wäre eine bundesweite Regelung für eine nachträglich angeordnete Sicherungsverwahrung. Sie sagen in Ihrem Gesetzentwurf weiter: Ein Tätigwerden des Bundesgesetzgebers sei trotz gegenteiliger Ankündigungen zweifelhaft. Deshalb müsse eine landesrechtliche Regelung her.
Nun hat die Bundesregierung am 13. März 2002 einen entsprechenden Gesetzentwurf beschlossen, der die Anordnung einer Sicherungsverwahrung unter Vorbehalt erlaubt. Nach diesem Gesetzentwurf sollen künftig die Gerichte in ihren Urteilen die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung zunächst auch unter Vorbehalt aussprechen können. Zuständig für die Anordnung der Sicherungsverwahrung wäre dann die Strafvollstreckungskammer, die nach Teilverbüßung der Strafe und angesichts der im Vollzug gewonnenen Erkenntnisse entscheiden könnte und würde. Die Anordnung würde dann spätestens sechs Monate vor dem Zeitpunkt erfolgen, ab dem eine Aussetzung des Strafrests zur Bewährung möglich ist.
Wir sollten in der Ausschussberatung im Einzelnen überprüfen, inwieweit die vorgesehene Bundesregelung ausreichend ist. Ob dazu das von Ihnen vorgeschlagene Landesgesetz erforderlich ist, sollten wir im Einzelnen sachlich miteinander im Ausschuss besprechen.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Im Sommer letzten Jahres sorgte der Bundeskanzler und Parteivorsitzende der Sozialdemokraten Gerhard Schröder mit einem Zitat für Aufsehen. Er forderte, nachdem erneut ein Kind Opfer eines Sexualverbrechens geworden war, das „Wegschließen von Sexualstraftätern, und zwar für immer“.
Damit war ein Höhepunkt einer bereits länger schwelenden öffentlichen Debatte erreicht. Der Mann, der die Richtlinien der deutschen Politik bestimmt, ließ sich zu einer solch undifferenzierten Bemerkung hinreißen. Menschlich war die Reaktion des Kanzlers verständlich. Dennoch ist gerade er und sind auch wir dafür gewählt worden, in diesen Momenten mit küh
Dies gilt bei allem Druck, der verständlicherweise durch die Öffentlichkeit in solchen Momenten auftaucht. Wir müssen der Situation der Opfer und Täter Rechnung tragen, so schwer dies auch in einigen Fällen ist.
Eines aber hatte der Kanzler erkannt: Es ist nicht der Landesgesetzgeber, sondern der Bundesgesetzgeber gefragt. Die Sicherungsverwahrung ist im Strafgesetzbuch geregelt und da gehört sie hin.
Es kann nicht sein, dass wir in eine Situation kommen, wo es in so einer wichtigen Frage unterschiedliche Regelungen in den Ländern gibt. Es ist uns sehr wohl bekannt, dass sich die Regierung in Berlin lange um die Entscheidung dieser Frage herumgedrückt hat. Nun aber gibt es einen Entwurf der Bundesregierung zur Änderung des Strafgesetzbuches und wir sollten abwarten, was der Deutsche Bundestag bei der Debatte am Freitag im Berlin dazu erklärt und was dabei herauskommt.
Der hier vorgelegte Gesetzentwurf ist für uns keine Unbekannte. Er entspricht fast wörtlich der Regelung der schwarz-gelben Regierung in Baden-Württemberg und wurde vom dortigen FDP-Justizminister Goll eingebracht. Herr Kollege Geißler, nun ist SchleswigHolstein nicht Baden-Württemberg und wir haben in einigen Punkten auch andere Ansichten als unsere Parteifreunde im Ländle. Es würde mich freuen, wenn auch Sie andere Ansichten hätten als Ihre Parteifreunde in Bayern, jedenfalls gelegentlich.
Unserer Auffassung nach ist die nachträgliche Sicherungsverwahrung ohne Vorbehaltsentscheidung im Erkenntnisverfahren rechtsstaatlich in hohem Maße bedenklich. Im Grundgesetz steht, dass niemand wegen der gleichen Tat mehrfach bestraft werden darf. Die Befürworter einer solchen Maßnahme behaupten zwar, die Sicherungsverwahrung beziehe sich nicht auf die Straftaten einer Person, sondern auf seine individuelle Gefährlichkeit und habe daher präventiven Charakter, aber nun frage ich Sie einmal, was im Rahmen des Strafvollzuges präventive Maßnahmen sollen, Maßnahmen der allgemeinen Gefahrenabwehr. Kommen Sie demnächst auf die Idee, allen, denen Sie zutrauen, potenziell gefährlich zu werden, mit Sicherungsverwahrung zu drohen, damit sie keine künftigen
Im Übrigen würde in diesem Fall die Straftat doppelt sanktioniert. Das ist für uns nicht nachvollziehbar. Die Anordnung der Sicherungsverwahrung hat nämlich sehr wohl etwas mit den Straftaten in der Vergangenheit zu tun. Erst in Verbindung mit den in der Vergangenheit begangenen Straftaten liegen überhaupt die Voraussetzungen für die Anordnung der nachträglichen Sicherungsverwahrung vor. Wir sind bei allen berechtigten Bemühungen um eine Verbesserung der Sicherheit verpflichtet, auch die Rechte der Täter genau zu prüfen. Straftäter sind Träger von Grundrechten, auch wenn das einigen möglicherweise nicht passt und in der öffentlichen Diskussion nicht gut ankommt.
Auch der Therapiezwang des Gesetzentwurfs überzeugt uns nicht. Die nachträgliche Sicherungsverwahrung soll auch dazu dienen, Täter zu einer Therapie zu bewegen. Nun frage ich Sie, Kollege Geißler, was für einen Wert eine Therapie hat, die der Betroffene nur deshalb durchführt, weil ihm sonst droht, weggeschlossen zu werden.
Er wird diese Therapie innerlich ablehnen. Ohne den Willen zu einer Therapie verspricht diese keine Aussicht auf einen Heilungserfolg. Das wissen wir doch aus anderen Bereichen zur Genüge.
Herr Kollege Geißler, Sie sollten sich einmal durchaus die Stimmen aus der Praxis zu Gemüte führen. Spricht man nämlich mit Praktikern aus dem Justizvollzug, dann findet man überwiegend die Meinung vor, dass eine nachträgliche Sicherungsverwahrung nicht gewollt wird. Unsere Fraktion konnte sich davon vor kurzem bei einer Expertenanhörung überzeugen. Im Gegenteil, die Personen, die jeden Tag mit Strafgefangenen zu tun haben, konnten in ihrer jahrzehntelangen Erfahrung nur einen einzigen Fall zitieren, in dem sie sich gewünscht hätten, dass es ein Instrument wie eine nachträgliche Sicherungsverwahrung gegeben hätte. Sie waren allerdings der Ansicht, dass dies durch Mängel im Erkenntnisverfahren begründet war, dort die Gefährlichkeit des Täters schlicht übersehen wurde und dies erst nachträglich zu erkennen war.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir sollten nicht das Kind mit dem Bade ausschütten und uns vielleicht darum bemühen, dass bei solchen Delikten im Erkenntnisverfahren sorgfältiger vorgegangen wird, als durch die Einführung einer nachträglichen Sicherungs
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Geißler, bei allem Respekt - aber offenbar haben Sie eine besondere Vorliebe dafür, Gesetze aus anderen Bundesländern zu kopieren, deren Probleme in Schleswig-Holstein nicht existieren.
Dabei suchen Sie sich auch noch mit großer Zielsicherheit die schlechteste aller vermeintlichen Lösungen aus und brauchen dafür so lange, bis andere das Problem gelöst haben.
Die Bundesregierung hat sich im März darauf geeinigt - das wurde hier mehrfach dargestellt -, dass es den Gerichten möglich sein soll, im Urteil - wohlgemerkt: im Urteil! - einen Vorbehalt auszusprechen, der die nachträgliche Anordnung einer Sicherungsverwahrung erlaubt. Ob der Gesetzentwurf der Bundesregierung in allen Punkten gelungen ist, darüber lässt sich streiten. Wir werden sehen, wie der Bundestag darüber abstimmt. Aber die nachträgliche Sicherungsverwahrung in der Form, wie Sie sie vorschlagen, Herr Geißler, ist aus unserer Sicht rechtsstaatlich höchst bedenklich und gefährdet zudem alle Therapie- und Resozialisierungsmaßnahmen.
Wenn ein Straftäter ein Sicherheitsrisiko für die Bevölkerung darstellt, kann ein Gericht schon nach bestehender Rechtslage Sicherungsverwahrung anordnen und es wird auch praktiziert. Die Sicherungsverwahrung ist allerdings eine Alternative zum Strafvollzug. Nach einem richterlichen Urteil darf die Strafe nicht durch die Hintertür verlängert werden. Die Anordnung einer Sicherungsverwahrung nach verbüßter Strafe verstößt gegen das Rückwirkungsverbot in Artikel 103 Abs. 2 des Grundgesetzes - eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war - und gegen das Verbot der Doppelbestrafung im darauf folgenden Absatz 3 - niemand darf wegen derselben Tat aufgrund der allgemeinen Straf
Die Bundesregierung hat durch den richterlichen Vorbehalt - immerhin - die rechtsstaatliche Form gewahrt. Das ist allerdings auch das Mindeste, was ich von einer Regierung erwarte. Der Entwurf der CDU stößt dagegen auf gravierende verfassungsrechtliche Bedenken. Wenn Sie von den strafrechtlichen Grundsätzen des Grundgesetzes wegwollen, rütteln Sie an den Fundamenten des Rechtsstaates, Herr Geißler. Ich muss das hier in allem Ernst so sagen.
Als Voraussetzung für eine nachträgliche Sicherungsverwahrung geben Sie in § 1 Abs. 1 Ihres Gesetzentwurfs die Ablehnung oder den Abbruch einer Therapie an. Das ist aus meiner Sicht hochgradig bedenklich, weil ich gar nicht sehen kann, wie jemand innerhalb des Strafvollzuges und innerhalb einer möglicherweise begonnenen Therapie oder Sozialisierungsmaßnahme - oder was immer man sich vorstellen kann - wirklich konkrete, gravierende Anhaltspunkte dafür bietet, in Zukunft möglicherweise rückfallgefährdet zu sein. Wie das innerhalb dieser Lebenssituation ablesbar sein soll, leuchtet mir überhaupt nicht ein. Das kann ich aus meiner gesamten therapeutischen Erfahrung nur ablehnen, einmal abgesehen davon, dass eine Therapie unter Zwang - auch das hat Herr Kollege Kubicki schon dargestellt - von vornherein zum Misserfolg verurteilt ist. Therapie mit Zwang auszuüben, gefährdet den Erfolg sämtlicher Resozialisierungs- und Therapiebemühungen. Therapie ist nicht mit der Brechstange möglich.
Meine Damen und Herren von der CDU, man merkt vielleicht - das kann ich noch zu Ihren Gunsten annehmen -, der Wahlkampf hat begonnen. Ihr Antrag zeigt es. Viele Emotionen, wenig Substanz. Durch solche Initiativen fördern Sie nicht den Rechtsstaat, sondern die Verunsicherung in der Bevölkerung.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir alle empfinden Ohnmacht, wenn wieder einmal ein Mensch brutal aus seinem Leben gerissen wird. Uns alle packt die blinde Wut, wenn ein Kind auf grausamste Weise angegriffen wird. Trotzdem verlangt die Rechtsstaat
lichkeit aber auch, dass wir uns um einen kühlen Kopf bemühen. Wir müssen den Täter nüchtern für seine Verbrechen büßen lassen. Letztlich - das wissen wir ja alle - kann keine Strafe der Welt eine begangene Untat heilen.
Die Strafe soll den Täter sühnen lassen und soll dafür sorgen, dass so etwas nicht wieder passiert. Sie ist verknüpft mit der Hoffnung, dass der Täter wieder zur Besinnung kommt, das Grauen erkennt, das er angerichtet hat, und sein Verhalten ändert.
Wenn schon im Gerichtsverfahren erkennbar ist, dass der Täter dazu nicht in der Lage ist, kann eine nachfolgende Sicherungsverwahrung angeordnet werden, sodass gegebenenfalls die Allgemeinheit vor der Person geschützt wird.
Die CDU schlägt uns jetzt vor, dass man auch zu einem späteren Zeitpunkt eine solche Entscheidung für die Sicherungsverwahrung trifft, solange der Täter in Haft ist. Es sollen Menschen eingesperrt bleiben, weil jemand vorhersagt, dass sie weitere Straftaten begehen könnten. Dies ist äußerst problematisch - das hat der Kollege Kubicki auch ganz wunderbar ausgeführt -, denn die Tat ist ja bereits durch die verhängte Strafe gesühnt. Das ist das, was in der Strafkammer auch nur beurteilt werden konnte.
Der Wunsch nach nachträglich vorbeugendem Wegsperren steht eben gerade nicht in Verbindung mit der konkreten Tat und es drängt sich hier die Frage auf, weshalb ein Strafgericht in diesem Fall der besonderen Prognose nochmals diese Entscheidung treffen sollte.
Von der CDU wird als Argument - das hat die Kollegin Fröhlich gesagt - für eine nachträgliche Verhängung der Sicherungsverwahrung ins Feld geführt, dass hierdurch die Therapiebereitschaft der Täter erzwungen werden könne. Damit verkennt sie aber die Bedingungen einer stabilen Verhaltensänderung; denn es geht um eine permanente Veränderung von Menschen, die ohne deren Einsicht und ehrliches Mitwirken nicht stattfinden kann.
Das Damoklesschwert der nachträglichen Sicherungsverwahrung könnte ebenso geeignet sein, jegliche Motivation zur Veränderung zu nehmen oder die gefährlichen Täter zum Bluffen zu verleiten.