Herzlichen Dank für die Arbeit der Bürgerbeauftragten. Ich freue mich auf eine weitere Beratung im Sozialausschuss.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Um das gleich vorweg zu sagen, damit auch die Grünen kein Haar in der Suppe finden: Ich werde hier nicht die grundsätzliche Kritik am Beauftragtentum wiederholen. Ich finde nämlich, dass die Bürgerbeauftragte es verdient hat - übrigens auch ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter -, dass man sich mit dem Bericht konkret auseinander setzt. Deswegen können Sie sich das Gemäkel an der FDP, Frau Birk, in Zukunft sparen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die hohe Zahl erfolgreicher Hilfen ist ein Zeichen für das hohe Engagement der Bürgerbeauftragten und ihrer Mitarbeiter und für die unvermindert hohe Qualität, mit der dem
Rat suchenden Bürger geholfen werden konnte. Dafür möchte ich mich bei Ihnen, Frau Wille-Handels, im Namen der FDP-Fraktion ganz herzlich bedanken - im Übrigen auch für die ausgezeichnete Zusammenarbeit mit Ihnen.
Der vorgelegte Bericht zeigt, dass sich die Bereiche der gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung sowie der Sozialhilfe weiterhin als Dauerbrenner erweisen. Allein der Bereich „Hilfe zur Arbeit“ macht nach der im Bericht ausgewiesenen Statistik fast 30 % aller vorgelegten Fälle aus. Darüber hinaus werden im Bericht die häufig unzureichende Informationspolitik und Beratung sowie unzumutbar lange Wartezeiten auf Entscheidungen durch die Leistung gewährenden Ämter und Behörden gerügt.
Dass solche Probleme als Grund für eine Kontaktaufnahme mit der Bürgerbeauftragten angegeben worden sind, spricht zum einen für nicht unbedingt klare gesetzliche Regelungen gerade im sozialen Bereich, zum anderen aber leider auch für ein nicht immer bürgerfreundliches Auftreten mancher Institutionen in Schleswig-Holstein.
Wenn dann in manchen Einzelfällen von einem Beratungsdefizit berichtet wird, das eigentlich nur noch als Leistungsverweigerung ausgelegt werden kann, dann muss man schon nach den Ursachen fragen und auch danach, wie wir als Landespolitiker in Zukunft mit solchen Fällen tatsächlich umgehen und wie wir dem begegnen können.
Es kann beispielsweise nicht sein, dass Gesetzesänderungen auf Bundesebene durch Leistung gewährende Behörden vor Ort gar nicht berücksichtigt werden. So lehnen manche örtlichen Träger der Sozialhilfe in Schleswig-Holstein die Übernahme von Zuzahlungsbeiträgen von Sozialhilfeberechtigten während ihres Krankenhausaufenthaltes immer noch mit der Begründung ab, dass diese Eigenbeteiligung des Betroffenen an den Kosten der Krankenhausbehandlung nicht zum notwendigen Bedarf der Krankenhilfe gehöre. Dabei stützen sich diese Sozialhilfeträger auf die Rechtsprechung des schleswig-holsteinischen Verwaltungsgerichts.
Dass sich neu eingeführte Gesetze wie das SGB IX auch auf das SGB V und das BSHG auswirken können und ein bekannter Sachverhalt bei Änderungen der Rechtsgrundlage anders beurteilt werden muss, wird dann ganz gern übersehen.
Der Bürger allerdings darf von einer Behörde durchaus verlangen, dass bei der Gewährung von Ansprüchen die neuen rechtlichen Rahmenbedingungen auch wirklich berücksichtigt werden. Einen Grundsatz, nach allgemeiner und altbewährter Praxis einfach weiter zu wursteln, gibt es jedenfalls aus unserer Sicht mit Sicherheit nicht.
Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, es ist doch kein Zeichen von Bürgernähe, sondern schlichtweg eine Unverschämtheit, wenn eine gesetzliche Kranken- und Pflegeversicherung ihre ablehnenden Bescheide ohne Rechtsbehelfsbelehrung über die Widerspruchsmöglichkeit in einem netten, freundlichen Brief verpackt und dies dann auch noch als kundenfreundlich bezeichnet. Juristisch schwierige Sachverhalte lassen sich für den Laien durchaus verständlich darstellen, ohne dass dabei einfach rechtlich relevante Aspekte vernachlässigt werden.
Was nicht sein darf - ob beabsichtigt oder nicht -, ist, dass der Betroffene auf die ihm zustehende Möglichkeit der Widerspruchseinlegung und damit auf seine Rechte ungewollt verzichten muss.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, Bürgernähe und Bürgerfreundlichkeit muss bei aller Komplexität der verschiedenen rechtlichen Sachverhalte bedenken, dass der Bürger erwarten darf, korrekt und höflich informiert, bedient und beraten zu werden; denn hier handelt es sich um Fragen der grundsätzlichen Arbeitsweise einer Verwaltung. Hierauf wurde insbesondere in diesem Bericht aufmerksam gemacht. Ich denke, das ist notwendig. Insofern greife ich die Anregung des Kollegen Geerdts, im Sozialausschuss und im Bildungsausschuss im Rahmen der Beratungen zu dem Bericht auch die kommunalen Landesverbände zu hören, gern auf. Ich freue mich auf die Beratungen im Ausschuss. Ebenso bin ich damit einverstanden, dass wir zum ersten Mal das Experiment wagen und auch unsere Bildungspolitiker mit der Befassung dieses Berichts beauftragen.
Ellenbogengesellschaft konkret“ - so könnte der Bericht der Bürgerbeauftragten überschrieben werden. Ein großer Teil des Berichts befasst sich auch in diesem Jahr mit rechtsfehlerhaftem und rechtswidrigem Verhalten von Sozialversicherungen und Sozialämtern. Dies scheinen mir doch einen Löwenanteil auszumachen, auch wenn sie nicht das Einzige ist. Immerhin hatten 30 % aller Petitionen das Thema „Hilfe zum Lebensunterhalt“ zum Gegenstand.
Der Trend, Geld zulasten derjenigen zu sparen, die Rechtsansprüche haben, wird deutlich. Sozialberatung findet offensichtlich immer weniger statt. Auf Widerspruchsrechte der Betroffenen wird im Bescheid nicht immer hingewiesen. Das haben meine Vorredner bereits hervorgehoben. Die Beispiele in diesem Bericht beziehen sich insbesondere auf Ausbildungsförderung, Familienplanung, Wohngeldansprüche, Zuzahlung im Krankheitsfall und verweigerte Rente. Es handelt sich immer um Rechtsansprüche von Personen, die sich in sozialen oder biographischen Umbruchsituationen befinden und die besonders ungeschützt sind. Denken wir nur an das Thema Ausbildungsförderung oder Zuzahlung im Krankheitsfall, wenn es um einen Krankenhausaufenthalt geht.
Angesichts dessen wiederhole ich an dieser Stelle meine Forderung nach einem Benchmarking für mehr Bürgerfreundlichkeit. Dies ist eine Aufgabe, die die Bürgerbeauftragte nicht alleine leisten kann. Sie braucht dafür die Unterstützung des Landtages. Ich finde den Vorschlag sehr gut, in den Fällen, in denen es um Fälle aus dem Bildungsbereich geht, den Bildungsausschuss zu beteiligen. Ich finde es aber auch sehr gut, einmal die kommunalen Landesverbände in den Sozialausschuss einzuladen. Besonders hilfreich wäre es meiner Ansicht nach, wenn sich die Sozialexpertinnen und -experten der kommunalen Landesverbände einmal zu dem äußern würden, was uns hier vorliegt.
Um deutlich zu machen, wie mit den Petenten und auch mit der Bürgerbeauftragten umgegangen wird, möchte ich mich exemplarisch auf die Seite 48 folgende beziehen. Obwohl sich die Bürgerbeauftragte täglich bemüht hat, einer Mutter von sechs Kindern, die sich in einer Ausbildung befand, zu ihrer Sozialhilfe zu verhelfen, wurde auch sie zwei Monate lang hingehalten. Wie wäre es dieser Frau ergangen, wenn sich nicht die Bürgerbeauftragte ihrer angenommen hätte? Was bedeutet das angesichts des Anspruchs auf Sozialhilfe, eine Frau mit sechs Kindern zwei Monate ohne den notwendigen Lebensunterhalt zu lassen? Das ist meiner Ansicht nach eine neue Qualität der Arbeit unserer Ämter vor Ort. Es ist wirklich an der Zeit, dieses Thema systematisch anzugehen.
Die Vorgehensweise der Ämter hängt sicherlich mit dem Personalmangel, aber auch mit der mangelnden Fortbildung sowie sicherlich auch mit der zunehmenden Anzahl und Vielfalt von Not und komplexen neuen Gesetzen zusammen. Aber das allein entschuldigt nicht ein Verhalten, das wirklich nur als Abwehr bezeichnet werden kann.
Glücklicherweise können wir davon ausgehen, dass nicht alle Ämter so handeln. Aber der Umstand, dass uns doch eine sehr große Anzahl, nämlich annähernd 2.000 Eingaben vorliegen - glücklicherweise wurden 1.752 positiv beschieden -, zeigt doch, dass es sich nicht nur um die berühmten wenigen schwarzen Schafe handelt.
In der Querliste, in der die Restanten aus den letzten Jahren stehen, ist auch eine Reihe von Dingen aufgezählt, bei denen wir uns an die eigene Nase fassen müssen. Exemplarisch nennen möchte ich das immer noch nicht optional gelöste Problem der Koppelung von Betreuungsverträgen mit Mietverträgen in Sozialwohnungen. Dabei handelt es sich um ein Thema, das zunehmend wichtiger wird, wenn wir in der Fläche zu neuen Wohnformen im Alter kommen wollen.
Darüber hinaus ist nicht einzusehen, warum der NDR sich das Vorliegen einer Behinderung - anders als andere - noch einmal bestätigen lassen will. Ich hoffe, dass wir angesichts des gerade diskutierten Gleichstellungsgesetzes zu neuen Lösungen kommen.
Ebenso gehe ich davon aus, dass das Problem der Mammographie, das in Schleswig-Holstein durch Pilotprojekte besonders intensiv behandelt wird, dann, wenn wir im Bereich der Krebsvorsorgeuntersuchungen für Frauen zu einer neuen Gesamtlösung kommen, gelöst werden kann; denn im Augenblick - das ist richtig - entscheidet häufig das Portemonnaie darüber, wann eine Vorsorge stattfindet und wie sorgfältig sie ist. Das darf nicht sein. Wir wollen nicht zu einer Zwei-Klassen-Medizin kommen. Insofern hoffe ich, dass wir, sobald wir die Pilotprojekte in diesem Bereich abgeschlossen haben, zu einer besseren Regelung kommen.
Das waren nur wenige Beispiele aus einem sehr komplexen Werk. Ich danke Ihnen, Frau Wille-Handels, für die gut lesbare und sehr anschauliche Darstellung, die bei aller Kritik doch den sachlichen Ton nicht verlassen hat. Das ist im Hinblick auf den Dialog mit
den betroffenen Institutionen sehr wichtig. Ich hoffe, wir kommen zu einer breiten Debatte. Es geht nicht darum, den Bericht abzuhaken, sondern tatsächlich Verbesserungen zu erwirken.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es hat sich mittlerweile fast schon eingebürgert, dass die Berichte der Bürgerbeauftragten an den Landtag hier im Plenum ohne viele Worte in die zuständigen Ausschüsse verwiesen werden. Ich freue mich, dass das mit diesem Bericht nicht geschehen ist; denn dieses ist der erste Bericht der neuen Bürgerbeauftragten. Er hat die Aufmerksamkeit des gesamten Landtages verdient.
Vor nunmehr einem Jahr hat die Bürgerbeauftragte die Nachfolge von Sigrid Warnicke angetreten. Das ist für mich Anlass genug, festzustellen: Die Füße von Frau Wille-Handels sind groß genug, um in die Spuren von Frau Warnicke zu treten.
Die Bürgerbeauftragte setzt mit ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die wertvolle Arbeit der bisherigen Beauftragten fort. Der Nutzen besteht nicht nur darin, dass sie bei 87 % der zulässigen Eingaben - immerhin 1.752 Fälle - erfolgreich helfen konnte. Die Bürgerbeauftragte gibt uns auch Hinweise, wo es Probleme gibt, die einer politischen Lösung bedürfen. Hier hat auch der Landtag eine Bringschuld gegenüber der Bürgerbeauftragten. Von den 15 alten Anregungen sind elf bisher nicht erfolgreich im Sinne der Bürgerbeauftragten abgeschlossen worden. Hiermit müssen wir uns noch genauer befassen.
Allerdings scheint es vielfach so, dass die Eingaben Bundesgesetzgebung, insbesondere im Sozialrecht, betreffen. Dieses macht deutlich, dass wir endlich auch eine Ombudsinstitution auf Bundesebene brauchen.
Ich möchte noch kurz auf ein Problem eingehen, das sich in ähnlicher Form in dem Bericht des Datenschutzbeauftragten wieder findet. Es betrifft den Umgang mit Daten von Menschen mit Behinderung
beim NDR, den der Kollege Geerdts bereits angesprochen hat. Menschen mit Behinderungen können beim NDR eine Befreiung von den Rundfunkgebühren beantragen. Allerdings müssen sie sich dafür ausziehen lassen. Der NDR akzeptiert nicht, wenn schwerbehinderten Menschen das Merkzeichen RF zuerkannt wurde und dieses auch im Schwerbehindertenausweis vermerkt ist. Ohne Rechtsgrundlage fordert er die Offenlegung von besonders schützenswerten Sozialdaten oder gar besondere Bescheinigungen. Der Kollege Geerdts hat es ausgeführt.
Auf Nachfrage der Bürgerbeauftragten wollte die Medienaufsicht nicht tätig werden. Der Datenschutzbeauftragte macht zudem in seinem Bericht seit Jahren darauf aufmerksam, dass der NDR bei der Rundfunkgebührenbefreiung für Studierende ebenfalls eine beispiellose Offenlegung von persönlichen finanziellen Daten fordert. Es wäre sehr schön, wenn wir diese Probleme zusammen beraten könnten.