Protokoll der Sitzung vom 15.12.2004

Ich darf zunächst Gäste im Schleswig-Holsteinischen Landtag begrüßen. Ich begrüße auf der Tribüne die Damen und Herren der co op SchleswigHolstein. - Herzlich willkommen!

(Beifall)

Zu diesem Tagesordnungspunkt richte ich selbstverständlich auch einen ganz herzlichen Willkommensgruß an die Vertreter der Medien, insbesondere die des ZDF und NDR.

Ich erteile nun dem Oppositionsführer, Herrn Abgeordneten Martin Kayenburg, das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nachdem Frau Böhrk gerade ausdrücklich erklärt hat, dass sie den Vorwurf des verfassungswidrigen Zustandekommens der Gebührenempfehlung zurücknehme, muss ich meine Rede in großen Teilen ändern.

(Heiterkeit und Beifall)

Ich möchte gern unterstreichen, dass ich bereits in der ersten Lesung für die CDU-Landtagsfraktion erklärt habe, dass wir ohne Einschränkungen zum dualen Rundfunksystem stehen und dass wir einen starken öffentlich-rechtlichen Rundfunk wollen.

(Beifall)

Dieses Ziel kann aber nur erreicht werden, wenn die Finanzierung des öffentlichrechtlichen Rundfunks auch eine breite Akzeptanz bei den Bürgern findet. Deswegen ist es ausdrücklich zu begrüßen, dass die Ministerpräsidenten in ihrer Jahreskonferenz vom 6. bis 8. Oktober die Empfehlung der KEF geprüft und ihrer Gebührenentscheidung das Kriterium der Sozialverträglichkeit zugrunde gelegt haben. Nach der Einlassung in der letzten Landtagstagung hatten wir den Wissenschaftlichen Dienst gebeten, zu prüfen, ob die Ministerpräsidenten zu Recht von der Empfehlung der KEF hätten abweichen können.

Da die Ministerpräsidenten ihre Empfehlung im Wesentlichen auf die Sozialverträglichkeit gründen und im Übrigen Hilfsargumente zur Ergänzung genannt haben, aufgrund derer sie strukturelle Veränderungen im Programm und in den Rundfunkanstalten erwarten, ergibt sich schlichtweg, dass diese Empfehlung rechtens ist; denn die Angemessenheit der Gebührenerhöhung ist das entscheidende Kriterium gewesen.

Vor dem Hintergrund ist es zulässig, dass man darüber hinaus die Einsparpotenziale auf der einen Seite und die weiteren Hinweise auf die Wettbewerbssituation auf der anderen Seite berücksichtigt. Dies - nicht mehr und nicht weniger - haben die Ministerpräsidenten getan. Ich glaube, dass uns das allen entgegenkommt, gerade in einer Zeit, in der die Länder und die öffentliche Hand an jeder Stelle, sowohl bei den Sozialeinrichtungen und freiwilligen Leistungen als auch bei den Aufgaben, einsparen und kürzen. Auch im Medienbereich muss genau geprüft werden, ob so eine Gebührenerhöhung korrekt, rechtens und sozialverträglich ist. Im Übrigen bin ich der Auffassung, dass man nach der Diskussion fast schon Verständnis für die ARD-Intendanten aufbringen konnte, die jedenfalls bis zu dem Zeitpunkt unserer Sitzung in Bremen, Frau Fröhlich, ziemlich arrogant und unbelehrbar verbreitet haben, die Abweichung vom KEF

(Martin Kayenburg)

Vorschlag durch die Ministerpräsidenten sei nicht verfassungskonform und die Entscheidung der Ministerpräsidenten habe die KEF nachträglich beeinträchtigt oder beschädigt.

Ich glaube, für derartige Beschwerden der Intendanten ist überhaupt kein Raum. Es kann nicht sein, dass Intendanten quasi in einem Selbstbedienungsladen Gebührenerhöhungen verlangen, dass sie Strukturen entwickeln und aufgrund dieser Strukturen Empfehlungen erarbeitet werden. Die KEF prüft nicht mehr die Entwicklung der Anstalten, sondern prüft nur, ob der Gebührenbedarf den vorgelegten Strukturen angemessen ist. Hier komme ich natürlich zu dem Ergebnis: Wenn man solche Strukturen entwickelt und einen so teuren Laden führt, dann ist es die große Frage, ob einem die entsprechenden Gebühren zustehen. Hier liegt der entscheidende Punkt, den wir kritisieren.

(Beifall bei CDU und FDP)

Außerdem finde ich den Vorwurf der Intendanten ziemlich hanebüchen, die gesagt haben, der öffentlich-rechtliche Rundfunk habe aufgrund der politischen Diskussion Schaden genommen, weil man ihn als eine monsterartige Einrichtung darstelle, die gezähmt werden müsse. Für derartige Hinweise aus dem Munde von Intendanten habe ich genauso wenig Verständnis wie für den Hinweis, dass der öffentlichrechtliche Rundfunk der Gesellschaft aus den Gebühren Dinge zurückgebe, die die Kommunen und die Länder nicht mehr leisten könnten. Das ist mit unserem Verständnis von Rundfunk nun wirklich nicht mehr vereinbar.

Die Abgehobenheit wird ganz besonders deutlich, wenn erklärt wird, dass die Gefahr für den öffentlichrechtlichen Rundfunk nicht die Politiker darstellten, sondern nur das Publikum. Wer uns oder das Publikum als Gefahr versteht, der hat die Zeichen der Zeit wirklich noch nicht erkannt.

(Beifall bei CDU und FDP)

Unabhängig davon werden wir dem Antrag der SPD zustimmen. Was jedoch den Staatsvertrag angeht, werden wir uns dagegen aussprechen, weil die Trennung zwischen Gebührenerhöhung und datenschutzrechtlichen Problemen nicht eindeutig gemacht worden ist. Bezüglich der Datenschutzfragen haben wir nach wie vor Bedenken, ob die Lösung verfassungskonform ist. Diese Bedenken haben wir vor allem deswegen, weil - das fand ich nun wirklich bemerkenswert - die Kollegin Fröhlich in der Sitzung des Innen- und Rechtsausschusses die verfassungsrechtlichen Bedenken des Datenschutzbeauftragten geteilt hat, sie auch ernst nimmt und den Wissenschaftlichen

Dienst beauftragen wollte. Allerdings wurde im weiteren Verlauf der Diskussion erklärt, sie, Frau Fröhlich, fühle sich von ihrem Koalitionspartner, der SPD, unter Druck gesetzt, müsse sich der Koalitionsdisziplin beugen und wolle deswegen von einer weiteren Prüfung absehen.

Meine Schlussfolgerung ist: Dies ist ein unentschuldbarer Vorgang, allerdings nicht bei Frau Fröhlich, sondern bei denen, die Druck auf sie ausgeübt haben.

(Beifall bei CDU und FDP)

Dies alles zusammen macht deutlich, dass wir bei den datenschutzrechtlichen Problemen nach wie vor offene Fragen haben und dem Staatsvertrag insoweit nicht zustimmen können.

(Beifall bei CDU und FDP)

Das Wort für die Fraktion der FDP erteile ich dem Fraktionsvorsitzenden Wolfgang Kubicki.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben jetzt zwei Themenkomplexe zu behandeln. Erstens handelt es sich um die zweite Lesung des Entwurfs eines Gesetzes zum Achten Rundfunkänderungsstaatsvertrag, zweitens um die erste Lesung zum Landesrundfunkgesetz. Ich komme zunächst zu dem ersten Komplex, zu dem der Kollege Kayenburg schon fast alles gesagt hat, was auch ich besser nicht hätte formulieren können.

Gleichwohl will ich erklären, dass die FDP-Fraktion dem heute hier vorliegenden Achten Rundfunkänderungsstaatsvertrag nicht zustimmen wird. Dabei sind die 88 c Erhöhung der Rundfunkgebühren pro Monat oder die weltweit einmalige Einführung einer Gebührenpflicht für Internet-Computer oder Mobiltelefone nicht die wesentlichsten Gründe, obwohl ich sie schon einmal beschrieben habe.

Der größte Mangel bleibt die auch nach unserer Auffassung verfassungswidrige Legitimation der Beschaffung von Daten beim kommerziellen Adresshandel durch die Rundfunkanstalten beziehungsweise die Gebühreneinzugszentrale, die in § 8 Abs. 4 des Rundfunkgebührenstaatsvertrages vorgesehen ist.

Ich wiederhole, was ich schon in der ersten Lesung gesagt habe: Der hier vorliegende Rundfunkänderungsstaatsvertrag bewirkt, dass die für das Gebühreneinzugsverfahren zuständigen Stellen zwischen hoheitlichen und privatrechtlichen Befugnissen pendeln und sich auf diese Weise ihren rechtsstaatlich

(Wolfgang Kubicki)

gebotenen öffentlich-rechtlichen Gesetzesbindungen entziehen können.

Die angestrebte Regelung führt im Ergebnis zu einem verfassungsrechtlich unzulässigen Formenmissbrauch der Landesrundfunkanstalten beziehungsweise der GEZ. Das hat der Leiter des Unabhängigen Landeszentrums für den Datenschutz, Dr. Weichert, auch bei den Beratungen im Ausschuss auf ausdrückliche Nachfrage noch einmal bestätigt.

Nun ist das mit Staatsverträgen so eine Sache. Entweder man beschließt sie, oder man lässt es sein. Im zweiten Fall müssen sie erneut ausgehandelt werden. Ändern kann sie ein Parlament bedauerlicherweise nicht mehr.

Aber wir sind als Abgeordnete der Verfassung verpflichtet. Wenn wir der Auffassung sind, dass ein Gesetzentwurf oder eine Initiative nicht den verfassungsrechtlichen Vorgaben entspricht, dürfen wir nicht zustimmen.

Die Grünen haben im Ausschuss - Kollege Kayenburg hat es ausgesprochen - klar zum Ausdruck gebracht, dass sie unsere datenschutzrechtlichen Bedenken gegen diesen Staatsvertrag teilen. Aber wie es immer ist: Reden ist das eine, Handeln ist das andere. Es ist schon beeindruckend, dass die Kollegin Fröhlich im Ausschuss erst ihre erheblichen datenschutzrechtlichen und verfassungsrechtlichen Bedenken gegen den Staatsvertrag vorträgt und auch ausdrücklich zu Protokoll gibt, um den Gesetzentwurf dann mit zu beschließen, und zwar aus Koalitionsraison. Für uns ist diese Form von Politik eigentlich unglaublich.

Nun wollen die Grünen ihre Hände damit in Unschuld waschen, dass sie noch einen Entschließungsantrag hinterherschieben, der eine kritische Würdigung der Bedenken der Datenschützer verlangt. Für mich ist das eine besondere Form der Lächerlichkeit. Liebe Kolleginnen und Kollegen der Grünen, entweder stimmen Sie heute mit uns gegen diesen Staatsvertrag und zeigen endlich Ihr rechtsstaatliches Profil oder sie sollten in dieser Frage für immer schweigen.

(Beifall bei der FDP)

Ein rechtsstaatliches Profil kann man sich nämlich nicht einfach umhängen, sondern man erwirbt es durch Handeln.

Aber wir haben heute ja noch einen Gesetzentwurf zu diskutieren. Uns liegt in erster Lesung nun schon wieder ein Gesetzentwurf zur Änderung des Landesrundfunkgesetzes vor. Worin besteht eigentlich der plötzliche Regelungsbedarf, nachdem wir von Beginn bis Herbst dieses Jahres intensiv mit diversen

Anhörungen über das Landesrundfunkgesetz beraten haben und die letzten Änderungen erst Ende Oktober in Kraft getreten sind?

Erst am 13. Dezember 2004 war im sh:z zu lesen, dass nach RTL nun auch SAT.1 Medien-Müller verlässt und sich einen neuen Partner für die technische Abwicklung seines Regionalprogramms sucht. Der Versuch, dem Genossen Müller auch künftig sein Einkommen zu sichern, wird sicherlich nicht der alleinige Grund für diesen Gesetzentwurf gewesen sein.

(Lothar Hay [SPD]: Das hat damit überhaupt nichts zu tun! Das ist der Medienstandort Schleswig-Holstein!)

- Herzlichen Glückwunsch! Ich würde das erst einmal sehr genau lesen, Herr Kollege Hay, bevor ich mich in dieser Frage äußerte. - Dennoch gibt es eine Parallele zu früheren Vorstellungen des Kollegen Müller. Denn der Entwurf befasst sich mit neuen Zulassungsvoraussetzungen für Veranstalter der Regionalfensterprogramme.

Nach den Vorstellungen von Rot-Grün soll ein Hauptprogrammveranstalter wie beispielsweise SAT.1 künftig gezwungen werden, für die Gestaltung des Regionalfensterprogramms Veranstalter zu wählen, an denen er mit höchstens 25 % beteiligt ist. Darüber hinaus sollen die Veranstalter der Regionalfensterprogramme künftig faktisch von der Landesanstalt ausgewählt werden. Die Anstalt schreibt das Fensterprogramm nämlich aus. Dann sollen nach Eingang der Anträge verschiedene Anbieter mit dem Hauptprogrammveranstalter Einvernehmen über den geeignetsten Fensterprogrammanbieter erzielen. Gibt es kein Einvernehmen, entscheidet die Landesanstalt allein. Die Finanzierung der Fensterprogramme ist aber durch den Hauptprogrammveranstalter sicherzustellen, ganz gleich, ob er den regionalen Anbieter wollte oder nicht.

Künftig soll also die öffentliche Hand auswählen, wer extra für SAT.1 das Regionalprogramm macht. Bezahlen dürfen das dann beispielsweise SAT.1 oder RTL.

Ich kündige Ihnen in dieser Frage schon heute den Widerstand meiner Fraktion gegen den Gesetzentwurf an. Denn, Herr Kollege Hay, Sie können reden wie Sie wollen: Es ist nichts anderes als eine Lex Müller, der wir in dieser Form nicht zustimmen werden.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU - Zuruf des Abgeordneten Lothar Hay [SPD])

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erteile ich jetzt der Frau Abgeordneten Irene Fröhlich das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Im Wesentlichen ist alles, was hier vorgetragen wurde, nicht besonders neu und auch nicht überraschend. Die Behandlung von Staatsverträgen im Parlament kann nie als Sternstunde der Demokratie angesehen werden. Wenn Staatsverträge im Landtag behandelt werden, sind Einflussmöglichkeiten der Parlamentarier kaum noch vorhanden.

(Martin Kayenburg [CDU]: So ist das!)

Dennoch haben wir den Achten Rundfunkänderungsstaatsvertrag intensiv beraten und die vorgebrachten Argumente abgewogen. Wir geben ihm aber auch eine Resolution mit auf den Weg - das haben wir noch nie gemacht -, die die Ministerpräsidenten bitte beherzigen mögen. Im Wesentlichen wurde die Resolution auf dem Treffen der norddeutschen Sprecherinnen und Sprecher für Medienpolitik in Bremen beschlossen, richtet sich also keineswegs nur an unsere Ministerpräsidentin.