Protokoll der Sitzung vom 09.05.2001

Es geht uns nicht darum, dass Landesnaturschutzgesetz auszuhöhlen. Es soll kein Präzedenzfall geschaffen werden, der bestimmte Nutzungen prioritiert und andere weiter mit Abgaben belegt. Ziel ist vielmehr, einen Fehler im System zu korrigieren. Dass der Küstenschutz bisher - zumindest auf dem Papier - als Beeinträchtigung der Natur angesehen wurde, ist nach unserer Auffassung definitiv falsch. Das wollen wir gern korrigieren.

(Beifall beim SSW)

Ich erinnere in diesem Zusammenhang auch daran, dass in dem Landesnaturschutzgesetz bestimmte Regelungen für bestimmte Eingriffe festgeschrieben sind, die auch von Ausgleichsmaßnahmen freigestellt sind. Ich persönlich sehe diese als wesentlich problematischer als gerade den Küstenschutz an.

Der Zeitpunkt unserer Initiative ist darüber hinaus bewusst so gewählt, da das Bundesnaturschutzgesetz zurzeit novelliert wird. Wir haben die schleswigholsteinische Besonderheit, dass Küstenschutz ein wichtiger Teil unseres Lebens ist. Mit unserem Gesetzentwurf wollen wir rechtzeitig deutlich machen, dass man diesem Umstand auch im neuen Bundesnaturschutzgesetz entsprechend Rechnung tragen muss. Wenn wir jetzt den politischen Willen formulieren, dass für den Küstenschutz und nur für den Küstenschutz besondere Regelungen notwendig sind, haben wir auch die Chance, in Berlin Gehör zu finden. Auch deshalb machen wir diesen konkreten Vorschlag zur Verbesserung des Landesnaturschutzgesetzes. Gleichwohl muss man aber sagen, dass auch schon das heutige Bundesnaturschutzgesetz eine Auslegung der Frage des Küstenschutzes, wie von uns vorgeschlagen, ohne weiteres zulässt. Das haben wir geprüft.

Uns liegt daran, dass das Landesnaturschutzgesetz nicht ausgehöhlt, sondern inhaltlich weiterentwickelt wird. Ich bin mir sicher, dass man die Akzeptanz des Landesnaturschutzgesetzes bei der Bevölkerung an den Küsten Schleswig-Holsteins - sowohl an der Ostsee wie auch an der Nordsee - weiter erhöhen kann, wenn man unserem praktischen Vorschlag zur Stärkung des Küstenschutzes folgt.

(Beifall beim SSW)

Ich erteile Herrn Abgeordneten Nabel das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Stellen Sie sich vor, Sie lesen in der Zeitung:

(Konrad Nabel)

„Straßen sind seit Jahrhunderten die Landschaft prägende, zerschneidende Landschaftselemente und dienen neben dem Transport von Menschen und Waren dem Schutz der links und rechts der Straßen liegenden Natur.“

(Heiterkeit der Abgeordneten Irene Fröhlich [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

„Das Vorhandensein und die ständige Verbesserung von Straßen sind eine Grundvoraussetzung für jegliche Weiterentwicklung der Gebiete abseits der Straßen. Somit wird die Leistungsfähigkeit des Naturhaushalts durch Straßen nachhaltig gewährleistet.“

(Beifall der Abgeordneten Dr. Christel Hap- pach-Kasan [FDP] und Irene Fröhlich [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

„Also ist Straßenbau aus dem Eingriffskatalog des Landesnaturschutzgesetzes herauszunehmen. Ein Ausgleich findet nicht statt.“

Zitiert aus der Begründung zum Gesetzentwurf des SSW mit ein paar Veränderungen. Wer dies nicht als eine zugespitzte Satire erkennt, muss sagen, das ist dummes Zeug, das entbehrt jeder Grundlage.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt bei der CDU)

Genau diese Aussage trifft auf den vorliegenden Gesetzentwurf des SSW zur Änderung des Naturschutzgesetzes des Landes Schleswig-Holstein und ebenso auf den von Herrn Harms eben vorgetragenen Versuch einer Begründung zu, im Landesnaturschutzgesetz würde Naturschutz und Küstenschutz gegeneinander gestellt. Das Gegenteil ist der Fall.

(Lars Harms [SSW]: Das ist nicht der Fall!)

Der Gesetzentwurf des SSW ist zugleich populistisch, dilettantisch und rückwärts gewandt. Das muss ich hier in dieser Härte sagen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Der SSW war immer - solange ich diesem Landtag angehöre - mit vorn dabei, wenn es galt, den Schutz der Natur auch um ihrer selbst willen in die Landesverfassung aufzunehmen oder das eben benannte Landesnaturschutzgesetz zu beschließen.

Heute aber schlägt der nette junge Familienvater von nebenan aus Koldenbüttel auf Eiderstedt eine Gesetzesänderung vor, die uns - würde sie Wirklichkeit - in die Zeit vor 1973, vor das Landschaftspflegegesetz, zurückwürfe.

Die Situation des Weltklimas, Herr Harms, hat sich seither erheblich verschärft. Praxis und Wissenschaft haben sich zugleich vom konservierenden Naturschutz hin zum Schutz der Dynamik in der Natur und zum Schutz natürlicher Prozesse weiterentwickelt. Aber selbst bei einem konservierenden Naturschutzverständnis, das diesem Antrag offensichtlich zugrunde liegt, kann doch niemand, der einmal eine Baustelle zur Erhöhung oder Verlagerung von Deichen mit den Lasterkolonnen und gigantischen Erdbewegungen gesehen hat - Sie können sich in Neufeld ganz aktuell darüber informieren - davon sprechen, hier läge kein Eingriff in die Natur vor und es gäbe keine Veränderung im Landschaftsbild.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abgeordneten Heinz Maurus [CDU])

Es ist in höchstem Maße populistisch und fahrlässig zugleich, durch den vorgelegten Gesetzesentwurf glauben machen zu wollen, Küstenschutz sei mit einem Federstrich im Landesnaturschutzgesetz preiswerter und damit seien mehr Küstenschutzmaßnahmen zum selben Preis zu haben.

Bundes- und EU-Recht, aus dem das Landesnaturschutzgesetz in vielen Bestim-mungen abgeleitet ist, bieten eigene Vorschriften, die bei einer Streichung der Ausgleichspflicht für Eingriffe bei Küstenschutzmaßnahmen aus § 7 unseres Gesetzes greifen würden. Die durch das Bundesrecht formulierte Eingriffsdefinition in § 8 Abs. 1 Bundesnaturschutzgesetz würde auch dann greifen, wenn in unserem Landesnaturschutzgesetz dazu keine Aussagen gemacht wären. Das gilt auch für die vorliegende Novelle des Bundesnaturschutzgesetzes.

Es würde sich also nichts an der Ausgleichspflicht ändern, wahrscheinlich würde aber alles viel komplizierter und langwieriger. Das Ergebnis wäre das Gleiche: Der für den Eingriff nötige Ausgleich muss her!

Auch der Ansatz, Herr Harms, zu dem Sie gar nicht so viel gesagt haben, Küstenschutzmaßnahmen unter die Landwirtschaftsklausel zu stellen und als ordnungsgemäße Bodennutzung zu deklarieren, geht an der Rechtswirklichkeit vorbei. Auch hier ließe sich vortrefflich der Vergleich zum Straßenbau herstellen: Beides ist eine auszugleichende Bodennutzung im Sinne geltender Gesetze und der Rechtsprechung, die unter Bodennutzung die Bodenbearbeitung während der täglichen Arbeit von Landwirten, Förstern und Fischern verstehen. Ich weise den Abgeordneten Harms im Übrigen darauf hin, dass in der aktuellen Debatte über die Novelle des Bundesnaturschutzgeset

(Konrad Nabel)

zes gerade die ordnungsgemäße Landwirtschaft und die gute fachliche Praxis in der Neubewertung steht.

(Irene Fröhlich [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Zu Recht!)

Bei uns in Schleswig-Holstein ist die Zusammenarbeit zwischen den zuständigen Ministerien - dem MLR und dem MUNF - sowie den nachgeordneten Ämtern nicht nur beim Vorlandmanagement vorbildlich, sondern bei allen Küstenschutzmaßnahmen

(Beifall der Abgeordneten Irene Fröhlich [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

auch in der einvernehmlichen Bewertung von Eingriffen und damit des Umfangs der nötigen Ausgleichsmaßnahmen. Durch Ausgleichsmaßnahmen im Küstenschutz wird vieles für den Naturschutz und den Tourismus möglich, was sonst nicht finanzierbar wäre:

(Vizepräsident Thomas Stritzl übernimmt den Vorsitz)

Neufeld wurde ja schon erwähnt. Nehmen wir das Naturschutzgebiet Schmoel in der Probstei. Da ist beim Deichbau ein Nassbiotop entstanden, das als Vogelparadies auch für Wanderer zur Verfügung steht. Die Vorlandgestaltung im Wattenmeer allgemein mit ihren Lahnungen nicht nur vor Westerhever erhält wertvolle, einzigartige Salzwiesen. Oder nehmen Sie die Wiedernaturierungsmaßnahmen an Kleientnahmestellen, zum Beispiel im Friedrich-Wilhelm-LübkeKoog. Dort sind Teiche entstanden, die sich als Vogelbiotop großer Beliebtheit erfreuen.

(Beifall des Abgeordneten Karl-Martin Hent- schel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Dies alles würde durch den Antrag von Herrn Harms in Zukunft verhindert werden. Das kann nicht ernsthaft gewollt sein.

(Beifall bei SPD, CDU, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Was treibt den SSW in dieser Zeit und mit der Vorgeschichte heute zu solchen Anträgen? Ist es allein die Sorge des Familienvaters vor dem menschengemachten Anstieg des Meeresspiegels, der durch weiteres Ignorieren der natürlichen Vorgänge, Kreisläufe und Ressourcen als Reaktion auf die menschlichen Eingriffe eher zu- als abnehmen wird?

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Das wahre Gesicht des SSW!)

Oder ist es der Versuch des SSW, sich im Landtag deutlich von Rot und Grün abzusetzen,

(Heiterkeit bei SPD, CDU, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Lachen beim SSW)

um rechtzeitig - meine Damen und Herren, ich meine das ernst; Sie sollten genau zuhören - für die nächste Bundestagswahl den Hut in den Ring zu werfen? Ich weiß das nicht so genau.

(Heiterkeit bei der CDU - Lachen beim SSW - Dr. Heiner Garg [FDP]: Das wäre etwas ganz Neues!)

Weder sich selbst noch dem SSW, noch den Menschen an unseren Küsten hat der Abgeordnete Harms mit diesem Gesetzentwurf etwas Gutes getan.

(Beifall bei FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Lieber Lars Harms, lassen Sie uns gemeinsam Küsten- und Naturschutz weiterentwickeln, damit beides von möglichst allen betroffenen Menschen mitgetragen wird. Ihr Antrag ist auf diesem Wege wenig hilfreich. Nur wenn der Küstenschutz mit dem Naturschutz Hand in Hand geht, kann er wirklich nachhaltig sein, nur dann werden uns die Deiche alle überleben und auch die Kinder des Abgeordneten Harms und all die anderen liebenswerten, niedlichen oder auch rotzfrechen Kinder aus Nordfriesland vor den Kräften der Natur, des Sturmes und des Meeres schützen.

(Beifall bei SPD, CDU, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Jetzt erteile ich für die CDU-Fraktion das Wort der Abgeordneten Herlich Marie Todsen-Reese.