [CDU]: Was haben denn die Hurrikans damit zu tun?)

- erwärmtes Meereswasser! - die Hurrikans

(Glocke des Präsidenten)

in den USA dazu führen, dass das letzte Land, das noch nicht begriffen hat, was sich beim Klima tut, endlich aufwacht, und ich hoffe, dass sich diese Entwicklung dann auch auf die FDP niederschlägt.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

Wir sind am Schluss der Beratung. Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Es ist beantragt worden, den Tagesordnungspunkt „Agenda-21- und Klimaschutzbericht Schleswig-Holstein 2004“, Bericht der Landesregierung, Drucksache 15/3551, zur abschließenden Beratung an den Umweltausschuss zu überweisen. Werden weitere mitberatende Ausschüsse gewünscht? - Das ist nicht der Fall.