Protokoll der Sitzung vom 21.03.2001

Warum sind gerade wir so engagiert für die KraftWärme-Kopplung? - Wir liegen mit einem Anteil der KWK von 20 % doppelt so hoch wie der Bundesdurchschnitt, weil wir Gemeinden, Städte und einzelne Betriebe ermuntert haben, hier zu investieren. Wir fühlen uns jetzt auch verpflichtet, diese Technologie nicht nur abzusichern, damit es kein Stranded Investment gibt, sondern aus klimapolitischen Gründen auch auszubauen. Ich bin nach wie vor der Auffassung: Wenn es in Dänemark und in Holland Anteile der Kraft-Wärme-Kopplung von 35 % und 40 % gibt, dann muss es auch möglich sein, den Anteil in Deutschland innerhalb von zehn Jahren von 10 % auf 20 % zu steigern.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW - Glocke des Präsidenten)

Ich begrüße daher den Antrag der beiden Koalitionsfraktionen, weil er dazu beiträgt, in Berlin möglichst schnell eine vernünftige Lösung zu finden. Am 28. März 2001 findet das wichtige Gespräch aller Akteure in Berlin statt. Einigt man sich auf das KraftWärme-Kopplungsmodell oder - wie zum Beispiel von VKU und Städtetag vorgeschlagen - auf ein vernünftiges Bonusmodell? Ich denke, es ist wichtig, dass heute hier vom Landtag ein Signal ausgeht, dass in jedem Fall eine Einigung zum Ausbau der Kraft-WärmeKopplung kommen muss, und zwar sehr bald. So lange diese Regelung nicht da ist, bin ich der Auffassung, dass die Landesregierung ihre Initiative im Bundesrat zur Quotenregelung nicht zurückziehen sollte. Erst wenn es ein verlässliches Ergebnis gibt, werden wir unsere Initiative zurückziehen.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Ein geschäftsordnungsmäßiger Hinweis: Die Landesregierung hat die zugeordnete Redezeit um zwei Minuten überzogen. Nach der Geschäftsordnung steht den Fraktionen damit jeweils die Hälfte dieser Über

(Vizepräsident Thomas Stritzl)

ziehungszeit zusätzlich zur Verfügung. Für die SPD spricht jetzt Frau Abgeordnete Kockmann-Schadendorf.

(Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Eine Minute!)

- Nein, die SPD hat noch drei Minuten Restredezeit plus eine Minute, das heißt vier Minuten Redezeit.

(Holger Astrup [SPD]: Wir sind in jeder Hin- sicht sparsam!)

Man muss sich immer etwas aufsparen. Man weiß ja nie, was kommt.

Kollege Kerssenbrock, als bockiges Kind wollte ich mich doch noch einmal zu Wort melden. Ich weiß nicht, ob Sie vorhin mich persönlich oder meine Fraktion meinten; ich stehe aber gern für das gerade, wobei es dabei ging. Ich habe den Eindruck - Sie mögen mich, da Sie auch noch eine Minute Redezeit haben, gegebenenfalls davon überzeugen, dass ich das falsch sehe -, entweder Sie haben mir nicht zugehört oder Ihre Rede war vorher fertig und Sie waren nicht schnell genug, um sie nach meinen Ausführungen zu ändern. Ich habe darauf hingewiesen, dass die Gesetzgebung auf Bundesebene erfolgt. Ich habe auch darauf hingewiesen, dass auf Bundesebene andere Modelle diskutiert werden. Ich habe auch gesagt: Wenn es etwas gibt, was genauso nachhaltig und effizient ist und nicht an Freiwilligkeit gebunden ist, sollte man durchaus in der Lage sein, darüber nachzudenken, ob man solch ein Modell mittragen kann.

Graf Kerssenbrock, gestatten Sie mir noch eine Anmerkung. In Ihren Beiträgen zur Energiepolitik landen Sie fast jedes Mal bei Ihrem Hohelied auf die Kernenergie.

(Holger Astrup [SPD]: Das ist mir auch schon aufgefallen!)

Ich hoffe, dass Sie irgendwann einsehen, dass dies ein Auslaufmodell ist. Ich hoffe, dass Sie umdenken.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Ich sehe, Sie schreiben etwas auf. Ich bin gespannt, was Sie dazu sagen werden. Es wäre schön, wenn wir gemeinsam an einer Energiepolitik für SchleswigHolstein arbeiten könnten, die zukunftweisend ist. Von daher hoffe ich, dass Sie in Ihrer Fraktion noch einmal in sich gehen und gemeinschaftlich mit uns an einer solchen Energiepolitik arbeiten.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Dr. Trutz Graf Kerssenbrock.

Frau Kollegin, Sie haben gehofft, dass ich in mich gegangen sei. Ich will Ihnen jetzt ganz kurz das Ergebnis des In-mich-Gehens mitteilen.

(Wolfgang Kubicki [F.D.P.]: Sie haben nichts gefunden - oder was? - Heiterkeit)

Wissen Sie, was möglicherweise ein Auslaufmodell ist? - Die Kollegin Happach-Kasan hat schon darauf hingewiesen. Ein Auslaufmodell ist möglicherweise die Ausstiegsvereinbarung vom Juni letzten Jahres, die gerade von den Kräften in Ihrer Koalition eventuell gar nicht ernsthaft eingehalten wird.

(Beifall bei CDU und F.D.P.)

Sie haben ganz deutlich gemacht, wozu die heutige Debatte über den Antrag, die eine ganze Stunde dauert, eigentlich dienen soll. Sie soll zum Aufbau eines Drohpotenzials gegenüber den Stromerzeugern dienen. Wir als Landtag werden hier instrumentalisiert. Das finde ich nicht in Ordnung.

(Beifall bei der CDU - Zuruf des Abgeord- neten Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

- Nein, als Drohpotenzial taugt ein Parlament nicht, wie ich finde, auch nicht von der Selbstachtung her, Herr Kollege Hentschel. Dieser Meinung bin ich allen Ernstes.

Lassen Sie mich noch ein Wort an die Adresse von Herrn Minister Möller sagen. Sie freuen sich über das EuGH-Urteil zu früh, Herr Minister. Sie sollten es genau lesen. Es ist ausdrücklich auf die gegenwärtige energiepolitische Landschaft in Europa bezogen. Es ist auf die fehlende Liberalisierung in Frankreich bezogen. Darin liegt das Problem. Gerade deshalb ist das noch einmal durchgegangen. Ob das weiterhin so durchgehen wird, ist höchst zweifelhaft.

(Beifall bei CDU und F.D.P.)

Das Grundproblem, vor dem Sie energiepolitisch, aber auch wirtschaftspolitisch stehen, ist das Folgende. Es ist übrigens erfreulich, dass der Herr Wirtschaftsminister jetzt doch anwesend ist und möglicherweise aufnimmt, wie viel Dirigismus seine ihn tragende Fraktion hier weiterhin predigt. Das Grundproblem ist, dass Sie sich bei der Entscheidung zwischen Kooperation und staatlichem Zwang im Zweifel leider in der Regel für staatlichen Zwang statt für Kooperation entscheiden. Diesbezüglich sind wir diametral anderer Auffassung.

(Dr. Trutz Graf Kerssenbrock)

In der Umweltpolitik hat sich mehrfach gezeigt, dass Kooperation sehr viel sinnvoller ist, beispielsweise im Abfallbereich und ebenso im Entschwefelungsbereich im Zusammenhang mit dem Bundesimmissionsschutzgesetz. Es hat in den §§ 5 ff. des Bundesimmissionsschutzgesetzes damals einzelne Elemente gegeben, die durchaus eine so genannte Blasen- oder Bubble-Lösung nach amerikanischem Vorbild beinhalten. Solche Elemente sind also vorhanden und im Übrigen von der Bundesregierung, die wir gemeinsam getragen haben, Frau Happach-Kasan, eingeführt worden.

Ein letzter Punkt. Es ist geradezu Traumtänzerei, Herr Minister Möller, wenn Sie glauben, dass der Fernwärmeanteil von 10 % in Schleswig-Holstein bei der gegenwärtigen Struktur - 10 % der Haushalte werden gegenwärtig mit Fernwärme versorgt - durch Bezuschussung von noch mehr Kraft-Wärme-Kopplung oder durch eine Erhöhung der Quote deutlich und substanziell erhöht werden könnte. Es ist eine veraltete Energieversorgungsstruktur, eine veraltete Technologie, in die Sie investieren wollen. Ihnen fehlt in diesem Bereich die Bereitschaft zur Technologieoffenheit.

(Beifall bei CDU und F.D.P.)

Das Wort hat jetzt Frau Abgeordnete Dr. Christel Happach-Kasan.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Frau Kockmann-Schadendorf, ich finde es höchst merkwürdig, dass Sie in dieser Debatte, in der es um wesentliche energiepolitische Fragen geht, Graf Kerssenbrock vorwerfen, dass er das Thema Kernkraft anspricht. Ich finde, das war vollkommen in Ordnung. Ich habe es selbstverständlich auch getan.

Als es um den Natur- und Umweltschutz, der bei der Planung und Errichtung von Offshore-Windkraftanlagen zu beachten ist, ging, haben Sie eine Rede allein gegen die Kernenergie gehalten, obwohl es doch eigentlich Ihr Thema gewesen wäre, für OffshoreWindkraftanlagen zu sprechen, also darüber zu reden, wie wir schnellstmöglich herausfinden, welche Naturund Umweltschutzauflagen beachtet werden müssen. Es ist sehr deutlich, dass Sie auf das Thema Kernenergie fixiert sind, statt die Energieerzeugung in den gesamten umweltpolitischen Kontext zu stellen und insgesamt gesehen - bei der Energiepolitik darauf zu achten, dass wir eine Minderung des CO2-Ausstoßes zum Beispiel durch Kernkraft, zum Beispiel durch Windkraft erreichen, wenn es denn umweltverträglich möglich ist.

Mir ist völlig unverständlich, warum Sie mit diesem Einwurf gegen die Rede von Graf Kerssenbrock noch einmal an das Rednerpult getreten sind. Mit Ihrem Beitrag wollten Sie wahrscheinlich nur überdecken, dass Ihre energiepolitischen Vorstellungen von Ordnungsrecht und Dirigismus geprägt sind und Sie sonst praktisch nichts im Kopf haben.

(Beifall bei F.D.P. und CDU)

Auch die Rede des Ministers kann doch nicht verschleiern, dass die tatsächliche Funktionsweise von Zertifikatmodellen von Ihnen nicht erkannt und auch nicht begriffen wird.

(Beifall bei F.D.P. und CDU)

Angesichts der Erfahrungen in den USA, die man durchaus einmal beherzigen sollte, würde ich mir wünschen, dass Sie sich mit dem Thema etwas besser auseinander setzen, sodass wir hier auch im Landtag kompetente Gesprächspartner haben.

(Beifall bei F.D.P. und CDU)

Zu einem weiteren Kurzbeitrag hat Herr Abgeordneter Konrad Nabel das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich kann es schon bald nicht mehr ertragen, wie, ausgehend von einer selbst gesetzten Definition von „modern“, der Kollege Kerssenbrock hier von veralteten Technologien spricht. Es ist unglaublich: Ihre Definition von Modernität ist wahrscheinlich aus dem vorletzten Jahrhundert und ähnlich leer wie das, worauf Sie gestoßen sind, als Sie vorhin in sich etwas zu finden versucht haben.

(Wolfgang Kubicki [F.D.P.]: Aber er hat eben die modernere Jacke an! - Heiterkeit)

- Ein wirklich wegweisender Beitrag des Kollegen Kubicki!

Die Definitionsmacht hinsichtlich dessen, was denn nun modern oder nicht modern ist, ist auf jeden Fall nicht aus der von Ihnen vertretenen Energiepolitik herleitbar, Graf Kerssenbrock.

(Beifall beim SSW)

Es kann doch nur darum gehen, dass wir heute Technologien entwickeln und fördern, mit denen unsere Enkel, unsere Urenkel und weitere Generationen vernünftig und nachhaltig leben können.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)