Protokoll der Sitzung vom 30.05.2001

Wir hätten uns vorstellen können, uns mit der Opposition auf einen gemeinsamen Antrag zu einigen. Weil wir in der Regierungskoalition dazu unterschiedliche Auffassungen haben, sind wir dazu nicht in der Lage. Von daher werden wir zu einer alternativen Abstimmung kommen. Aber wir bewerten die Beiträge zu diesem Punkt durchaus positiv. Das wollte ich an dieser Stelle einmal festhalten.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Vereinzelter Beifall bei SPD, CDU und SSW)

Zu einem Kurzbeitrag nach § 56 Abs. 4 unserer Geschäftsordnung erteile ich jetzt dem Herrn Abgeordneten Torsten Geerdts das Wort.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Natürlich ist die Haushaltslage im Lande SchleswigHolstein katastrophal. Wenn wir das aber jedes Mal als Totschlagargument benutzen und sagen würden, wir dürften nicht mehr über neue Dinge nachdenken, dann könnten wir eigentlich alle nach Hause gehen. Das wäre für die Politik ein bisschen zu wenig.

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Heiner Garg [FDP])

Wir müssen uns also trotz dieser Haushaltslage überlegen, wie wir noch Bewegung ins politische Spiel bekommen. Dabei ist mir eine einleitende Bemerkung wichtig: Wenn wir uns über Familienpolitik unterhalten, so möchte ich dazu feststellen, dass Familienpolitik nicht allein über den Sozialhaushalt finanziert werden kann. Familienpolitik ist mehr; Familienpolitik muss eine Querschnittsaufgabe im Lande SchleswigHolstein sein. Ich möchte deshalb, dass am Ende alle Minister - Frau Franzen, Frau Moser, Herr Müller ihren Beitrag für die Familienpolitik leisten. Sie alle müssen sagen: Dort haben wir unseren politischen Schwerpunkt.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Frau Erdsiek- Rave auch?)

- Mir fallen auch noch mehr Minister ein, aber ich habe nur drei Minuten Redezeit.

(Heiterkeit)

Nochmals: Alle Ministerien müssen ihren Beitrag zu dieser Schwerpunktaufgabe Familienpolitik leisten.

Es gibt einen weiteren Bereich, über den wir uns unterhalten müssen. Ich bin davon überzeugt, dass es, wenn wir eine gute Familienpolitik machen, mittelfristig Auswirkungen auf die Ausgaben hat, die wir im Bereich der Sozialhilfe tätigen müssen; dazu kommen Auswirkungen im Bereich der Jugendhilfe. Diese Zahlen sind nicht sofort zu greifen, aber wir müssen wissen, dass wir dort vorbeugende Maßnahmen ergreifen, die sich später im Haushalt niederschlagen werden.

Das Grundproblem, das Familien in Deutschland haben, ist die Tatsache, dass es keine ausreichende Vereinbarkeit von Familie und Beruf gibt. Dies gilt in erster Linie für Frauen, weil sie noch immer diejenigen sind, die hauptsächlich die Familien- und Erziehungsarbeit leisten.

(Beifall der Abgeordneten Angelika Birk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Frauen haben ein weiteres Problem, nämlich dass sie ihre berufliche Karriere zweimal unterbrechen müs

(Torsten Geerdts)

sen: einmal für die Erziehung der Kinder und einmal für die Pflege der Angehörigen. Auch dort tragen Frauen die Hauptlast. Auch das müssen wir zur Kenntnis nehmen.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dass das abgestellt wird, können wir aus unserer Sicht nur mit besseren Betreuungsangeboten - auch ganztägigen Betreuungsangeboten - für Kinder erreichen.

(Beifall der Abgeordneten Angelika Birk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Zur Ehrlichkeit der Debatte gehört für mich aber auch, dass wir den Menschen sagen: Wenn ihr beide erwerbstätig sein wollt oder sein müsst, so müsst ihr auch an den Kosten ausreichend beteiligt werden.

Zudem ist mir wichtig, dass wir deutlich herausstellen, dass der Erziehungsauftrag - auch wenn wir die genannten Angebote schaffen - bei den Eltern bleibt.

(Beifall bei CDU und FDP)

Man kann nicht einfach sagen: Der Staat leistet dort ein Angebot, das wir möglichst zum Nulltarif nutzen, und wir machen uns ansonsten ein buntes Leben. Nein, die Eigenverantwortung bleibt bei den Eltern; eine Kostenbeteiligung muss sichergestellt werden.

Meine Abschlussbemerkung: Natürlich führen Kinder dazu, dass es zu sozialen Problemen in den Familien kommt.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Kommen kann!)

Darüber müssen wir diskutieren. Wir sollten aber auch deutlich sagen und das ebenso deutlich formulieren: Kinder bedeuten in erster Linie Reichtum - Reichtum, weil einige unverdorbene Geschöpfe durch dieses Land laufen, mit geradem Rücken. Auch das gehört für mich dazu.

(Beifall bei CDU und FDP)

Zu einem Kurzbeitrag nach § 56 Abs. 4 unserer Geschäftsordnung hat jetzt Herr Abgeordneter Rainder Steenblock das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zu dieser Debatte möchte ich gern drei Bemerkungen machen, weil es mir trotz meines fortgeschrittenen Alters ähnlich ging wie Herrn Garg: Einige Aspekte dieser Debatte haben mich persönlich sehr emotional berührt und erregt. Deswegen also drei Bemerkungen; die Erregung kommt bei der dritten.

Meine erste Bemerkung. Ich finde es klasse - herzlichen Dank dafür -, dass Sie, Herr Kayenburg, für die CDU die Eröffnung der Debatte über das Ehegattensplitting übernommen haben.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Das ist in der Debatte einer der größten Fortschritte, die wir gemacht haben. Nur so werden wir es von den materiellen Ressourcen her, die diese Gesellschaft zur Verfügung hat, überhaupt hinbekommen, die Aufgaben, die wir alle vor uns sehen, zu bezahlen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine zweite Bemerkung: Liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, ich halte es für ausgesprochen schwierig, dieser Gesellschaft klarzumachen, dass auf der einen Seite die steuerliche Privilegierung von Familien, die Haushaltsangestellte beschäftigen, aus ideologischen Gründen abgeschafft wird und dass auf der anderen Seite die 30 DM Kindergeld für Sozialhilfeempfänger nicht bezahlt werden sollen.

(Beifall bei CDU und FDP sowie der Abge- ordneten Angelika Birk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Das ist ein Widerspruch, der schwer aufzulösen ist. Dieses Problem leitet dann auch zu dem Punkt über, der mich in meiner Partei - und in der Linken, der ich mich ausgesprochen zugehörig fühle, sowieso - ärgert. Damit meine ich zunächst die absolute Diskriminierung von Frauen, die mit dem Begriff „Dienstmädchenprivileg“ einhergeht. Das ist keine Bezeichnung für ausgebildete Frauen, die im Haushalt arbeiten.

(Beifall bei CDU und FDP sowie vereinzelt bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Zudem halte ich es aber auch für eine absolute Diskriminierung von Familien, die als Arbeitgeber auftreten und Arbeitsplätze - es geht in diesem Zusammenhang auch um qualifizierte Arbeitsplätze - schaffen, die sie sozialversicherungspflichtig absichern. Für Familien soll das nun untersagt werden, wohingegen ein Gewerbebetrieb die gleichen Personen für die gleichen Tätigkeiten einstellen kann und dabei die steuerliche Privilegierung erhält. Das ist absurd und ich kann das keinem erklären.

(Beifall bei CDU, und FDP sowie vereinzelt bei SPD und SSW)

Wenn diese steuerliche Privilegierung für Familien als Arbeitgeber abgeschafft wird, so treibt das genau die Beschäftigungsverhältnisse, um die es uns doch geht,

(Rainder Steenblock)

wieder in eine Situation, in der die Frauen keine soziale Absicherung haben.

(Beifall bei CDU und FDP sowie vereinzelt bei der SPD)

Auch wenn ich den Beifall an dieser Stelle von rechts bekomme,

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Es gab auch wel- chen von links!)

muss ich trotzdem sagen, dass das eine wichtige Frage ist, weil es um viele qualifizierte Arbeitsplätze von Frauen in unserer Gesellschaft geht.

Wir werden diese Situation, dass beide berufstätig sind - ich will jetzt gar nichts zu der Frage sagen, dass Frauen natürlich das Recht haben, sich zu entscheiden, und dass Väter genauso das Recht wie Mütter haben, sich zu entscheiden, wie sie Familienerziehung organisieren wollen -, in Zukunft bei vielen Familien haben. In dieser Situation müssen wir uns dieser Frage unideologisch stellen, dass wir auch in diesem Bereich steuerlich die Möglichkeit eröffnen, qualifizierte Arbeitsplätze für Frauen zu schaffen, die so etwas auch gelernt haben. Das muss von dieser Gesellschaft so getragen werden wie in anderen Bereichen auch. Dafür plädiere ich. Dafür müssen wir kämpfen, wenn wir Familie in Zukunft ernst nehmen wollen.

(Beifall bei CDU und FDP sowie der Abge- ordneten Irene Fröhlich [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und Silke Hinrichsen [SSW])

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

(Klaus Schlie [CDU]: Schade! - Wolfgang Kubicki [FDP]: Frau Birk fehlt noch!)