Es geht darum, dass das größte europäische Kabelnetz im Moment an amerikanische Investorengruppen verkauft wird. Deutschland hat das größte europäische Kabelnetz, weil Herr Schwarz-Schilling und andere in den 80er-Jahren 20 Milliarden DM an Steuermitteln in das Kabelnetz investiert haben, damit die privaten Sender - also Bertelsmann und Kirch - ihre Programme verbreiten konnten. Später erhielt die Telekom das Eigentum daran; dies geht nun auf zwei amerikanische Investorengruppen über, die in den Medien der „neue Denver-Clan“ genannt werden.
Der Kollege Kayenburg hat darauf hingewiesen, dass es sich bei diesen Unternehmen nicht wie bei der Telekom um Unternehmen handelt, die die Kabel nur als Schiene benutzen, um fremde Programme durchzuleiten, sondern dass es Inhalteanbieter sind und mit vorhandenen Programmen und neuen Dienstleistungen Geld machen wollen.
Nun könnte man fragen: Was wird sich in SchleswigHolstein schon verändern? Es bleibt doch alles, wie es ist. - Der Bericht spricht allerdings von „erheblichen Auswirkungen“ und Experten erwarten „dramatische Veränderungen im Medienmarkt“. Einige sind schon angesprochen worden. Ich möchte nur noch einmal darauf hinweisen: Liberty Media ist verbandelt mit AOL, ist verbandelt mit Murdoch, ist verbandelt mit AT&T - das heißt sowohl mit Technologieanbietern als auch mit Inhalteanbietern - und besitzt Kabel im gesamten amerikanischen Bereich. Natürlich werden Malone, Callahan und Klesch die Wertschöpfungskette voll ausreizen wollen, das heißt eigene Kabel, eigene Programme, eigene Plattformen, eigene Videoon-demand-Angebote, Internetzugang, Telefon via Internet und - wenn es sich lohnt - jede Menge ECommerce, angehängt an Programmbuketts, kommen dazu. In welchem Umfang dann noch europäische Inhalteanbieter zum Zuge kommen oder ob etwa ARD auf Kanal 197 und ZDF auf Kanal 211 verschwinden, ist derzeit nicht sicher.
Es gibt auch Experten, die erwarten, dass die amerikanischen Investoren amerikanische Normen und amerikanische Techniken zur Anwendung bringen wollen und nicht deutsche oder europäische, also die SetupBoxen nicht von Herrn Kirch oder von deutschen Herstellern, sondern von den amerikanischen. Ob man im Nachhinein, nach Abschluss der Verhandlungen, europäische und deutsche Auflagen für schon getätigte Investitionen, also für fertige Verhandlungen, machen kann, wird eine spannende Frage sein.
Man muss feststellen, dass die Politik in diesem ganzen Unternehmen Zaungast ist - wenn überhaupt beziehungsweise gänzlich abwesend ist.
Nun ist es sicherlich so, dass Politik - wie es scheint in diesem Bereich nicht so ganz mächtig ist, aber sie ist auch weitgehend desinteressiert. Wir haben uns über den Streit privat versus öffentlich in den 80erJahren fast bürgerkriegsähnliche Schlachten geliefert. Der jetzige Deal, bei dem die Einvernahme des Kabels über die amerikanischen Investoren läuft, verläuft faktisch geräuschlos.
Ich finde, das ist ein absurdes Missverhältnis zwischen der gesellschaftspolitischen, technologiepolitischen und wirtschaftspolitischen Dimension und der öffentlichen Aufmerksamkeit.
Im Bericht lesen wir, dass die Landesregierung den Stand der Verhandlungen aus der Zeitung erfahren hat und dann tätig werden konnte.
Von Herrn Clement konnte man lesen, dass er, nachdem Callahan das nordrhein-westfälische Kabelnetz gekauft hatte, Gespräche aufgenommen hat und darum bittet, doch verantwortungsvoll mit den Kabelnetzen umzugehen.
Der sonst allgegenwärtige Herr Stoiber - wir sitzen politisch alle in einem Boot - ist in dieser Frage komplett abgetaucht. Mag sein, dass er noch hofft, dass Herr Kirch da irgendwie mitspielen darf, aber Herr Kirch glaubt auch nicht mehr richtig daran, dass das passieren kann.
Vielleicht ist es so, dass das Thema vielen zu kompliziert ist - um Gottes willen, was ist bloß Netzebene drei und vier -, dass es viele überfordert. Wir kümmern uns mit einem Riesen-Juhei um die Übertragungsrechte der Fußballweltmeisterschaft, aber um dieses Thema weniger - als ob das eine beliebige Ware wäre.
Dass Wirtschaftsinteressen betroffen sind, hat Herr Doetz vom Verband der privaten Rundfunkunternehmen als Erster deutlich gemacht. Dadurch bin ich auf das Thema überhaupt aufmerksam geworden. Herr Doetz setzt sich seit Jahren vehement dafür ein, dass die Politik und die Regierungen bitte schön ihre Vorderfüße aus der Regulierung des Medienmarktes heraushalten sollen, und sagt: Das machen wir alles allein. Und plötzlich las ich vor ungefähr einem Jahr, dass Herr Doetz sagt, man könne sich auch zu Tode liberalisieren.
Da habe ich gedacht: Hoppla, was ist denn hier los? Ich stellte fest, dass Herr Doetz natürlich gesehen hat, dass die Interessen der privaten deutschen Wirtschaftsunternehmen betroffen sein können. Es kann durchaus sein, dass es Must-carry-Regeln vielleicht noch über den öffentlich-rechtlichen Bereich hinaus geben wird, aber wenn das gewünschte Prgoramm unter 200 Programmen zu suchen ist, läuft diese Regel faktisch leer.
Ich nenne noch einmal kurz die Probleme. Wird es einen faktischen Vorrang für amerikanische Technolgien und Inhalte geben? Müssen wir Must-carryRegeln erweitern? Können wir überhaupt noch etwas dagegen tun? Wie geht es mit den regionalen Kabelnetzbetreibern weiter? Wie wird es mit der Kabelgebühr weitergehen?
Ich denke, dass wir gut daran tun, der Medienpolitik endlich einen Ort zuzuweisen - auch einen Ausschuss an dem diese Fragen in Ruhe und ausführlich behandelt werden können.
Ich bitte, den Bericht an den Wirtschaftsausschuss zu überweisen, weil der Wirtschaftsminister zuständig ist, und ich bitte darum, dass wir eine ausführliche Anhörung dazu machen, um die Diskussion über dieses Thema ein Stück zu verbreitern.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Informationen haben in unserer Gesellschaft steigende Bedeutung als Verbrauchsgut und als Produktionsfaktor. Immer mehr Informationen sind auf einer stetig wachsenden Zahl von Verbreitungswegen verfügbar. Unter diesen Umständen ist die Kontrolle über die Verbreitungswege von hohem wirtschaftlichem Wert. Das Breitbandkabelnetz in Deutschland ist ein solcher gewinnträchtiger Verbreitungsweg; sonst würde es ja auch niemand kaufen wollen.
Der Bericht bietet eine Vielzahl interessanter Details. Deswegen möchte ich mich auf zwei grundsätzliche Fragen in Bezug auf die Vielfalt des Informationsangebotes beschränken.
Erstens. Gerät diese Vielfalt schon kurzfristig wegen möglicher Wettbewerbsbeschränkungen in Gefahr? Zweitens. Gerät diese Vielfalt mittel- und langfristig durch technische Eigenschaften von Netzen in Gefahr?
Liebe Kolleginnen und Kollegen, aus politischer Sicht kommt es darauf an, dass die Eigentümer der Kabelnetze die Vielfalt der Informationen nicht unzulässig einschränken.
Hierbei ist zu allererst zu prüfen, ob diese Gefahr überhaupt besteht. Diese Gefahr bestünde kurzfristig, wenn der Eigentümer eines Netzes bestimmte Inhalte per Diskriminierung ausschließen könnte; sie bestünde langfristig, wenn der Eigentümer potenzielle Inhalte durch technische Anforderungen ausgrenzen könnte. Ich sehe diese Gefahr im Falle der Kabelnetze weder kurzfristig noch langfristig.
Frau Birk, diesen Vorwurf weise ich entschieden zurück. Ich habe gerade diese Woche neue Kontaktlinsen bekommen. Ich kann das also ganz gut lesen.
Ob der Betreiber eines Kommunikationsnetzes in der Lage ist, das Informationsangebot für die Verbraucher wirksam einzuschränken, hängt einerseits von der Rechtslage und andererseits von den Alternativen für die Verbraucherinnen und Verbraucher ab. Die Alternativen sind die verschiedenen Verbreitungswege, mithilfe derer sich Menschen informieren können. Der technische Fortschritt im IT-Bereich ist so schnell, dass sich laufend neue Verbreitungswege eröffnen. So testen zwei Energiekonzerne gerade im Ruhrgebiet den Internetzugang über das Stromnetz.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, hätte der Betreiber die Absicht, das Informationsangebot kurzfristig einzuschränken, könnten die Verbraucher auf andere Netze ausweichen. Gleichzeitig würde sich der Betreiber selbst schädigen, denn ein Informationskanal mit wesentlich eingeschränkten Informationsangeboten würde Nachfrager abschrecken.
- Ich fand übrigens die Frage der Ministerpräsidentin, ob Sie hier vorn stört, ganz passend, weil man wirklich nicht mehr durchkommt.
Neben diesen Überlegungen setzen die Vorschriften des Wettbewerbs und des Rundfunkrechts Grenzen für die Einschränkung des Angebots. Wir sollten hier in der Tat auf die nationalen und europäischen Regulierungs- und Wettbewerbsbehörden vertrauen.
Langfristig könnte eine Gefahr für die Vielfalt der Informationen durch technische Entwicklungen entstehen. Anbieter von Inhalten könnten durch technische Anforderungen des Netzbetriebes ausgegrenzt werden, zum Beispiel weil der Netzbetreiber eigene Inhalte bevorzugen will. Ein Netz wird umso lukrativer, je mehr Teilnehmer angeschlossen sind. Die Teilnehmer werden durch umfangreiche und vielfältige Informationsangebote angezogen. Die Verbraucherinnen und Verbraucher werden es von sich aus vermeiden, sich zu stark von einem Netz abhängig zu machen, das nicht die gewünschte inhaltliche Vielfalt bietet.
Das Netz bekommt seinen Wert erst dadurch, dass möglichst viele Inhalte transportiert werden. Der Wettbewerb zwischen den Betreibern verschiedener Netze und zwischen den Anbietern von Inhalten wird
dafür sorgen, dass sich technische Standards durchsetzen, die für eine ausreichende Informationsvielfalt notwendig sind.
Langfristig sind wir durch unser Rundfunk- und Wettbewerbsrecht vor Fehlentwicklungen geschützt. Gerade diese Vorschriften haben dazu geführt, dass ein immer noch zu großen Teilen in Bundesbesitz stehender ehemaliger Staatsmonopolist das Breitbandkabelnetz jetzt verkaufen muss. Der Erwerb großer Teile des deutschen Breitbandkabelnetzes durch das Bieterkonsortium Liberty Media ist keine Gefahr für die Informationsvielfalt in den deutschen Medien, denn wir gehen davon aus, dass die Vertreter von Liberty Media sich nicht den Ast absägen werden, auf dem sie sitzen.