Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit der Telekommunikationsüberwachungsverordnung legt der Bundeswirtschaftsminister lediglich eine Neufassung der Fernmeldeverkehr-Überwachungsverordnung aus dem Jahr 1995 vor. Bereits 1998 gab es einen ersten Entwurf, der dann zurückgezogen und jetzt in weiten Teilen wiederbelebt wurde.
Die Verordnung - kurz: TKÜV - soll - da hat Herr Hildebrand Recht - soll noch vor oder unmittelbar nach der Sommerpause erlassen werden. Allerdings will ein Unterausschuss des Wirtschaftsausschusses des Bundestages namens Neue Medien noch eine Anhörung erreichen, was für eine Verordnung, die ja nicht der Zustimmung des Parlaments unterliegt, un
Die Verordnung regelt die Anforderungen und das Verfahren zur technischen Umsetzung der Überwachung der Telekommunikation. Die Betonung liegt auf: technische Umsetzung der Überwachung. Daneben bestehen weitere rechtliche Grundlagen für diese Überwachung. Insbesondere ist das Telekommunikationsgesetz zu nennen, das die Ermächtigung für eben diese Verordnung enthält. Wenn Sie in den Bericht des Datenschutzbeauftragten schauen, sehen Sie, dass beispielsweise auf Seite 111 ein Hinweis auf die Telekommunikations-Datenschutzverordnung enthalten ist, dass nunmehr Verbindungsdaten sechs Monate statt 80 Tage nach Rechnungsversand vorgehalten werden müssen.
Die Verordnung ist also lediglich Bestandteil eines umfassenden Regelungspaketes zur Überwachung der Telekommunikation, das für die Strafverfolgungs- und Sicherheitsbehörden ein wichtiges Ermittlungsinstrument darstellt. Solche Regelungen sind wichtig und leider notwendig, denn der Bereich E-Commerce und damit auch entsprechende Betrugsdelikte wachsen. Staatsschutz- und Betäubungsmitteldelikte, Urheberrechtsverstöße und Kinderpornographie sind die Schattenseiten von Internet und E-Mail. Dagegen stehen natürlich das verfassungsrechtlich gesicherte Recht auf informationelle Selbstbestimmung und das Post- und Fernmeldegeheimnis, die gewahrt bleiben müssen.
Die Verordnung nun regelt die Pflichten für die Betreiber von Telekommunikationsanlagen, das heißt, welche Vorkehrungen zu treffen sind, um eine Überwachung möglich zu machen. Das stößt bei den Anbietern natürlich nicht gerade auf Gegenliebe. Insbesondere ist umstritten, wo die Daten erhoben werden sollen - da gibt es verschiedene Möglichkeiten -, beispielsweise direkt beim Internetanbieter oder bei der Ortsvermittlung, also demjenigen, der das Netz zur Verfügung stellt.
Natürlich ist das Ganze auch mit Kosten verbunden, die sich nachteilig auf die Anbieter auswirken und damit zu einem Wettbewerbsnachteil werden können, wenn man es international betrachtet. Daneben sind eine ganze Reihe von Detailfragen, die sich aus dem Verordnungsentwurf ergeben, noch nicht geklärt. Hinzu kommen - Herr Hildebrand hat es angesprochen verfassungsrechtliche Bedenken, da die Überwachungsmaßnahmen jederzeit durchgeführt werden können, ohne dass der betroffene Nutzer informiert ist. Das geht eigentlich nicht.
Der Antrag der FDP-Fraktion fordert nun eine Rücknahme des Verordnungsentwurfs. Eine Überarbeitung im Sinne von Datenschutz, Nichtdiskriminierung von Netzanbietern und vor allem begrifflicher Klarstellungen ist jedoch sinnvoller. Denn gerade Letzteres ist ein wesentlicher Grund für die Überarbeitung der alten Fernmeldeverkehr-Überwachungsverordnung. Nur - da stimme ich der FDP zu - darf man den Teufel natürlich nicht mit dem Beelzebub austreiben.
Das Spannende an dem Antrag ist eher die Begründung, weniger der Antragstext. Gerade das von Ihnen mit „Spuren im Netz“ beschriebene Problem steht im Mittelpunkt. Es war auch - bezogen auf das Internet Gegenstand der Sommerakademie des Datenschutzbeauftragten im vergangenen Jahr.
Bei all diesen Fragen handelt es sich fast ausschließlich um bundesgesetzliche Regelungen. Wir sollten daher den Antrag federführend an den Innen- und Rechtsausschuss sowie zur Mitberatung an den Wirtschaftsausschuss überweisen und die Beratung des Antrages zum Anlass nehmen, uns mit dem gesamten Themenkomplex, der noch weitere Rechtsvorschriften betrifft, zu befassen, was ich hiermit beantrage. Mit etwas Schnelligkeit schaffen wir es vielleicht auch noch, vor Inkraftsetzen der Verordnung zu einer Meinung zu kommen. Es ist allerdings so, dass die technische Entwicklung in ein paar Jahren sicherlich eine Neufassung, eine weitere Überarbeitung der Verordnung notwendig machen wird.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nach den Vorschriften der Strafprozessordnung, des Gesetzes zu Artikel 10 Grundgesetz sowie des Außenwirtschaftsgesetzes kann bei Ermittlungen wegen bestimmter Straftaten die Überwachung der Telekommunikation einzelner Personen angeordnet werden. Nach den Vorschriften des § 88 des Telekommunikationsgesetzes ist jeder Betreiber einer Telekommunikationsanlage verpflichtet, technische Einrichtungen für die Umsetzung derartiger Überwachungsmaßnahmen vorzuhalten. Die technische und organisatorische Umsetzung dieser Verpflichtung soll in einer Rechtsverordnung - der hier schon zitierten Telekommunikationsüberwachungsverordnung, kurz: TKÜV geregelt werden.
Einig sind wir uns sicherlich darin, dass wir neue Regelungen für die Überwachung neuer Telekommunikationstechnologien brauchen. Das gute alte Telefon hat Geschwister bekommen: Mobiltelefon, Internet, Internetdienste wie E-Mail.
Der vorliegende Verordnungsentwurf aus dem Bundeswirtschaftsministerium ist aus verschiedenen Gründen unzureichend. Herr Hildebrand und auch Herr Rother haben einige genannt. Ich möchte einige ergänzen und andere Schwerpunkte setzen.
Der Entwurf erleichtert den Behörden nicht die Überwachung, schwächt aber den Informationstechnologiestandort Deutschland. Die Telekommunikationsanbieter müssen die erheblichen Kosten für Hard- und Software für die Überwachungsschnittstellen sowie die Aufwendungen für deren Pflege tragen. Diese Kosten, die in anderen Ländern - außer den Niederlanden nicht anfallen, stellen einen Wettbewerbsnachteil für die deutschen Anbieter dar. In den Niederlanden werden bereits Gespräche zwischen den Staatsanwaltschaften und den Providern geführt, da viele Provider erhebliche finanzielle Probleme haben. Diese Finanzierungsprobleme werden auch auf die deutschen Provider zukommen.
Ein Nachteil für den Informationstechnologiestandort Deutschland wird aber auch daraus erwachsen, dass die Täter in Grenzregionen ins benachbarte Ausland gehen, um von dort ihre Arbeit fortzusetzen. Es besteht nämlich nicht die Möglichkeit, einen Internetuser, der in Kehl wohnt und in Straßburg von einem Internet-Café aus agiert, zu erfassen. Dieser Wettbewerbsnachteil wird auch nicht durch einen möglichen Erkenntnisgewinn der staatlichen Stellen gerechtfertigt. Es ist sehr zweifelhaft, ob und inwieweit überhaupt Erkenntnisse in nennenswertem Umfang gewonnen werden können. Verschlüsselungsprogramme für E-Mails - darauf hat auch Herr Rother schon hingewiesen - machen es den staatlichen Stellen nahezu unmöglich, den Inhalt elektronischer Post zu lesen. Diese Programme können teilweise gratis aus dem Internet geladen werden, sodass auch Kleinkriminelle die Gelegenheit haben, ohne Kenntnis des Staates zu kommunizieren. Erfasst werden von der TKÜV folglich nur die Täter, die unter ihrem eigenen Namen mit eigener E-Mail-Adresse ins Netz gehen. Sofern die Täter aber so klug sind, zum Beispiel ein Internet-Café zu nutzen, sind sie für die staatlichen Verfolgungsstellen fast unerreichbar.
Inzwischen ist auch die Anonymisierung der User im Netz möglich, sodass eine Zuordnungsproblematik entsteht, selbst wenn man den Inhalt lesen könnte. Aber bereits das Lesen verschlüsselter E-Mails ist mit erheblichen Problemen verbunden. So brauchen selbst
leistungsstarke Computer für das Lesen verschlüsselter E-Mails eine Stunde pro Zeile. Was das für eine 40zeilige E-Mail bedeutet, kann sich jeder selbst ausrechnen.
Da Anbieter mit weniger als 2.000 Kunden ausgenommen werden sollen, werden Kriminelle diese Anbieter nutzen oder gar solche Anbieter etablieren. Ähnliches gilt auch für Firmennetzwerke, die zu Recht ganz von der Regelung ausgenommen sind. Kriminelle können also ungestört und ungehört über Firmennetze kommunizieren. Insofern sind also bei der kostenintensiven Realisierung der Vorschriften nur diejenigen Kriminellen betroffen, die keine dieser Ausweichmöglichkeiten beschreiten. Vor diesem Hintergrund wird die Kosten-Nutzen-Problematik deutlich.
Ferner ist zu berücksichtigen, dass für die Provider eine entsprechende Hard- und Software noch gar nicht auf dem Markt ist. Die TKÜV müsste schon allein deswegen lange Übergangszeiträume vorsehen. Wenn diese dann entwickelt wären, wären sie - weil ausschließlich für den deutschen Markt konzipiert - unverhältnismäßig teuer.
Dies sind nur einige Ungereimtheiten des vorliegenden Verordnungsentwurfs. Die derzeitige Bundesregierung hat das klassische Fernmeldewesen als Leitbild und will das Verfahren, das in diesem Bereich funktioniert, nun auf die Internet-Provider übertragen. Dies ist sachlich verfehlt und kann nicht funktionieren. Deshalb darf der vorliegende Entwurf der TKÜV so keinesfalls bestehen bleiben.
Wir erwarten von der Bundesregierung eine Lösung, die erstens gute Ergebnisse für die Strafverfolgungsbehörden erbringen kann, zweitens eine verantwortungsbewusste Abwägung von Kosten und Nutzen beinhaltet und drittens Wettbewerbsnachteile für den IT-Standort Deutschland vermeidet.
Wir werden dem Antrag der FDP zustimmen. Eigentlich hätte ich lieber in der Sache abgestimmt. Wenn es denn aber unbedingt sein muss, müssen wir uns eben im Ausschuss noch einmal damit beschäftigen.
Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erteile ich nun der Frau Abgeordneten Irene Fröhlich das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Telekommunikationsüberwachungsverordnung soll aufgrund des Telekommunikationsgesetzes erlassen werden. Wesentliches Ziel dieser Verordnung ist es, den Betreibern von Telekommunikations
anlagen vorzugeben, welche technischen Voraussetzungen sie bereithalten müssen, um angeordnete Überwachungsmaßnahmen durchführen zu können. Sie regelt die Details der Telekommunikationsüberwachung, legt aber nach meinem Wissen nicht fest, unter welchen Voraussetzungen eine Überwachungsmaßnahme durchgeführt werden darf. Das ist vielmehr in dem so genannten G 10-Gesetz - Gesetz zur Regelung von Artikel 10 des Grundgesetzes -, in der Strafprozessordnung und eventuell noch im Telekommunikationsgesetz geregelt.
Der Entwurf will die Internetprovider verpflichten, Überwachungstechnik zu installieren und die aufgezeichneten Daten den Behörden auszuhändigen. Darin sehen wir eine Verletzung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung. Der Umfang der aufzuzeichnenden Daten und die geplante Speicherdauer von einem halben Jahr sind völlig unverhältnismäßig. Zudem kommen durch die zu installierende Technik das wurde heute schon gesagt - hohe Kosten auf die Provider zu, die zu einer Verteuerung des Internetanschlusses führen werden.
Der Entwurf steht im Widerspruch zu den geplanten Nutzerrechten bei der Neufassung des Bundesdatenschutzgesetzes. Im weiteren Verfahren werden wir uns also für die unbeobachtete Nutzung des Internets stark machen. Dabei werden wir uns für eine Regelung einsetzen, die die Bürgerrechte im Internet wahrt. Es wird doch tatsächlich immer deutlicher, dass unsere Medienund Kommunikationsordnung für die Wissens- und Informationsgesellschaft nicht mehr reicht, sondern besser darauf abgestimmt werden muss. Deswegen glaube ich, dass es nicht reicht, einfach zu sagen, dass wir etwas Bestimmtes nicht wollen; vielmehr müssen wir uns darüber Gedanken machen, wie wir es denn machen wollen.
Wir Grüne setzen uns hauptsächlich dafür ein, Menschen durch verstärkte Medienkompetenz in die Lage zu versetzen zu durchschauen, was eigentlich passiert und was sie überhaupt tun. Das wird auf die Dauer aber nicht ausreichen, weil es Missbrauch aller möglichen Technik immer geben wird. Darüber wird man sich Gedanken machen müssen.
Die neuen Mittel müssen also aufeinander abgestimmt werden. Deswegen bin ich froh, dass sich die SPDBundestagsfraktion und die grüne Bundestagsfraktion zurzeit damit beschäftigen, genau diese Reform der Medien- und Kommunikationsordnung für die Wissens- und Informationsgesellschaft zu verwirklichen. Dazu gibt es bereits einen sehr umfangreichen Antrag. Ob in dem Zuge dann eine brauchbare Ordnung geschaffen werden wird, wie man Missbrauch der Tele
Ich bin nicht dafür, Ihrem Antrag in der Sache zuzustimmen, sondern dafür, das im Ausschuss noch einmal zu beraten. Ihre Skepsis gegenüber dem, was da auf dem Tisch liegt, teile ich aber.
Das Wort für den SSW im Schleswig-Holsteinischen Landtag hat jetzt Frau Abgeordnete Silke Hinrichsen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Neue Techniken stellen uns vor neue Herausforderungen. Gerade das Internet hat uns Möglichkeiten gegeben, Informationen zu transportieren, die wir bisher nicht hatten. Wie bei allen anderem im Leben werden diese Techniken nun auch von bösen Jungs genutzt.
Deshalb haben Strafverfolger und andere Sicherheitsbehörden ein Interesse daran, diese Techniken für die Verfolgung und Sammlung von Daten zu nutzen.
Besonders das Internet hat uns eine neue Freiheit gebracht, die auch dunkle Flecken hat. Rechtsextreme Propaganda und unmenschliche Kinderpornografie sind Schattenseiten davon; diese sind unerträglich. Sie sind weltweit die Argumente für eine Einschränkung der Freiheit und Überwachung der Kommunikation.
Allerdings kann wohl kein Mensch daran zweifeln, dass die verzweifelten Versuche zum Scheitern verurteilt sind, die Kommunikation durch nationales Strafrecht und Überwachung zu kontrollieren. Das Netz ist eben doch grenzenlos und die ganze Welt lässt sich nicht kontrollieren. Andererseits sind die Nebenwirkungen für die normalen Bürgerinnen und Bürger nicht zu vernachlässigen. Gerade die modernen Mittel der Telekommunikation bieten unbegrenzte Möglichkeiten zur Erfassung und Speicherung von Daten. Der moderne Mensch kommt nicht weit, ohne eine Spur von Daten hinter sich herzuziehen; und eben diese weckt die Begierde der Datensammler und die Verzweiflung der Datenschützer.
Wir meinen nicht, dass Telekommunikationsanbieter verpflichtet werden dürfen, ihre Verbindungsdaten für die Behörden länger zu lagern. Bei der Abwägung von Nutzen und Schaden einer solchen Regelung kommen wir zu dem Ergebnis, dass der potenzielle Schaden das Missbrauchspotenzial - den zu erwartenden Nut
zen übersteigt. Dementsprechend würde unserer Ansicht nach ein unverhältnismäßiger Eingriff in die Freiheit der Bürgerinnen und Bürger vorgenommen; dieser ist nicht gerechtfertigt.
Gerade der Schleswig-Holsteinische Landtag hat sich in der Vergangenheit durch technischen Datenschutz im Computerbereich profiliert. Wir haben viel darin investiert, um mittels einer vielerorts beachteten Firewall-Technik anonym im Internet surfen zu können. Unser hoch verehrter Datenschützer propagiert die AN.ON-Initiative, die anonymes Surfen im Internet ermöglicht. Auch vor diesem Hintergrund muss sich der Landtag gegen eine Verordnung der Bundesregierung aussprechen, die eine umfassende Überwachung des Internet ermöglicht.