Protokoll der Sitzung vom 23.01.2002

Zu einem Kurzbeitrag nach § 56 Abs. 4 GO erteile ich dem Herrn Abgeordneten Nabel das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Dr. Kerssenbrock hat die Wettbewerbsfähigkeit der Brennstoffzelle hat in den Mittelpunkt gestellt und gefordert, sie solle auf alle Energiebereiche ausgeweitet werden. Wind und KWK hat er genannt. In der Energiepolitik wie in anderen Politikbereichen auch ist es nicht möglich, alles mit der gleichen Elle zu messen. Es geht um politische Ziele und um die Frage, wie diese politischen Ziele - Kyoto, Rio - umzusetzen sind. Hierfür muss es unterschiedliche Instrumentarien geben.

Für die Förderung der Windenegerie, die heute einen großen Teil des Strombedarfs in Schleswig-Holstein deckt und für die wir bis 2010 die Marge von 50 % anstreben, hat Minister Möller genau das Richtige getan. Und siehe da: Wir haben heute eine JobMaschine, es besteht eine hohe Akzeptanz für diese Energieform, und diese Energieform wird einen großen Teil der durch den Abbau der Kernenergie entstehenden Energienotwendigkeiten abdecken. Das ist eine sehr gute Politik, an der Realität orientiert.

(Beifall bei SPD und SSW)

Ich lasse es nicht zu, Herr Kerssenbrock, dass Sie den Versuch machen, zwischen einer Technologie, die Ihnen ein bisschen besser gefällt, und anderen Technologien, die wir über Jahre mühsam, aber sehr erfolgreich gefördert haben, einen Keil zu treiben und das eine als eine gute und das andere als eine schmuddeli

(Konrad Nabel)

ge Energiealternative darstellen. Das kommt mit uns nicht infrage.

(Beifall des Abgeordneten Günter Neugebau- er [SPD])

Warum muss man fördern? - Die Brennstoffzellentechnologie braucht nicht gefördert zu werden, weil die Schwelle zur Wirtschaftlichkeit, der so genannte Break-even-Point, Kollege Kubicki, sehr niedrig ist. Es ist nicht so, dass sich die Brennstoffzelle in Fahrzeugen, in Schiffen, in U-Booten und in Lokomotiven als Nächstes durchsetzen wird, sondern sie wird sich beim Handy und beim Notebook durchsetzen. Dadurch wird für die Brennstoffzelle ein Massenmarkt eröffnet, der automatisch zu einer Produktion größerer Einheiten führen wird; denn die Technologie ist die Gleiche, einmal im kleinen und einmal im großen Bereich.

Neben dem Beitrag zur Klima- und Energieproblematik leistet die Brennstoffzelle einen großen Beitrag zur Entlastung von Abfällen. Darüber haben wir bisher nicht diskutiert. Der gesamte Batterie- und Akkubereich wird nicht mehr nötig sein, wenn wir Brennstoffzellen haben.

Eine Subventionierung ist nach meinem Dafürhalten nicht nötig. Sie haben aber noch ein Element der Politik übersehen, Herr Kerssenbrock, das Sie gar nicht so gern im Munde führen, nämlich der Ordnungspolitik und das Element der Umsetzung politischer Ziele durch Vereinbarungen. Wir haben die Vereinbarung von Rio und wir haben die Vereinbarung von Kyoto, die in Folgekonferenzen spezifiziert worden sind. Gerade deshalb ist die Industrie dabei - zum Beispiel BMW, Mercedes, Opel, VW und Ford, ich will nicht alle nennen -, ein zukunftssicheres Fortbewegungsinstrument in Form der Brennstoffzelle zu entwickeln; denn sie weiß genau, dass damit eine über Jahrzehnte sichere Energiequelle vorhanden ist. Die Produktion kann über Jahrzehnte so weitergeführt werden wie bisher. Damit kann auch dafür gesorgt werden, dass die CO2-Minderung vorangetrieben wird.

Deshalb muss ich ganz deutlich sagen: Unser Energieminister hat sich stets an der Realität orientiert. Wir sind sehr zufrieden mit ihm.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Wir werden es auch in den nächsten Jahren sein. Eine Energiepolitik, die in Schleswig-Holstein betrieben wird, ist für die gesamte Bundesrepublik und für die Europäische Union vorbildhaft.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor.

Es ist beantragt worden, den Bericht der Landesregierung federführend dem Umweltausschuss und mitberatend dem Wirtschaftsausschuss zu überweisen. Ich schlage vor: zur abschließenden Beratung. - Wer so beschließen will, den bitte ich um das Handzeichen. Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Dies ist einstimmig so angenommen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 10 auf:

Bekämpfung von Rechtsextremismus und Ausländerfeindlichkeit in Schleswig-Holstein

Antrag der Fraktionen von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 15/1306

Änderungsantrag der Fraktion der CDU Drucksache 15/1376

Antrag der Fraktion der CDU Drucksache 15/1529

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Dann eröffne ich die Aussprache. Das Wort hat jetzt der Herr Abgeordnete Rother.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Mit dem Bericht unter Tagesordnungspunkt 37 ist eigentlich ein wesentlicher Teil unseres Antrages zur Bekämpfung von Rechtsextremismus und Ausländerfeindlichkeit in Schleswig-Holstein abgearbeitet worden. Zu den Inhalten des Berichts „Angebote der Prävention bei Kindern und Jugendlichen in Schleswig-Holstein“, den wir nachher noch diskutieren werden, wird meine Kollegin Birgit Herdejürgen Stellung beziehen.

Nun zu den verbleibenden Punkten. Es ist keine anderthalb Jahre her, als alle im Bundestag vertretenen Parteien, die Bundesregierung, Gewerkschaften, Kirchen und viele, viele Verbände einen gemeinsamen Aufruf starteten: „Gegen rechte Gewalt in unserem Land“. Entsprechende Initiativen gab es auch in Schleswig-Holstein. Am Brandenburger Tor demonstrierten über 200.000 Menschen unter der Losung: „Wir stehen auf für Menschlichkeit und Toleranz“.

Anlass dafür waren die zahlreichen Straftaten mit rechtsextremem Hintergrund mit Schwerpunkt in Ostdeutschland. So genannte national befreite Zonen sorgten für Entsetzen im In- und Ausland. Die Medien entdeckten das Thema im Sommerloch 2000.

Nun hat sich der Medienrummel um das Thema Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit gelegt. Daher ist jetzt ein geeigneter Zeitpunkt zu fragen,

(Thomas Rother)

ob die eingeleiteten Maßnahmen etwas bewirkt haben und ob auch in den Köpfen der Menschen tatsächlich etwas passiert.

(Beifall der Abgeordneten Irene Fröhlich [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Es ist natürlich auch zu fragen, ob sich die Situation, gerade was die Bedrohung durch rechte Gewalt angeht, beruhigt hat.

In der Studie des Bundesamtes für Verfassungsschutz „Ein Jahrzehnt rechtsextremistische Politik“ aus dem Juli 2001 wird für das Jahr 2000 der bislang höchste Stand von Straftaten mit rechtsextremem und fremdenfeindlichem Hintergrund festgestellt.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Der soll von der NPD geschrieben worden sein! - Zuruf von der SPD)

- Zu den Dummerhaftigkeiten kommen wir nachher bestimmt noch.

15.951 Straftaten, darunter 998 Gewalttaten, bilden einen traurigen Rekord. Für die ersten zehn Monate des Jahres 2001 wird mit 9.131 erfassten Straftaten vom Innenministerium ein leichter Rückgang angegeben. Für den Verlauf des Jahres ist sogar ein stetiger Rückgang ermittelt worden. Allerdings ist die statistische Erfassung der Daten mittlerweile auf eine neue Grundlage gestellt worden, sodass eine Vergleichbarkeit mit früheren Zahlen nicht gegeben ist.

Anlass für die Umstellung bei der Statistik war der Vorwurf, dass die bisherige Erfassung der Daten die Angaben „schönen“ würde. Insbesondere mit der Zahl der Tötungsdelikte wurde in der Öffentlichkeit ein etwas kurioses Spiel getrieben. Angesichts der Zahlen lässt sich ein Rückgang der Straftaten - nach Auskunft der Fachleute insbesondere bei den Gewalttaten - allenfalls vermuten. Eine offizielle Bewertung der Zahlen auf der neuen Grundlage steht noch aus. Beim Jubeln sollte man also erst einmal vorsichtig sein.

Auch das Bundesamt für Verfassungsschutz stellt in der genannten Studie - wer immer sie nun geschrieben hat - fest, dass sich eine rechtsextreme Subkultur entwickelt hat, die Personen bindet und den Kampf um die Straße als wichtiges Element ihrer Politik betrachtet. Die Militanzdebatte in der rechtsextremen Szene ist noch lange nicht an einem friedlichen Ende angelangt.

Dennoch mögen diese Zahlen ein Indiz dafür sein, dass die Maßnahmen gegen Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit ein Stück weit gegriffen haben. Die Projekte, die von Aussteigerprogrammen bis zur Verbesserung der Jugendarbeit reichen, sind im Bericht zur Prävention genannt.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Die Mittel dafür werden gekürzt!)

Ergänzt werden kann die Aufzählung durch eine Studie der Verwaltungshochschule Speyer. Es lohnt sich auch ein Blick in die Datenbank KODEX des Städte- und Gemeindebundes. Mit dieser Datenbank, die über 400 Konzepte, Projekte und Aktionen vorstellt, wird ein Teil des notwendigen Netzwerks im Einsatz gegen Gewalt, Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit geschaffen. Die Vielfalt der Angebote zeigt, wie dringend erforderlich ein solches Netzwerk ist, um Kooperation und Erfahrungsaustausch zu ermöglichen. Dafür ist natürlich auch Geld notwendig, und zwar dauerhaft und nicht nur für ein bis zwei Jahre.

Zu danken ist natürlich auch dem Engagement nicht nur von Vereinen und Verbänden, sondern auch den vielen Einzelnen, für die das Wort Zivilcourage nicht nur eine Worthülse ist. In der kommenden Woche beispielsweise wird unter dem Motto „Laut gegen rechte Gewalt“ ein Alternativ-Rock-Konzert in Neumünster, im Wesentlichen organisiert von UniversalMusic, als erste Veranstaltung einer ganzen Reihe stattfinden.

(Beifall bei SPD, SSW und der Abgeordneten Irene Fröhlich [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN])

Natürlich geschieht dies nicht ohne Grund in Neumünster. Denken Sie an den Club 88, den es leider immer noch gibt. Besonders bemerkenswert ist, dass sich unter den Sponsoren der Veranstaltung auch Firmen wie Fred Perry und Lonsdale befinden, die von Skinhead & Co., der rechten Subkultur, zu ihren bevorzugten Bekleidungsausstattern gezählt werden. Die Firmen beziehen deutlich Standpunkt, und zwar ohne Rücksicht auf einen nicht ganz unwesentlichen Kundenstamm. Ich denke, das ist schon bemerkenswert.

Der Nährboden für rechte Gewalt und Rechtsextremismus besteht aber natürlich immer noch. Gerade die Fremdenfeindlichkeit hat vor dem Hintergrund der Anschläge des 11. September und der Debatte um die Zuwanderung, kombiniert mit steigenden Arbeitslosenzahlen, eine neue Qualität erhalten. Rechtspopulisten wie der Mini-Haider Ronald Schill können Wahlerfolge einheimsen und sind sogar regierungswürdig.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Was sagen Sie denn zu Otto Schily und seinen Erklärungen?)

Darüber können wir gern noch reden.

Herr Schill - um ihn geht es in meiner Rede erst einmal - hat bislang nicht viel mehr zustande gebracht, als die

(Thomas Rother)

Klatschspalten der Boulevardpresse zu füllen, bayerischen Polizisten einen längeren Urlaub in Hamburg zu ermöglichen oder entscheidende Maßnahmen zur Blondinenförderung zu ergreifen.

(Beifall bei SPD und SSW)

Der Verdacht einer geistigen und inhaltlichen Nähe zum Rechtsextremismus ist durch seine Regierungsbeteiligung getilgt. Daher sage ich in Ihre Richtung vielen Dank.