Protokoll der Sitzung vom 21.02.2002

Sie wissen doch, dass so etwas finanzierbar sein muss. Die Transrapidtechnologie hat ihren Preis. In der Diskussion um die Strecke Berlin-Hamburg wurde das vor vier Jahren deutlich. Ich zitiere in diesem Zusammenhang den Kollegen Karl-Martin Hentschel:

„Der Transrapid hat einen technologischen Grundfehler. Der macht ihn dreimal so teuer wie eine Bahnstrecke. Er hat nämlich den Motor nicht im Fahrzeug, sondern im Fahrweg und damit hat er einen sehr aufwendigen Fahrweg.“

Da sind wir wieder an dem Punkt. Herr Kubicki, zum wie vielten Mal wollen wir diese tote Sau noch durchs Dorf treiben? Als die großen deutschen Baukonzerne 1996 alle aus dem Projekt Transrapid ausstiegen, hieß es in deren Veröffentlichung:

„Das Projekt rechnet sich privatwirtschaftlich nicht.“

Auch die Transrapidprojekte in Bayern und NRW stehen nach wie vor in Bezug auf ihre Wirtschaftlichkeit in der Kritik. Laut ARD vom 14. Fe

(Klaus-Dieter Müller)

bruar 2002, das ist noch gar nicht so lange her, befürchten die Mitglieder des wissenschaftlichen Beirats im Verkehrsministerium eine milliardenschwere Verschwendung von Staatsgeldern.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die ARD zitiert die Wirtschaftswissenschaftler Aberle von der Universität Gießen und Ewers von der TU Berlin. Herr Kubicki, heute Morgen konnten auch Sie lesen, dass der Rat der Stadt München gestern mit großer Mehrheit einen Antrag verabschiedet hat, wonach der Transrapid nicht in der bayerischen Landeshauptstadt gebaut werden soll. Oberbürgermeister Christian Ude begründete die Entscheidung damit, dass die Finanzierung angesichts der geplanten Sparmaßnahmen nicht gesichert sei. Nach der Androhung eines blauen Briefes durch die EU-Kommission sei nicht mehr mit einer Unterstützung durch die öffentliche Hand zu rechnen. Im Übrigen sei auch die kürzlich vorgestellte Machbarkeitsstudie von falschen Kostenschätzungen ausgegangen.

Der Transrapid kann seine Stärken - Geschwindigkeit und Komfort - möglicherweise auf kurzen Strecken nicht voll ausspielen, es sei denn, das Passagieraufkommen ist enorm hoch, wie etwa zwischen zwei chinesischen Metropolen. Darum kann es zu anderen wirtschaftlichen Ergebnissen kommen, wenn die Strecken anders sind, als man sie bisher geplant hat. Der Zweifel an einem ausreichenden Passagieraufkommen zwischen Amsterdam und Hamburg darf hier geäußert werden. Ich glaube, die Anzahl der Passagiere, die diesen Weg beschreiten werden, kann man an einer Hand abzählen.

Verkehrsminister Bernd Rohwer hat es eben auf den Punkt gebracht. Wir teilen die Ansicht. Der Transrapid ist eine interessante Technologie, aber sie muss wirtschaftlich sein. Dringend erforderliche Investitionen in unser Schienennetz dürfen durch öffentliche Investitionen in den Transrapid nicht gefährdet werden.

(Beifall bei SPD und SSW)

Meine Damen und Herren von der CDU-Fraktion, gestatten Sie mir abschließend eine Bemerkung: Lieber Uwe Eichelberg, ich habe mich natürlich gefragt, warum Sie zu diesem Thema nach mir den Kollegen Greve reden lassen. Messen Sie dem Thema Transrapid vielleicht doch mehr sprachwissenschaftliche als wirtschaftspolitische Bedeutung bei?

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Die SPD hat doch auch Sie reden lassen!)

Herr Greve, ich weiß, Transrapid ist kein deutscher Begriff. Aber wir, die wir so lange für das große Lati

num gebüffelt haben, wissen doch sicherlich, was damit gemeint ist.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Herr Abgeordneter Greve hat das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich meine, das Thema eignet sich nicht für Polemik. Der Transrapid ist eine der innovativsten Erfindungen, die in der Verkehrstechnik der letzten hundert Jahre aufgetaucht sind.

(Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Er ist älter als hundert Jahre!)

Die praktische Umsetzung ist hingegen ein deutsches wirtschaftspolitisches Trauerspiel.

(Beifall bei CDU und FDP)

Welche internationale Aufmerksamkeit und Bedeutung das Thema Transrapid gefunden hat, sei nur an einer Zahl verdeutlicht: Wer den Suchbegriff Transrapid bei CompuServe eingibt, findet über diese Suchmaschine zum Thema 17.725 Informationen in allen Weltsprachen. Dies sage ich, um zu zeigen, welche Bedeutung das Thema international schon hat.

(Beifall bei der CDU)

Wer mit Verkehrsexperten aus dem Ausland spricht, findet kein Verständnis dafür, dass wir Deutschen uns bisher unfähig zeigen, eine Transrapidstrecke auf die Beine zu stellen. Wo liegen die Vorteile des Transrapid? Ich erinnere:

Erstens. Der Transrapid kann insbesondere auf Strekken von bis zu 300 km Teile des Individualverkehrs und des Kurzstreckenluftverkehrs aufsaugen. Zweitens. Der Transrapid ist auch in Richtung Fahrkomfort ein echter Fortschritt. Die Beschleunigung erfolgt ruckfrei. Das unangenehme Überfahren von Weichenfeldern entfällt. Drittens. Die Magnetschnellbahn ist auch für den Transport von hochwertigen, eilbedürftigen Gütern hervorragend geeignet. Die Sektionen für den Gütertransport können zu Güterzügen oder zu gemischten Zügen zusammengestellt werden.

Viertens. Die Magnetschnellbahn ist derzeit das weltweit sicherste Verkehrssystem. Die Sicherheit ist 700 Mal größer als beim Straßenverkehr, 250 Mal größer als bei der konventionellen Eisenbahn und 20 Mal größer als in der Luftfahrt. Fünftens. Da bei der Magnetschnellbahn keine Roll- und Antriebsgeräusche entstehen, ist die Geräuschentwicklung geringer als bei

(Uwe Greve)

den üblichen Verkehrsmitteln. Sechstens. Herr Hentschel, diesen Gedankengang sollten Sie einmal im Auge haben! Das aufgeständerte Fahrwerk beeinträchtigt Landschaft, Fauna, Flora und Wasserhaushalt weniger als Betonpisten oder Schotterdämme.

(Beifall bei CDU und FDP - Holger Astrup [SPD]: Und man wird nicht nass, wenn man darunter steht!)

Lebenszusammenhänge werden nicht zertrennt. Auch kann der Transrapid sowohl ebenerdig als auch in Tunneln geführt werden. Siebtens. Das System ist verschleißarm und wartungsfreundlich. Der Energieverbrauch im Verhältnis zur Leistung und im Vergleich zu anderen Verkehrssystemen ist niedrig. Achtens. Der Vergleich der Streckeninvestition fällt zugunsten der Magnetschnellbahn umso positiver aus, je schwieriger das Gelände ist. Neuntens. Das System ist serienreif. Das heißt, die Erprobungsphase ist abgeschlossen.

(Beifall bei CDU und FDP)

Wenn man ein solches System einfach liegen lässt, ist das ein Verbrechen an den deutschen Erfindern und an unseren Chancen.

(Beifall bei der CDU - Zurufe von der SPD)

Dass ein solches Verkehrssystem nun in China mit deutscher finanzieller Förderung praktisch zum Einsatz kommt, ist ein Armutszeugnis für Deutschland.

(Beifall bei CDU und FDP)

Ich betone: Innovationen sind anfangs nie kostendekkend. Wind- und Kernenergie, traditionelle Bahnen und Flugzeuge waren bei ihrer Einführung nie kostendeckend. Das kann Ihnen jeder Technikgeschichtler sofort beweisen. Dass die Kosten wesentlich höher sind, als ursprünglich angenommen wurde, ist bei einer solchen Epoche machenden Erfindung und Neuerung nicht als plausibles Verhinderungsargument brauchbar.

(Beifall bei der CDU)

Der Transrapid ist in erster Linie ein Exportprodukt. Auch aus diesem Grund wäre ein stärkeres Engagement der öffentlichen Hand sinnvoll und richtig. Es ist deshalb unverständlich, dass die schleswig-holsteinische Landesregierung zu dieser Verkehrsinnovation bis heute kein positives Verhältnis gefunden hat.

(Beifall bei CDU und FDP - Martin Kayen- burg [CDU]: Geklagt haben Sie! Das ist das Schlimme!)

Während die vorherige Bundesregierung die Transrapidstrecke Hamburg-Berlin noch durchsetzen wollte,

hat die Regierung Schröder diese aus - man muss wohl denken - ideologischen Gründen gekippt. Es erscheint daher wie ein Wunder, dass die Sozialdemokraten nun in Nordrhein-Westfalen und zum Teil auch in Bayern entdecken, dass es unter Umständen doch Sinn hat, diesen technischen Weg zu gehen. Aktuelle Machbarkeitsstudien und Verwirklichungspläne liegen vor. Nur in Schleswig-Holstein, wo eine nahezu planfestgestellte Trasse vorhanden ist, zeigt man sich weiter ablehnend.

Ich komme zum Schluss: Die in den Niederlanden weit fortgeschrittenen Planungen für eine Transrapidstrecke Amsterdam-Groningen erfordern auch aus der Sicht von Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen eine neue Machbarkeitsstudie für die Nordtrasse, die von Groningen über Bremen und Hamburg nach Berlin führen kann. Wir fordern die Landesregierung deshalb auf, sich nunmehr dem Lernprozess zum Thema Transrapid nicht weiter zu verschließen,

(Beifall bei CDU und FDP)

sondern die Chance zum Fortschritt zu nutzen, wie übrigens der einstige schleswig-holsteinische Verkehrsminister Steinbrück, der heute in NordrheinWestfalen für den Transrapid kämpft. - Vielen Dank.

(Beifall bei CDU und FDP)

Ich erteile das Wort jetzt dem Herrn Abgeordneten Hentschel.

Liebe Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Manchmal wäre es ganz sinnig, wenn man über eine neue Technologie redet, sich auch mit den physikalischen Grundlagen dieser Technologie etwas auseinander zu setzen. Der Transrapid ist zweifellos eine faszinierende Technik. Er hat mich begeistert, seit ich als kleiner Junge eine Transrapid-Modellbahn geschenkt bekam, während meine Klassenkameraden immer noch mit altmodischen schienengebundenen Märklinbahnen spazieren fahren mussten.

Aber wir wissen aus der Technikgeschichte, dass nicht jede glänzende Idee erfolgreich war. Bekannte Beispiele sind der Schienenzeppelin, der zu viel Fahrtwind verursachte, der Düsenantrieb im LKW, und auch der Wankelmotor war eine glänzende Idee, um den Ottomotor abzulösen. Milliarden-Investitionen wurden hineingesteckt. Er wurde sogar mehrfach gebaut, aber letztlich ist er gescheitert, und zwar woran?

(Karl-Martin Hentschel)

Nicht an der glänzenden Idee, sondern an der Ökonomie.