Was wollen Sie uns damit sagen? Ich habe lange darüber nachgedacht, bin dem Sinn aber noch nicht auf die Spur gekommen.
Die Union will die Erziehungsverantwortung der Eltern stärken. Normalerweise verstehe ich unter so einem Ziel eine größere Entscheidungsfreiheit der Eltern bei den Erziehungsmaßnahmen. Was die CDU aber fordert, ist genau das Gegenteil. Sie wollen größere Sanktionsmöglichkeiten für die Verletzung der Fürsorgepflicht durch die Eltern.
- Bleiben Sie ganz ruhig, Herr Schlie. Sie wollen ganze Familien ausweisen, wenn die Kinder straffällig geworden und die Eltern der Erziehungspflicht nicht ausreichend nachgekommen sind. Die Eltern sollen in einem Lernprozess für die Bewusstseinsschärfung der Kinder einbezogen werden und die Eltern sollen mit der Schule zusammenarbeiten, um „eine Atmosphäre der Einigkeit und des Konsenses zu schaffen.“ Herzlichen Glückwunsch. Das ist nichts anderes als eine Bevormundung der Eltern, die einem Erziehungsauftrag und Wertekatalog des Staates nachkommen sollen. Was Jugendliche aber brauchen, ist keine Einheitsverwertlichung, sondern eine qualitativ hochwertige Schulbildung - PISA lässt grüßen! -, um nach der Schule auf der Suche nach einem Arbeits- oder Studienplatz konkurrenzfähig zu sein.
Sie brauchen auch eine Aussicht auf einen Ausbildungs- oder Arbeitsplatz. An beidem mangelt es im Moment aber in unserer Republik. Was wir nicht brauchen, sind mehr Sanktionen.
Ein weiterer Höhepunkt ist die Forderung, Graffitisprayer künftig dazu zu zwingen, ihre Malereien oder Schmierereien selbst zu entfernen. Da muss also ein Hausbesitzer vielleicht Monate oder Jahre warten, bis ein Sprayer möglicherweise gefasst wird, um dann noch genießen zu dürfen, wie der Sprayer die Schmierereien unsachgemäß entfernt oder überpinselt. Nicht jeder Graffitisprayer ist nämlich gelernter Maler oder Fassadenreiniger, Herr Wadephul.
(Vereinzelter Beifall bei FDP, SPD, BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN und SSW - Thorsten Geißler [CDU]: So ein Quatsch!)
Wir sollten uns eher über die Wiedereingliederung jugendlicher Straftäter unterhalten. In BadenWürttemberg gibt es hierzu ein interessantes Modell: Das Projekt „Chance“, lobenswerterweise auch von der örtlichen Wirtschaft gefördert, bietet hierzu entsprechende Hinweise. Wir sind bereit, dieses im Ausschuss näher zu erläutern.
Außerdem sollten wir uns im Ausschuss über die Möglichkeit der geschlossenen Heimunterbringung unterhalten. Immerhin hat der leitende Oberstaatsan
Dieser Punkt ist wirklich der einzige Grund, warum wir den Antrag nicht gänzlich ablehnen, sondern einer Ausschussüberweisung zustimmen.
Das Wort für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erteile ich jetzt der Frau Abgeordneten Irene Fröhlich.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ja, es ist gekommen, wie es kommen musste: Kaum ist die polizeiliche Kriminalstatistik erschienen, lesen alle das aus ihr heraus, was sie immer schon hören und sagen wollten. Deswegen setzen wir uns ja auch seit Jahren - das steht auch in unserem Koalitionsvertrag und wird noch kommen - für einen Sicherheitsbericht ein, der mir aussagekräftiger zu sein scheint als die Polizeistatistik.
Die Gewerkschaft der Polizei hat 1999 ein äußerst lesenswertes Sonderheft ihres Verbandsblattes zum Thema polizeiliche Kriminalstatistik herausgegeben mit dem treffenden Titel: „Das verzerrte Bild“. Darin ist zu lesen:
„Neuerdings wurde mithilfe der polizeilichen Kriminalstatistik die Behauptung aufgestellt, die Kriminalität sei insbesondere bei Kindern und Jugendlichen gestiegen, und zwar im Bereich der Gewaltanwendung und des Diebstahls. Auch diese Interpretationen halten der Nachprüfung nicht stand.“
Sehr geehrter Herr Kollege Wadephul und sehr geehrter Herr Kollege Geißler, ich bemühe mich, mich konstruktiv mit Ihrem Antrag auseinander zu setzen.
Untersuchungen des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen zeigen, dass die seit einigen Jahren festzustellende statistische Steigerung der Kinder- und Jugendkriminalität in erster Linie auf ein verändertes Anzeigeverhalten zurückzuführen ist, und das nimmt die Kriminalstatistik auf.
Gleichzeitig wurde festgestellt, dass jeder sechste Jugendliche Opfer massiver elterlicher Gewalt geworden ist. Jugendliche sind häufiger Opfer von Gewalt geworden, als sie selbst angewendet haben. Kinder und Jugendliche sind ein Spiegelbild unserer Gesellschaft. Wir dürfen sie nicht zu Sündenböcken machen.
Insofern begrüße ich, dass die CDU in ihrem Antrag auf die Verantwortung der Eltern eingeht, die Bedeutung präventiver Maßnahmen anspricht und auf die Rolle der Medien eingeht. Aber es wäre vielleicht sinnvoll gewesen, Sie hätten sich auch einmal eines Mediums bedient, das in Schleswig-Holstein selber herauskommt. Das ist die Zeitschrift „Pro Jugend“ mit dem neuesten Exemplar „Alltagsdroge Alkohol“, das ich hier extra mitgebracht habe; das findet man in seinem täglichen Stapel von Zeitschriften vielleicht eher einmal heraus. Darin stehen kluge Dinge, nicht nur zum Thema Drogen - in erster Linie natürlich die Alltags- und Vorzugsdroge, auch bei Jugendlichen, Alkohol -, sondern auch zum Thema Prävention. Das scheint mir besonders bedenkenswert, weil es auf eine Stärkung des Selbstvertrauens und Selbstbewusstseins der Jugendlichen zielt und mit irgendwelchen sonstigen präventiven Maßnahmen deutlich abrechnet. Ich finde es hochinteressant, das zu lesen.
Nach diesem kleinen Ausflug komme ich jetzt wieder auf Ihren Antrag zurück. In der konkreten Ausgestaltung werden die Maßnahmen bei Ihnen leider sehr fragwürdig. Herr Wadephul, ich möchte Sie hier gern einmal direkt beim Wort nehmen. Sie fordern eine Erhöhung des Strafmaßes bei der Verletzung der Fürsorge- und Erziehungspflichten von Eltern, die ihren Erziehungspflichten nicht ausreichend nachkommen. Sie sagen selber, Gewalt und Schlagen dürfe kein Mittel der Erziehung sein. Glauben Sie, dass mit erhöhter Strafandrohung die Eltern besser in die Lage versetzt werden, ihren Erziehungspflichten nachzukommen? - Ich glaube, Sie befinden sich hier absolut im Irrtum.
Mir scheinen Modelle wie zum Beispiel das Elterntraining, das in Nordfriesland praktiziert wird, wesentlich erfolgversprechender zu sein als die Erhöhung
Glauben Sie wirklich, dass sich Lehrerinnen und Lehrer dem Erziehungsauftrag in gleicher Weise - so steht es in Ihrem Antrag - wie dem Unterrichtsauftrag widmen können? Die Schule kann nicht die Familie und nicht die Gesellschaft ersetzen.
Geradezu komisch ist für mich die Vorstellung von Beamtinnen und Beamten, die das World Wide Web auf strafrechtlich relevante Inhalte kontrollieren sollen. Wie diese Internetpolizei funktionieren soll, müssen Sie mir einmal erklären.
Meine Damen und Herren von der CDU, der Rest Ihrer Vorschläge bietet nichts Neues, immer wieder das alte Muster: Kinder und Jugendliche früher und härter bestrafen, wegsperren oder am besten gleich abschieben. Damit lösen Sie die Probleme nicht, Sie verdrängen sie nur.
Auch Ihre Vorschläge zur Behandlung von Heranwachsenden setzen in der Sache nicht angemessene Restriktionen. Verschließen Sie den jungen Menschen nicht unnötig die Türen auf dem Weg in ein nicht kriminelles Leben!
Dann wollen Sie noch eine Lex Graffiti: Neben dem Beschädigen und Zerstören sanktionieren Sie auch noch das Verunstalten des Eigentums anderer. Hier sollten erst einmal die Kommunen in Kontakt mit den Jugendlichen treten. Das ist eine Frage, die die Kommunen lösen müssen und nicht das Land, nicht der Gesetzgeber.
Bevor Sie gleich wieder mit dem Strafgesetzbuch wedeln, scheint mir dies zum Beispiel auch eine Frage der Mitwirkung der Kinder und Jugendlichen an den Belangen in ihrer Kommune zu sein. Das halte ich für sinnvoller im Sinne des von mir schon hervorgehobenen neuen Präventionskonzepts, das hier von der Aktion Jugendschutz vorgestellt wird.
Herr Wadephul, Sie haben gesagt, es sei ein Bündel von Maßnahmen nötig. Ich wünsche mir in Ihrem Antrag auch ein Bündel von wirklich differenzierten Maßnahmen und nicht nur immer wieder dasselbe Muster von Repression und Restriktion. Das kann es nicht sein. Dem können wir nicht folgen.
Es ist aber immerhin ein Antrag, der sich lohnt, im Ausschuss diskutiert zu werden. Ob das federführend im Innen- und Rechts- oder im Sozialausschuss passiert, ist mir egal. Von mir aus kann der Antrag feder
führend im Innen- und Rechtsausschuss behandelt werden. Ich will mich an der Stelle nicht streiten. Diskutieren werden wir ihn auf jeden Fall.
Das Wort für den SSW im Schleswig-Holsteinischen Landtag erteile ich jetzt der Frau Abgeordneten Silke Hinrichsen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte zunächst kurz an die Rede der Kollegin Fröhlich hinsichtlich der Lex Graffiti anknüpfen. Ich weiß nicht, ob Sie alle den Antragstext genau gelesen haben. In dem Antrag wird die Landesregierung unter anderem aufgefordert, „dafür zu sorgen, dass in Zukunft die Durchführung von Maßnahmen zu solchen Farbschmierereien ermöglicht wird“. Das finde ich erstaunlich.
Danach kommt die Forderung nach Gesetzen. Ich wollte nur darauf hinweisen, dass es auch innerhalb des Antrages widersprüchliche Angaben gibt.