Protokoll der Sitzung vom 24.09.2004

(Ministerpräsidentin Heide Simonis)

Subventionspolitik ist dauerhaft auch mit den besten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern nicht zu gewinnen.

(Beifall)

Was die Wettbewerbshilfe des Bundes und der Länder aber gezeigt hat, ist, dass wir trotz des Gegenwindes aus Fernost mit unseren Fachleuten, mit unserem technischen Know-how, mit unserer Präzision hervorragende Schiffe bauen können.

Ich warne allerdings davor, die Schwierigkeiten bei HDW nur mit den Problemen im Weltschiffbau erklären zu wollen. Es gibt in Deutschland auch andere Werften, deren Auftragsbücher besser gefüllt sind. Es geht also bei der Werftindustrie um eine Aufgabe hier vor Ort und um eine nationale Aufgabe. Man muss sich klar machen, dass in den süddeutschen Ländern Bayern und Baden Württemberg rund 40 % der Wertschöpfung der Branche bei den Zulieferern erwirtschaft wird.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Dafür, dass wir für die die Subventionen indirekt in Berlin freizumachen versuchen, werden wir von denen auch noch beschimpft als diejenigen, die nicht mal in der Lage sind, ordentliche Schiffe zu bauen.

Ich bin der festen Auffassung, weil das so ist, dass die Aufträge sich über die ganze Bundesrepublik verteilen, muss der Bund mit im Boot sein. Wir stehen seit dem Bekanntwerden der Pläne von ThyssenKrupp mit dem Bundeswirtschaftsministerium, mit dem Bundeskanzleramt, mit dem Verteidigungsminister in engem Kontakt. Von Verteidigungsminister Struck ist bereits das Signal gekommen, eventuelle Investitionen im militärischen Schiffbau vorzuziehen, um Beschäftigung sichern zu können.

Wir haben in langen und ausführlichen Gesprächen mit den Konzernverantwortlichen und auch mit der Bundesregierung klar gemacht, insbesondere mit dem Wirtschaftministerium, dass wir von ihnen Hilfe brauchen. Das habe ich auf meinen Kanälen und der Wirtschaftsminister auf seinen Kanälen gemacht. Der Bund als Auftraggeber für Marineschiffe, sowohl UBoote als auch Schiffe, die man sehen kann, kann auf diese Art und Weise die Beschäftigung ein Stück steuern und sichern.

Mein sehrt verehrten Damen und Herren, die Landesregierung und dieses Parlament haben stets ein offenes Ohr für die Beschäftigten auf unseren Werften gehabt. Sie hat im Interesse der HDW-Werft ihr Vorgehen auch immer wieder mit allen Beteiligten abgestimmt. Seit April stehen Staatskanzlei und Wirtschaftsministerium in ständigem Kontakt mit dem

Betriebsrat, der IG Metall und dem Vorstand von HDW. Am 26. Mai dieses Jahres hatte ich ein ausführliches Treffen mit Herrn Dr. Burmester, am 21. Juni habe ich an der Betriebsversammlung teilgenommen und über Zukunftsfragen von HDW diskutiert, am 19. August haben auf meine Initiative der Vorstandsvorsitzende von ThyssenKrupp, Herr Prof. Schulz, und Herr Dr. Borgschulte von Blohm + Voss mich hier in Kiel besucht und über das Konzept informiert. Es erfolgten weitere Gespräche mit dem Betriebsratsvorsitzenden und der IG Metall. Zuletzt war ich am Dienstag dieser Woche zu Gast beim Betriebsrat. Dazwischen gab es natürlich die notwendigen Telefonate, Briefe und Informationen. Um das Ganze abzurunden, haben wir dafür gesorgt, dass die Fraktionsvorsitzenden direkt von Herrn Dr. Borgschulte informiert werden und nicht indirekt über uns, sodass Herr Dr. Borgschulte auch die Vorbehalte mitbekommen konnte, die quer durchs Parlament gehen und nicht nur von der Regierung zum Ausdruck gebracht werden.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Ich wünschte mir, das die Oberbürgermeisterin der Stadt Kiel ganz schnell ganz klar macht, dass sie das vielleicht missverständliche Zitat in den „Kieler Nachrichten“ vom 14. August 2004, die Konzentration des U-Boot-Baus in Kiel werde den Standort und das Unternehmen mittel- und langfristig stärken, zurücknimmt und sich unserer gemeinsamen Initiative anschließt.

(Thomas Stritzl [CDU]: Hat sie doch!)

- Das können wir morgen noch einmal machen, dann ist es weg.

(Thomas Stritzl [CDU]: Das hat sie klarge- stellt!)

- Wenn sie es morgen vor den Mitarbeitern noch einmal sagt, ist dieser falsche Satz weg. Manche Leute lesen nicht immer Zeitung, das ist das Problem.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, eine stärkere Konzentration des U-Boot-Baus in Kiel ist zwar ein Beitrag zur Erhaltung des Standortes, aber wir brauchen eine breite Produktpalette, um unsere Zukunft zu sichern. Darum geht es bei unserer Werft. Alle wissen, die Werft braucht ein zweites starkes Standbein. Die Werft könnte auch sehr viel stärker das aufbauen und ausbauen, was sie in der Zwischenzeit fast klammheimlich gemacht hat, die Entwicklung von Tripoden für Offshore-Technologie, die Entwicklung der Brennstoffzellen-Technologie, die weltweit einzigartig ist. Wirklich tragfähige Konzepte

(Ministerpräsidentin Heide Simonis)

für die Zukunft liegen noch nicht auf dem Tisch. Hier muss sich ThyssenKrupp mehr einfallen lassen als eine GmbH-Lösung für den Bau von Überwasserschiffen. Wir wollen nicht, dass der Eindruck entsteht, in Kiel gebe es Schiffbau erster und zweiter Klasse.

Der Betriebsrat ist bereit, über Kostenstrukturen mit sich reden zu lassen. Er ist bereit gewesen, ein Konzept mit zu unterzeichnen, das tiefe Einschnitte bedeutet. Jetzt muss der Vorstand seine Hausaufgaben machen. Es gehört zur Zukunftssicherung, sich neue Märkte zu erschließen, es gehört zur Zukunftssicherung, weitere Kompetenzen durch Forschung und Entwicklung zu erwerben. Eigene Innovationen sind gefragt. Es gehört zur Entwicklung von HDW, die eigenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter durch eine verlässliche Geschäftspolitik zu motivieren und sie nicht zu demotivieren, indem eine Einstellungspolitik betrieben wird, die kein Mensch mehr nachvollziehen kann.

Das zweite Standbein ist auch betriebswirtschaftlich sinnvoll: Es gehört dazu, dass Forschung und Entwicklung hier in Kiel betrieben werden.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW - vereinzelter Beifall bei der FDP)

Es besteht die Gefahr, dass zahlreiche Arbeitsplätze bei einer Konzentration auf den U-Boot-Bau wegfallen. Das wollen wir nicht, das will auch niemand hier im Landtag und das will niemand in Kiel. Das ist für uns keine Lösung. Ich erwarte, dass die HDW mit ihren modernen Produktionsanlagen und Investitionen im neuen Verbund eine führende Rolle übernimmt, denn HDW ist eine Spitzenwerft.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN, SSW und vereinzelt bei CDU und FDP)

Sie hat ein anerkanntes Know-how. Ihre Position als Weltmarktführer hat sie lange bewiesen. Dazu zählt der Bau von U-Booten, die mit Brennstoffzellen betrieben werden, dazu gehört aber auch die neue Korvettentechnologie der HDW-Tochter Kockums sowie langjährige Erfahrungen im Handelsschiffbau und im Yachtbau. Fehler, wie sie passiert sind mit den schnellen Fähren, müssen ausgebügelt werden und dürfen nicht noch einmal passieren.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Landesregierung kämpft gemeinsam mit dem Parlament und der Belegschaft der HDW und der IG Metall darum, den Überwasserschiffbau in Kiel zu erhalten. Ein

erster Schritt bis dahin ist am Mittwoch in dieser Woche mit dem neuen Vorschlag von ThyssenKrupp getan worden. Wir werden weiter auf eine Lösung drängen, die den Erhalt aller HDW-Komponeten sicherstellt, denn es geht um Arbeitsplätze, es geht um das Schicksal von hunderten Kolleginnen und Kollegen mit ihren Familien, es geht um deren Existenzsicherung und um deren Zukunft. Die Großdemonstration, die Morgen stattfindet, wird bestimmt von allen Kielerinnen und Kielern mit großem Interesse verfolgt, wie wir dort auftreten, dass wir dort geschlossen auftreten. Ich bedanke mich, dass Sie die Landesregierung mit Ihrem geschlossenen Auftreten hier unterstützen gegenüber den Thyssen-Vertretern und den anderen, die an der Diskussion beteiligt sind.

(Beifall im ganzen Hause)

Es darf nicht sein, dass die Belegschaft, die für drei Jahre auf 275 Stunden Lohnausgleich verzichtet, die darauf verzichtet hat, die Hälfte von Weihnachts- und Urlaubsgeld einzufordern, die einer Vereinbarung zur Freisetzung, wie man das so nennt, von Mitarbeitern zugestimmt hat, diese Opfer alle umsonst erbracht hat.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, Kiel, der Kieler Hafen, weist die kürzesten Seewege nach Skandinavien auf. Hier hat sich eine internationale Drehscheibe für den Handel mit dem Baltikum und mit Russland entwickelt. Kiel ist mit der Ostsee, der Werftindustrie, dem Hafen, dem Nordostsee-Kanal und dem Leibniz-Institut ein Zentrum maritimer Wissenschaft und Wirtschaft. Hier keine Werft zu haben, wäre geradezu ein Witz, allerdings ein schlechter Witz.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN, SSW und vereinzelt bei CDU und FDP)

Deswegen glaube ich, hier können sich Forschung, Entwicklung und Fertigung des Schiffbaus besser entwickeln als an mancher anderen Stelle. Wir werden darauf in weiteren Gesprächen hinweisen und uns dafür einsetzen, dass das honoriert wird. Die Schleswig-Holsteinerinnen und Schleswig-Holsteiner können sicher sein: Die Landregierung und das Parlament stehen hinter HDW!

(Beifall im ganzen Hause)

Meine Damen und Herren, die Regierung hat die festgesetzte Redezeit überschritten, sodass diese Redezeit auch noch einmal den Fraktionen zusteht. Sie muss natürlich nicht in Anspruch genommen werden.

(Vizepräsidentin Dr. Gabriele Kötschau)

Es liegt eine Wortmeldung zur Geschäftsordnung vor. - Ich erteile Herrn Abgeordneten Astrup das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! In Fortführung der Debatte, die wir gerade gehört haben, freue ich mich, Ihnen mitteilen zu können, dass es gelungen ist, während der Debatte einen gemeinsamen Antrag aller Fraktionen zu dem wichtigen Thema HDW herbeizuführen. Deshalb bitte ich, weil er gerade geschrieben wird, Frau Präsidentin, dass über den Tagesordnungspunkt die Abstimmung erst nach dem nächsten Tagesordnungspunkt erfolgt. Ich denke, im Interesse der Sache ist das angemessen.

(Beifall)

Ich danke dem Herrn Abgeordneten Astrup. Ich unterbreche nun den Tagesordnungspunkt 12 und werde ihn nach Tagesordnungspunkt 4 wieder aufrufen, wenn uns der Antrag schriftlich vorliegt.

Jetzt rufe ich Tagesordnungspunkt 4 auf:

Zweite Lesung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Landesrundfunkgesetzes für das Land Schleswig-Holstein

Gesetzentwurf der Fraktion der CDU Drucksache 15/3162 (neu)

Bericht- und Beschlussempfehlung des Innen- und Rechtsausschusses Drucksache 15/3645

Änderungsantrag der Fraktion der CDU Drucksache 15/3683

Ich erteile zunächst der Berichterstatterin des Innen- und Rechtsausschusses, der Frau Abgeordneten Schwalm, das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Landtag hat den Gesetzentwurf zur Änderung des Rundfunkgesetzes durch Plenarbeschluss vom 21. Januar 2004 federführend an den Innen- und Rechtsausschuss und zur Mitberatung an den Wirtschaftsausschuss überwiesen. Beide Ausschüsse haben sich in mehreren Sitzungen, zuletzt in einer gemeinsamen Sitzung am 5. September 2004, mit dem Gesetzentwurf befasst.

Der federführende Innen- und Rechtsausschuss hat eine schriftliche und eine mündliche Anhörung durchgeführt und sich neben dem Thema Absiche

rung der landesweiten Fensterprogramme auch mit der Frage der Einführung eines Gütesiegels für Digitaldecoder befasst. Mit Mehrheit hat der beteiligte Wirtschaftsausschuss die Empfehlung ausgesprochen, den Gesetzentwurf dem Landtag in geänderter Fassung zur Annahme zu empfehlen.

Der Innen- und Rechtsausschuss empfiehlt dem Landtag mit den Stimmen von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, gegen die Stimmen der CDU, die Nummern 2, 3 a) bb) und 3 b) in der in der Drucksache 15/3645 dargestellten Fassung anzunehmen.