Protokoll der Sitzung vom 13.07.2001

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Garg, Sie machen einem das Leben leicht. Wenn ich Sie hier so reden höre,

(Jutta Schümann [SPD]: Schreien!)

dann bekomme ich das Bild, dass über Jahre und Jahrzehnte in dieser Bundesrepublik Rot-Grün Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen gestrickt hat, Arbeitsämter aufgebauscht hat, Arbeitsverwaltungen, die so nicht gut und nicht richtig sind; Sie stellen ein einziges Desaster dar.

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Heiner Garg [FDP])

Ich sage Ihnen: Noch hat Rot-Grün weder an den Arbeitsämtern und der Arbeitsvermittlung tatsächlich etwas verändert oder reformiert noch an den Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen,

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Dann tun Sie es doch!)

sondern alles, was wir bisher haben, ist das, was Sie politisch wollten und verabschiedet haben.

(Beifall des Abgeordneten Karl-Martin Hent- schel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] - Wolfgang Kubicki [FDP]: Völliger Quatsch!)

Dazu kommt auch, dass die hohen Lohnnebenkosten und der Missbrauch der Sozialversicherung, der ja real besteht, in den letzten Jahrzehnten von Ihnen verursacht worden sind. Das wissen wir alles.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW - Dr. Heiner Garg [FDP]: Und Sie satteln noch oben drauf!)

Es ist bekannt, dass gerade im Rahmen der deutschen Einheit Kosten, die der Steuerzahler hätte zahlen müssen, in die Sozialversicherung gepackt worden sind.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW - Wortmeldung des Abgeord- neten Dr. Heiner Garg [FDP])

- Keine Zwischenfrage! Sie haben genug erzählt.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Das war schon klar! Damit Sie Ihre Unwahrheiten hier wei- ter verbreiten können!)

Nun erwarten Sie von Rot-Grün zu Recht, dass es Veränderungen gibt. Das erwarte ich auch und diese

Bundesregierung ist sehr reformfreudig. Manchmal können wir gar nicht so schnell schauen, wie eine neue Reform kommt.

(Lachen bei der FDP)

Zum Teil ist es sehr schwierig, das auf Landesebene gegenzufinanzieren. Nun hat die rot-grüne Regierung über Job-Aqtiv - es ist ja noch gar kein Gesetzentwurf in den Bundestag eingebracht worden - zwischen den Parteien und den Arbeitskreisen diskutiert.

Noch bevor ein Gesetzentwurf in den Bundestag eingebracht worden ist, hat die CDU im Landtag Schleswig-Holstein nichts anderes zu tun, als zu sagen: Halt, Stopp! Wir fordern jetzt, dass das, was noch gar nicht eingebracht wurde, zumindest zum Teil gestoppt wird.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Das haben Sie gestern bei den Stammzellen auch schon ge- macht!)

Frau Strauß, wenn Sie gegen ein kleines Element einer großen Reform Bedenken haben, dann hätte ich mir gewünscht, dass Sie sich zumindest die Mühe machten, die Reform insgesamt zu beleuchten und auch einmal zu sagen, ob es nicht doch positive Elemente in dieser Reformierung des Sozialgesetzbuches III gibt, die Sie mittragen könnten. Herr Garg, wir sind uns einig, dass keine Arbeitsmaßnahme so effektiv sein kann wie eine tatsächliche Reduzierung der Lohnnebenkosten.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Partei versucht seit Jahren, Konzepte zu verankern. Die Ökosteuer ist ein Element davon. Sie wollen das nicht. Man kann sich auch andere Modelle überlegen. Meine Partei ist der Meinung, dass das Wichtigste für die Wirtschaft die Senkung der Lohnnebenkosten insgesamt ist. Das bleibt weiter unser Ziel.

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Heiner Garg [FDP])

Wir versuchen es Schritt für Schritt. Wir haben einen leichten Trend nach unten, der in den letzten Jahrzehnten immer nach oben zeigte. Es bleibt ein langer Weg. Auch hier sind pauschale Forderungen sehr viel einfacher als konkretes Handeln.

Herr Baasch hat das neue Job-Aqtiv-Konzept vorgestellt. Es hat das Ziel - gemäß seiner Schreibweise - zu aktivieren, zu qualifizieren, zu trainieren, zu investieren und zu vermitteln. Ich glaube, dass einige Dinge vor allem die Jobrotation, die Element des Programms ist - absolut richtig und wichtig sind. Bisher ist Arbeitsmarktpolitik zum Teil immer noch so gelaufen, dass AB-Maßnahmen geschaffen worden sind und man

(Monika Heinold)

dann geguckt hat, welche Leute man dort einsetzen kann. Aus meiner Sicht muss es jetzt eine Trendwende geben. Job-Aqtiv scheint eine Antwort zu sein, weil ich mir die Arbeitslosen angucke und dann versuche, für den einzelnen Arbeitslosen - in Verbindung mit allen Qualifizierungsprogrammen - möglichst im ersten Arbeitsmarkt einen Arbeitsplatz zu finden.

Den Konflikt, der bei dem Zusätzlichkeitskriterium auftaucht, will ich hier nicht wegdiskutieren, da ich ihn auch sehe. Ich weiß auch von meiner Bundestagsfraktion, dass dieser Aspekt in den Gesprächen weiter diskutiert wird. Das endgültige Modell wurde noch nicht gefunden. Der Konflikt ist der: Es darf nicht passieren, dass wir reguläre Arbeitsplätze abschaffen, indem wir subventionierte Arbeitsplätze im ersten Arbeitsmarkt schaffen. Dass kann nicht sein und ist auch nicht das Ziel.

(Zuruf der Abgeordneten Roswitha Strauß [CDU])

Deshalb gilt auch, dass - ich glaube - der Vorstand der Arbeitsvermittlung immer noch das letzte Wort haben soll, bevor diese Arbeitsplätze geschaffen werden.

Es bleibt viel zu diskutieren. Wir hätten diesen Punkt vorsorglich an den Ausschuss geben können. Wir können den CDU-Antrag heute aber auch ablehnen und uns dann wieder darüber unterhalten, wenn es tatsächlich einen Gesetzentwurf gibt. Dann wissen wir zumindest, worüber wir diskutieren. Das ist manchmal sinnvoll.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Für den SSW im Schleswig-Holsteinischen Landtag hat Frau Abgeordnete Silke Hinrichsen das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Regierungsparteien im Bundestag haben nunmehr Ende Mai eine Reform der Arbeitsförderung angekündigt. Sie heißt Job-Aqtiv. Wer sich heute das entsprechende Papier ansieht, kann sich einige Tage nach den Äußerungen des Bundeskanzlers zu den Arbeitslosenzahlen das Lächeln nicht verkneifen. Die positive Situationsbeschreibung im Arbeitspapier stimmt einfach nicht. Das Ziel, die Zahl der Arbeitslosen unter die 3,5 Millionen-Marke zu drücken, hat der Bundeskanzler inzwischen wohl auch aufgegeben. Die Arbeitsförderung selbst ist notwendiger denn je, denn 3,5 Millionen Menschen sind auch 3,5 Millionen Schicksale. Wir müssen alles tun, damit die Zahl der Arbeitslosen deutlich reduziert wird.

Wer die Realität in unseren Arbeitsämtern kennt, weiß, dass Reformen dringend notwendig sind. Vor diesem Hintergrund begrüßen wir ausdrücklich, dass die Regierungsfraktionen anfangen, endlich Nägel mit Köpfen zu machen, und die Arbeitsförderung verbessern wollen, indem der Schwerpunkt auf aktive Maßnahmen gelegt wird.

(Beifall bei SSW und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Mit dem neuen Programm Job-Aqtiv soll - statt endloser und teurer Reaktionsmaßnahmen - Arbeitslosigkeit von vornherein mit vermieden werden. Arbeitnehmer, die von Kündigung bedroht sind, sollen zukünftig beispielsweise Anspruch auf Qualifizierung erhalten, damit sie ihren Arbeitsplatz behalten oder gleich auf einen neuen wechseln können. Zu der Arbeitsförderung neuen Typs gehört ausdrücklich auch der Erwerb von Sprachkenntnissen und Auslandserfahrungen. Ein entsprechender Gesetzesantrag des Saarlandes im Bundesrat wurde jedoch noch vor einigen Monaten von der Bundesregierung abgelehnt.

Nicht zuletzt für uns im Grenzland wäre hier ein Sinneswandel sehr gut. Er ist überfällig, denn in Dänemark sind - auch für Deutsche - viele interessante Stellen vorhanden. Solange aber entsprechende Vorbereitungskurse in Dänemark von deutschen Arbeitsämtern nur in Ausnahmefällen genehmigt werden, werden nur wenige Arbeitnehmer diese guten Chancen auch wirklich nutzen können.

Der vorliegende Antrag betrifft aber einen anderen Punkt des neuen Gesetzes: Es geht um den geplanten Wegfall des so genannten Zusätzlichkeitskriteriums. Dieses Kriterium soll garantieren, dass öffentliche Arbeitsbeschaffung privaten Unternehmen nicht das Wasser abgräbt. Es kann nicht sein, dass Privatfirmen in die Knie gehen, weil sie bei den indirekt subventionierten Preisen nicht mithalten können.

Man sollte das Papier aber genauer lesen. Der Vorschlag ist, dass nur dann Ausnahmen vom Zusätzlichkeitskriterium zugelassen werden sollen, wenn der Verwaltungsausschuss des Arbeitsamtes zustimmt. In diesem Verwaltungsausschuss sitzen Arbeitnehmerund Arbeitnehmerinnenvertreter und Vertreter der Arbeitgeber. Wenn also der Verwaltungsausschuss eine Ausnahme vom Zusätzlichkeitskriterium ermöglicht, dann kann man sicher sein, dass dieses Gremium den regionalen Markt kennt und sich der Konsequenzen einer derartigen Entscheidung bewusst ist. Die CDU scheint diesen Entscheidern nicht zu vertrauen.

(Beifall bei SSW und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

(Silke Hinrichsen)

Im Moment bemängeln wir den großen Abstand zwischen den Sitzungen der Verwaltungsausschüsse. Sie tagen nur ein paar Mal im Jahr. Das muss unbedingt verbessert werden, damit schnelle Reaktionen erfolgen können.

In der Begründung des CDU-Antrags wird noch einmal auf die Priorität des ersten Arbeitsmarktes hingewiesen. Das halten wir auch für richtig, denn es ist immer besser, einen Arbeitsplatz auf dem ersten Arbeitsmarkt zu haben als einen subventionierten. Folgendes möchte ich aber noch klarstellen: Ein subventionierter Arbeitsplatz ist immer noch besser als gar keiner.

(Beifall bei SSW, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es liegen zwei Meldungen für Kurzbeiträge nach § 56 Abs. 4 der Geschäftsordnung vor. Zunächst hat Herr Abgeordneter Dr. Heiner Garg das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Kollegin Heinold, da Sie eine Zwischenfrage nicht zugelassen haben, es mir aber auf der Seele brennt, stelle ich ein für alle Mal klar -

(Zuruf des Abgeordneten Lothar Hay [SPD])

- Herr Hay, vielleicht würde es Ihnen ganz gut tun, zuzuhören. Vielleicht verstehen Sie dann auch irgendwann etwas von Arbeitsmarktpolitik.

(Beifall bei der FDP - Zurufe von der SPD)