Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! „Eine Gesellschaft muss sich daran messen lassen, wie sie mit den Alten umgeht.“ - Ich füge hinzu: mit den alten pflegebedürftigen Menschen.
Unsere heutige Gesellschaft - so scheint es mir - ist noch weit davon entfernt, mit der älteren, überwiegend pflegebedürftigen Generation gut umzugehen und ihr eine angemessene Lebenssituation zu ermöglichen. Schaue ich mir Filme, Werbespots, Zeitschriften und andere Dinge an, so wird mir der Eindruck vermittelt,
Auch in anderen Reden habe ich bereits darauf hingewiesen, ja, dringend angemahnt, dass wir uns die unzureichende Situation der älteren Generation mehr bewusst machen müssen. Das entspräche auch der Bevölkerungsentwicklung in diesem Land, in dem die ältere Generation von der Anzahl her immer mehr Gewicht erlangt.
Doch, meine Damen und Herren, wie schaffen wir es, hier eine Veränderung herbeizuführen? - Ein denkbarer Weg ist der, den die Initiatoren der Volksinitiative für eine menschenwürdige Pflege, die Arbeiterwohlfahrt und der Sozialverband Deutschland, gemeinsam gehen. Diese Initiative hat durch ihre Aktion mit dazu beigetragen, dass die Situation in der Pflege mehr in das öffentliche Bewusstsein gerückt wird. Dafür möchte ich mich an dieser Stelle ausdrücklich bedanken.
(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt bei der SPD und Beifall des Abgeordneten Torsten Geerdts [CDU])
Allein der Weg der Initiative, der zum gesetzten Ziel der Veränderung der Landesverfassung führen soll, ist bereits ein gutes Mittel, für mehr Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit zu sorgen. Die hohe Anzahl an unterstützenden Unterschriften, die in kurzer Zeit zusammengekommen sind, hat dies bewiesen.
Meine Damen und Herren, dass Initiativen wie die der AWO und des Sozialverbandes Deutschland zum Erfolg führen können, mag uns kurz ein Beispiel aus der letzten Legislaturperiode vor Augen führen. Der vom Landtag beschlossene Antrag zum Thema Gewalt gegen ältere Menschen führte in Zusammenarbeit mit den Verbänden dazu, dass wir heute das vielfach genutzte und erfolgreiche Pflegenottelefon in unserem Land haben.
Ich wünsche mir, dass die Beratungen in den parlamentarischen Ausschüssen ebenso viel Aufmerksamkeit - besser: noch mehr Aufmerksamkeit - erlangte, wie es Awo und Sozialverband Deutschland geschafft haben.
Die SPD-Fraktion steht dem Anliegen der Initiative grundsätzlich positiv gegenüber. Wir wollen darüber in den Ausschüssen intensiv beraten - auch in der Hoffnung, solch ein Thema weiter in das Bewusstsein der Öffentlichkeit rücken zu können.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die vom Sozialverband Deutschland und von der AWO initiierte Pflegeinitiative hat in SchleswigHolstein seit dem 23. Mai 2001 zu einer landesweiten konstruktiven Diskussion geführt.
Im Namen der CDU-Fraktion möchte ich mich bei allen Mitwirkenden für ihr Engagement und ihre Denkanstöße herzlich bedanken.
Wir wollen alle gemeinsam, dass der Traum von einer menschenwürdigen Pflege zur gesellschaftlichen Realität in unserem Land wird. Über den Weg dorthin führen wir eine offene und - wie ich finde - äußerst faire Diskussion.
Die Frage, die sich allerdings stellt, lautet: Was verändert sich konkret an der Lebenssituation pflegebedürftiger Menschen, wenn wir unsere Landesverfassung um den Artikel „Menschenwürdige Pflege“ ergänzen? Verändern wir die Einstellung der Gesellschaft zu dieser Problematik oder wecken wir Hoffnungen, die von der Politik nicht erfüllt werden können?
In dieser Spannbreite findet die Diskussion auch in der CDU-Landtagsfraktion statt. Die Initiative des Sozialverbandes Deutschland und der AWO wurde vom ersten Tag an von unserer Landtagskollegin Helga Kleiner, die auch Vorsitzende der Senioren-Union ist, unterstützt. Aber es gibt in unserer Fraktion auch viele, die eine Ausweitung der Staatsziele ablehnen. Für die ist mit der Grundgesetzaussage: „Die Würde des Menschen ist unantastbar“ die Gruppe der Pflegebedürftigen bereits erfasst.
Außerdem besteht bei uns die Befürchtung, dass die Diskussion um das Staatsziel „menschenwürdige Pflege“ mit weiteren Staatszielen überfrachtet wird.
Die CDU-Landtagsfraktion geht also aufgeschlossen und konstruktiv in die Beratungen dieses Gesetzentwurfs in den zuständigen Ausschüssen.
Um die Gesamtproblematik zu umreißen, sind mir folgende weitere Gedanken ausgesprochen wichtig: Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass sich das Ver
hältnis der Generationen untereinander verändert hat und weiter dramatisch verändern wird. Kamen vor 100 Jahren auf eine 75-Jährige oder einen 75-Jährigen noch 79 jüngere Menschen, so sind es heute gerade noch zwölf. Wir haben einen Rückgang der 3- und auch der 2-Generationen-Haushalte, aber eine deutliche Zunahme der 1-Generation-Haushalte.
Ich nenne diese Punkte, weil die Pflegeinitiative vom Sozialverband Deutschland und der AWO in ihrem politischen Forderungskatalog zu Recht auf die steigenden Probleme der Finanzierung der Pflegeversicherung hinweist.
Wir können nicht alles dauerhaft über den Faktor Arbeit finanzieren. Das sind wir gerade auch den jungen Menschen, die Arbeit suchen, die ihren Lebensunterhalt finanzieren, schuldig.
An dieser Stelle muss noch ein weiteres Faktum genannt werden: Bei den 60- bis 85-Jährigen liegt der Anteil an der Pflegebedürftigkeit bei 5 bis 8 %. Erst in der Gruppe der über 85-Jährigen sind rund 25 % hilfsund pflegebedürftig. Das heißt aber auch, dass noch über 70 % der Hochbetagten den Alltag kompetent meistern können.
Aber bereits der nächste Punkt stellt unsere Gesellschaft vor dramatische Herausforderungen und ich bin froh, dass die Pflegeinitiative auch dieses Thema beim Namen nennt.
Werden heute noch 75 % der Pflegebedürftigen von ihren Angehörigen versorgt, so muss man davon ausgehen, dass diese Zahl erheblich zurückgehen wird. Familienpflege hat ihre Grenzen, die wir rechtzeitig erkennen und einplanen müssen.
Angehörige werden morgen und übermorgen weit weniger in der Lage sein, Pflege und Versorgung wahrnehmen zu können.
Ich habe diese Punkte ganz bewusst genannt, damit niemand von uns glaubt, dass die Pflegeproblematik mit einer Staatszieldiskussion kostengünstig zu bewältigen sei. Mit der Landesverfassung werden wir nur in der Lage sein, die Einstellung der Gesellschaft zur Pflegeproblematik schrittweise zu verändern. Das Finanzierungsproblem der Pflegeversicherung bleibt unverändert bestehen. Auch für eine dringend erforderliche bessere Personalausstattung haben wir noch keinen konkreten Beitrag geleistet.
Wir sind uns im Ziel einig, streiten aber - teilweise aber auch quer durch die Fraktionen - um den richtigen Weg.
Alle Pflegebedürftigen haben ein Anrecht auf ein menschenwürdiges, selbst bestimmtes Leben; sie haben ein Anrecht auf eine soziale Integration und sie haben ein Anrecht auf fachlich qualifizierte Hilfe.
Die Forderung nach einem solidarischen Sicherungssystem, das den Pflegebedarf gerecht abdeckt und auch zur Betreuung Aussagen macht, ist ernst zu nehmen.
Ich bedanke mich bei den vielen ehren- und hauptamtlichen Unterstützern dieser Pflegeinitiative. Die CDULandtagsfraktion wird sich in den Ausschüssen weiter sachgerecht an der Diskussion beteiligen.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Dem Dank an die Volksinitiative schließe ich mich an. Aber ich sage auch ohne Umschweife und unmissverständlich, weil ich das für ein Gebot der Ehrlichkeit und Fairness halte, dass wir der geforderten Aufnahme der Staatszielbestimmung außerordentlich skeptisch gegenüber stehen.
Ich will Ihnen auch sagen: Aus meiner Sicht liefert die Volksinitiative selbst die beste Begründung dafür. In der Begründung in Drucksache 15/1670 heißt es nämlich unter anderem - ich zitiere -:
„Die wesentlichen Ziele eines an der Achtung der Menschenwürde Pflegedürftiger orientierten Handelns sind ihre soziale Integration, die Gewährleistung einer selbstständigen Lebensführung, einer privaten Umgebung und die Sicherstellung eines bedarfsgerechten und wohnortnahen Angebots qualifizierter Dienste und Einrichtungen.“
Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, genauso ist es. Gerade deshalb muss dieser ganz konkrete Gestaltungsauftrag an die Politik, soweit er Landespolitik berührt, ebenso konkret seinen Niederschlag in der
(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU sowie der Abgeordneten Irene Fröhlich [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
An Änderungsvorschlägen, worunter - wie ich meine einige echte Verbesserungsvorschläge waren, hat es gerade in dieser Legislaturperiode wirklich nicht gemangelt. Hieran waren alle Fraktionen immer wieder beteiligt. Es ist und bleibt aus unserer Sicht der richtige Weg, um zu einer weiteren Verbesserung der Lebenssituation Pflegebedürftiger und ihrer Angehörigen zu kommen. Wer suggerieren wollte - ich drücke mich bewusst vorsichtig aus -, durch eine Ergänzung der Landesverfassung würde besonders viel erreicht, weil man den Zielen einer menschenwürdigen Pflege sogar Verfassungsrang einräumen wolle, der irrt und führt sogar bewusst oder unbewusst in die Irre. Erstens hat Menschenwürde bereits Verfassungsrang.