Protokoll der Sitzung vom 23.01.2002

Ich will nur auf ein Problem hinweisen: Der Wirtschaftsminister, der nicht nur eine gleichfarbige Krawatte wie ich trägt, sondern der von Volkswirtschaft auch ein bisschen Ahnung hat, muss mir einmal erklären, wie man das Problem eigentlich lösen will, dass man jetzt geringfügige Beschäftigungsverhältnisse, die man zunächst abgeschafft hat, staatlich neu subventionieren und wieder einführen will - ich meine jetzt die 630-DM-Arbeitsverhältnisse -, mit Kombilohnmodel

(Wolfgang Kubicki)

len arbeitet, das heißt, staatlich subventioniert, deren Preise für die Unternehmen verbilligt und gleichzeitig durch ein Tariftreuegesetz verhindern will, dass diese staatlich verbilligten Kräfte eingesetzt werden können, weil sie nämlich sonst in Konkurrenz zu den Unternehmen treten.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU)

Den Widerspruch müssen Sie mir einmal erklären.

Das bedeutet - das will ich nur sagen -, die Wirtschaftspolitik, die Arbeitsmarktpolitik dieser rotgrünen Regierung ist nicht mehr konsistent und weil sie nicht mehr konsistent ist, schafft sie mehr Probleme, statt dass sie zur Problembewältigung beiträgt.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU)

Herr Kollege Schröder, die Phänomene, die Sie beschreiben, gelten bundesweit und Sie müssen schon erklären, warum die Bayern besser dastehen als wir. Die Probleme, die Sie im Wirtschaftswachstum, in der konjunkturellen Auswirkung weltweit beschreiben, bestehen seit dem 11. September europaweit. Sie müssen schon erklären, warum Deutschland in der Tabelle ganz hinten steht und nicht im vorderen Drittel. Auch Frankreich, Herr Kollege Schröder, ist kein Entwicklungsland, sondern ein Hochindustrieland und liegt trotzdem insgesamt vor uns. Das kann doch nur damit etwas zu tun haben, dass wir in Deutschland unsere Hausaufgaben nicht erledigt haben; denn die Auswirkungen auf die Industrienationen sind gleich.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU)

Wenn wir diese Aufgabe nicht schnellstmöglich bewältigen, das heißt, die Komponenten, die zu Wachstum führen, nämlich eine effiziente Nutzung von Kapital und Arbeit in Deutschland nicht möglich machen, werden wir erleben, dass wir mit noch größeren Problemen im sozialen Bereich in der Tabelle zurückfallen. Und das trifft, Herr Kollege Schröder, Sie, die Sozialdemokraten, mehr als alle anderen.

Ich will noch einmal sagen: Es hat keinen Sinn zu deklamieren, wie die Situation ist. Es hat auch keinen Sinn, heute für die Landesregierung festzustellen, die Straßeninfrastruktur sei ein Standortfaktor.

Herr Kollege Steenblock, ich will Sie jetzt nicht persönlich ansprechen, sondern ich sage nur: Sie haben aus Ihrer Sicht konsequent und vehement - gegen Straßeninfrastrukturvorhaben in Schleswig-Holstein demonstriert und gekämpft. Das ist legitim. Aber dass eine Regierung, die seit zehn Jahren oder seit acht Jahren in diesem Land nach unserer Auffassung in

diesem Bereich viel zu wenig tut, außer verbalen Erklärungen nichts abgibt, keine Leistungen vorlegt, keine Planungen beim Bund für die Verbesserung der Straßeninfrastruktur anmeldet, mit ihrer Aussage nicht mehr als glaubwürdig wahrgenommen werden kann, müssen Sie uns nachsehen.

Deshalb sage ich Ihnen: Sie werden mit dieser Form der Arroganz, in der Sie die wirtschaftlichen Probleme behandeln, am 22. September dieses Jahres eine dramatische Entwicklung beim Wählerverhalten erleben. Darauf freue ich mich schon.

(Beifall bei FDP und CDU)

Das Wort hat Herr Abgeordneter Hentschel.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Einen schönen guten Morgen! Die CDU verspricht Steuersenkungen und Investitionsprogramme, als würde sich das aufheben. Herr Kayenburg, probieren Sie es doch einmal aus: Senken Sie Ihre Einnahmen und steigern Sie Ihre Ausgaben und gucken Sie dann einmal, was im Portemonnaie übrig bleibt. Sie werden stauen.

(Martin Kayenburg [CDU]: Darin war doch schon vorher nichts!)

Schön ist allerdings - das muss ich feststellen, wenn ich mir den Zirkus der CDU auf Bundesebene angucke -, dass Herr Stoiber, ausgerechnet Herr Stoiber, jetzt klargestellt hat, dass die Ökosteuer bleibt.

(Beifall der Abgeordneten Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Das finde ich sehr erfreulich. Das sollte Ihnen vielleicht zu denken geben.

(Zuruf des Abgeordneten Martin Kayenburg [CDU])

Schön ist auch, dass jetzt ausgerechnet Frau Merkel erklärt hat, dass das Vorziehen der Steuerreform, die Sie hier alle vorschlagen, nicht geht, weil wir dann die EU-Kriterien nicht erfüllen. Eine grandiose Erkenntnis!

Noch schöner ist aber, dass nun der niedersächsische Aspirant auf den Ministerpräsidentenposten, Christian Wulff, einer der Newcomer der CDU, erklärt hat, man

(Karl-Martin Hentschel)

solle das Verbot der Neuverschuldung ins Grundgesetz aufnehmen - als würde das die Probleme lösen.

(Zuruf des Abgeordneten Wolfgang Kubicki [FDP])

Meine Damen und Herren, das Chaos in der CDU ist komplett und ich freue mich, dass Sie uns in der Aktuellen Stunde Gelegenheit geben, das auch in Schleswig-Holstein zu diskutieren.

(Beifall der Abgeordneten Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] - Martin Kayenburg [CDU]: Kommen Sie doch einmal zu Schleswig-Holstein!)

Zur Umweltpolitik, die Sie natürlich wie immer als den Bösewicht Nummer eins ausgemacht haben, ist festzustellen, dass ausgerechnet die Industrie- und Handelskammer zu Kiel im letzten Herbst festgestellt hat, dass die Umweltverwaltung in Schleswig-Holstein die schnellste Genehmigungspraxis in allen Verfahren in der gesamten Europäischen Union hat. Ich gratuliere!

(Beifall der Abgeordneten Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und Konrad Nabel [SPD])

Weiterhin ist festzustellen, Herr Kayenburg, dass Sie in dem Schreiben auf die Aussagen von Frau Heinold zur OWAG, die Sie eben wieder heftig bekämpft haben, festgestellt haben, dass Sie zurzeit keine Änderungsanträge zu dem Punkt stellen, weil Sie keine Möglichkeiten sehen, die OWAG abzuschaffen, weil Sie das im Landeshaushalt nicht gegenfinanzieren können. Dafür Dankeschön! Das hätten Sie hier dann aber auch darstellen sollen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt bei der SPD - Vizepräsidentin Dr. Gabriele Kötschau übernimmt den Vor- sitz)

Zusammenfassend muss ich feststellen: Die Aktualität dieser Aktuellen Stunde ist nicht zu überbieten. Ich schlage vor, nächstes Mal sollten Sie das „Stern“Interview der Ministerpräsidenten wählen. Ich fand es so lustig, dass ich mich mit meiner Frau darüber halb totgelacht habe. Das hätte uns in diesem hohen Haus wirklich etwas mehr Freude bereitet.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort hat Frau Abgeordnete Spoorendonk.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich will nicht verhehlen, dass auch ich, als ich den Antrag zu dieser Aktuellen Stunde sah, doch eher an die Interpretationsaufsätze in meiner Schulzeit dachte; die habe ich damals sehr gehasst. Deshalb war ich dann doch einigermaßen erleichtert, als ich von der CDU-Fraktion erklärt bekam, was das denn alles auf sich habe.

Aber trotzdem, liebe Kolleginnen und Kollegen: Wenn man bedenkt, wie oft in Wirtschaft und Politik darauf hingewiesen wird, dass Psychologie die halbe Miete sei, muss ich sagen, mir ist die optimistische Pressemitteilung der Ministerpräsidentin zum Jahresauftakt doch viel lieber - entschuldigen Sie, Herr Kollege Kayenburg! - als Ihre miesmacherische Reaktion auf diese Jahrespressekonferenz.

(Beifall bei SSW, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Damit meine ich natürlich nicht, jetzt sei alles Friede, Freude, Eierkuchen, aber ich denke, eine differenzierte Kritik bringt allemal mehr als solch ein Rundumschlag. Von „differenziert“ kann man nun aber bei Ihrer Kritik, lieber Herr Kollege Kayenburg, wirklich nicht reden.

(Beifall beim SSW - Martin Kayenburg [CDU]: Wenn es keine differenzierten Vor- schläge gibt, kann es auch keine differenzierte Kritik geben!)

Schließlich sind wir erst am Anfang dieses Bundestagswahljahres. Wer jetzt von einem Richtungswechsel in der Politik der Landesregierung spricht, der übertreibt aus der Sicht des SSW in hohem Maße; denn gerade in der Arbeitsmarktpolitik haben wir in Schleswig-Holstein bewiesen, was wir als Land machen können. Die Arbeitsmarktpolitik der Landesregierung hat funktioniert und sie funktioniert auch jetzt noch.

(Beifall bei SSW und SPD)

Das zeigt aus unserer Sicht das viel zitierte Elmshorner Modell und Sie wissen alle, dass noch weitere gute Beispiele genannt werden können.

Das Problem der Arbeitslosigkeit - natürlich ist das ein Problem - ist ein Bundesproblem; denn die Rahmenbedingungen - auch das muss man klar sagen werden auf Bundesebene bestimmt. Deshalb kommen wir auch nicht darum herum, den Bundeskanzler daran zu erinnern, dass er sowohl 1998 als auch noch im letzten Jahr eine Senkung der Zahl der Arbeitslosen auf 3,5 Millionen Menschen versprochen hat. Er selbst hat ja die Messlatte so hoch gehängt, dass man jetzt

(Anke Spoorendonk)

nur noch darunter durchlaufen kann. Das ist das Problem.

Wir wissen natürlich alle - wenn wir ehrlich sind -, dass die schlechten internationalen Konjunkturen - vor allem die in den USA - eine maßgebliche Rolle spielen, aber wir wissen auch, dass das nicht die alleinige Erklärung sein kann. Wir wissen, dass andere europäische Länder, die unter den gleichen Bedingungen wie die Bundesrepublik wirtschaften, wesentlich bessere Arbeitsmarktzahlen haben. Auch das ist eine Tatsache.

Das heißt, aus der Sicht des SSW müssen wir endlich grundlegende Reformen in Angriff nehmen. Dazu gehört nicht zuletzt das Problem der Lohnkosten, und dazu gehört auch die Frage, ob unsere Strukturen nicht dermaßen ausgereizt sind, dass es nichts mehr bringt, an ihnen herumzudoktern. Wir werden das ja heute oder morgen bei dem Tagesordnungspunkt zum Thema 630-DM-Jobs und auch im Zusammenhang mit dem Antrag der Grünen diskutieren. Für den SSW heißt das auf jeden Fall, dass wir eine über Steuern finanzierte Grundrente fordern, dass wir neue Strukturen fordern, dass wir keine Steuerreform mitmachen werden, die das Ziel hat, weitere Steuersenkungen vorzunehmen. Das sind Vorschläge, die aus der populistischen Mottenkiste kommen und nichts mit der Wirklichkeit in der Bundesrepublik zu tun haben.

(Beifall beim SSW)

Doch jetzt zurück zur Jahrespressekonferenz der Ministerpräsidentin! Die Punkte, die sie anführt, finden unsere Zustimmung; sie weisen in die richtige Richtung.