Protokoll der Sitzung vom 22.03.2001

Einen großen Beitrag zum Erfolg dieser teilweise Jahrhunderte alten Volksfeste leisten hier ganz besonders die Schaustellerunternehmen und Marktleute, die oft auch persönlich mit den Marktstandorten über viele Jahrzehnte eng verbunden sind. Das mittelständisch geprägte Schaustellergewerbe leidet nicht nur unter einem Umsatzrückgang, sondern ganz besonders unter der Einführung der Ökosteuer sowie unter der Neuregelung der 630-DM-Jobs. Herr Kollege, ich hätte von Ihnen erwartet, dass wir gerade hier darüber diskutieren.

(Beifall bei CDU und F.D.P.)

Wir haben gestern über das Thema Ökosteuer gesprochen. Fragen Sie einmal die beteiligten Betriebsinhaber, wie sie das sehen. Die Mehrbelastung der Unternehmen des Schaustellergewerbes allein durch die Ökosteuer ist schätzungsweise zehn bis zwanzig Mal höher als die Entlastung durch die Senkung der Rentenversicherungsbeiträge. Das liegt zum einen an den hohen Energiekosten der aufwendigen Fahrgeschäfte, zum anderen an den ständig anfallenden Beförderungskosten von Festplatz zu Festplatz und darüber hinaus an einem Beschäftigungsanteil, der im Wesentlichen von Familienangehörigen geleistet wird und Gott sei Dank - von ausländischen Hilfskräften, für die keine Rentenversicherungsbeiträge gezahlt werden.

In Anbetracht der eben genannten Entwicklung sind wir - da sind wir uns ja auch einig - als verantwortlich handelnde Politiker aufgerufen, die Rahmenbedingungen für den Erhalt unserer Volksfeste und des Schaustellergewerbes in unserem Land deutlich zu verbessern.

(Beifall bei CDU und F.D.P.)

Dabei sollten wir darauf achten, dass die traditionellen Volksfeste wie der Wilsteraner Jahrmarkt und der Brarupmarkt - die wurden schon angesprochen - eine kommunale Angelegenheit bleiben.

Besonders wichtig wären folgende Wettbewerbsverbesserungen für die Situation des Schaustellergewerbes - der Kollege Müller sprach es schon an -: Das Gaststättengesetz muss in jedem Fall geändert werden.

Aber wir müssen auch daran denken, dass die Genehmigungsgebühren, die besonders die Städte erheben, nicht ins Uferlose treiben. Lag zu Zeiten der CDU-geführten Landesregierung - immerhin schon 13 Jahre her

(Vereinzelter Beifall bei der SPD)

- ich würde nicht klatschen, ohne bis zum Ende zugehört zu haben - die Höchstgrenze für eine Tageserlaubnis bei 30 DM, so liegt sie heute bei 360 DM. Herr Müller, Sie selber kennen diese Problematik, da Sie ja einmal Geschäftsführer des Verbandes waren und in dieser Funktion unter der rot-grünen Regierung gelitten haben.

(Beifall bei CDU und F.D.P. - Zurufe von der SPD)

- Wir können den Dialog nachher an der Bar fortführen; jetzt rede ich.

Das Land und die Kommunen müssen sich dafür einsetzen. Sie sprachen eben davon, dass das nicht möglich sei. Ich kann Sie da nur auffordern: Schauen Sie einmal auf Bayern, wo das möglich ist. Die Regelung an Immissions- und Nachbarschaftsschutz, die in Bayern möglich sind, sollte auch in Schleswig-Holstein möglich sein.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der F.D.P.)

Im Zusammenhang mit den Öffnungszeiten kann ich Ihnen eine kurze Geschichte erzählen. Mein Freund Wolfgang Kubicki und ich waren nachts um ein Uhr in Brüssel auf einem Jahrmarkt.

(Zurufe von der SPD: Was?)

- Wir waren auf dem Jahrmarkt. Ich weiß nicht, wo die anderen waren!

(Beifall und Heiterkeit bei CDU, F.D.P. und vereinzelt bei der SPD)

Herr Abgeordneter, ich muss Sie an die Redezeit erinnern.

Ich könnte noch einige wenige Punkte nennen, aber die können Sie auch dem Antrag entnehmen. Ich bitte noch darum, dass die Jahrmärkte weiterhin auf den Plätzen

(Hans-Jörn Arp)

bleiben können, auf denen sie heute stattfinden, und nicht an die Stadtränder gedrängt werden. Es gibt noch viele weitere Dinge, die ich dazu sagen könnte. Ich bitte auch, auf die Kommunen einzuwirken, dass nicht, wie an einigen Orten üblich, 30 verschiedene Abgaben und Gebühren für einen Stand kassiert werden. Dies ist auf Dauer unerträglich.

Ansonsten würde ich mich freuen, wenn Sie sich unserem Antrag anschlössen. Das wäre im Sinne des Schaustellergewerbes.

(Beifall bei CDU und F.D.P.)

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Garg.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch mich würde interessieren, was die Kollegen Kubicki und Arp auf dem Jahrmarkt in Brüssel gemacht haben. Vielleicht weiht ihr mich da ein.

(Zuruf von der CDU: Die sind Karussell ge- fahren!)

- Karussell gefahren?

(Konrad Nabel [SPD]: Sie waren in der Gei- sterbahn!)

- Herr Nabel, in die Geisterbahn passen wir beide hinein!

Liebe Kolleginnen und Kollegen, manchmal ist es erstaunlich - der Kollege Müller hat es ausgeführt -, dass es erst eines Antrages bedarf, um deutlich zu machen, welche Bedeutung das Schaustellergewerbe für die Volkswirtschaft und für unser Land hat.

Man sollte auch einmal klar machen, wie viele Menschen nicht nur in Schleswig-Holstein, sondern bundesweit Volksfeste und Jahrmärkte besuchen. Dabei sollten wir auch nicht die Anziehungskraft vergessen, die solche Veranstaltungen auf ausländische Besucher hier in Schleswig-Holstein haben. Ich denke vor allem daran, dass nicht nur Volksfeste und Jahrmärkte wie das Münchner Oktoberfest eine Anziehungskraft ausüben, sondern auch Schleswig-Holstein mit den Veranstaltungen, die es zu bieten hat, durchaus mithalten kann. Ich möchte als regionales Beispiel die Rahmenveranstaltungen, die zum Gelingen der Kieler Woche beitragen, nennen. Diese sind ebenfalls in ganz erheblichem Maße durch das Schaustellergewerbe geprägt.

Wir reden hier also über ein kulturelles Aushängeschild jeder Gemeinde und einen wichtigen Bestandteil der Freizeit- und Tourismuswirtschaft. Unserem Land, das besonders stark vom Tourismus geprägt ist,

muss es deshalb ein besonderes Anliegen sein, das Schaustellergewerbe zu fördern. Um dies deutlich zu machen und um Ihnen, lieber Kollege Müller, ein wenig aus der Klemme zu helfen, greife ich hier noch einige Punkte aus dem Antrag von CDU und F.D.P. heraus, die in dem gemeinsamen Antrag von SPD und Bündnis 90/Die Grünen ein wenig zu kurz gekommen sind. Dies sind die Gründe dafür, dass wir uns überhaupt entschlossen haben, einen Änderungsantrag zu stellen.

Es ist sicherlich ein großes Manko, dass der Betrieb von Volksfesten immer wieder mit Immissions- und Nachbarschaftsschutzrechten kollidiert. Ich kann es auf der einen Seite gut nachvollziehen, dass gerade in dicht besiedelten Räumen, in denen diese Volksfeste naturgemäß bevorzugt stattfinden, lärmgestresste Nachbarn nicht auch noch die Auswirkungen eines Volksfestes ertragen wollen. Auf der anderen Seite ist das Schaustellergewerbe von seiner Nähe zum Publikum abhängig. Eine Verbannung auf die grüne Wiese ist deshalb kontraproduktiv. Hier müssen Regelungen gelockert werden.

Man darf dabei nicht vergessen, dass der örtliche Einzelhandel, das Taxigewerbe und das Hotel- und Gaststättengewerbe - der Kollege Arp hat es schon ausgeführt -, also all die Institutionen, die sich bereits vor Ort befinden, ganz erheblich davon profitieren. Die Frage lautet also: Wie kann in diesem Spannungsfeld allen Beteiligten geholfen werden? Tatsächlich ist es ja so, dass die örtlichen Veranstaltungen nur zeitlich begrenzt stattfinden und sich bei einer guten Organisation die Belastung für die Nachbarschaft in Grenzen hält. Es ist deshalb nicht ganz einzusehen, dass Schausteller auf der einen Seite mit zu restriktiven Regelungen des Immissions- und Nachbarschutzrechtes belegt werden, auf der anderen Seite aber ein attraktives Angebot für die Besucherinnen und Besucher abliefern sollen.

Es ist deshalb notwendig, dass sich die Landesregierung in Zukunft dafür einsetzt, bereits bestehende gesetzliche Beschränkungen zu überprüfen und gegebenenfalls zu lockern. Es ist schon ziemlich komisch, dass das Schaustellergewerbe zwar ein wichtiges Freizeitangebot stellen soll, aber gleichzeitig den Regelungen bezüglich der Sonn- und Feiertage unterworfen werden soll, von den Öffnungszeiten ganz zu schweigen - das ist vorhin schon angeklungen.

Da die Meinung der F.D.P. zu diesem Thema auch in diesem Hause hinlänglich bekannt sein dürfte - darauf hat auch schon der Kollege Müller hingewiesen -, möchte ich es kurz machen und erneut für eine Lockerung dieser teilweise völlig unsinnigen Regelungen plädieren.

(Dr. Heiner Garg)

Ich möchte abschließend noch einen weiteren Punkt aufgreifen, der auch in dem ursprünglichen Antrag angesprochen worden ist: Die Möglichkeiten der beruflichen und schulischen Ausbildung jugendlicher Schausteller müssen weiter gefördert werden. Deshalb ist es wichtig und richtig, Frau Kultusministerin, den Unterricht an Berufsschulen in den Winterpausen zu ermöglichen. Es ist doch angesichts der hohen Nachfrage im Rahmen von Volks- und Schützenfesten etwas seltsam, wenn es dem Nachwuchs nicht ermöglicht wird, in der Hauptsaison der praktischen Tätigkeit nachzugehen. Darüber hinaus bin ich der Auffassung, dass der Berufsschulunterricht darunter leidet, wenn den Schülern die Ruhe zu theoretischer Arbeit fehlt, wie es in den Sommermonaten, wenn diese Angebote stattfinden, ganz bestimmt der Fall ist.

Ich bin Ihnen dankbar, Kollege Müller, dass auch Sie eine Ausschussüberweisung vorgeschlagen haben und wir beide Anträge zusammenführen können. Ich gehe davon aus, dass dabei etwas Vernünftiges herauskommt.

Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit auch zu so vorgerückter Stunde.

(Beifall bei F.D.P. und CDU)

Das Wort hat Frau Abgeordnete Fröhlich.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es zeichnet sich hier ja weitgehende Einigkeit ab. Aber wenn ich den Ausführungen der Opposition zuhöre, stellt sich für mich die Frage, wer denn eigentlich vor 1998 zuständig gewesen ist. Wieso hat sich damals nichts gerührt, wo jetzt eine solche Entschlossenheit besteht, etwas zu bewegen. Wir lassen das einmal dahingestellt.

Das Schaustellergewerbe - da sind wir uns alle einig hat für Schleswig-Holstein eine gewisse wirtschaftliche Bedeutung. Dieses Gewerbe hat aber als eine alte Branche stark mit der zunehmenden Konkurrenz im Freizeitbereich zu kämpfen. Der Freizeitmarkt ist ein Wirtschaftsfeld mit hohen Zuwächsen, vielen neuen Trends und vielen neuen Marktteilnehmerinnen und Marktteilnehmern. Wer Freimärkte oder Jahrmärkte besucht, wird schnell feststellen, dass die Buden und Fahrgeschäfte nicht mehr so frequentiert sind, wie das früher einmal gewesen ist. Für uns im Kindesalter war doch der Jahrmarkt mit seinem Glitzer etwas Besonderes. Es war eine nicht vergleichbare Attraktion. Während des Zuhörens eben ist mir übrigens eingefallen, dass ich auf dem Jahrmarkt zum ersten Mal Geld, das

ich vom Großvater oder Vater bekommen hatte, selber ausgegeben hatte. Ich selber hatte plötzlich die Verfügungsgewalt über Geld. Diese Erfahrung haben Kinder heute schon viel früher gemacht. Auch diese Bedeutung der Jahrmärkte fällt weg. Ich finde, auch das ist bedenkenswert.

Genauso wie die seltenen Zirkusvorstellungen in den einzelnen Orten haben Jahrmärkte heute nicht mehr so das besondere Flair, sondern sind längst zum normalen Bestandteil des üblichen Jahreszyklus geworden, und zwar keineswegs nur in den Sommermonaten. Diese Aussage von Ihnen, Herr Dr. Garg, stimmt natürlich nicht. Es gibt zum Beispiel überall Weihnachtsmärkte mit Buden und Karussells und allem anderen, was dazu gehört.

(Dr. Heiner Garg [F.D.P.]: Das habe ich auch gar nicht gesagt!)

Die ganze Situation hat sich also komplett verändert. Im Freizeit- und Vergnügungsbereich gibt es mehr und mehr Angebote, die für Jugendliche sehr viel attraktiver zu sein scheinen. Ich nenne nur einmal als Beispiel Fernsehen rund um die Uhr, Video-Ausleihe, Pay-TV, im Internet surfen plus chatten, Cinemaxx-Kinos, Trendsportarten, Musikveranstaltungen, Unterhaltungsspiele, Freizeitparks, Spaßbäder mit riesigen Rutschen und so weiter.

Für die Kinder und Jugendlichen von heute sind Jahrmärkte nichts Besonderes, sonders ein Event von vielen, und erst recht kein Ereignis, das groß zieht. Wer mit seinen Kindern einmal im Hansa-Park oder sogar im Euro-Disneyland in Paris war, wird diese schwerlich für das Riesenrad oder ein normales Karussell begeistern können. Mein vierjähriger Enkel lehnt es ab, ein Karussell zu besteigen, weil ihm schlecht wird. Das hat er schon raus. Dem brauche ich damit gar nicht mehr zu kommen.