Protokoll der Sitzung vom 25.01.2002

(Beifall des Abgeordneten Lars Harms [SSW])

Ich möchte daran erinnern, dass wir in sehr vielen Zusammenhängen darauf hinweisen, dass wir die Chance bis 2006 nutzen sollten. Wir jammern nicht. Wir meinen, wir haben eine Chance, die genutzt werden muss. Dies bedeutet auch, dass die grenzüberschreitende Zusammenarbeit mit Sønderjylland in den nächsten Jahren eine noch wichtigere Perspektive für die Entwicklungschancen des nördlichen Landesteils als bisher sein wird. Schleswig und Sønderjylland sitzen in einem Boot, wenn es um die EU-Osterweiterung und um eine mögliche FehmarnbeltQuerung geht. Die Region muss ihre wirtschaftlichen und kulturellen Entwicklungspotenziale gemeinsam entwickeln.

Ich stimme der Landesregierung zu, wenn sie in ihrer Antwort auf die Große Anfrage darauf hinweist, dass sie sich mit ihrer Politik - nicht zuletzt bei der Ostseekooperation - schon seit langem auf die veränderten Rahmenbedingungen eingestellt hat. Schon der EUBeitritt Schwedens und Finnlands Anfang der 90erJahre hat die Ostseekooperation verändert. Durch die Osterweiterung wird die Ostsee quasi zum EUBinnenmeer. Für eine friedliche und positive Entwicklung in der gesamten Ostseeregion wird es aber ungemein wichtig sein, dass Russland eng in die Zusammenarbeit einbezogen wird. Es ist ein Verdienst Schleswig-Holsteins, immer wieder darauf hingewiesen zu haben.

(Beifall bei SSW, SPD und des Abgeordneten Rainder Steenblock [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Das heißt auch, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass das Problem Kaliningrad gelöst werden muss. Auch da ist die Landesregierung, auch da sind wir als Landtag aktiv. In dieser Frage spielt Schleswig-Holstein eine wichtige Rolle und die Landesregierung sollte ihr Gewicht in den Verhandlungsprozess einbringen. Was der Landtag in diesem Zusammenhang unternimmt, wissen Sie alle.

Wenn ich sage, dass wir mit der erweiterten EU eine andere Gemeinschaft bekommen werden, dann meine ich dies nicht unbedingt negativ. Es ist vielmehr eine Chance, die gesamte Konstruktion der Europäischen Union noch einmal zu überdenken. Es wird Sie in diesem Zusammenhang nicht überraschen, dass der SSW überhaupt nichts von der Idee eines europäischen Superstaates mit Präsident und Regierung hält, eine Idee, die ja in der einen oder anderen Form sowohl von Bundeskanzler Schröder als auch von Außenminister Fischer vorgetragen worden ist. Sie wirft übrigens, lieber Kollege Steenblock, weit mehr Fragen auf, als dass sie Antworten gibt.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU)

Wie soll das eigentlich gehen, wenn wir gleichzeitig für unsere Bürgerinnen und Bürger das Subsidiaritätsprinzip einfordern? Wie passen solche Forderungen mit einer Stärkung des Föderalismus in der Bundesrepublik zusammen, die wir zum Beispiel im letzten Jahr in diesem Haus breit diskutiert haben? Da liegt der SSW schon eher auf der Linie von Herrn Ministerpräsident Clement, der laut „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ vom 24.01.2002 gefordert hat, dass es eine weitgehende Kompetenzverlagerung von der EUEbene auf die Länderebene geben muss.

(Beifall beim SSW und des Abgeordneten Uwe Greve [CDU])

(Anke Spoorendonk)

Wir Abgeordnete merken doch im Grunde jeden Tag, dass immer mehr Beschlüsse in Berlin oder auch in Brüssel getroffen werden. Wer also den Föderalismus in Deutschland - und damit auch die Demokratie stärken will, muss den Ländern Kompetenzen zurückgeben.

(Beifall des Abgeordneten Lars Harms [SSW])

Dazu stützen wir Herrn Clement in seiner Kritik an der EU-Bürokratie, die seiner Meinung nach dringend eingedämmt werden muss. Wer weitere EU-Institutionen schaffen will und beispielsweise den Ausschuss der Regionen als Gesetzgebungsorgan in der EU etablieren will, der ignoriert die skeptische Haltung vieler Bürgerinnen und Bürger. Nur wenn regionale und nationale Kompetenzen in wichtigen Fragen dorthin zurückgeholt werden, wo sie hingehören, hat eine EU mit 27 Staaten überhaupt eine Zukunft.

(Beifall der Abgeordneten Lars Harms [SSW] und Uwe Greve [CDU])

Demokratie lebt von der Transparenz. Demokratie lebt davon, dass Menschen - das heißt Bürgerinnen und Bürger - sich daran beteiligen können. Das heißt, Demokratie lebt von kurzen Abständen zwischen denjenigen, die politische Entscheidungen treffen, und denjenigen, die davon betroffen sind.

(Beifall der Abgeordneten Irene Fröhlich [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Unsere Vision ist also eine zukünftige Europäische Gemeinschaft, die wirtschaftlich, sozial und kulturell eng zusammenarbeitet, aber politisch und institutionell eher einen lockereren und flexibleren Rahmen als heute bekommt, in dem alle demokratischen und alle europäischen Länder ihren Platz haben.

(Beifall beim SSW und der Abgeordneten Lothar Hay [SPD] und Uwe Greve [CDU])

Ich erteile Herrn Abgeordneten Ritzek das Wort. Dies geschieht nicht - wie Sie annehmen - im Rahmen eines Kurzbeitrags, sondern innerhalb des Redetableaus Ihrer Fraktion. Die gleiche geschäftsleitende Bemerkung gilt für den nachfolgenden Redebeitrag des Herrn Abgeordneten Benker.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Von der Kollegin Ulrike Rodust wurde gelobt, dass die Beantwortung der Fragen vollständig erfolgt sei. Ich kann dem nicht folgen. Frau Ministerpräsidentin, ich möchte die Antwort auf Frage 7 aufnehmen. Hier sollten Sie

auf die Frage antworten: Wie beurteilen Sie den „PostNizza-Prozess“? Die Antwort ist eigentlich unbefriedigend. In der Beantwortung der Frage haben Sie ganz kurz die Konferenz von Laeken erwähnt. Ich bin der Meinung, dass das Verständnis für den Inhalt der Konferenz von Laeken auch in uns Begeisterung für den europäischen Gedanken wecken würde. Es ist unzweifelhaft, dass wir alle von dem hohen Wert des Friedensprozesses der Europäischen Union überzeugt sind. Frau Ministerpräsidentin, Sie haben aber auch gesagt, dass man Schwierigkeiten deutlich beim Namen nennen muss. Es gibt eine große Chance, diese Schwierigkeiten beim Namen zu nennen. Ich zitiere dazu aus den Abschlussprotokollen der Konferenz von Laeken:

„Worum es außer verantwortungsvollem Regierungshandeln geht, ist das Schaffen neuer Möglichkeiten, nicht aber neuer Zwänge. Worauf es ankommt, sind mehr Ergebnisse, bessere Antworten auf konkrete Fragen, nicht aber ein europäischer Superstaat oder europäische Organe, die sich mit allem und jedem befassen. Kurz, der Bürger verlangt ein klares, transparentes, wirksames, demokratisch bestimmtes gemeinschaftliches Konzept... ein Konzept, das konkrete Ergebnisse zeitigt, in Gestalt von mehr Arbeitsplätzen, mehr Lebensqualität, weniger Kriminalität, eines leistungsfähigen Bildungssystems und einer besseren Gesundheitsfürsorge.“

Das hätten Sie uns durchaus vortragen können. Vielleicht werden Sie uns irgendwann einmal die Inhalte der Konferenz von Laeken in einer etwas längeren Präsentation darstellen.

(Beifall bei der CDU)

Die Laeken-Konferenz hat gerade den Konvent gegründet. Der Konvent soll im März für ein Jahr mit der Arbeit beginnen, um der neuen Regierungskonferenz im nächsten Jahr Vorschläge für die Lösung dieser Probleme zu unterbreiten. Frau Spoorendonk, wenn Sie sich mit dem Konvent befasst hätten, wie Sie es für Ihren Redebeitrag hätten tun sollen, dann wären Sie nicht auf mehrere hundert Mitglieder gekommen. Ich sage Ihnen, wie viele Mitglieder in dem Konvent tätig sein werden.

(Glocke des Präsidenten)

Herr Abgeordneter, kommen Sie bitte zum Schluss!

Ich beende nur noch diesen Satz. 15 Vertreter der Staats- und Regierungschefs, 30 Mitglieder der nationalen Parlamente, 16 Mitglieder des Europäischen Parlaments und zwei Vertreter der Kommission sowie noch einige andere. Von mehreren Hundert ist keine Rede. Ich bitte darum, dass wir noch etwas über den Inhalt der Laeken-Konferenz hören, um den Prozess begeistert weiter zu tragen.

(Beifall bei der CDU)

Herr Abgeordneter Benker hat das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Ritzek, wir werden im Februar Gelegenheit haben, über die Laeken-Konferenz zu diskutieren. - Ich habe mich noch einmal zu Wort gemeldet, um auf den Beitrag von Herrn Lehnert einzugehen. Wie hätte es anders sein können, er beginnt: Schleswig-Holstein ist nicht nur positiv betroffen. Dies entspricht Ihrer resignativen, pessimistischen Grundhaltung in allen Bereichen. Europa hat das nicht verdient!

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Auch die Wirtschaftspolitik hat das nicht verdient. In einem weiteren Satz sagen Sie: Nehmen wir die Menschen mit! Dabei sprechen Sie Veränderungen an. Ich teile Ihre Auffassung, was die Betroffenheit von Menschen betrifft. Auch hier gilt aber: Es ist Aufgabe der Politik, genau diese Ängste zu zerstreuen und das Vertrauen in Europa zu wecken. Das muss man in die Entscheidung bringen.

(Peter Lehnert [CDU]: Dann machen Sie doch etwas! Das ist doch Quatsch, was Sie erzählen!)

Einem weiteren Punkt muss man widersprechen: Sie sprechen hier von der Wiedervereinigung Europas. Ich muss im Geschichtsunterricht nicht aufgepasst haben. Das klingt so, als wenn Wiedervereinigung ein Reparaturbetrieb wäre. Man braucht nur hier und da etwas zu ändern, dann ist wieder alles in Ordnung. Das ist falsch! Dies ist ein völlig neuer Prozess, der hier abläuft. Wir werden in diesem Rahmen ein völlig neues Europa bekommen. Es bedarf auch der Geschlossenheit dieses Hauses, um sich für dieses Europa einzusetzen und um für dieses Europa zu kämpfen.

(Beifall bei SPD und SSW)

Es versöhnt mich, dass Sie auf dem Weg nach Europa ausschließlich Sozialdemokraten zitiert haben. Sie haben Herrn Engholm, Herrn Walter und den Präsidenten genannt. Es ist erfreulich, dass Sie feststellen, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Durch die Ministerpräsidentin wird dieser Weg fortgesetzt. Gucken Sie kurz in die Geschichte dieses Hauses: Europa hat für Schleswig-Holstein 1988 erst begonnen, und zwar nicht durch Sie, sondern durch Sozialdemokraten.

(Beifall bei der SPD)

Nun gehe ich auf den Beitrag von Herrn Behm ein. Wenn Sie auf die riesigen Konzepte eingehen und die kleinen Schritte der kleinen Leute beklatschen lassen, dann sage ich: Diese werden durch diese Regierung begünstigt. Europa braucht die kleinen Schritte der Entwicklung des Zusammenhalts und der Zusammenführung. Ich sage ganz vorsichtig: Dazu brauchen wir auch Sie an unserer Seite, denn nach außen sollten wir Schleswig-Holsteiner geschlossen für Europa auftreten.

(Beifall bei SPD, SSW und des Abgeordneten Rainder Steenblock [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Ich erteile Herrn Abgeordneten Greve das Wort zu einem Kurzbeitrag.

Sehr verehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es geht mir mal wieder um die Sprache.

(Unruhe - Beifall des Abgeordneten Dr. Hei- ner Garg [FDP])

Liebe Frau Erdsiek-Rave, ich muss eine Bemerkung zu einer Ihrer gestrigen Aussagen machen, die so nicht stehen bleiben darf. Sie nannten gestern „Up ewig ungedeelt“ einen Slogan. Liebe Frau Erdsiek-Rave, ein Slogan ist: „Haribo macht Kinder froh“.

(Beifall bei der CDU)

„Up ewig ungedeelt“ ist eine jahrhundertelang Schleswig-Holstein prägende politische Willenserklärung. Das sage ich, damit Sie das mal wissen.

(Beifall bei der CDU)

Nun zur Sache Europa: Eindeutige Begriffe bedeuten eindeutige Politik. Gern hätte ich in der Antwort der Landesregierung einen Kernsatz gefunden, nämlich eine Erklärung darüber, wie sich die schleswigholsteinische Sozialdemokratie überhaupt die Entwicklung der Europäischen Union in ihrem Kern vorstellt. Wie heißt das Ziel? Ich sage: Das Ziel kann nur

(Uwe Greve)

europäischer Staatenbund heißen, nicht Bundesstaat, wie es auch diskutiert wird. In dem jüngst veröffentlichten Papier der Landesregierung über die 15 Europaschulen in Schleswig-Holstein heißt es: „Die Kinder sollen zu europäischer Identität erzogen werden.“