Protokoll der Sitzung vom 11.05.2000

(Beifall bei F.D.P. und CDU - Konrad Nabel [SPD]: Oh, oh!)

Ich erteile der Frau Abgeordneten Fröhlich das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich will mich zu den Vorrednern nur insoweit äußern, dass es mir selbstverständlich auch gereicht hätte, diese Frage im Innen- und Rechtsausschuss noch einmal aufzugreifen. Aber gut, wir machen es auch gern hier. Ich sage einmal: Zwei Drittel der hier vorgesehenen Änderungen des Landesverwaltungsgesetzes begrüßen wir.

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Meine Damen und Herren, es ist allgemein zu unruhig im hohen Haus. Ich bitte um etwas mehr Aufmerksamkeit.

Die anderen halten wir weder für geeignet, eine Stärkung des Wirtschaftsstandortes herbeizuführen noch eine Effizienzsteigerung der Verwaltung zu fördern.

Aber das sind Argumente, die wir schon immer ausgetauscht haben. Dennoch will ich es beispielhaft noch einmal an zwei kleinen Anmerkungen konkretisieren.

Erstes Beispiel: Beschleunigt es wirklich die Verfahrensabläufe und die Verwaltungsabläufe, wenn die aus gutem Grund gesetzlich vorgeschriebene Begründung eines Verwaltungsaktes von der Behörde erst später gegeben zu werden braucht, wenn bereits Gerichtsverfahren gegen diesen Bescheid laufen?

Eine solche Regelung ist doch ein verheerendes Signal, verheerend für alle Bemühungen um eine bürgerfreundliche Verwaltung und um die Akzeptanz staatlicher Entscheidung.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das zweite Beispiel scheint mir noch ein bisschen deutlicher. Was wird eigentlich beschleunigt, wenn auf die Auslegung von Planfeststellungsunterlagen nicht mehr rechtzeitig hingewiesen wird? Was wird schneller oder günstiger, wenn eine Zeitungsanzeige für schätzungsweise mindestens 100 DM aufgegeben wird, um ein paar Tage später 50 Einwendern einen Erörterungstermin bekannt zu geben? Beim Einsatz heutiger Bürotechnik kosten 50 individuelle Einladungen einen Mausklick und höchstens 55 DM für

(Irene Fröhlich)

das Porto und sie sind am nächsten Tag beim Empfänger.

(Wolfgang Kubicki [F.D.P.]: Das setzt vor- aus, dass die 55-jährige Mutti zu Hause einen PC hat!)

Da staunt der Laie und der Fachmann wundert sich oder begreift schnell, dass es hier nicht um die Optimierung der Abläufe in der öffentlichen Verwaltung geht - worüber man natürlich sprechen könnte und müsste -, sondern dass hier ein Signal an die Bürgerinnen und Bürger gesendet wird: Mischt euch bloß nicht ein!

(Zuruf des Abgeordneten Wolfgang Kubicki [F.D.P.])

Und falls doch, werdet ihr schon sehen, dass wir euch so bald wie möglich behindern beziehungsweise möglichst gar nicht informieren.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Wolfgang Kubicki [F.D.P.]: Sind die Grünen nun eigentlich in der Regierung, Frau Fröh- lich?)

Naturschutz nicht gegen, sondern mit den Menschen - das ist ein Zitat -, so mahnen Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, mit gebetsmühlenhafter Wiederholung.

Erklären Sie mir, warum das Prinzip nicht auch für das Behördenhandeln generell gelten soll! 1967 haben Ihre Parteifreunde immerhin mit Erlass des Landesverwaltungsgesetzes aus guten Gründen die Verfahrensrechte festgeschrieben: Sie erwachsen aus rechtsstaatlichen Anforderungen und aus der Erkenntnis, dass komplizierte Abwägungsprozesse faire Regeln für alle Beteiligten erfordern. Nun kann zwar kein Gesetz für ewige Zeiten richtig sein, aber niemand kann behaupten, dass die Interessenabwägung bei der Planung größerer Vorhaben heute einfacher geworden ist als 1967. Das Bemühen um Akzeptanz von Entscheidungen sollte also verstärkt werden. Das wiederum kann nur erreicht werden, indem Betroffene breiter eingebunden werden.

Ich möchte keinesfalls in Abrede stellen, dass behördliche Verfahren teilweise unnötig lange dauern. Davon sind in der überwiegenden Zahl der Fälle sicherlich die Einwohnerinnen und Einwohner betroffen, die auf eine private Baugenehmigung oder einen Leistungsbescheid warten. Was die Genehmigung wirtschaftlicher Unternehmungen betrifft, besagen Untersuchungen, die von der damaligen CDU/F.D.P.-geführten Bundesregierung in Auftrag gegeben und Mitte der neunziger Jahre erstellt wurden, dass die durchschnittliche Verfahrensdauer in Deutschland nicht höher liegt als in anderen

Staaten. Auch das haben wir in den vorausgehenden Debatten ausführlich dargestellt.

Und was noch viel interessanter ist: Sie besagen, dass die Dauer von Genehmigungsverfahren für potentielle Investoren eine eher nachgeordnete Rolle spielt.

(Wolfgang Kubicki [F.D.P.]: Was?)

Das sollte uns natürlich nicht daran hindern, an einer Verbesserung zu arbeiten. Das sagte ich bereits.

Wir werden das Landesverwaltungsgesetz heute noch einmal an den Innen- und Rechtsausschuss überweisen. Das ist okay.

(Wolfgang Kubicki [F.D.P.]: Nicht das Ge- setz, den Entwurf!)

In den Beratungen sollten wir dieses Mal von der Alles-oder-nichts-Denkweise Abstand nehmen. Wir werden uns nochmals mit den einzelnen Punkten differenziert auseinander setzen und jede Regelung ehrlich auf ihren Beschleunigungseffekt und auf andere Auswirkungen hin untersuchen.

Das Argument, „Wir müssen das Gesetz ändern, weil alle anderen es auch gemacht haben", ist für uns Grüne eines der schlechtesten Argumente.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich erteile der Frau Abgeordneten Hinrichsen das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die heute vorliegende Gesetzesinitiative der CDU zur Änderung des Landesverwaltungsgesetzes hat ja schon eine lange Vorgeschichte. Das haben schon meine Vorredner gesagt. Im Juni 1998 ist vom damaligen Innenminister, Herrn Wienholtz, ein Entwurf zur Beschleunigung der besagten Verfahren vorgelegt worden. Darin enthalten war auch der Vorschlag einer Experimentierklausel für die Gemeinden, die der Landtag inzwischen gesondert beschlossen hat. Diese Experimentierklausel fand auch die Zustimmung des SSW.

Ziel ist es jetzt erneut, eine Beschleunigung von Genehmigungsverfahren für wirtschaftliche Unternehmen zu erreichen. Eine entsprechende Regelung besteht bereits seit 1996 auf Bundesebene durch die Änderung des Verwaltungsverfahrensgesetzes.

Eine rechtlich zwingende Notwendigkeit zur Übernahme der bundesrechtlichen Änderungen in das

(Silke Hinrichsen)

Landesverwaltungsgesetz besteht aber überhaupt nicht. Die Landesregierung hatte bereits in der Debatte im Juni 1998 auf die besondere Bedeutung eines einheitlichen Verfahrensrechtes hingewiesen, unter anderem weil „abweichende Verwaltungsverfahrensbestimmungen in Schleswig-Holstein von denen der meisten anderen Länder und des Bundes eine mögliche Standortverschlechterung des Landes zur Folge hätten“.

Bei der damaligen Debatte hatte sich der SSW skeptisch bis ablehnend zum Gesetzentwurf geäußert. Im Laufe der Ausschussbehandlung hat es dann aber auch Bedenken bei den Regierungsfraktionen über die Folgen dieses Gesetzentwurfs gegeben. Aus Sicht des SSW sind diese Bedenken weiterhin berechtigt. Denn die entscheidende Problematik ist die Abwägung zwischen Verfahrensvereinfachung für die Unternehmen und dem Umfang von Beteiligungsrechten der Bürgerinnen und Bürger. Obwohl wir im Prinzip für eine Verfahrensvereinfachung eintreten, bleiben wir weiterhin bei unserer Auffassung: Es kann nicht sein, dass Bürgerinnen und Bürger einseitig in ihren Rechten beschnitten werden, den Behörden andererseits ein weiterer Spielraum eingeräumt wird.

Dies ist aber nach unserer Meinung bei einigen Bestimmungen des Gesetzentwurfes der Fall. Zum einen sieht der Gesetzentwurf bezüglich der Heilung von Verfahrens- und Formfehlern der Verwaltung erhebliche Veränderungen vor. Bestimmte Fehler sollen statt bis zur Erhebung der verwaltungsgerichtlichen Klage nunmehr bis zum Abschluss des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens geheilt werden können. Wenn Behörden bis zum Ende eines Gerichtsverfahrens gewissermaßen alles nachträglich in Ordnung bringen können, wird dem Gericht letztlich die Rolle des verlängerten Arms der Behörde zuteil. Hier werden nach unserer Ansicht die Rechte der Bürgerinnen und Bürger beschnitten. Zwar steht in dem Gesetzentwurf, das solle über die Kostenentscheidung geregelt werden, aber wir halten es für nicht erfreulich, dass dann wenn ein Bürger, sofern er das Gefühl hat, klagen zu müssen, ihm im Laufe des Prozesses alles zugestanden wird, er sein Recht aber quasi nur noch über die Kostenentscheidung erhält.

Zum anderen kann der SSW die Verschärfungen beim Planfeststellungsverfahren nicht mittragen. Auch hier sind die Bürgerinnen und Bürger einseitig betroffen. Wenn sie verspätet mit Einwendungen aufwarten, können diese nicht einmal mehr berücksichtigt werden. Gleichzeitig werden den Behörden aber eine Reihe von Ausnahmen eingeräumt. Hiermit wird aus der Sicht des SSW eine Ungleichbehandlung manifestiert.

(Beifall beim SSW und des Abgeordneten Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Parteien, die für eine Ausgewogenheit im Verhältnis zwischen den Rechten der Bürgerinnen und Bürger einerseits und den Rechten der Behörden andererseits eintreten, dürften ein solches Gesetz so nicht beschließen.

Wir hatten uns deshalb bereits für eine Anhörung ausgesprochen, in der gerade diese beiden Problemfelder angesprochen werden sollten. Diese Anhörung sollte nach unserer Ansicht auch durchgeführt werden.

Es gibt sicherlich auch einige positive Aspekte im Entwurf. Wir plädieren dafür, dass die vernünftigen und sinnvollen Änderungsvorschläge dieses Gesetzes im Ausschuss detailliert erörtert werden können.

(Beifall bei SSW, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich erteile Herrn Minister Buß das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Bei meinem Amtsantritt als neuer Innenminister habe ich mir nicht vorgestellt, mich in einer meiner ersten Reden mit einem Thema konfrontiert zu sehen, das - ich darf es so ausdrücken - auf eine recht wechselvolle Geschichte zurückblicken kann.

Sie werden sicherlich verstehen, wenn ich mich in dieser zugegebenermaßen etwas ungewöhnlichen und bisher auch ziemlich einmaligen Situation kurz fasse. Allerdings will ich die Position der Landesregierung doch eindeutig zum Ausdruck bringen. Wir sind nach wie vor davon überzeugt, dass der zunächst von der Landesregierung im Mai 1998 eingebrachte Gesetzentwurf zur Änderung des Landesverwaltungsgesetzes, der von der CDU-Fraktion wortgleich erneut eingebracht wird, einen richtigen und vertretbaren Weg einschlägt, die Rechtslage herzustellen, die im Bund seit 1996 und inzwischen auch in allen anderen Bundesländern gilt.

Meine Damen und Herren, Frau Hinrichsen, die Einheitlichkeit des Rechts in Deutschland, in den Bundesländern ist im Interesse der Bürgerinnen und Bürger. Rechtssicherheit ist aus meiner Sicht auch ein sehr wichtiges Gut.

(Beifall bei CDU und F.D.P.)

(Minister Klaus Buß)