Protokoll der Sitzung vom 13.09.2002

Ich nehme für mich durchaus in Anspruch - irgendwie haben Sie es in Ihrem Redebeitrag auch gesagt -, die Interessen glaubhaft zu vertreten, und zwar auch und gerade als Mitglied einer politischen Partei; das ist nämlich meine Aufgabe.

Der Bericht der Kinder- und Jugendbeauftragten und auch die Presseveröffentlichungen sprechen für sich. Ich brauche hier nichts zu wiederholen. Die SPDLandtagsfraktion steht definitiv hinter der Arbeit der Kinder- und Jugendbeauftragten.

(Beifall bei der SPD)

Wir sind sehr froh, dass diese Aufgabe von Sandra Redmann wahrgenommen wird. Aber das ist nicht so wichtig. Wichtig ist, dass die Kinder und Jugendlichen in diesem Lande das so sehen, und das ist so.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Das Wort für die Fraktion der FDP erteile ich jetzt dem Abgeordneten Dr. Heiner Garg.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Die Frau Kollegin Schmitz-Hübsch hat mir die ganze Zeit zugeraunt: Sie sind befangen, Sie sind befangen! Ich würde mich freuen, wenn Sie mir trotzdem Ihr Ohr schenkten.

Es gibt aus meiner Sicht zwei Möglichkeiten, mit einem Bericht, der von einer Beauftragten zwar nicht selber abgefasst wurde, aber an dem sie maßgeblich beteiligt war, umzugehen. Die erste Möglichkeit ist diese: Natürlich - das ist legitim - kann man die Fundamentalkritik, die aus der Opposition kommt und sich auf das Beauftragtenwesen bezieht, wiederholen. Man kann das auch zehnmal tun.

Ich will ganz deutlich sagen: Ich will es nicht tun. Ich werde es weder bei dem Bericht der Kinder- und Jugendbeauftragten, noch bei dem Bericht der Bürgerbeauftragten tun, weil ich der Auffassung bin, dass diese Menschen es verdient haben, dass man sich mit der Arbeit, die sie geleistet haben, auseinander setzt und dazu Stellung bezieht.

(Beifall bei der SPD)

Liebe Frau Kollegin Schmitz-Hübsch, liebe Ministerin Erdsiek-Rave, in der Tat bin ich ein wenig befangen, denn ich habe die Arbeit der Kinder- und Jugendbeauftragten vor Ort immer wieder kennen lernen dürfen. Ich muss Ihnen ganz deutlich sagen: Sie ist parteiisch. Sie nimmt nämlich Partei für die Kinder. Sie macht das auf eine unglaublich charmante und nette Art und Weise. Ich finde, das darf und kann man hier auch einmal sagen.

(Beifall bei der SPD)

Es ist ja nichts Neues und ich habe es Sandra Redmann sehr häufig gesagt: Die einzige Kritik, die ich ihr immer wieder auf den Weg gegeben habe, möchte ich in einen Slogan, mit dem die Jungliberalen insbesondere in Nordrhein-Westfahlen zur Landtagswahl 1996 angetreten sind, verpacken. Der lautet: „Kinderlärm ist Zukunftsmusik.“ Ich habe zu Sandra Redmann immer wieder gesagt: Ein bisschen mehr Lärm um deine Arbeit wäre manchmal ganz hilfreich, damit wirklich alle wissen, was vor Ort geleistet wird.

Ich finde, der Bericht gibt sehr eindrucksvoll die vielfältigen Tätigkeiten der Beauftragten wieder. Ich meine, dass insbesondere bei der Darstellung der Einzelbeispiele Sandra Redmann erfolgreich helfen konnte. Das sind Dinge, die natürlich auch jeder Abgeordneter erledigen könnte. Aber seien wir doch ganz ehrlich: Bei der Flut an Bitten, Wünschen, Terminen, die wir zu bewältigen haben, kann man nicht ernsthaft behaupten, man würde sich ständig und

permanent um die Belange von Kindern und Jugendlichen kümmern. Ich als arbeitsmarkt-, gesundheit- und sozialpolitischer Sprecher meiner Fraktion kann es jedenfalls nicht. Sandra Redmann kann es, weil sie dafür installiert wurde. Dass ein Vater beispielsweise wieder regelmäßigen Kontakt mit seiner zweijährigen Tochter hat, dass Kinder und Jugendliche, die Opfer von Gewalt und Mobbing auf dem Schulweg geworden sind, wieder etwas weniger Angst haben müssen, oder dass eine allein erziehende Mutter doch noch den erforderlichen Kindergartenplatz für ihr Kind erhält, das alles sind Beispiele von Fällen, in denen Ihr Einsatz positiv gewirkt hat. Dafür bedanke ich mich für meine Fraktion an diese Stelle ganz herzlich bei Ihnen.

(Beifall bei FDP und SPD)

Wenn ich vorhin gesagt habe - das ist ein Punkt, der mir ganz wichtig ist -, etwas mehr Lärm wäre hilfreich, dann will ich einen ganz besonderen Punkt herausgreifen. Ich habe mit großer Bestürzung erlebt - nicht nur, weil es mein Wahlkreis ist -, dass es heute immer noch vorkommt, dass Jugendliche, die offensichtlich ausländischer Herkunft sind, in Kiel nicht die Möglichkeit haben, Einlass in eine Diskothek zu finden. Das ist ein Skandal, dass es so etwas im Jahre 2002, egal ob in Kiel oder sonstwo in SchleswigHolstein, noch gibt.

(Beifall bei FDP, CDU, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die sind mit dem Hinweis „kein Einlass“ abgeschmettert worden. Daraufhin hat sich die Kinder- und Jugendbeauftragte dieses Falls angenommen und ist mit denen durch Kiel gezogen, um zu versuchen, dass sie doch noch in eine Diskothek Einlass finden. Wissen Sie was? - Das hat immer noch nicht funktioniert. Hier haben Sie völlig Recht, wenn Sie sagen: Es muss - in Abstimmung mit den Betroffenen - etwas mehr Presseecho erfolgen. Den Skandal an sich aber publik zu machen, richtig breitzutreten, das hätte ich mir gewünscht, weil solche Skandale abgestellt werden müssen.

(Beifall bei FDP, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Hier ist es mir auch egal, wer das tut. Ich - das soll mein letzter Satz sein - bin jedenfalls wirklich beeindruckt davon, dass Sie mit so viel Mut - denn dazu gehört auch Mut, sich von solch einem Kleiderkasten am Diskothekeneingang abweisen zu lassen - die Jungs bei der Hand genommen und versucht haben,

(Dr. Heiner Garg)

für die etwas zu bewirken. Dafür danke ich Ihnen ganz persönlich.

(Beifall bei FDP, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Das Wort für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat jetzt die Frau Abgeordnete Monika Heinold. Anschließend folgt der SSW.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Garg, die FDP ist lernfähig. Das freut mich. Ob sie einen Haushaltsantrag weniger einbringen wird, werden wir sehen.

Heute liegt der erste Bericht der Kinder- und Jugendbeauftragten vor. Nun kann man darüber streiten - Herr Garg, Sie haben es angesprochen -, ob es organisatorisch eine bessere Alternative als eine Kinder- und Jugendbeauftragte gibt, um die Interessen der Kinder und Jugendlichen in Schleswig-Holstein zu vertreten. Unstrittig ist aber - hier sind wir uns glücklicherweise einig -, dass es die Notwendigkeit für einen Anwalt oder eine Anwältin gibt, der oder die für die Interessen unserer Kinder und Jugendlichen eintritt und der oder die direkter Ansprechpartner oder direkte Ansprechpartnerin ist. Dieses kostet Geld, egal wie wir es organisieren. Die Institution der Kinder- und Jugendbeauftragten hat in SchleswigHolstein schon Tradition. Der Name Horst Hager ist auch heute noch vielen bekannt. Die Ministerpräsidentin hatte gute Gründe, mit Sandra Redmann eine neue Kinder- und Jugendbeauftragte zu benennen.

Der Bericht zeigt, wie sehr das Angebot, eine direkte Ansprechpartnerin vor Ort zu haben, wahrgenommen wird. Die Kinderbeauftragte ist im Lande unterwegs und auf Fachtagungen Mittlerin zwischen Vereinen, Verbänden und der Landesregierung. Sie wirbt dafür, dass die Demokratiekampagne des Landes vor Ort umgesetzt wird. Sie wirbt in den Gemeinden für die Vernetzung von Jugendhilfe und Schule. Sie hört sich die Probleme an. Sie ersetzt nicht die Kinder- und Jugendbeauftragten in Städten und Gemeinden. Das war aber auch nicht gewollt und ist auch nicht ihre Aufgabe.

CDU und FDP fordern immer wieder, alle Beauftragten abzuschaffen, um zu sparen. Wer jedoch die Abschaffung fordert, muss auch sagen, ob die Aufgaben der Beauftragten wegfallen sollen oder wie, wo und von wem sie weitergeführt werden sollen. Auch diejenigen - das sage ich sehr deutlich, weil ich dafür bin, dass Kinder eine Lobby haben - müssen eine

Lobby haben, die sich dieses aus eigener Kraft nicht leisten können oder die die eigene Kraft nicht haben. Ich nenne das Beispiel der Chemieindustrie. Die haben kein Problem. Die haben bezahlte Lobbyisten in Berlin und achten darauf, dass ihre Interessen im Gesetz verankert werden. Ich nenne die Pharmaindustrie. Auch die hat genug Geld, um mit Reisen und Geschenken für ihre Produkte zu werben. Auch sie bezahlt Lobbyarbeit. Das sind nur zwei Beispiele dafür,

(Zuruf der Abgeordneten Roswitha Strauß [CDU])

Frau Strauß – schön, dass ich Sie aufgeweckt habe -, dass Lobbypolitik von denjenigen gemacht wird, die es sich leisten können. Auch das trifft uns als Bürgerinnen und Bürger. Andere haben jedoch keine Lobby. Hier sind wir als Staat sehr deutlich aufgefordert, zu sagen, wir brauchen parteiische Anwälte für unsere Kinder und Jugendlichen. Das hat mit Parteipolitik nichts zu tun.

(Beifall bei der SPD)

Es gibt vor Ort auch Kinder- und Jugendbeauftragte von CDU und FDP, die ihre Arbeit gut leisten. Wir brauchen direkte Ansprechpartner und vor allem Leute, die mutig die Konfliktthemen benennen. Darauf hat Herr Garg eben noch einmal aufmerksam gemacht. Lobbypolitik für Kinder heißt, für Bildungsgerechtigkeit zu streiten, für gewaltfreie Erziehung zu werben, für soziale Gerechtigkeit und für die Beseitigung der Kinderarmut einzutreten, und zwar möglichst weltweit.

Eine Kinder- und Jugendbeauftragte muss sich parteiisch im Interesse der Kinder in die aktuellen politischen Debatten einmischen. Sie darf dies aus meiner Sicht auch sehr lautstark machen. Darüber hinaus muss sie die Interessen der zukünftigen Generation deutlich vertreten. Die Themen liegen auf dem Tisch, ob es die hohe Staatsverschuldung ist, die die zukünftige Generation abbezahlen muss, ob es die sozialen Sicherungssysteme sind, die nicht generationsgerecht gestaltet sind, ob es die Atomkraftwerke sind, die uns eine unverantwortliche Hinterlassenschaft bescheren und täglich tödlich strahlenden Abfall produzieren, ob es die Globalisierung ist, die zu unkalkulierbaren Folgen in der Gesellschaft führt, wenn sie nicht im Interesse unserer Kinder sozial und ökologisch gerecht gestaltet werden.

In diesem Sinne wünsche ich unserer Kinder- und Jugendbeauftragten Kraft und Mut. Ich wünsche ihr die Kraft, dass sie tatsächlich gegen den Strom schwimmt, dass sie lautstark sagt, dass Kinder und Jugendliche in unserer Gesellschaft das Recht haben,

(Monika Heinold)

gehört zu werden und dass wir verpflichtet sind, in ihrem Interesse Politik zu machen. In diesem Sinne, Frau Redmann, sage ich für meine Fraktion: Herzlichen Dank für die bisher geleistete Arbeit!

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

Das Wort für den SSW im Schleswig-Holsteinischen Landtag erteile ich jetzt der Frau Abgeordneten Silke Hinrichsen.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Stelle der Kinder- und Jugendbeauftragten ist wichtig und muss erhalten bleiben. Der Bericht zeigt, dass viel Gutes getan wird. Trotzdem meinen wir, dass es Verbesserungsmöglichkeiten gibt.

Wir sind insbesondere damit unzufrieden, wie die verschiedenen Arbeitsbereiche gewichtet werden. Im Bericht heißt es dazu, sie, die Kinder- und Jugendbeauftragte, habe eine Makler- und Scharnierfunktion zwischen ministeriellem Handeln, Verbandsarbeit und unmittelbarer Interessenvertretung. Außerdem ist zu lesen, dass die Beauftragte neben der Querschnittsaufgabe innerhalb der Landesregierung vor allem die Nöte von Kindern und Jugendlichen vor Ort abfrage und weiterleite.

Es ist sehr schön, dass die Beauftrage in Einzelfällen helfen kann. Allerdings muss die Stelle der Kinder- und Jugendbeauftragten mehr sein, als repräsentative Aufgaben für die Landesregierung wahrzunehmen. Ich sage es einmal plakativ und bitte die Beauftragte, dies nicht persönlich zu nehmen: Die Kinder brauchen keinen Landeskummerkasten und keine Grüßtante der Ministerpräsidentin, sondern eine engagierte Fürsprecherin in der Landespolitik.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Das ist sie auch!)

Das hat der Kollege Garg auch in seinem Redebeitrag ausgeführt: Mehr Lärm um diese Arbeit und das Einsetzen für diese Dinge.

Wenn diese Stelle einen Sinn machen soll, dann muss sich die Person in die fachlichen Diskussionen einmischen und parteiliche Lobbyarbeit für Kinder und Jugendliche betreiben. Die Kinder- und Jugendbeauftragte soll nach Ansicht des SSW keine Bürgerbeauftragte für Kleine sein, sondern eine politische Lobbyistin für Kinderrechte. Denn genau darin liegt die Einzigartigkeit. Wir meinen, dass die Stelle der Kinder- und Jugendbeauftragten erhalten und ausgebaut werden soll.

(Beifall beim SSW)

Wenn die Beauftragte nicht ein eigenständiges Profil bekommt, wenn sie nicht auf Landesebene kritische Lobbyarbeit für die Kinder und Jugendlichen macht, dann wird sie sich auch weiterhin Kritik gefallen lassen müssen. Die Regierung wird sich vorhalten lassen müssen, dass die Stelle ebenso gut auf das Jugendministerium, die Bürgerbeauftragte und das Referat Öffentlichkeitsarbeit der Staatskanzlei aufgeteilt werden kann.

Wir erwarten von der Kinder- und Jugendbeauftragten, dass sie auch einmal öffentlich Forderungen an uns und an die Landesregierung stellt. Deshalb wäre es vielleicht noch einmal erwägenswert, ob die Beauftragte wirklich bei der Ministerpräsidentin bleiben oder an anderer Stelle angesiedelt werden sollte.

(Anke Spoorendonk [SSW]: Beim Parla- ment!)

Wenn nämlich Beauftragte in der Staatskanzlei angesiedelt sind, stehen wir immer wieder vor einem potenziellen Problem: Entweder fehlt es an der notwendigen kritischen Distanz zum Regierungshandeln oder Interessenkonflikte sind nicht auszuschließen. Wir meinen deshalb, dass es am sinnvollsten wäre, die Kinder- und Jugendbeauftragte dem Präsidenten des Schleswig-Holsteinischen Landtages zuzuordnen. Für die Kinder und Jugendlichen wäre dies allemal eine sehr gute Lösung.