Herr Kollege Steenblock, Herr Kollege Harms, zum anderen habe ich meine Zweifel daran, dass die Art und Weise der Produktion etwas mit dem In-VerkehrBringen zu tun haben kann. Ich möchte das innerhalb meines Dreiminutenbeitrages an einem kleinen Beispiel verdeutlichen. Niemand von uns käme auf die Idee zu sagen, nur weil ein Auto ökologisch produziert worden sei, dürfe man auf den TÜV verzichten. Das Spannende ist nämlich, wie es mit der Überwachung und Kontrolle bisher gewesen ist. Ich bin bei der ganzen Debatte völlig verwirrt als Verbraucher, meine Frau übrigens auch, weil jetzt Kontrolle und Überwachung gefordert werden, von denen wir davon ausgegangen sind, dass sie bereits bestehen. Die Lebensmittelüberwachung hat ja den Sinn, dass das InVerkehr-Bringen von Lebensmitteln, die nicht an die Verbraucher gelangen sollten, unterbunden werden kann.
Herr Steenblock, Herr Harms, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, ich bin bei der Recherche des Ist-Zustands in Schleswig-Holstein auf ein Urteil des schleswig-holsteinischen Oberlandesgerichts vom 23. Mai 1997 gestoßen, das im „Report“ 12/97 abgedruckt war. Ich habe mir die Entscheidung aus dem Verfügungsbereich der Landesregierung besorgt. Da sollte einer Tierärztin untersagt werden zu behaupten, dass hin und wieder BSE-auffällige Tiere ohne die notwendigen umfangreichen Untersuchungen ganz normal geschlachtet worden und in den Verbrauch gelangt seien.
Ich zitiere jetzt aus der Begründung des Oberlandesgerichts, weil ich daran Fragen an die Regierung habe, die vielleicht beantwortet werden können. Das Oberlandesgericht erklärt:
„Dessen ungeachtet ist der Senat davon überzeugt, dass es hinreichend BSE-auffällige Tiere gegeben hat, die das Vorgehen der Beklagten als gerechtfertigt erscheinen lassen. Zunächst sind die vier Rinderköpfe zum IPTH nach Hannover zur Untersuchung eines BSEVerdachts geschickt worden... In zwei der vier Fälle sind trotz der Tötung mit Bolzenschussgeräten perineuronale Vakuolen festge
stellt worden. Das sind Aushöhlungen der Hirnsubstanz, wie sie auch bei BSE vorkommen. Wenn der Befund sodann von Prof. Dr. P. mit einem ‘histopathologisch kein eindeutiger Hinweis auf BSE’ nur äußerst vorsichtig formuliert worden ist, räumt dies einen BSE-Verdacht keineswegs aus, sondern spricht zusätzlich dafür, dass diese Tiere BSE-auffällig gewesen sind. Danach konnte von einem ‘eindeutig negativen Ergebnis’ der Untersuchungen, mit denen das zuständige Ministerium sich und die Bevölkerung beruhigen wollte (MELFF-Bericht vom 5. Okto- ber 1994), nicht die Rede sein. Es liegt auf der Hand, dass ‘keine eindeutigen Hinweise auf BSE’ etwas grundlegend anderes sind als eindeutig keine Hinweise auf BSE.
Damit konnte sich (nicht nur) für die Beklagte der Verdacht aufdrängen, dass den staatlichen Stellen durchaus im Einklang mit den Fleisch erzeugenden und verarbeitenden Betrieben sehr daran gelegen war, einen amtlichen BSE-Nachweis wenn irgend möglich zu verhindern. Wenn vereitelt wurde, dass die der sachverständigen Beklagten aufgefallenen Tiere sachgerecht medikamentös getötet oder lebend zum IPTH nach Hannover geschickt werden konnten, wenn trotz der nicht eindeutigen und damit unsicheren Befundergebnisse keine weiteren Untersuchungen durchgeführt wurden, wenn die Beklagte schließlich gegen ihren Willen aus dem Stall ans Band versetzt worden ist und ihr damit die Möglichkeit genommen wurde, bei der klinischen Lebenduntersuchung weitere BSE-Verdachtsmomente festzustellen, und wenn die Untersuchungsergebnisse im MELFF-Bericht öffentlich verharmlost wurden, dann durfte sich die Beklagte, die als wissenschaftliche Expertin um eine Stellungnahme gebeten worden war, in der geschehenen Weise und in durchaus zurückhaltender Form öffentlich äußern.“
Das ist ja vom MELFF und anderen zur Kenntnis genommen worden, auch vom Umweltministerium. Sie waren 1997 Umweltminister. Meine Frage ist: Was ist daraufhin geschehen bei der stärkeren Kontrolle von entsprechenden Verdachtsfällen?
Das Wort zu einem weiteren Kurzbeitrag nach § 56 Abs. 4 der Geschäftsordnung hat Frau Abgeordnete Kruse.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Lieber Kollege Hopp, ich bin sehr dankbar dafür, dass vorhin die sehr sachliche Diskussion angesprochen worden ist, die wir in Berlin geführt haben. Ich finde es wenig hilfreich, dass wir hier alle so tun, als hätte das nicht stattgefunden, und uns das nur für die Presse um die Ohren hauen. Ich möchte noch einmal auf das eingehen, was in Berlin angesprochen worden ist, und zwar insbesondere was das Gütezeichen betrifft, das im letzten Jahr seinen 35. Geburtstag gefeiert und in 35 Jahren eine kontinuierliche und dynamische Entwicklung gefunden hat.
Das Zeichen für kontrollierten Anbau, für kontrollierte Aufzucht, für kontrollierte Produktion, regelmäßige Kontrolle, ausgezeichnete Qualität und mehr Sicherheit, damit Sie beim Einkauf auf Nummer sicher gehen können. Alle diese Aufzählungen hatten am 24. November des letzten Jahres kaum noch Gültigkeit. Die so wichtige Orientierungshilfe für Handel und Verbraucherinnen und Verbraucher, das positive Landesimage waren auf einmal angeschlagen.
Wir stehen aufgrund der veränderten Situation und aufgrund der aktuellen und sicherlich lang anhaltenden Diskussion vor der schwierigen Aufgabe, auf Veränderungen möglichst schnell und umgehend zu reagieren. Es muss daher darüber nachgedacht werden, welche Kriterien dieses Produkt in Zukunft erfüllen muss, kann und auch soll. Wir können den Verbraucherinnen und Verbrauchern nicht weiter suggerieren, dass es einen hundertprozentigen Schutz gibt, aber wir können die Rahmenbedingungen für eine Entscheidungsgrundlage geben; entscheiden müssen immer die Menschen selber.
Daher gilt es, auch für das Gütezeichen, in das bis jetzt über 70 Millionen DM an öffentlicher Förderung geflossen sind, über Veränderungen nachzudenken. Das ist genau das, was wir auch in Berlin besprochen haben.
Es reicht nicht aus, wie bisher die Vermarktung kontrolliert erzeugter Rohstoffe mit regionaler Herkunft dafür zu definieren.
Aus der aktuellen Diskussion wissen wir, dass die Anforderungen der Verbraucherinnen und Verbraucher an den Gesundheitswert von Lebensmitteln und deren Umwelt und artgerechte Erzeugung und Haltung zukünftig sehr viel stärker berücksichtigt werden müssen. Ökologische Aspekte und Dimensionen müssen
Auch die Einführung zusätzlicher Kriterien wie der Ausschluss problematischer Inhaltsstoffe, weitgehende Verwendung von schleswig-holsteinischen Rohstoffen und Betonung gesundheitsfördernder Produkte sollten sich in dem blau-grünen Gütesiegel wiederfinden.
Ein Qualitätssicherungssystem und -management in vervollständigter Form kann hier praktiziert werden und sollte in die Tat umgesetzt werden.
Meine Damen und Herren, damit es in Zukunft nicht Zeichen wie Sand am Meer gibt, lassen Sie uns über eine Verbesserung der kontrollierten Qualität mit den Komponenten praktizierbarer Verbraucherschutz und Wirtschaftsförderung und damit auch über Finanzierungselemente und Finanzierungsinstrumente gemeinsam nachdenken.
(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN, SSW und der Abgeordneten Dr. Chri- stel Happach-Kasan [F.D.P.])
Das Wort zu einem weiteren Kurzbeitrag nach § 56 Abs. 4 der Geschäftsordnung hat Herr Abgeordneter Hentschel.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich möchte auf ein paar Punkte eingehen, die in der Debatte gefallen sind. Zunächst zur Europäischen Union! Hier ist wieder einmal die Legende gestrickt worden, dass die Europäische Union die Hauptschuldige ist, die uns daran hindert, ökologisch zu produzieren. Das Gegenteil ist der Fall.
Es war in den letzten Jahren Landwirtschaftsminister Borchert - die Parteizugehörigkeit ist sicher bekannt -, der in der EU verhindert hat, dass das Verbot der Tiermehlverfütterung eingeführt worden ist.
Der jetzige EU-Kommissar Fischler hat deutlich darauf hingewiesen, dass es europäische Länder gibt, die in der Frage ökologischer Produktion bei 20 % liegen, während andere Länder bei 2 % liegen. Das kann ja wohl nicht an der Europäischen Union liegen, sondern das liegt daran, wie die jeweiligen europäischen Staaten die Möglichkeiten der Europäischen Union ausge
nutzt haben. Man muss einfach feststellen, dass andere Länder da mehr getan haben als wir und dass Deutschland in diesen Diskussionen in den vergangenen 20 Jahren eher Bremser war.
Es ist hier darauf hingewiesen worden - das ist völlig richtig -, dass auch ökologische Landwirte vor Skandalen nicht sicher sind. Das ist niemand. Der Unterschied ist - darauf werden wir uns sicherlich verständigen können -, dass Biolandwirte das eigene Gras, die eigenen Ackerbauprodukte verfüttern. Der Unterschied ist, dass sie ihre Kälber mit Milch aufziehen. Der Unterschied ist, dass sie keine Insektizide, Pestizide, Herbizide und so weiter verwenden. Das sind Tatsachen.
Es gibt in dieser Art von Landwirtschaft andere Strukturen, die sicherlich verbraucherfreundlicher sind und deshalb gefördert werden sollten.
Ich möchte bezüglich der Forschung noch auf den Beitrag des Kollegen Harms eingehen. Ich glaube, dass wir in der Forschung sehr große Fortschritte gemacht haben. Wir haben in Schleswig-Holstein jetzt den Hof Lindhöft, der im Bereich des ökologischen Landbaus in Schleswig-Holstein eine eigenen Station bildet und dadurch die Grundlage dafür schafft, dass Schleswig-Holstein in diesem Bereich vorankommt.
Weiterhin haben wir das neue Bundesgut Trenthorst, wo die gesamten Haustierrassen mit dem Ziel neu gezüchtet und gescannt werden, im Rahmen der Grundlagenforschung die ökologische Kuh der Zukunft mit hoher Leistung zu erhalten, die aber nicht den heutigen Bedarf an Antibiotika hat. Gleiches gilt für die Schweine-, die Schaf- und die Ziegenzucht. Damit sind in Schleswig-Holstein hervorragende Forschungsmöglichkeiten geschaffen, die wir nutzen sollten. Ich glaube nicht, dass wir auf die Landwirtschaftskammer zurückgreifen müssen. Ich glaube auch nicht, dass sie dafür die geeignete Institution ist.
Ich glaube, dass ein Gütesiegel wichtig ist. Die Frage der Kontrolle des Gütesiegels sollten wir allerdings in Zukunft nicht allein der Landwirtschaftskammer überlassen. Diese Kontrolle sollte - unabhängig von den Interessen der Landwirtschaftsstrukturen - von Verbraucherorganisationen organisiert werden. Wir
haben die Erfahrung gemacht, dass es nie günstig ist, wenn diejenigen, die etwas machen, sich auch selber kontrollieren. Das soll von unabhängigen Verbraucherorganisationen gemacht werden. Dann kommen wir zusammen.
Nach § 56 Abs. 4 der Geschäftsordnung erteile ich Herrn Abgeordneten Jensen-Nissen das Wort zu einem weiteren Kurzbeitrag.
Frau Präsidentin! Frau Ministerin, Ihre Aussage, dass meine Aussagen zu billig seien, bitte ich noch einmal zu überdenken. Sie haben eine Kleine Anfrage beantwortet, die ich aufgearbeitet habe. Dabei kommen diese Zahlen zustande. Das ist innerhalb der Verantwortung dieser Landesregierung passiert. Diese Tatsache muss man natürlich im Kontext der Beschlüsse sehen, die 1997, 1998 und 1999 getroffen worden sind. Als Abgeordnete sollten Sie darüber nachdenken, ob man das Kontrollrecht des Parlaments als billig bezeichnen sollte. Dies ist ein Misston in dieser Debatte, gegen den ich mich verwahre.
Nun zu der Forderung des ökologischen Landbaus. Sie haben alle Möglichkeiten gehabt. Ich nenne nur die EU-Richtlinie 70/28 zur Extensivierung. Diese Richtlinie existiert seit 1990. Diese Landesregierung hat nichts gemacht. 1988 hatten wir 25.000 beziehungsweise 26.000 Hektar in Extensivierungsmaßnahmen auf dem Grünland. Sie haben dies abgeschafft. Sie sind dafür verantwortlich. Sie haben nichts umgesetzt. Bayern hat das Kula-Programm, Baden-Württemberg hat ein ähnliches Programm, das von der EU notifiziert, finanziert und genehmigt wurde. Sie haben nichts gemacht; auch das gehört zur Wahrheit.
Nun zu Ihnen, Kollege Hentschel. Sie sind wahrlich Weltmeister in Legendenbildung. Das hilft Ihnen aber überhaupt nicht. Am 30. März 1994 hat der Bundesminister im Rahmen einer Ministerratssitzung auf Antrag der Bundesrepublik Deutschland das Verbot von Tiermehlverfütterung gefordert. Ich nenne in diesem Zusammenhang die Aktion von CDU und CSU. Ich wollte hier keine parteipolitische Diskussion. Ich