(Wolfgang Kubicki [FDP]: Das ist die einzig Dänisch sprechende Abgeordnete! Es hört sich jedenfalls immer so an!)
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Man möchte ja glauben, dass die Vokabel „Menschenhandel“ der Vergangenheit angehöre, aber das ist ein Irrtum. Der Handel mit Mädchen und Frauen, ihr Verkauf in die Prostitution, aber auch in Zwangsarbeit oder in illegale Beschäftigungsverhältnisse, in Zwangsehen hat Konjunktur und verspricht lukrative Geschäfte. In Europa ist übrigens die Bundesrepublik Deutschland das Hauptabnehmerland für die „Ware“ Frau. Das ist eine Schande!
Schleswig-Holstein - das zeigen die uns hier vorliegenden Zahlen - ist wohl nicht das Zentrum dieser Form von Sklavinnenhaltung. Aber ein Blick auf die Herkunftsländer der Frauen - etwa 90 % stammen aus Europa; die Ministerin sagte es - macht doch deutlich, dass Schleswig-Holstein so etwas wie eine Drehscheibe für diese Art von Märkten ist. Also sind wir doch stark betroffen.
Im Rahmen der Ostseekooperation gibt es eine Menge von Aktivitäten, von enger Zusammenarbeit. Ich war von der Vielzahl der Kontakte, Fachtagungen und so weiter, die in der Antwort aufgeführt sind und die in der Vergangenheit schon zum Thema Menschenhandel stattgefunden haben, überrascht. Ich denke, in Zukunft - das ist auch die Forderung der Hilfsorganisationen muss auch verstärkt Wert darauf gelegt werden, dass in dieser Zusammenarbeit auch ein Schwerpunkt darauf gelegt wird, die Frauen in den Herkunftsländern zu informieren, sie vor den falschen Versprechungen der Menschenhändler zu warnen.
Noch einmal zurück zu Schleswig-Holstein und zu der vorliegenden Antwort auf die Große Anfrage! 40 Frauen oder Mädchen sind im Jahr 1998 in SchleswigHolstein als Opfer von Menschenhandel bekannt geworden, 14 im Jahr 1999. Das scheint in dieser gewalttätigen Welt nicht viel zu sein, aber diese Zahlen muss man natürlich unter großem Vorbehalt betrachten: Die Dunkelziffer ist sehr hoch.
Nach einem Bericht der „Süddeutschen Zeitung“ den ich die letzten Tage in die Hände bekommen habe, beziffert die polnische Justiz die Zahl der Frauen, die jährlich in die Bundesrepublik „importiert“ werden, auf an die 20.000. Das ist nur die Größenordnung bezüglich eines Herkunftslandes.
Viele kommen aufgrund falscher Versprechungen, viele landen in der Illegalität, sind hoch verschuldet. Viele dieser Frauen erscheinen aber nicht in den Statistiken, die uns vorliegen; sie werden nicht als Verbrechensopfer wahrgenommen, denn - das ist eben schon
gesagt worden - nur der Handel in die Zwangsprostitution gilt juristisch als Menschenhandel und wird entsprechend geahndet.
Dass viele dieser Menschen verachtenden Geschäfte im Dunkeln bleiben, liegt auch an der geringen Bereitschaft der betroffenen Frauen, die Täter anzuzeigen. Sie sehen sich nämlich nicht nur als Opfer, sie sehen sich aufgrund ihrer unerlaubten Einreise, aufgrund fehlender Ausweispapiere, aufgrund ihrer Arbeit in der Prostitution auch selbst als Täterinnen und scheuen deshalb den Gang zur Polizei, wenn sie denn überhaupt die Möglichkeit dazu haben.
In der Tat sind sie in der Vergangenheit ja auch sofort ausgewiesen worden und standen dann nicht mehr bei den Prozessen zur Verfügung. Das ist geändert worden und ich meine, dass es schon ein großer Erfolg ist, dass heute eine Abschiebefrist von mindestens vier Wochen gilt, die verlängert werden kann, wenn die Frauen vor Gericht aussagen.
Es gibt auf Bundesebene Initiativen von den Grünen und von der SPD, die dahin gehen, die Definition von „Menschenhandel“ auf Zwangsheirat und Zwangsarbeit auszuweiten. Wir unterstützen diese Initiativen, weil wir der Meinung sind, dass Frauen, die nach Deutschland verschleppt werden, bei den zuständigen Behörden Schutz und Hilfe finden müssen. Wir sind auch der Meinung - hier gehe ich mit Ihnen durchaus konform -, dass ein wirksamer Opferschutz und ein Zeuginnenschutz wirksame Handhaben gegen die Täter sind.
Dann möchte ich noch ansprechen, dass der Informationsaustausch international, aber auch innerhalb Schleswig-Holsteins funktionieren muss und dass dieser sicherlich ausbaubedürftig ist. Deswegen freue ich mich, dass die Beratungsstelle „contra“, deren Arbeit wir schon in der Modellphase kennen und schätzen gelernt haben, weitergeführt werden kann. Es ist sicherlich bedauerlich, dass die Beratungsstelle nicht mehr die Landesmittel zur Verfügung hat, die sie in der Modellphase hatte, aber trotzdem empfinde ich es als Erfolg, dass hier ein Modell weitergeführt wird, dass mit den Trägern darüber verhandelt wird, dass sich das Land weiterhin beteiligt, weil hier eine Landesaufgabe festgestellt wird. Deswegen möchte ich die Tatsache, dass das Land und die Kirche die Finanzierung halbe-halbe tragen, durchaus als Erfolg darstellen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir wollen gern im Ausschuss darüber beraten, was hier in SchleswigHolstein bei der weiteren Bekämpfung des Menschenhandels, bei der Bekämpfung des Frauenhandels unser Anteil sein kann und was auch finanziell nötig ist, um die entsprechenden Hilfen zu organisieren.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich finde es sehr beruhigend, dass wir uns in der Behandlung dieses Themas, in der Zielrichtung und den Folgen, die wir daraus zu ziehen haben, weitgehend einig sind. Dafür zunächst einmal ein Dankeschön.
Wir wissen, dass wir nichts wissen. Das ist die Quintessenz, die man aus dem Bericht der Landesregierung zur Großen Anfrage der CDU-Fraktion ziehen muss. Das ist bedauerlich, liegt aber - das haben meine Vorrednerinnen überzeugend dargelegt - an der schwierigen Situation. Es ist in diesem Bereich kaum möglich, konkrete Zahlen zu bekommen.
Es ist bereits schwierig zu definieren, was Frauenhandel alles ist. Das liegt aber auch daran, dass wir in diesem Bereich einen großen Schwarzmarkt haben; denn es ist illegal. Allein im wohl gängigsten Bereich, der Prostitution, ist die Dunkelziffer so hoch, dass sich alle Beteiligten einig sind, dass die registrierten Zahlen nur die Spitze des Eisberges darstellen. Nach Schätzungen von EU-Experten bringen Schlepper jährlich 120.000 Frauen nach Westeuropa. Das ist eine für mich erschreckend hohe Zahl. Es ist sicherlich richtig, dass die meisten von ihnen nach Deutschland kommen. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass wir das bevölkerungsreichste Land in Mitteleuropa sind. Von daher ist dieses natürlich, wenn auch nicht gerade begrüßenswert.
Verheerend ist für mich folgende Erkenntnis: Wir alle haben, als wir „Onkel Toms Hütte“ gelesen haben, geglaubt, dass Sklaverei eine Geschichte des 19. Jahrhunderts und abgeschafft sei. Aber dies ist eindeutig nicht der Fall. Sklaverei findet weiterhin statt. Das, was an Frauenhandel stattfindet - in Gesprächen mit der Beratungsstelle „contra“ kann man sehr deutliche Beispiele finden -, ist für mich Sklaverei des 20. und auch des 21. Jahrhunderts.
Es sind sich sicherlich alle darin einig, dass die Betroffenen des Frauenhandels nicht mehr nur „die da aus dem Rotlichtmilieu“ sind. Vielmehr gibt es auch andere Formen des Frauenhandels, beispielsweise den Heiratshandel oder illegale Arbeiten unter sklavereiähnlichen Bedingungen. Gegenwärtig wird das Delikt Frauenhandel allerdings immer im Zusammenhang mit sexueller Ausbeutung, also mit Zwangsprostitution oder anderen erzwungenen Arbeiten im Sexgewerbe gesehen. Das ergibt sich aus dem Strafgesetzbuch, das lediglich diese Tatbestände in den Vorschriften zum Menschenhandel und schwerem Menschenhandel erfassten. Zwangsheiraten oder Zwangsarbeiten von Mädchen und Frauen fallen dagegen grundsätzlich nicht unter diese Definition. Ich halte es für richtig, dass es inzwischen eine Initiative gibt, den Begriff des Menschenhandels künftig in dem Sinne deutlich zu erweitern. Ich unterstütze dies ausdrücklich.
Ich wünsche mir, dass ein solcher erweiterter Begriff dann auch die notwendige präventive Wirkung entfaltet und den Betroffenen zumindest die Chance einer Handhabe gegen ihre Übeltäter gibt. Gleichwohl bin ich mir durchaus darüber im Klaren, dass eine erweiterte Definition des Frauenhandelsbegriffs nur ein kleiner Mosaikstein auf dem Weg zu einer Lösung sein kann; denn das eigentliche Problem liegt paradoxerweise bei den Mädchen und Frauen selbst. Ihr Abhängigkeitsverhältnis einerseits und ihr illegaler Aufenthaltsstatus andererseits machen es ihnen in den allermeisten Fällen unmöglich, Anzeige zu erstatten. Selbst wenn sie von der Polizei aufgegriffen werden, schweigen die meisten aus Angst. Sie wissen, dass sie wegen eines Verstoßes gegen das Ausländergesetz selbst verfolgt werden können. Schließlich haben sie illegal, also ohne die erforderliche Aufenthalts- und Arbeitsgenehmigung, gearbeitet.
Dass diese Frauen und Mädchen aber vor allem schutzbedürftige Opfer sind, denen wegen der an ihnen begangenen Menschenrechtsverletzungen geholfen werden muss, gerät dabei leider allzu oft ins Hintertreffen. Der Bericht macht das sehr deutlich.
Deshalb bedarf es in diesem Punkt besonderer Unterstützung: Die Hilfe muss unmittelbar bei den Opfern
des Menschenhandels ansetzen. Das ist auch ein wesentliches Ergebnis der Beratungen anlässlich der internationalen Konferenz, die das Auswärtige Amt und die OSZE Mitte dieses Monats in Berlin organisiert haben.
Ich bin auch der Meinung, dass es richtig ist, bei Ausund Fortbildungsmaßnahmen bei Polizei, Justiz- und Ausländerbehörden anzusetzen, damit sie den erforderlichen sensiblen Umgang mit den betroffenen Mädchen und Frauen lernen.
Genauso wichtig erscheint mir die Unterstützung des Modellprojektes „contra“. Frau Schlosser-Keichel, ich teile Ihre Auffassung, dass es gut ist, dass zumindest erst einmal der totale Stopp des Projektes aufgehalten werden konnte und es zumindest zu einer hälftigen Finanzierung kommt. Ich füge aber hinzu: Weitere Kürzungen in diesem Bereich sind nicht hinnehmbar; denn dann ist eine solche Beratungsstelle nicht mehr am Leben zu halten.
Es muss auch für ein solches Projekt, das sicherlich nicht im Mittelpunkt der Arbeit der Landesregierung steht, die Finanzierung sichergestellt sein; denn nur dann können Menschen beschäftigt werden, die sich in die Sache hineinknien und über entsprechende Erfahrungen verfügen, um den Betroffenen wirksam helfen zu können.
Ich halte den Antrag der CDU in seiner Zielrichtung für richtig, bin aber der Meinung, dass er im Innenund Rechtsausschuss noch einmal beraten werden sollte.
Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erteile ich nun der Frau Abgeordneten Irene Fröhlich das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich will mich bemühen, nicht einfach das zu wiederholen, was die Vorrednerinnen bereits gesagt haben. Wir werden sehen, ob es mir gelingt.
Menschenhandel bedeutet in erster Linie internationaler Frauenhandel; insoweit ist die Sache inzwischen klar. Der Deutsche Bundestag hat sich schon mehrfach mit dieser modernen Form der Sklaverei, einer elementaren Menschenrechtsverletzung bei Mädchen und Frauen, beschäftigt.
Obwohl durch die bundesweite Arbeitsgruppe „Frauenhandel“, in der Bundesministerien, Länder, Bundeskriminalamt und Nichtregierungsorganisationen vertreten sind, wichtige Informationen zusammengetragen und Handlungsanstöße gegeben worden sind, werden die Probleme drängender. Das liegt zweifellos daran, dass sich der Frauenhandel - ich sage einmal untechnisch - in einem Gesetzeswirrwarr befindet; denn die Täter bringen die Frauen gewissermaßen in eine Täterschaft hinein. Sie machen sie selbst zu Illegalen. Dadurch binden sie sie an sich. Sie lassen den Frauen keinen anderen Ausweg, weil diese in dem Land, das sie meistens aufgrund krasser wirtschaftlicher Not aufgesucht haben, keine anderen Kontakte haben. Dadurch sind ihnen auch jegliche Möglichkeiten verwehrt, sich Hilfe zu holen.
Da wir die Verfolgung aus geschlechtsspezifischen Gründen noch nicht gesetzlich anerkannt haben, haben sie auch keinen wirklichen Schutzstatus. Die Duldung von vier Wochen reicht in der Regel nicht aus, um wirklich eine gute Strafverfolgung machen zu können. Es bedarf gewissermaßen eines Bedrohungspotenzials für die Täter durch den Staat. Wenn der Staat sich aber schon bindet und sagt, dass er die Hauptzeugen unabhängig davon, ob bis dahin alles aufgeklärt ist nach vier Wochen über die Grenze schickt, dann ist das natürlich schwierig.
Die Situation in Schleswig-Holstein ist nicht so dramatisch wie in Berlin oder in Hamburg. Die Entwicklungen sind aber auch in unserem Land deutlich festzustellen. Das liegt natürlich an der Nähe zu Osteuropa und zu Skandinavien.
Der bundesweite Koordinierungskreis gegen Frauenhandel und Gewalt an Frauen im Migrationsprozess auch das erwähnt die Große Anfrage - in Potsdam hat in seinem Schattenbericht aus der Sicht von Nichtregierungsorganisationen eine kritische Bestandsaufnahme des Frauenhandels in Deutschland erstellt. Experten aus unterschiedlichen Bereichen sind sich darin einig, dass die Nachfrage nach unterbezahlten Prostituierten bei weitem das gegenwärtige Angebot übersteigt. Der Nachfrage im Westen stehen eine Kombination aus Armut und Perspektivlosigkeit in den Herkunftsländern, ein zum Teil dramatisches Wohlstandsgefälle von Westen nach Osten sowie falsche Vorstellungen vom Leben und Arbeiten in Europa gegenüber; ich habe das zu Beginn meiner Ausführungen angedeutet.
Auch das weist natürlich darauf hin, dass im innerstaatlichen Bereich dringend gehandelt werden muss. Wenn wir die Lebensverhältnisse in den osteuropäischen Ländern nach dem Zusammenbruch des Sozialismus nicht deutlich verbessern, dann wird sich an