Protokoll der Sitzung vom 21.03.2002

Die Vegetationskartierungen zeigen darüber hinaus eine zunehmende Artenvielfalt, von der auch die seltene Tierwelt der Salzwiesen profitiert. Das Vorland-Managementkonzept unterstreicht deutlich, dass Küsten- und Naturschutz kein Widerspruch sind.

Auch die Bestände anderer Pflanzen und Tierarten im Wattenmeer vergrößerten sich in den vergangenen Jahren. So gibt es jetzt mehr Seegrasflächen, und die Zahl der Seehunde nahm weiter zu. Das ist auch allgemein bekannt. 19 Rastvogelarten haben zunehmende Bestände, und die Zahl brütender Seeregenpfeifer, die noch vor Jahren schwer bedroht waren, erhöhte sich um 20 %.

Die Wissenschaftler des Nationalparkamtes berichten allerdings auch - wir lasen es gestern ebenfalls in der Zeitung - über die nach wie vor unnatürlich hohen Nährstoffgehalte im Wattenmeer: Stickstoffverbindungen, die aus der Landwirtschaft, den Haushalten und dem Verkehr stammen, gelangen durch die Flüsse und mit der Luft in das Wattenmeer und führen dort zu dauerhaften Veränderungen. Das zeigt uns einmal mehr, dass Naturschutz ohne Umweltschutz nicht zu denken ist. Wir können nicht nur die Natur schützen wollen, aber alles andere bleibt wie es ist: Wir fahren Auto wie immer, wir schießen alles Mögliche durch die Schornsteine, vertrauen auf Müllverbrennungsanlagen oder was auch immer und denken, wenn wir nur die Flächen unter Schutz stellen, dann haben wir genug getan. Genau das funktioniert nicht, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das macht diese Große Anfrage nochmals deutlich.

Nun komme ich wieder auf den Naturschutz zurück. Auch von Menschen eingeschleppte Arten wie die pazifische Auster und das englische Schlickgras verändern das Ökosystem. Hinzu kommen natürliche Schädigungen. Eisgang und Orkane zerstörten natürliche Miesmuschelbestände im Gezeitenbereich. Ihre Fläche ging von 3.000 ha im Jahre 1989 auf heute 1.000 ha zurück. Hier ist noch viel zu tun. Wir wissen von den Halligbürgermeistern und Halligbewohnern, wie wichtig die Miesmuschelbestände auch für den Küstenschutz sind. Auch da greift wieder Beides ineinander und ist nicht ohne einander zu denken.

Doch zurück zur Situation an Land. Letztlich sollen 15 % der Landesfläche als ökologische Vorrangflächen gesichert und im Rahmen eines Vorrangflächenund Biotopverbundes vernetzt werden. Bis 2004 soll es entsprechend den Vorgaben des gerade und zum Glück novellierten Naturschutzgesetzes bereits knapp 10 % sein.

(Irene Fröhlich)

An dieser Stelle möchte ich sowohl Bundesumweltminister Jürgen Trittin als auch unserem Landesumweltminister Klaus Müller meine Anerkennung für die Erfolge aussprechen, die sie gerade im Bereich des Naturschutzes zu verbuchen haben. Das tue ich natürlich gern.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Die Ausweisung von Naturschutzgebieten wird zügig vorangetrieben. Mittelfristig soll die Naturschutzfläche von derzeit 2,5 % auf 4 % erhöht werden. Der Umweltminister hat in seiner Rede eindrucksvoll gezeigt, dass wir uns auf einem Weg befinden, bei dem es eben nicht, wie in der Vergangenheit, um das Durchpowern und um das Durchhauen von Knoten geht, sondern dass dieser Weg verstärkt darauf setzt, dass wir uns mit den Menschen in den Regionen zusammentun. Wenn das wirklich mit den Menschen geschieht, dann bin ich auch mit von der Partie. Es kann aber nicht so sein, dass der Bauernverband das alleinige Sagen hat.

(Zurufe von der CDU)

- Oder wer auch immer. Ich habe jetzt auf die Schnelle den Bauernverband als Beispiel genannt.

Für Schleswig-Holstein sollen die Werte und Funktionen des Naturhaushalts und des Landschaftsbildes flächendeckend erfasst und daraus Aussagen über die Landschaftsplanung abgeleitet werden. In der Großen Anfrage wird eindrucksvoll dargestellt, wie die Planungen auf landes- und auf kommunaler Ebene ineinander greifen. Bis zum Ende der Legislaturperiode liegen für alle fünf Planungsräume im Land aktuelle Landschaftsrahmenpläne vor. In 80 % der Städte und Gemeinden Schleswig-Holsteins liegen bereits Landschaftspläne vor oder befinden sich in Vorbereitung.

(Zuruf von der CDU: Seit 1997 gibt es sie!)

Das Land hat mit Fördermitteln dazu beigetragen, auf örtlicher Ebene ein Verständnis für ökologische Zusammenhänge zu wecken, die Diskussion zu fördern und gleichzeitig Maßnahmen des Naturschutzes zu entwickeln. Zukünftig sollen gefährdete Arten und Biotope verstärkt in Form von Kooperationen mit anderen Partnern erhalten werden, zum Beispiel über freiwillige Vereinbarungen. Ein sehr positives Beispiel stellt auch hier der Nationalpark „SchleswigHolsteinisches Wattenmeer“ dar. Zwei Jahre nach der Novelle des Nationalparkgesetzes wurden bis heute mit acht Gruppen freiwillige Vereinbarungen geschlossen: mit den Wassersportlern, mit den Wattführern, mit den Hotels, mit den Reedereien. Ich will jetzt

nicht alle Einzelheiten aufzählen, sondern gerne noch etwas anderes sagen.

Der Grunderwerb bleibt trotzdem ein wichtiges Instrument im Naturschutz, und der Vertragsnaturschutz ist ein Weiteres. Wir werden ihm besonders in Bezug auf die Landwirtschaft Gewicht beimessen.

Mir ist es seit langem ein Anliegen, dass sich Naturschutz und Landwirtschaft auch als Partner begreifen. Die Verbraucher sind aufmerksamer und kritischer geworden, und insofern braucht auch die Landwirtschaft den Naturschutz. Das sollten wir nicht unterschätzen. Auf Eiderstedt, so meine ich, haben das die Landwirte auch schon zunehmend begriffen. Jedenfalls kann ich das in dem Raum, in dem ich zu Hause bin, am besten übersehen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

Im Juli 2001 stellte der Landtag für den Vertragsnaturschutz im Jahre 2002 bis zu 1,5 Millionen DM für neue Vertragsabschlüsse bereit. Ziel ist es, artenreiches Grünland in Schleswig-Holstein zu erhalten. Deshalb schließt das Umweltministerium in Fördergebieten mit Landwirten auf freiwilliger Basis und für fünf Jahre Bewirtschaftungsverträge ab. Der Umweltminister hat das vorhin eindrücklich dargestellt. Ob das ausreicht? Dort, wo es möglich ist, sollen die Ausgleichsmaßnahmen zu Ausgleichsflächenpools gebündelt werden. Mit ihrer Hilfe können so wirksamere Maßnahmen getroffen werden, als es bei vielen einzelnen kleinen Maßnahmen der Fall wäre. Ob das ausreicht, um zum Beispiel die Weidemast auf Eiderstedt zu erhalten, ist mir ein besonderes Anliegen. Wir prüfen das zurzeit.

Dieses Beispiel zeigt aber besonders, wie unbedingt notwendig das Zusammenspiel von Naturschutz und Landwirtschaft ist. Eiderstedts Kulturlandschaft ist eines der wichtigsten Brutgebiete für Wiesenvögel in ganz Deutschland und übertrifft sogar noch die EiderTreene-Sorge-Niederung. Voraussetzung ist aber neben den Kleieböden des unmittelbaren Küstenraumes vor allem die extensive Art und Weise, in der auf Eiderstedt Bullen gemästet wurden und werden. Wenn nun aufgrund der BSE-Krise die Weidemasthaltung in eine Krise geraten ist und vielfach durch intensive Ackerwirtschaft ersetzt wird, so hat dies vielfältige Folgen nicht nur für die Landwirtschaft selbst, sondern auch für die Wiesenvögel, für das Landschaftsbild und damit nicht zuletzt auch für den Tourismus und die Wirtschaft einer ganzen Region. Dies macht noch einmal deutlich, wie sehr sich die heutige immer industrialisiertere Landwirtschaft an der Massenproduktion orientieren muss und wie weitreichend die Folgen sind.

(Irene Fröhlich)

Meine Damen und Herren, ich denke, wir sind mit dem Naturschutz in Schleswig-Holstein auf einem guten Weg. Die Große Anfrage macht es deutlich.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort erteile ich jetzt dem Herrn Abgeordneten Nabel.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die in der Großen Anfrage von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gestellten Fragen zu den rechtlichen Rahmenbedingungen des Naturschutzes in Schleswig-Holstein, zum Flächenbestand, zu den Zielen und der Akzeptanz, den Kooperationspartnern und dem Zusammenspiel zwischen Naturschutz und Landwirtschaft sind in der Antwort der Landesregierung umfassend beantwortet worden. Dafür möchte ich im Namen der SPDLandtagsfraktion dem Minister und seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern herzlich danken.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die weitere Arbeit im Naturschutz stellt diese Antwort eine gute Grundlage dar, auch vor dem Hintergrund der in den nächsten Monaten auf uns zukommenden Umsetzung verschiedener europäischer Richtlinien und des neuen Bundesnaturschutzgesetzes in Landesrecht. Es ist zwar zu bedauern, dass die dadurch zu erwartenden Änderungen noch nicht in die Antwort auf die Große Anfrage einfließen konnten, gleichzeitig wird der aufmerksamen Leserin und dem aufmerksamen Leser aber deutlich, dass viele der für die meisten Länder der BRD gravierenden Änderungen des neuen Bundesnaturschutzgesetzes in unserem Landesnaturschutzgesetz bereits seit nunmehr fast zehn Jahren Geltung und Bestand haben. So sind die Verbandsklage, das Biotopverbundsystem und die flächendeckende Landschaftsplanung für uns nichts Neues. Unser Katalog der Biotoptypen in § 15 muss um nur wenige weitere ergänzt werden.

Wir können feststellen - und darauf sind wir stolz -, dass unser Naturschutzgesetz für das neue Bundesrecht Pate gestanden hat.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wer sich an die heftigen Diskussionen um das Naturschutzrecht in unserem Land erinnert, seien es die Auseinandersetzungen Anfang der 90er-Jahre um das neue Landesnaturschutzgesetz oder Ende der 90erJahre um das Landschaftsprogramm und das National

parkgesetz, der wird sich erinnern, dass die SPD stets dafür eingetreten ist, eine klare Verantwortung der Landwirtschaft in Naturschutzfragen einzufordern. Auch diese Bestimmung im neuen Bundesnaturschutzgesetz ist für uns nichts wirklich Neues.

Lassen Sie mich aber zurückkommen auf die Antwort auf die Große Anfrage der Grünen. Meine Damen und Herren, ich will Ihnen und mir ersparen, die Antworten der Landesregierung an dieser Stelle erneut zu referieren. Das ist alles nachzulesen in der Drucksache 15/1574. Es ist im Übrigen darauf hinzuweisen, dass die Lektüre dieser Antwort auf die Große Anfrage für alle Mitglieder des hohen Hauses überaus lohnenswert ist.

Ich möchte mich mit einigen Sachverhalten beschäftigen, die in der Antwort auf die Große Anfrage zum Teil eher trocken und beiläufig behandelt werden, die aber in unserem Land durchaus zu heftigen und höchst emotional geführten Auseinandersetzungen geführt haben. Ein Verdienst der Antwort auf die Große Anfrage zum Naturschutz ist es, alle diese Sachverhalte einmal gemeinsam diskutieren zu können und in einen unlösbaren Zusammenhang zu stellen. So bekommen die Diskussionen um die Biosphärenreservate, der Streit um die Umsetzung des europäischen Programms Natura 2000 mit der Vogelschutzrichtlinie und der FFH-Richtlinie, frühere Debatten um das Landschaftsprogramm, die Landschaftsrahmenpläne oder die Landschaftsplanung oder die aktuellen Debatten um andere europäische Richtlinien eine ganz andere, eine neue Dimension. All diese Rechtsvorschriften, Pläne und Richtlinien zeigen das Bemühen der Europäischen Union, seit 1998 auch der Bundesregierung, die 1992 in Rio beschlossenen ehrgeizigen Ziele der Agenda 21 und des Biodiversitätsabkommens in einer angemessenen Zeit umzusetzen und damit der Zerstörung unserer Lebensgrundlagen durch uns selbst, durch die Menschen, Einhalt zu gebieten.

(Beifall bei der SPD)

Dass es dafür höchste Zeit ist, brauche ich Ihnen nicht noch einmal zu sagen. Wir sehen alle und spüren die Folgen der drastischen menschlichen Eingriffe in unsere Biosphäre. Klima, Boden, Natur, Pflanzen, Tiere und nicht zuletzt die Menschheit selbst sind ernsthaft bedroht.

In der Antwort auf die Große Anfrage zum Naturschutz werden diese Sachverhalte eher nüchtern dargestellt und bilanziert. Das ist auch gut so. Verwaltung und Regierung sollen uns, sollen der Politik Entscheidungshilfen an die Hand geben. Panikmache und Weltuntergangsszenarien haben in der Vergangenheit nicht zu einer deutlichen Änderung menschlichen Verhaltens geführt. Die zeitliche Begrenzung aber

(Konrad Nabel)

mit der Androhung von Vertragsstrafen zur Umsetzung wichtiger Naturschutzmaßnahmen durch die EU und die Bundesregierung sowie die Selbstverpflichtung auf die Ziele der Agenda 21 und des Biodiversitätsabkommens werden da eher helfen. Davon bin ich überzeugt.

Uns jedenfalls gibt es zu denken, wenn in der Antwort auf die Große Anfrage zu lesen ist, dass in der Region „Meere und Küsten“ - damit sind auch wir und unser Land Schleswig-Holstein gemeint - fast zwei Drittel der Biotoptypen fast vollständig vernichtet oder von Vernichtung bedroht sind. In der angrenzenden Region „Nordwestdeutsches Tiefland“ sind es knapp 50 %. Uns gibt zu denken, dass mehr als ein Drittel der in der Biotopkartierung erfassten Flächen einen schlechten Zustand haben oder als unter der Grenze der Erfassungswürdigkeit definiert werden.

Meine Damen und Herren, auch wenn Umwelt und Naturschutz zurzeit keinen so hohen gesellschaftlichen Stellenwert haben, müssen weitere Natur-, Artenund Biotopschutzmaßnahmen aus der Verantwortung des Staates seinen Bürgerinnen und Bürgern gegenüber, aber auch der Natur um ihrer selbst Willen durchgeführt werden. Dass wir dies in SchleswigHolstein auch bei knappen Kassen verantwortlich tun können, ist vor allem den in den vergangenen Jahren erstrittenen Programmen und unseren Umweltabgaben zu verdanken.

(Vereinzelter Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Unseren Umweltabgaben liegt das Verursacherprinzip zugrunde, ein von allen Parteien in diesem Hause hoch gewichtetes, aber höchst unterschiedlich interpretiertes Prinzip.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Wir jedenfalls halten es für richtig, für die Eingriffe und für die Nutzung natürlicher Ressourcen einen Ausgleich zu verlangen, dessen Erlös für die Schonung, Wiederherstellung und Verbesserung der natürlichen Ressourcen eingesetzt wird. Die im Bereich Wasser erhobenen Abgaben werden so unter anderem für den Wasser- und Naturschutz eingesetzt. Ich selbst habe auch keine Zweifel, dass unter heutigen Bedingungen auch unsere damalige Abfallabgabe vor dem Verfassungsgericht Bestand hätte und für die dringend erforderlichen Maßnahmen zur Vorsorge und Sanierung von Bodenschädigungen eingesetzt werden könnte und müsste.

(Vereinzelter Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Insgesamt erfreuen sich die Zuwendungen aus Abgabemitteln bei den Kooperationspartnerinnen und -partnern im Naturschutz höchster Beliebtheit und dabei gehören einige der Kooperationspartnerinnen und -partner durchaus auch zu denen, die bei der Einführung unserer Abgabe noch Zeter und Mordio geschrieen haben. Da gibt es heute durchaus Einsichten und geänderte Verhaltensweisen, die wir bei anderen Akteuren im Land weiterhin vermissen, leider auch bei Teilen der Opposition hier im Haus.

Meine Damen und Herren, wenn wir bei der Umsetzung der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie den Wasser- und Bodenverbänden eine wichtige Rolle einräumen, dann hat das auch damit zu tun, dass wir auf den verschiedensten Ebenen, gerade bei der Umsetzung von Naturschutzmaßnahmen, gute Erfahrungen mit diesen Kooperationspartnern haben. Das gilt im Übrigen auch für den Vertragsnaturschutz, der ein wichtiger Eckpfeiler für den Naturschutz geworden ist und sich hoher Akzeptanz erfreut.

Ich will hier nicht auf den ideologischen Streit bezüglich Flächenankauf und Vertragsnaturschutz eingehen. Für uns sind beide Instrumente wichtig.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)