Protokoll der Sitzung vom 07.06.2000

(Günther Hildebrand [F.D.P.]: Wenn sie Sie kennen würde, würde sie das nicht sagen! - Heiterkeit bei der F.D.P.)

Es erinnert mich an die fatale Diskussion der 70-er Jahre über die Nutzung der so genannten Kernenergie, als uns mit dem Slogan von der friedlichen Nutzung weisgemacht werden sollte, es ginge um nicht mehr oder weniger als um die neue schöne Welt.

(Martin Kayenburg [CDU]: Sagen Sie doch einmal, was Sie wollen!)

Ich kann Ihnen nur raten, diese Generation nicht zu unterschätzen. Wenn selbst ein Thomas Gottschalk angesichts des auch von ihm mit freigesetzten neuen deutschen Humors eher ins Grübeln kommt, dann sollten wir Politikerinnen und Politiker den Versuchungen des „Infotainments“ widerstehen.

Frau Abgeordnete, ich darf Sie an die Redezeit erinnern.

Ich komme zum Schluss. - Frau Abgeordnete Happach-Kasan, die Grundlagenforschung unter unternehmerischer Initiative wird gemacht. Professor Jung betreibt hier in Kiel, mit öffentlichen Mitteln unterstützt, eine entsprechende Forschung. Er sollte seine Erkenntnisse der konventionellen Züchtung zur Verfügung stellen.

Frau Abgeordnete, darf ich Sie an die Redezeit erinnern. Ihr letzter Satz bitte!

Ich komme zum Schluss. Dieses alles veranlasst uns, strenge Auflagen und Grenzen für die Forschung und Anwendung gentechnischer Verfahren zu fordern, nicht aber deren Erleichterung. Deswegen hat die Ministerpräsidentin unsere volle Unterstützung, wenn sie in ihrer Regierungserklärung lediglich auf die Förderung medizinischer Projekte abstellt. Wir werden allerdings einer Überweisung in den Ausschuss zustimmen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt bei der SPD - Martin Kayen- burg [CDU]: Wie großzügig!)

Für den SSW hat jetzt Herr Abgeordneter Lars Harms das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Dem SSW ist nicht verborgen geblieben, dass der Antrag der F.D.P. das widerspiegelt, was die Enquetekommission „Chancen und Risiken der Gentechnologie“ in ihrem Abschlussbericht im letzten Jahr - auch mit Unterstützung des SSW - mehrheitlich angenommen hat.

(Beifall bei der F.D.P.)

Hier hat der SSW unter anderem die Weiterentwicklung des Landes und die Förderung und Forschung im Bereich der Gentechnologie als tragende Säule der Biotechnologie gefordert. Wenn wir bedenken, wie umfangreich die Arbeit der Enquetekommission war, stellen wir fest, dass der uns heute vorliegende Antrag nur einen Teilbereich dieses umfassenden und kontroversen Themenkomplexes berücksichtigt. Angesichts der heute zur Verfügung stehenden Zeit lässt sich das wohl auch nicht anders machen, das gebe ich unumwunden zu.

Wir wissen, dass Gentechnologie nicht alles ist, was unter die Definition Biotechnologie fällt. Biotechnik ist mehr als das. Daher verteufelt der SSW die Biotechnologie auch nicht. Wir müssen uns allerdings klarmachen, dass Biotechnik auch nicht plötzlich und unerwartet vom Himmel gefallen ist, sondern immer da war. Es gibt natürliche Prozesse, die dort eine Rolle spielen. Auch das müssen wir bedenken.

(Beifall bei SSW und F.D.P. sowie vereinzelt bei der CDU)

Und wir müssen uns weiter klarmachen, dass sie künftig in einigen Bereichen eine wichtige Zukunftstechnologie sein wird, sofern sie es heute nicht schon ist. Das ist eine Tatsache.

Biotechnologie birgt Marktchancen in sich, denen wir uns nicht verschließen können - ich betone „können“.

(Beifall der Abgeordneten Brita Schmitz- Hübsch [CDU] und Joachim Behm [F.D.P.])

Der Abschlussbericht der Enquetekommission macht deutlich, dass die positiven Erwartungen, mit Hilfe von Gentechnik krankheitsresistente Pflanzen zu entwikkeln, um den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln in der Landwirtschaft zu minimieren, nicht ganz überzeugend erfüllt werden konnten. Auch das ist eine Tatsache. Andererseits macht der Bericht der Landesregierung zum Innovations- und Gründerzentrum Biotechnologie deutlich, dass noch viel Potential in der so genannten roten Biotechnologie - also in der medizinischen steckt, die heute schon stark genutzt und auch von der Landesregierung gefördert wird. Darauf hebt ja auch der Antrag ab.

(Unruhe)

Dass Biotechnologie in den verschiedenen Sektoren auf so unterschiedliche Akzeptanz stößt, ist nicht nur in Schleswig-Holstein ein typischen Phänomen, sondern das ist bundesweit und sogar weltweit festzustellen.

Dies bestätigt nicht nur, wie umstritten dieses Thema ist.

(Glocke des Präsidenten)

Ich darf um ein bisschen mehr Aufmerksamkeit für den Redner bitten.

Daher ist es für den SSW wichtig, das Für und Wider genau abzuwägen, ohne jedoch die Chancen und auch die Risiken aus den Augen zu verlieren.

Auch wenn ich an die bevorstehende Debatte zur Saatgutverunreinigung denke, die wir gleich führen werden, bin ich der Auffassung, dass wir in einem Land leben, das aufgrund seiner hohen Technologiestandards und seiner rechtlichen Rahmenbedingungen eine gute Voraussetzung bietet, die Biotechnik

(Lars Harms)

gesichert weiterentwickeln zu können. Darauf müssen wir Wert legen.

(Beifall bei CDU und F.D.P.)

Aus diesen Gründen wäre es fatal, das Feld ohne weiteres zu räumen und es einfach anderen zu überlassen.

(Beifall bei CDU und F.D.P.)

Damit würden wir Tür und Tor für Missbrauch öffnen, ohne direkt Eingriffsmöglichkeiten zu haben. Das kann nicht gewollt sein.

Wir alle wissen, dass wir heute schon mehrere Biotechnologieunternehmen in Schleswig-Holstein haben, die in der Biomedizin, Landwirtschaft, Umwelt oder im Ernährungsbereich tätig sind. Es besteht die Chance, ein breites Grundwissen über die Zusammenhänge in der Landwirtschaft zu schaffen, das dazu beitragen könnte, die landwirtschaftlichen Strukturen in Schleswig-Holstein zu sichern.

(Peter Jensen-Nissen [CDU]: Jawohl!)

In Niebüll wird demnächst das Nordfriesische Innovationscenter ausgebaut, wo man sich dann verstärkt mit nachwachsenden Rohstoffen beschäftigen will. Dies begrüßt der SSW, da hier Grundlagenforschung betrieben wird, die für die regenerative Energieversorgung - ein grünes Hobbythema - von großer Bedeutung sein kann.

(Zuruf der Abgeordneten Irene Fröhlich [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Wichtig ist für den SSW jedoch, dass wir in Zukunft eine breite Diskussion über Gentechnik und Biotechnologie haben. Dies ist auch eine Forderung der Enquetekommission. Wir sehen es auch als notwendig an, im Ausschuss eine umfangreiche Diskussion auf der Grundlage des Abschlussberichts der Enquetekommission und des Landtagsberichts zum Gründerzentrum Biotechnologie zu führen. Das ist bisher noch nicht geschehen. Trotzdem sind wir der Auffassung, dass es notwendig ist, die Begleitforschung und gegebenenfalls die Produktion weiter zu stärken, um am Markt bestehen zu können und die Chancen der Biotechnologie für die Menschen nutzbar zu machen. Dort, wo die Chancen für den Menschen höher einzuschätzen sind als die Risiken, muss man handeln und SchleswigHolstein sollte dabei sein. Wir behalten jedoch unsere Forderung bei, dass verstärkte Kontrollen dringend notwendig sind.

Die Enquetekommission gibt am Ende ihres Berichtes folgende Empfehlung:

„Das Land Schleswig-Holstein sollte prüfen, auf welchem Weg eine Initiative zur Ver

sachlichung des Diskurses über die Gentechnik ergriffen werden kann.“

Dies gilt meiner Meinung nach für die gesamte Biotechnologie. Dies sollten wir in den Ausschüssen noch einmal beraten.

(Beifall bei SSW, SPD, CDU und F.D.P.)

Das Wort zu einem Kurzbeitrag nach § 56 Abs. 4 der Geschäftsordnung hat die Frau Abgeordnete Dr. Happach-Kasan.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Frau Fröhlich, da Sie die Frage nicht beantworten wollten, möchte ich doch noch einmal auf das Thema zurückkommen. Wir sollten ganz genau wissen, worüber wir sprechen. Es ist schlicht nicht so, dass transgene Pflanzen oder Tiere gentechnisch veränderte Gene enthalten. Das stimmt nicht. Diese Gene sind genauso natürlich entstanden wie alle anderen Gene auch. Sie sind nur auf gentechnischem Weg in einen anderen Organismus eingebracht worden. Dies muss auch nicht unbedingt ein absolutes Drama sein.

Wir wissen zum Beispiel aus der Rapsforschung, dass es Gene gibt, die ebenfalls in anderen Kreuzblütlern vorkommen, die man sowohl auf gentechnischem Wege als auch mit der herkömmlichen Pflanzenzüchtung übertragen kann. Es geht also beides. Von daher ist die Stigmatisierung eines gentechnisch übertragenen Gens inhaltlich einfach falsch.

(Beifall bei F.D.P. und CDU)

Das Wissenschaftszentrum in Berlin hat dazu eine umfangreiche Technikfolgenabschätzung durchgeführt. Dieser Prozess lief zwei Jahre lang. Es ist ein dicker weißer Band erschienen. Ich bin gern bereit, Ihnen diesen Band einmal zur Verfügung zu stellen. Darin wird ebenfalls dargelegt, dass für eine bestimmte Eigenschaft einer Pflanze nicht entscheidend ist, in welcher Weise sie gezüchtet worden ist, ob sie mit gentechnischen Methoden oder herkömmlichen Methoden gezüchtet worden ist; entscheidend sind vielmehr die Eigenschaften einer speziellen Sorte. Frau Fröhlich, schütteln Sie nicht den Kopf. Das ist so. - Gut; das Nicken ist schon besser.

(Zuruf der Abgeordneten Irene Fröhlich [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Von daher müssen wir uns nicht über gentechnische Züchtungsmethoden unterhalten, sondern wir müssen

(Dr. Christel Happach-Kasan)

uns über die speziellen Eigenschaften der Sorten unterhalten.