Protokoll der Sitzung vom 23.01.2002

Der Verdacht einer geistigen und inhaltlichen Nähe zum Rechtsextremismus ist durch seine Regierungsbeteiligung getilgt. Daher sage ich in Ihre Richtung vielen Dank.

Dennoch tummeln sich bei der Schill-Partei aus dem rechtsextremen Umfeld - auch wenn natürlich immer das Gegenteil behauptet wird - durchaus einige nicht ganz unbekannte Personen. Im Parteiprogramm werden Ursachen für soziale Probleme ausgeblendet. Schuld sind danach immer die Betroffenen. Meine Damen und Herren, auf diese feine Gesellschaft können wir in Schleswig-Holstein gerne verzichten.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Daher ist es auch notwendig, die noch offenen Punkte 1, 2 und 4 - und nicht nur die Punkt 2, wie es die CDU vorschlägt - zu beschließen und die entsprechenden Akzente zu setzen. Die Bekämpfung von Rechtsextremismus und Ausländerfeindlichkeit ist keine Tagesaufgabe, sondern bleibt eine Daueraufgabe. Eben nicht nur die Symptome, sondern die Ursachen müssen bearbeitet werden. Dabei tragen auch wir als Politiker Verantwortung und sollten beispielsweise nicht Menschen nach dem Schema nützlich und unnütz sortieren. Wir müssen unser Land als demokratische, solidarische und weltoffene Gesellschaft kenntlich machen. Letztlich müssen wir dafür sorgen, dass unsere Demokratie funktioniert, Probleme löst, die Sorgen der Menschen ernst nimmt und Chancen und Perspektiven für alle - wirklich alle - bietet. Wir müssen natürlich auch dafür sorgen, dass das NPD-Verbotsverfahren greift und nicht an formalen Mängeln scheitert. Herr Kubicki, damit sind wir wieder beim Thema.

(Klaus Schlie [CDU]: Sehr wohl!)

Andernfalls wäre nicht nur Innenminister Schily oder sein Kollege aus Nordrhein-Westfalen, sondern die gesamte Demokratie blamiert.

(Beifall bei der SPD)

Der Änderungsantrag der CDU-Fraktion, der beantragt, sich nur auf Extremismus zu beziehen, geht leider am Thema vorbei. Sie kennen die Daten aus der Großen Anfrage und dem Verfassungsschutzbericht und sollten daher wissen, von welcher Seite die Gefahren ausgehen. Der Linksextremismus kommt zahlenmäßig nur auf ein Viertel der Straftaten des Rechtsextremismus.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Das ist doch völ- liger Unsinn!)

- Eben nicht!

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Dann fragen Sie Ihren Innenminister!)

- Der wird nachher noch etwas dazu sagen.

(Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Lassen Sie doch einfach mal den Red- ner reden!)

Damit will ich nicht die Taten von Leuten rechtfertigen, die zum Beispiel ihren - eigentlich berechtigten Protest gegen die Folgen der Globalisierung im Ausleben ihrer Gewaltfantasien begehen oder gar diejenigen verteidigen, die bei Demonstrationen mit StalinPlakaten rumlaufen, wie vor kurzem in Berlin bei der Liebknecht-Luxemburg-Gedenkfeier.

(Klaus Schlie [CDU]: Wer koaliert eigentlich mit denen in Berlin?)

- Mit denen haben wir nun wirklich nichts gemeinsam. Herr Schlie, das Spielchen der CDU, die Intention des Antrags zu verwässern, machen wir nicht mit. Daher bitte ich um Zustimmung zu unseren Antrag.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Abgeordneter Dr. Wadephul hat das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Neugebauer, ich biete zunächst an, dass ich meinen Vortrag vor der SPD-Fraktion noch einmal wiederhole, damit das alle mitbekommen. Das Interesse an diesem Antrag und den Antragsberatungen scheint in Ihrer Fraktion nicht so groß zu sein, wie es der Tatbestand der Antragstellung eigentlich vermuten lassen würde. Ich biete gern an, mit Ihnen diese Frage noch einmal zu diskutieren.

(Beifall bei der CDU)

Auch wenn dies zum wiederholten Male geschieht, so will ich vorwegschicken, dass das Ziel, das der rotgrüne Antrag gleich zu Beginn formuliert, nämlich die Bekämpfung des Rechtsextremismus und der Fremdenfeindlichkeit, von der CDU voll und ganz unterstützt wird. Sie wissen, dass ich selber, meine Partei und meine Fraktion alle Maßnahmen unterstützt haben, die rechtsstaatlich geboten waren, um Spinnern

(Dr. Johann Wadephul)

von Rechts das Handwerk zu legen. Dazu stehen wir in aller Klarheit.

(Beifall bei der CDU)

Die Gemeinsamkeit der Demokraten wird schon dadurch deutlich, dass Sie sich noch nicht einmal in der Lage sehen, an der Stelle zu klatschen.

(Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Das sind Kriminelle, keine Spinner!)

Herr Rother, ich will das noch einmal auf einen Punkt bringen, den Sie angesprochen haben. Wer das Problem des politischen Extremismus auf den in der Tat nicht zu vernachlässigenden Extremismus von Rechts verengt und auf dem anderen Auge blind ist und nicht bereit ist zu erkennen, dass es auch linke Extremisten gibt, die unseren Staat, unsere Freiheit und unsere Gesellschaft kaputt machen wollen, der macht einen großen politischen Fehler. Der darf an dieser Stelle nicht so auftreten.

(Beifall bei CDU und FDP - Glocke der Prä- sidentin)

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Frau Abgeordneten Fröhlich?

Nein, sie hat später Gelegenheit zu reden. Ich habe mit der Kollegin Fröhlich schon während der Mittagspause gesprochen. Ich bedaure sehr, dass Sie an dieser Stelle nicht bereit sind, das zu machen, was wir in allen bisherigen Anträgen und Verlautbarungen des SchleswigHolsteinischen Landtags miteinander geübt haben, nämlich an dieser Stelle als demokratische Parteien zusammenzustehen. Das beginnt mit der Aktion der DVU hier in diesem Landtag und geht bis zu den Umtrieben um den erwähnten Club 88. Deshalb rufe ich Sie erneut auf: Überdenken Sie, ob Sie sich an dieser Stelle nicht mit uns einigen können, sodass wir uns an dieser Stelle dazu bekennen, Extremisten von Links und Rechts gemeinsam zu bekämpfen.

(Beifall bei CDU und FDP)

Herr Minister, Sie wissen, dass es eine gemeinsame Aktion aller drei großen Verfassungsorgane gewesen ist, die NPD zu verbieten. Ich habe sie auch unterstützt. An dieser Stelle sei dazu ein Wort gestattet, weil unsere Landesregierung über den Bundesrat in dieser Frage involviert ist. Es ist schon erschreckend, dass wir nach einer wochenlangen Diskussion darüber, wie man rechtsstaatlich gegen diese Partei vorgehen kann, bei diesem Verfahrensstand vor dem Bundesverfassungsgericht feststellen müssen, dass eine

Durchführung des Verfahrens und einer Anhörung von hohen und höchsten Funktionären der NPD deshalb nicht möglich ist, weil sie Mitarbeiter des Verfassungsschutzes waren und deshalb eine Aussagegenehmigung brauchen. Das ist wirklich ein schlimmes Zeichen. Herr Minister, ich darf nur hoffen, dass der Verfassungsschutz in Schleswig-Holstein nicht in gleicher Art und Weise vorgegangen ist wie der nordrhein-westfälische. Das erwarte ich. Ich erwarte auch eine Stellungnahme von Ihnen in diesem Haus.

Herr Kollege Rother, wenn wir über Extremismus reden, dann lässt sich dies heutzutage auf politischen Extremismus im engeren Sinne überhaupt nicht mehr eingrenzen. Wir haben alle den 11. September und die nachfolgenden Diskussionen erlebt. Sie haben den Antrag danach formuliert. Es findet sich überhaupt kein Wort zur großen Problematik des religiös motivierten politischen Extremismus in unserem Land. Auch dazu ist eine Aussage erforderlich. Auch dazu sind Maßnahmen der Landesregierung des Landes Schleswig-Holstein erforderlich.

(Beifall bei der CDU)

Es sei mir gestattet, an dieser Stelle auf einen einzigen Punkt hinzuweisen, den man von einer Partei, die sich christlich-demokratisch nennt, nicht von vornherein erwarten kann. Nach langer Diskussion haben wir uns dazu entschlossen: Wir fordern seit vielen Jahren, dass die Landesregierung Schleswig-Holstein - ebenso wie andere Landesregierungen, wie zum Beispiel die bayerische - sich dazu durchringt, darüber nachzudenken, wie wir Islamunterricht in deutscher Sprache unter deutscher Schulaufsicht durchführen können. Die Frau Bildungsministerin hält es für sinnvoll, jetzt nicht dabei zu sein. Derzeit findet so etwas in irgendwelchen Moscheen in Hinterzimmern statt, ohne dass dies einer überprüfen könnte. Wir wissen aus vielen Erfahrungen und Gesprächen, dass an dieser Stelle eine ganze Menge religiöser Fanatismus verbreitet wird. Deshalb wäre es eine praktische Maßnahme des Landes Schleswig-Holstein, wenn es endlich deutschen Islamunterricht unter deutscher Schulaufsicht nach unseren Wertmaßstäben gäbe. Dazu fordere ich Sie an dieser Stelle auf.

(Beifall bei CDU und FDP)

Herr Rother, lassen Sie mich an dieser Stelle noch ganz kurz etwas zu Punkt 4 des Antrags sagen, in dem ein jährlicher Bericht der Landesregierung gefordert wird. In diesem Hause und seinen Ausschüssen werden viele Berichte vorgelegt, die aus meiner Sicht nur der Gewissensberuhigung der hier anwesenden Abgeordneten dienen und überhaupt keinen Beitrag dazu liefern, in der Sache voranzukommen. Das kostet Arbeits- und Beratungszeit und wir kommen nicht weiter.

(Dr. Johann Wadephul)

Lassen Sie uns praktisch handeln und auf einen Bericht mehr an dieser Stelle verzichten.

(Beifall bei der CDU - Vizepräsident Thomas Stritzl übernimmt den Vorsitz)

Ich möchte auf einen weiteren - ganz erheblichen Webfehler Ihres Antrags aufmerksam machen. Der Kollege Geerdts wird sich später noch einmal mit dem Bericht, den Sie in dieser Sitzung geben, auseinander setzen. Sie beginnen in der Überschrift damit, dass Sie den Rechtsextremismus bekämpfen wollen. Dann setzt sich der Antrag in der Sache die ganze Zeit mit der Problematik der steigenden Gewalttätigkeit von Kindern und Jugendlichen auseinander. Das ist in der Tat ein Problem, über das wir miteinander reden müssen. Es ist aber nicht so, dass alle gewaltbereiten Kinder und Jugendlichen Rechtsextremisten sind. Es ist umgekehrt auch nicht so, dass alle Rechtsextremisten gewaltbereit sind. Das ist eine völlig andere Thematik. Wenn Sie mit uns darüber diskutieren wollen, wie wir die steigende Gewaltbereitschaft von Kindern und Jugendlichen bekämpfen wollen, dann wollen wir das gern tun, aber nicht unter der Überschrift des Rechtsextremismus.

(Beifall bei CDU und FDP)

Lassen Sie uns darüber diskutieren - Frau Kollegin Fröhlich, Sie haben mich vorhin darauf aufmerksam gemacht -, wie es dazu kommt, dass immer mehr Kinder und Jugendliche gewaltbereit sind, dass Kinder wie Sie mir vorhin gesagt haben - zum Teil wegen Gewaltbereitschaft - das kann ja kein politischer Extremismus sein - aus einem Kindergarten ausgeschlossen werden. Ich habe kürzlich auf einem Spielplatz in Kiel miterlebt, wie Kinder im Alter von sechs, sieben Jahren ein fremdes Fahrrad mutwillig zertrampelt haben. Wir sollten einmal darüber reden, wie so etwas kommt.

Da kann diese Landesregierung so viel Fahrradkurse die werden in dem Bericht ja erwähnt - durchführen, wie sie will. Wir werden die Gewaltbereitschaft gerade von Kindern und Jugendlichen nur dann wieder eindämmen und sie zu einem normalen Leben zurückführen können, wenn wir wieder damit beginnen, ihnen von Kindesbeinen an im wahrsten Sinne des Wortes nämlich in der Familie Werte, Grundwerte und Vorstellungen unserer Gesellschaft zu vermitteln.

(Beifall bei CDU und FDP)

Deswegen sehe ich das Land vielmehr in der Aufgabe, eine Familienpolitik zu machen, die die Familie stärkt, die auch die Familie da stärkt, wo sie in großen Problemen steckt. Wir alle wissen, welchen Probleme die heutige Familie, zum Teil ja nur noch mit einem Elternteil, ausgesetzt ist. Der Kollege Rother hat völlig

zu Recht auf die sozialen Ursachen von Gewaltbereitschaft hingewiesen. Es ist ein trauriger Tatbestand, dass wir alle miteinander wissen, dass ein Drittel aller Sozialhilfeempfänger Kinder sind. An der Stelle sei mir eine etwas verspätete Replik auf die Haushaltsberatung des vergangenen Jahres gestattet.

(Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Sechs Wochen zu spät, aber immer- hin!)

Der Kollege Hentschel ist momentan nicht im Saal; Frau Kollegin Heinold, ich bitte Sie, ihm das auszurichten. - Mich hat tief erschüttert, in welcher Art und Weise der Antrag der CDU-Fraktion, ein Landeserziehungsgeld einzuführen und dafür zu sorgen, dass die schlimmen sozialen Probleme, denen insbesondere Kinder ausgesetzt sind - versetzen Sie sich einmal in die Lage eines Kindes, das von Jugend an nichts anderes kennt als Sozialhilfe, für die Eltern und für sich selber -, hier von den rot-grünen Fraktionen behandelt worden ist. Wir wollen wirklich etwas für Kinder und Familien tun und das ist ein sehr viel wertvollerer Beitrag, sie von Gewalt und Irrwegen abzuhalten, als zehn oder 20 weitere Maßnahmen, wie sie die Landesregierung in diesem Bericht aufführt.

(Beifall bei der CDU)