Protokoll der Sitzung vom 10.05.2000

(Zurufe: Aber keine Ausgleichsmandate!)

- Kollege Neugebauer, bei der Vielzahl der Abgeordneten, die dort gewählt werden, ist die Wahrscheinlichkeit, dass sich die Verhältniszahl in der Zahl der Abgeordnetensitze nicht wieder findet, vergleichsweise geringer als bei einer Zahl von 75. Das wird der Kollege Hentschel, der Mathematiker ist, bestätigen. Je größer die Zahl, desto geringer die Wahrscheinlichkeit, dass es zu einer Veränderung kommt.

Die beiden großen Parteien sollten sich wirklich davor hüten, in einem unglaublichen Anflug von Arroganz zu glauben, dass Direktwahlkreise immer die ihren seien. Man hat bei den letzten Wahlen gesehen, dass sich durchaus massive Verschiebungen ergeben können. Die Justizministerin Lütkes ist der beredte Beleg dafür, dass man auch als Mitglied einer kleineren Partei bei Wahlen durchaus beachtliche Ergebnisse erzielen kann.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es gibt übrigens auch liberale Bürgermeister. Kollege Astrup, schauen wir uns doch einmal die weitere Entwicklung der Sozialdemokraten oder der ChristlichUnionierten an. Wie in den letzten Jahren bin ich da in völliger Ruhe und Gelassenheit.

Ich bedanke mich ausdrücklich für den Beitrag von Anke Spoorendonk, der mir sehr gut gefallen hat. Das soll keine Kritik sein, das darfst du so nicht verstehen.

Frau Kollegin Fröhlich - jetzt ist sie leider weg -, in Ihrem Beitrag sind Sie mir etwas schuldig geblieben, und zwar eine Erklärung darüber, wie ich das zu verstehen habe, was bei den Grünen passiert ist. Ich habe noch in der Erinnerung, dass die Grünen damit in den Wahlkampf gezogen sind, dass die erfolgreiche Politik von Herrn Steenblock und von Frau Birk fortgesetzt werden soll und dass Sie, Frau Fröhlich, eine Woche vor der Landtagswahl erklärt haben, Sie wollten Fraktionsvorsitzende der Grünen bleiben. Das haben Sie

(Wolfgang Kubicki)

den Wählerinnen und Wählern dieses Landes versprochen. So habe ich das verstanden.

Jetzt gibt es zwei Möglichkeiten: Sie haben im Nachhinein erkannt, dass die Aussage während der Wahl falsch war und dass die Politik von Herrn Steenblock und Frau Birk nicht so erfolgreich war, oder Sie wollen ihre erfolgreiche Politik nicht fortsetzen. Erklären müssen Sie das irgendwie. Das, was Sie hier geliefert haben, war jedenfalls keine Erklärung.

(Beifall bei der F.D.P. und vereinzelt bei der CDU)

Ich erteile Herrn Minister Buß das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Gesetzentwurf der F.D.P.-Fraktion soll zu einer Reduzierung der Anzahl der Wahlkreise auf 37 führen. Am Ende sollen dann möglichst maximal 75 Abgeordnete dabei herauskommen.

Exakt der gleiche Antrag wurde vor sechs Jahren von den Fraktionen von CDU und F.D.P. vorgelegt. Dieser wurde hier sehr eingehend diskutiert; Frau Spoorendonk erwähnte das bereits. Auslöser für den damaligen Antrag war das Ergebnis der Landtagswahl vom 5. April 1992. Auch damals umfasste der Landtag 89 statt 75 Abgeordnete. Der Gesetzentwurf wurde schließlich abgelehnt - einige von Ihnen werden sich erinnern -, weil es nach Auffassung der Mehrheitsfraktionen nicht der richtige Weg war, nach Möglichkeit die reguläre und angemessene Größenordnung von 75 Abgeordneten im Landtag zu realisieren.

Das zur Landtagswahl geltende personalisierte Verhältniswahlsystem, bei dem sich die verhältnismäßige Zusammensetzung des Landtags ausschließlich nach dem Zweitstimmenanteil der Parteien bemisst, schließt generell die Möglichkeit ein, dass Überhangmandate entstehen können.

Die bereits im Jahre 1994 vom Landeswahlleiter dem Innen- und Rechtsausschuss des Landtages vorgelegten Proberechnungen haben ergeben, dass die Verringerung der Wahlkreiszahl auf 37 nicht die Einhaltung der Regelabgeordnetenzahl von 75 garantiert. Richtig ist allerdings, dass das Ergebnis der letzten Landtagswahl bei 37 Wahlkreisen keine - oder nur eine geringe - Zahl von Überhangmandaten ergeben hätte.

(Wolfgang Kubicki [F.D.P.]: So ist das!)

Gleichwohl gilt: Bei 37 Wahlkreisen verringert sich zwar die Wahrscheinlichkeit und das Ausmaß des Entstehens von Ausgleichsmandaten, die Gefahr ihres

Entstehens bleibt aber grundsätzlich vorhanden. Dass auch eine gleich hohe Zahl von Wahlkreislistenmandaten einen großen Landtag ergeben kann, zeigt das Beispiel des Landes Sachsen-Anhalt. Dort gibt es 49 Wahlkreis- und - als Regel - 50 Listenmandate. Das Ergebnis der letzten Landtagswahl führte allerdings nicht zu einem Landtag mit 99 Abgeordneten, sondern mit 116 Abgeordneten. Für SchleswigHolstein würde erst bei einer Zahl von 30 und weniger Wahlkreisen das Entstehen von Überhangmandaten mit hoher Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden können.

Die Reduzierung der Anzahl der Wahlkreise auf 30 und weniger - also eine Umkehrung des bisherigen Verhältnissen zwischen Direktmandaten und Listenmandaten - würde jedoch den Aspekt der Persönlichkeitswahl zugunsten der Verhältniswahl aus den Landeslisten der Parteien sehr stark in den Hintergrund rücken. Darüber muss man sich einfach im Klaren sein.

(Holger Astrup [SPD]: Schaffen wir lieber die Überhangmandate ab!)

Eine solch massive Reduzierung der Wahlkreiszahl wäre schon deshalb problematisch, weil die Wahlkreise in unserem Flächenland zu groß werden würden, nicht zuletzt zulasten einer ordentlichen Wahlkreisarbeit, die - so meine ich - die Bürgerinnen und Bürger von ihren Abgeordneten auch verlangen können.

(Beifall bei SPD und CDU)

Schon die im Gesetzentwurf der F.D.P. vorgesehene Reduzierung auf 37 Wahlkreise bedarf - gerade vor diesem Hintergrund - zumindest gründlicher Überlegung. Sehr persönlich hat die Zahl 37 einen gewissen Reiz, weil sie eine Primzahl ist.

Die Verringerung der Zahl der Wahlkreise bedarf lediglich einer Änderung des einfachen Rechts. Für jede weitergehende Möglichkeit zur Behebung des anstehenden Problems - sei es eine Senkung der Abgeordnetenzahl insgesamt in Verbindung mit einer Reduzierung der Wahlkreise, sei es die Einführung eines anderen Wahlsystems - ist eine Änderung der Landesverfassung erforderlich. Ich denke, dass wir alle hier im Saal der Auffassung sind, dass - unabhängig von dem verfassungsmäßigen Quorum - solche wesentlichen Wahlrechtsänderungen - wenn sie denn kommen sollten - einer guten Tradition folgend im Einvernehmen mit möglichst allen Parteien und allen Fraktionen im Landtag vorgenommen werden sollten.

(Beifall bei der SPD und des Abgeordneten Klaus Schlie [CDU])

(Minister Klaus Buß)

Die Landesregierung wird die Arbeit des Innen- und Rechtsausschusses bei der Beratung über den Gesetzentwurf selbstverständlich konstruktiv begleiten und jede nur mögliche Unterstützung gewähren.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW sowie des Abgeordneten Wolfgang Kubicki [F.D.P.])

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Ich schließe die Beratung. Es ist beantragt worden, den Gesetzentwurf dem Innen- und Rechtsausschuss zu überweisen. Wer so beschließen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen! - Enthaltungen? Das ist einstimmig so beschlossen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 5 auf:

Erste Lesung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Rechtsverhältnisse der Ministerpräsidentin oder des Ministerpräsidenten und der Landesministerinnen und Landesminister (Landesministergesetz)

Gesetzentwurf der Fraktion der F.D.P. Drucksache 15/56

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall.

Ich eröffne die Grundsatzberatung. Das Wort hat Herr Abgeordneter Hildebrand.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Fraktionen dieses Hauses sind sich darin einig, die Versorgungsregelungen für Ministerinnen und Minister zu ändern. So war es zumindest aus unterschiedlichsten Presseerklärungen zu erkennen. Es ist unangemessen und den Bürgerinnen und Bürgern nicht zu vermitteln, wenn nach einer fünfjährigen Amtszeit unabhängig vom Alter der ausscheidenden Personen Pensionsansprüche entstehen. Das Beispiel des neuen Umweltministers hat dies deutlich gemacht.

Sehr geehrter Herr Minister, Sie beginnen Ihre Amtszeit äußerst erfolgreich. Kaum sind Sie im Amt, schon liegt - durch Ihre Berufung veranlasst - der erste Gesetzentwurf auf dem Tisch, ohne dass Sie überhaupt tätig geworden sind. Nach dieser Legislaturperiode sofern der Umweltminister ihr Ende erreicht - könnte Herr Müller nach der jetzigen Rechtslage den Rest seines Lebens als Spaziergänger oder besser als Fahrradfahrer an der Förde verbringen.

Das ist eine Feststellung, kein Vorwurf. Der Herr Minister ist für dieses Gesetz nicht verantwortlich, er

hat es lediglich bei seinem Amtsantritt vorgefunden. Ich unterstelle auch nicht, dass Sie diesen Job angenommen haben, weil Sie wussten, wie die Versorgungsregelungen ausgelegt sind. Deswegen geht es der F.D.P. auch nicht um eine „Lex Müller“. Es geht nur darum, endlich die unangemessenen Pensionsregelungen des schleswig-holsteinischen Ministergesetzes zu beseitigen. Nicht mehr, aber auch nicht weniger ist das Ziel des Gesetzentwurfs der F.D.P.

(Beifall bei der F.D.P. und vereinzelt bei der CDU)

Es überrascht schon ein wenig, wenn die Grünen in ihrer Presseerklärung zu Eckpunkten für die Änderung des Landesministergesetzes erklären, dass ihre Vorschläge - wohl im Gegensatz zu unseren - zu einem tatsächlichen und wirkungsvollen Abbau der Überversorgung führen. Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen der Fraktion der Grünen, herzlichen Dank für diese Belehrung. Es wirkt schon ein wenig befremdlich, wenn die Fraktion, die zum Beispiel vier Jahre Zeit hatte, die Rechtslage zu ändern, erst nach dem Gesetzentwurf der F.D.P. in die Gänge kommt.

(Zuruf der Abgeordneten Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Das Thema Ministergesetz ist ungeeignet für Schnellschüsse und Populismus. Dieser Mahnung des - so vermute ich - weisen Fraktionsvorsitzenden der SPD an seinen grünen Koalitionspartner schließe ich mich ebenso uneingeschränkt an wie seiner Feststellung, dass die Regelungen für die Versorgung der Abgeordneten für eine Novellierung beispielgebend sein können.

(Beifall bei der F.D.P.)

Genau von diesem Gedanken hat sich die F.D.P. bei ihrem Gesetzentwurf leiten lassen. Die Diskussion um die Ministerversorgung darf nicht in das gleiche Fahrwasser geraten wie die um die Diäten. Die F.D.P. hat daran kein Interesse. Warum auch? Das Ergebnis wäre nur, dass die Politik als Ganzes an den Pranger gestellt würde und wir wieder einmal - völlig unabhängig von der Frage, ob zu Recht - eine Debatte unter der Überschrift „Raffkes“ hätten.

Eine Gesetzesänderung ist aus Sicht meiner Fraktion notwendig, weil Politik nun einmal nicht die Fortsetzung des öffentlichen Dienstes in anderer Form ist,

(Beifall bei der F.D.P.)

trotz dessen Dominanz bei der Zusammensetzung der Parlamente.

Sowohl Minister als auch Abgeordnete sind auf Zeit in ihr Amt gewählt, ganz im Gegensatz zu Beamten, die