In bewährter Weise haben Sie bereits in den ersten Zeilen Ihres schriftlichen Berichts festgestellt, dass „zur Realisierung einer nachhaltigen Entwicklung die ökologischen, ökonomischen und sozialen Ziele einigermaßen im Gleichgewicht gehalten werden sollen“.
Durch den Begriff „einigermaßen“ haben Sie sich selbst den Spielraum gegeben, um die Kostenbelastung für die Stromabnehmer vollständig auszuklinken. Das müssen Sie auch. Wenn Sie nämlich weiter auf Ihrem Ziel beharren, in kurzer Zeit den kompletten Ausstieg aus der Nuklearenergie umzusetzen und gleichzeitig den CO2 Ausstoß bis zum Jahre 2020 gegenüber 1990 um 40 % zu reduzieren, dann ist das mit erheblichen Mehrkosten verbunden. Graf Kerssenbrock hat das bereits ausgeführt.
Ich empfehle hierzu die Lektüre des vom Bundeswirtschaftsministerium in Auftrag gegebenen Gutachtens des Europäischen Zentrums für Wirtschaftsforschung und Strategieberatung - kurz PROGNOS - über die energiepolitische und gesamtwirtschaftliche Bewertung eines 40-prozentigen Reduktionsszenarios. PROGNOS hat errechnet, dass insgesamt zusätzliche Kosten in Höhe von 500 Milliarden DM entstünden, die letztlich vom Stromkunden aufgebracht werden müssten. Das ist eindeutig zu viel.
Über die Folgen für die Wirtschaft hat Graf Kerssenbrock bereits gesprochen. Für einen Einzelhaushalt mit einer Wohnungsgröße von 100 m² und einem Energiebedarf von 115 kWh pro Jahr findet im Vergleich zu den Energiepreisen von 1997 fast eine Verdoppelung der Kosten statt. Musste man 1997 noch 3.500 DM pro Jahr für den Energiebedarf aufwenden, so wären es im Jahre 2020 ohne Einsparungsinvestitionen 6.700 DM pro Jahr. Selbst bei zusätzlichen Investitionen in Energieeinsparmaßnahmen schlügen immer noch Kosten in Höhe von 6.500 DM pro Jahr zu Bu
Sie müssen sich also entscheiden: Entweder Sie machen den Ausstieg aus der Nuklearenergie rückgängig - hier haben Sie Vorbilder - oder Sie verabschieden sich von dem Ziel einer 40-prozentigen CO2Reduktion. Ausstieg und CO2-Reduktion in diesem Umfang gehen nicht. Ich sage Ihnen auch gerne warum. Graf Kerssenbrock hat einige Zahlen genannt. 160.000 t CO2 können und müssen pro Jahr eingespart werden. Bei einer 40-prozentigen Reduktion machen das insgesamt 395.000 t aus. Wenn man also eine vernünftige Klimapolitik betreiben will, dann darf man auf die Kernenergie nicht gänzlich verzichten. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der linken Seite dieses Hauses: Wenn Sie mit Energieexperten - auch aus dem sozialdemokratischen Bereich - sprechen, dann wird Ihnen das auch jeder sagen. Niemand wagt es offensichtlich, dies auch laut zu sagen.
- Lieber Herr Kollege Hentschel, ich könnte Ihnen Namen nennen, will jedoch darauf verzichten, weil ich an dieser Stelle ungern Namen aus persönlichen Gesprächen verkünde. Es gibt Energieexperten, die das wieder und ziemlich laut sagen. Vielleicht aber nur, wenn Sie nicht dabei sind.
Ein weiterer Kostentreiber rot-grüner Energiepolitik war die Prämie für Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen. So titelte der „Focus“ im März dieses Jahres mit der Überschrift „Kassieren und Schweigen“ einen Artikel über die milliardenschweren Hilfen für Ökostrom aus dieser Prämie. Bundeswirtschaftsminister Müller bezeichnete die Prämie sogar als Pennerprämie.
Was war passiert? Die wirtschaftliche Situation der Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen war nach der Öffnung der Strommärkte schwieriger geworden. Wir als FDP waren - wie alle wissen - maßgeblicher Mitinitiator der Öffnung und Deregulierung der Strommärkte. Die Folge waren Liberalisierungsgewinne in Höhe von circa 15 Milliarden DM und eine Senkung der Strompreise. Das war die von uns für den Stromverbraucher gewünschte Entwicklung. Die Medaille hatte aber für die KWK-Anlagen auch eine Kehrseite. Durch die Strompreissenkung waren einige Anlagen in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten. Sie waren schlichtweg zu teuer. Kapazitätsstilllegungsprogramme waren die unternehmerische Folge. Also musste eine Prämie her, um unwirtschaftliche,
aber ökologisch sehr prestigevolle und im Übrigen auch häufig im Kommunalbereich angesiedelte KWKAnlagen weiter betreiben zu können. Das darauf geschaffene Vorschaltgesetz hatte so viele Mängel, dass technisch ineffiziente Anlagen gefördert wurden und große Stadtwerke über Gebühr von der Förderung profitierten.
Im letzten Jahr habe ich bei einer großen energiepolitischen Veranstaltung in Berlin Bundeswirtschaftsminister Müller zu diesem Thema gehört. Das Urteil hätte nicht vernichtender ausfallen können. Grund dafür war erstens die schwammige Definition dessen, was eine KWK-Anlage ist. Zweitens schafften die im Gesetz verankerten Bonusregelungen ein undurchsichtiges Förderinstrumentarium, für das die Verbraucher eine Umlage von 0,2 Pf je Kilowattstunde zahlen mussten. In Zahlen wirkte sich dieses Gesetz wie folgt aus: Für das Jahr 2000 floss an die Unternehmen eine Gesamtfördersumme von 1,077 Milliarden DM. Hätte man im gleichen Zeitraum lediglich wirklich umweltfreundliche Anlagen - also wärmegeführte KWKAnlagen ohne Kondensatstrom - einer Förderung zugrunde gelegt, hätte die Fördersumme lediglich 481 Millionen DM betragen. Die Förderung wäre also mehr als halbiert worden. Andersherum wurden über 500 Millionen DM für Anlagen ausgegeben, an deren ökologischer Sinnhaftigkeit - um es vorsichtig auszudrücken - berechtigte Zweifel bestanden.
Die These, die die Landesregierung im Bericht aufstellt, die neuen KWK-Anlagen stünden bei einem fairen Ausgleich der Vollkosten mit neuen Kondensationskraftwerken in den meisten Fällen auch wirtschaftlich konkurrenzfähig oder sogar günstiger da, will ich hier und heute nicht bewerten. Sie zeigt aber auch, dass die alten KWK-Anlagen diesen Ansprüchen nicht gerecht werden und trotzdem durch das Vorschaltgesetz künstlich über Wasser gehalten wurden.
- Herr Hentschel, dann sind wir uns einig. Insofern ist es folgerichtig, dass die Erreichung der Klimaschutzziele durch die neuen Regelungen zur Kraft-WärmeKopplung 2004 erstmalig verbindlich überprüft werden. Das ist eine richtige Maßnahme. Uns verwundert nur, dass dies bisher bei den alten Anlagen nicht geschehen ist.
Als Fazit bleibt, dass die bereits erwähnten 15 Milliarden DM Liberalisierungsgewinne bereits in den ersten drei Jahren rot-grüner Regentschaft in Berlin verbraucht sind. Die Standortvorteile für die deutsche Energiewirtschaft sind verpufft und die Ausgaben für die privaten Haushalte wurden aufgebläht.
Lieber Kollege Graf Kerssenbrock, wir reden heute erneut über das Thema Windkraft. Dabei haben wir als FDP überhaupt keine Probleme mit dem Repowering bestehender Anlagen. Im Gegenteil: Neue Gebiete zur Errichtung von Windparks wird es nicht geben. Wer die Planung hier in Schleswig-Holstein mitverfolgt hat und dabei gewesen ist, weiß, dass die Windenergieeignungsräume festgelegt sind. Darüber hinaus wird es keine geben. Das hat der Energieminister dankenswerterweise immer wieder betont.
(Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Graf Kerssenbrock, bevor man redet, sollte man sich erst einmal Informatio- nen einholen!)
Wieso wollen Sie mit Ihrem Antrag die Umrüstung bestehender Anlagen planerisch behindern? Die CDU stand - wie wir auch - in der Vergangenheit doch immer für Deregulierung im Planungsrecht. Nun wollen Sie auf einmal neue Hürden aufbauen. Das ist für mich nicht nachvollziehbar. Ich habe Ihnen das auch bereits im Ausschuss gesagt. Es behindert die Energiewirtschaft.
Windkraftanlagen bieten - gerade in den strukturschwachen Regionen der Westküste - ein Expansionspotenzial. Darüber sind wir uns einig. Graf Kerssenbrock, Sie haben das vorhin auch dankenswerterweise und für mich zum ersten Mal laut und deutlich gesagt. Das finde ich hervorragend. Das gilt natürlich nicht nur für die Anlagenhersteller, sondern es gilt zum Beispiel auch für die Hafenentwicklung, für Büsum, für Brunsbüttel und für Husum.
Die Städte sind ja bereits dabei, sich darauf einzustellen, für die Offshore-Anlagen sozusagen die entsprechende Hinterlandanbindung zur Verfügung zu stellen.
Wir sind uns allerdings auch darin einig - das wissen Sie auch -, dass dies nicht künstlich subventioniert werden darf. Es darf schon gar keine Dauersubvention geben.
Ich möchte an dieser Stelle die Kollegen von der CDU, aber auch von der anderen Seite und der Landesregierung auffordern, den Grundsatz der Gleichrangigkeit ökologischer, ökonomischer und sozialer Ziele in der Energiepolitik zu beachten. Ein einseitiger Ausstieg ist genauso wenig geeignet, den Klimaschutz und die zukünftige Energieversorgung zu gewährleisten, wie die Behinderung des Einstiegs in neue, alternative Energietechnik.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich glaube - auch wenn einige schlafen -, wir haben gerade den Einstieg in die energiepolitische Wende der FDP erlebt. Ich finde bemerkenswert, was Sie gesagt haben, Frau Aschmoneit-Lücke. Sieht man von Ihrer ideologischen Pflichthandlung zum Thema Atomkraftwerke ab, muss man feststellen, dass Sie eine Menge dazugelernt haben und wir auf dem Weg sind, die Diskussionen über die Frage der neuen Energieversorgung endlich sachlich führen zu können.
Graf Kerssenbrock empfehle ich, zunächst einmal einen Grundkurs über Energiewirtschaft in Flensburg zu belegen. Wir haben dort eine Hochschule, in der das gelehrt wird. Das würde einiges helfen und die Diskussion hier erleichtern. Wir reden hier über ökonomische Tatsachen, Fakten und Tatbestände, die im Bundesgebiet mittlerweile ausdifferenziert und ausdiskutiert sind. Wenn man sich nicht einmal zu Grundlagen äußert und nur Behauptungen von vor 20 Jahren wiederholt, ist es etwas schwierig, darauf zu antworten. Ich will es trotzdem versuchen.
Fangen wir mit der Frage an: Was ist nachhaltige Energiepolitik? - Wir haben ein Szenario vor uns, in dem die internationalen Klimakonferenzen davon ausgehen, dass wir in den nächsten 50 Jahren aus der klassischen Energieversorgung mit fossilen Energieträgern aussteigen, dass wir die CO2-Emissionen in den nächsten 50 Jahren weltweit deutlich reduzieren. Das bedeutet für die Industriestaaten, die heute den
größten Anteil an CO2-Emissionen haben, dass die CO2-Emissionen auf einen Bruchteil heruntergefahren werden müssen. Dieses Szenario wird in den nächsten 50 Jahren stattfinden müssen. Darauf müssen wir uns einstellen, wenn wir heute Energiepolitik machen. Das ist der erste Fakt.
Der zweite Fakt ist, dass wir in Bezug auf die Ölvorkommen so weit sind, dass etwa die maximalen Förderleistungen erreicht sind, wie wir von den führenden Forschungsinstituten auf diesem Gebiet mitgeteilt bekommen. Wer sich dafür interessiert: Das ist alles im Internet nachlesbar. Wir müssen also in den nächsten Jahren damit rechnen, dass die Erdölpreise weiter ansteigen - auf ein Niveau, das den Ölschiefer in Kanada rentabel abbaubar macht. Das ist das zweite Szenario, auf das wir uns einstellen müssen, also eine drastische Verteuerung von fossilen Energieträgern.
Angesichts dieser Situation ist die Frage, wie wir eine zukünftige Energieversorgung gestalten. Es wird immer viel von den billigen Energien geredet, die wir zurzeit produzierten. Dazu müssen Sie Folgendes wissen. Der Strompreis, von dem wir zurzeit in Deutschland reden, ein Strompreis bei der Primärenergieerzeugung, der in der Größenordnung zwischen 5 und 10 Pf liegt, ist nur deswegen auf diesem Niveau, weil wir zuvor eine Monopolwirtschaft hatten. Während dieser Monopolwirtschaft haben wir auf Kosten der Gebührenzahler, auf Kosten derjenigen, die Strom kaufen, Kraftwerke gebaut, die abgeschrieben sind.
Wir haben heute also eine Landschaft von abgeschriebenen Kraftwerken. Diese Kraftwerke produzieren billigen Strom. In dem Moment, in dem diese Kraftwerke abgelaufen sind, wird sich der Strompreis wieder auf ein ganz normales Niveau einpendeln. Das liegt etwa doppelt so hoch wie heute. Das können Sie in jeder Energieanalyse nachlesen.
Zu dem, was Sie, Frau Aschmoneit-Lücke, zu den neuen und alten Kraftwerken sagten! Das Problem ist nicht, dass etwa die neuen KWK-Anlagen so viel billiger seien. Das Problem ist, dass wir zurzeit durch staatliche Subventionen in der Vergangenheit eine künstliche Verbilligung von Energien haben. Diese führt dazu, dass sich zurzeit Investitionen im KWKBereich nicht rentieren. Deswegen müssen wir dort helfen. Die Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen, die ungeheuer wirtschaftlich und gleichzeitig CO2-sparend sind, dürfen jetzt nicht stillgelegt werden, sodass wir sie in fünf bis zehn Jahren nicht wieder mit viel Geld neu bauen müssen. Das ist der Punkt. Wir müssen durch dieses Loch hindurchhelfen. Genau das geschieht mit dem KWK-Gesetz.
Kommen wir zu der Frage: Kann Windenergie, können regenerative Energien Atomkraft ersetzen? - Zunächst einmal zu einer Legende: Atomkraft ist keineswegs die tragende Säule unserer Energieversorgung. Der Anteil von Atomkraft an unserer gesamten Energieversorgung liegt bei gerade einmal 10 %. Das Problem unserer CO2-Emissionen wird in keiner Weise etwa dadurch gelöst, dass wir einige Atomkraftwerke mehr hätten. Das ist nicht die Lösung.
Unabhängig davon, ob wir Atomkraftwerke abschalten, müssen wir den Umstieg organisieren. Er ist nicht allein über Wind organisierbar. Da haben Sie völlig Recht. Wind kann nur einen Beitrag dazu leisten. Wind kann aber von dem Gesamtvolumina - das wissen wir mittlerweile - in etwa die Größenordnung ausmachen, die zurzeit Atomkraftwerke in Deutschland ausmachen. In Europa kann Wind einen wesentlich höheren Anteil ausmachen. Wir wissen nämlich, dass an der gesamten Atlantikküste wesentlich höhere Windenergiepotenziale als in Deutschland vorhanden und die Küsten viel länger sind. Die Potenziale von Windenergie in Europa liegen bei einem Vielfachen dessen, was die Atomkraft leistet. Das zu den Kapazitäten!