Protokoll der Sitzung vom 22.03.2001

Für die Kinder und Jugendlichen von heute sind Jahrmärkte nichts Besonderes, sonders ein Event von vielen, und erst recht kein Ereignis, das groß zieht. Wer mit seinen Kindern einmal im Hansa-Park oder sogar im Euro-Disneyland in Paris war, wird diese schwerlich für das Riesenrad oder ein normales Karussell begeistern können. Mein vierjähriger Enkel lehnt es ab, ein Karussell zu besteigen, weil ihm schlecht wird. Das hat er schon raus. Dem brauche ich damit gar nicht mehr zu kommen.

(Unruhe)

Trotzdem sollte sich der Landtag in seiner Wirtschafts- und Sozialpolitik selbstverständlich auch für diese Branche einsetzen. Dazu liegt Ihnen ein umfangreicher und detaillierter Antrag der Sozialdemokraten vor. Herr Dr. Garg, es ist Ihnen offenbar entgangen, dass die Grünen hier ausnahmsweise mal nicht Mitautoren waren. Aus meiner Sicht möchte ich aber die nachfolgenden Punkte besonders betonen. Die Volksfeste in Schleswig-Holstein sind als Event mit aufzunehmen in -

(Glocke der Präsidentin - Wolfgang Kubicki [F.D.P.]: Hier steht „SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN“! Ist das falsch? - Sie ha- (Irene Fröhlich)

ben doch einen gemeinsamen Antrag gestellt! - Wolfgang Kubicki [F.D.P.]: Hier steht „Karl-Martin Hentschel“!)

Einen Moment, Frau Abgeordnete! Ich bitte um etwas mehr Ruhe. Es ist den Rednerinnen und Rednern wirklich nicht zuzumuten zu schreien. Sie haben das Wort, Frau Abgeordnete!

Danke! - Ausnahmeregelungen wünschen wir uns für Volksfeste und Märkte an Feiertagen. Das ist ein Punkt, der nicht unumstritten ist.

(Lachen bei CDU und F.D.P.)

Hier kommen wir in die Diskussion über Ladenöffnungszeiten. - Schön, dass Sie sich so freuen können, Herr Kubicki! Ich verweise auf die gestartete Volksinitiative der Videotheken für eine Änderung der Feiertagsgesetze. Ziel ist eine Formulierung, wie sie seit September in Hamburg gültig ist. Die Öffnung von Videotheken ist an Sonntagen und gesetzlichen Feiertagen ab 13 Uhr zugelassen.

(Wortmeldung des Abgeordneten Dr. Heiner Garg [F.D.P.] - Glocke der Präsidentin)

Frau Abgeordnete, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Garg?

Nein, ich muss sehen, dass ich fertig werde.

(Dr. Heiner Garg [F.D.P.]: Die Frage ist ganz harmlos, Frau Fröhlich! - Heiterkeit bei F.D.P. und CDU)

- Okay, dann haben wir zwei verschiedene Fälle. Lassen Sie mich einfach meine Rede zu Ende halten. Wahrscheinlich haben Sie Recht und ich habe mich vertan; sei es drum.

Die Lösung der Transportfrage für die Schaustellermaterialien und -ausrüstungen muss angesprochen werden. Hier geht es um die Sonn- und Feiertagsverbote und den Erhalt der Verladestellen an Nebenstrekken der Bahn und um die Genehmigung im Bereich des Gaststättengesetzes. Es kann aus unserer Sicht nicht angehen - das wurde auch schon gesagt -, dass die mobilen Schaustellerstände mit Angeboten für Essen und Trinken dreimal in der Woche eine Genehmigung einholen müssen, obwohl klar ist, dass sie die Aufla

gen erfüllen. Diese Schausteller sind aus unserer Sicht quasi als Dauergaststättenbetriebe einzustufen.

Schließlich möchte ich hier noch die steuerliche Anerkennung der Mehraufwendungen bei auswärtiger Unterbringung schulpflichtiger Kinder erwähnen. Zusätzliche Belastungen müssen eben auch steuerlich berücksichtigt werden. Das gilt für alle vergleichbaren Branchen.

Mein letzter Satz sollte lauten: Ich bitte um Zustimmung zu diesem detaillierten Antrag, der die Lage des Schaustellergewerbes behandelt und konkrete Verbesserungen vorschlägt. Ich hätte mich gefreut, wenn wir uns dazu hätten durchringen können. Aber anscheinend lässt es Ihre Eitelkeit nicht zu. Deswegen müssen wir im Ausschuss noch eine Runde extra einlegen.

(Günther Hildebrand [F.D.P.]: Nein, wollen wir gar nicht! Stimmen Sie doch unserem Antrag zu!)

Ich hätte der Landesregierung zugetraut, dass sie nach einem solch klaren Antrag entsprechende Regelungen findet, die man im Gesetzgebungsverfahren oder in einzelnen Aktionen und Programmen, die die Landesregierung wahrscheinlich auf unseren Impuls hin gestartet hätte, immer noch hätte diskutieren können. Aber Sie wollen die Extrarunde. Also müssen sich die Schausteller noch ein bisschen gedulden. Wir werden es schon richten.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt bei der SPD)

Das Wort hat Frau Abgeordnete Hinrichsen.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Beim Schaustellergewerbe handelt es sich um eine wichtige Branche, die im Wesentlichen davon lebt, dass sie einfallsreich und kreativ ist und viele Bürgerinnen und Bürger anspricht. So sagte es nämlich der Parlamentarische Staatssekretär Siegmar Mosdorf zutreffend in einer Debatte über dieses Thema im Bundestag.

Auch in Schleswig-Holstein - und nicht zuletzt im Landesteil Schleswig - gibt es eine Vielzahl von Jahrmärkten und Volksfesten, die eine lange Tradition haben. Ich denke dabei beispielsweise an den Brarupmarkt, an den Schleswiger Peermarkt, an die Wikinger Tage, aber auch an die Rumregatta und den traditionellen Jahrmarkt in Flensburg. Selbstverständlich möchte ich den Lecker Jahrmarkt nicht vergessen.

(Unruhe)

(Silke Hinrichsen)

Auf Bundesebene gibt es zirka 10.000 Veranstaltungen pro Jahr mit 200 Millionen Besuchern nicht nur 170 Millionen. Diese Volksfeste tragen unbestritten zur Vielfalt des gesamtkulturellen Angebots in der Freizeit- und Tourismuswirtschaft bei. Es ist sicherlich richtig, dass es im Gegensatz zu anderen Kulturbereichen, die teilweise sogar erhebliche Subventionen erhalten, beim Kulturgut Volksfest aber oftmals an diesem rechtlichen Schutz und dieser Unterstützung fehlt. Insbesondere gibt es auch immer wieder Auseinandersetzungen zwischen den Kommunen vor Ort und den Schaustellern unter anderem über die Höhe der Standgebühren, über Lärmbelästigungen und bürokratische Anforderungen - dies haben die Kollegen auch schon erwähnt - wie beispielsweise Nachbarschaftsrecht, Immissionsrecht. Ich möchte nur gern wissen, wie Sie als Kommunalpolitiker über die Einschränkung beziehungsweise Aufhebung dieser Nachtverbote denken würden. Dort ist der Protest sehr groß, die Feste möglichst spätestens gegen 24 Uhr schließen zu lassen.

Schon vor fast zwei Jahren hatte daher die CDU/CSUBundestagsfraktion eine Initiative zur Stärkung des Schaustellergewerbes und zur Sicherung der Volksfeste im Bundestag gestartet. In einem Entschließungsantrag wurde die Bundesregierung damals aufgefordert, eine ganze Reihe von Verbesserungen für das Schaustellergewerbe umzusetzen. SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, F.D.P. und PDS haben dann im Juli 2000 einen eigenen gemeinsamen Antrag eingebracht und damit das Ansinnen der CDU/CSU unterstützt.

Ende 2000 gab es eine mitternächtliche Debatte über diese Problematik, in der die Bundesregierung dargelegt hat, dass sie einige der Forderungen in Abstimmung mit den Bundesländern bereits umgesetzt hat. Dabei ging es unter anderem auch um Aspekte, die sich in dem Antrag vom heutigen Tage wiederfinden. Es ging unter anderem um touristische Marketingaktivitäten, um Erleichterung bei der Ausführung des Gaststättengesetzes, insbesondere § 2, um die Dauererlaubnis - auch das ist schon beschlossen worden und um Ausnahmegenehmigungen von den Fahrverboten an Sonn- und Feiertagen wie um besseren Unterricht für die Schaustellerkinder und die Bezuschussung von Heimunterbringungen.

Daher waren wir doch etwas über den nunmehr vorliegenden Antrag von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN überrascht; denn er greift viele dieser schon zwischen Bund und Ländern beschlossenen Initiativen nochmals auf. Wir haben uns daher gefragt, warum die Landesregierung mit diesem Antrag dazu aufgefordert werden soll, initiativ zu werden. Dies geschieht doch bereits von der Bundesebene aus.

Selbstverständlich gibt es aber in diesem Antrag in einigen Bereichen Teile, die doch etwas verblüffend und unklar sind. Das gilt auch für den CDU-Antrag, der weitere Forderungen des Schaustellergewerbes aufgegriffen hat. So sollen sich beispielsweise die Landesregierungen - Punkt 2 des Antrages von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - dafür einsetzen, dass Schaustellertransporte von den Regelungen beim Sonn- und Feiertagsverbot generell freigestellt werden. Wir hätten uns aber eher die Regelung des interfraktionellen Antrags der Bundestagsfraktionen von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, F.D.P., und PDS gewünscht. Dort lautet die Forderung, weitere Erleichterungen bei den Freistellungen für Transportfahrten von Schaustellern und Marktkaufleuten von den Fahrverboten an Sonn- und Feiertagen zu prüfen und nicht grundsätzlich eine Freistellung zu erlauben. Uns scheint eine generelle Freistellung etwas übereilt und wenig durchdacht zu sein.

Bei der gewünschten Änderung der Spieleverordnung Punkt 4 - fehlt es uns an der konkreten Begründung. Zwar ist richtig, dass hier eine Euro-Umstellung erforderlich ist, aber warum sollen die Gestehungskosten steigen? Bei diesem Punkt bitte ich dringend um Aufklärung.

Darüber hinaus ist in Punkt 6 des Antrages von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie in Punkt 12 des CDU/F.D.P.-Antrages Folgendes beantragt worden: Die Landesregierung möge die Voraussetzungen dafür schaffen, dass künftig Ausnahmeregelungen für Volksfeste und Märkte an Feiertagen möglich sind. Wo und wie soll hier was geändert werden? Das habe ich auch nicht verstanden.

Das gilt auch bezüglich der steuerrechtlichen Seite bei der Internatsunterbringung von Kindern - Punkt 8 des Antrages -, weil diese Kosten schon heute im Steuerrecht als außergewöhnliche Belastung anerkannt werden.

(Glocke der Präsidentin)

Frau Abgeordnete, bitte kommen Sie zum Schluss.

Wir halten deshalb eine Ausschussüberweisung für angebracht.

(Beifall der Abgeordneten Anke Spoorendonk [SSW])

Das Wort erteile ich Herrn Minister Dr. Rohwer.

Herausgegeben vom Präsidenten des Schleswig-Holsteinischen Landtags - Ausschussdienst und Stenographischer Dienst

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Über die Bedeutung des Themas ist Einigkeit vorhanden: Fast 70 % der deutschen Bevölkerung besucht regelmäßig Volksfeste und Märkte. Bundesweit gibt es 200 Millionen Besucher pro Jahr. Wirtschaftlich interessant: 34.000 Beschäftigte bundesweit, davon ein erheblicher Teil auch in Schleswig-Holstein -, 1,5 Milliarden DM Umsatz. Das ist also auch ein Wirtschaftsfaktor.

Aber Volksfeste und Märkte sind nicht nur wirtschaftlich interessant, sondern auch ein wichtiger Beitrag für unsere Freizeitkultur. Es sind die Schaustellerbetriebe, die das bewirken. Schaustellerbetriebe bereichern unsere Freizeitkultur und sie tragen dazu bei, dass unsere Städte und ländlichen Regionen attraktiver werden.

Die einzelnen Punkte in dem Antrag von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN greifen wir gerne auf. Sie sind zum Teil kompliziert; sie betreffen unterschiedliche staatliche Ebenen. Es ist schon gesagt worden, dass auf Bundesebene zurzeit durchaus erfolgversprechende Gespräche darüber laufen, einiges zu ändern. Im Übrigen sind in der schleswigholsteinischen Landesregierung unterschiedliche Ressorts betroffen, wie Sie wissen: der Kollege Buß, soweit es um die Feiertagsregelungen geht, die Kollegin Franzen, wenn es um Tourismus geht, die Kollegin Erdsiek-Rave, bei der Berufsschulpflicht. Bei einigen Punkten ist der Wirtschaftsminister angesprochen. Ich will an dieser Stelle nur auf die Punkte eingehen, die das Wirtschaftsministerium betreffen.

Bei den Ausnahmegenehmigungen für Schaustellertransporte gibt es in Schleswig-Holstein bereits großzügige und unbürokratische Verfahren. Allerdings würden wir, über den Antrag hinausgehend, gemeinsam mit dem Bund versuchen, diese Transporte generell vom Sonn- und Feiertagsverbot freizustellen.

(Beifall bei SPD, CDU, F.D.P. und SSW)

Sie sehen, Herr Kubicki: Es gibt auch in Ihrem Antrag einige Punkte, die wir sehr konstruktiv aufgreifen, sodass wir diese im Ausschuss vertiefen können.

(Wolfgang Kubicki [F.D.P.]: Wunderbar! Ich wollte noch auf Folgendes hinweisen: Frau Spoorendonk hat eben geklatscht! Sie scheint es nicht verstanden zu haben! - Heiterkeit)

Auch bei der Verlängerung der Frist für Sicherheitsüberprüfungen von Fahrzeugen von sechs auf acht Monate sind bereits Ausnahmen möglich. Bei den Gesprächen mit der Deutschen Bahn zur Übernahme regionaler Strecken werden wir auf die besonderen Bedürfnisse der Schausteller drängen. Voraussetzung ist allerdings Klarheit über die absolut notwendigen Verladestellen. Die Finanzierbarkeit wird hierbei natürlich eine Rolle spielen.

Schließlich: Eine Anhebung der Gestehungskostenobergrenze für Warengewinne in der Spieleverordnung des Bundes wird von mir ebenso unterstützt wie die anderen gewerbe- und gaststättenrechtlichen Forderungen, die wir im Ausschuss vertieft diskutieren können.

Das Thema ist es wert; denn auch die Tourismusregion Schleswig-Holstein nutzt in diesem Bereich noch nicht alle Chancen. Sie können davon ausgehen, dass die Landesregierung die Möglichkeiten nutzen wird und sich auf Bundesebene in den Gesprächen für diese Punkte einsetzt.

(Beifall im ganzen Haus)