Protokoll der Sitzung vom 13.09.2002

Wenn nämlich Beauftragte in der Staatskanzlei angesiedelt sind, stehen wir immer wieder vor einem potenziellen Problem: Entweder fehlt es an der notwendigen kritischen Distanz zum Regierungshandeln oder Interessenkonflikte sind nicht auszuschließen. Wir meinen deshalb, dass es am sinnvollsten wäre, die Kinder- und Jugendbeauftragte dem Präsidenten des Schleswig-Holsteinischen Landtages zuzuordnen. Für die Kinder und Jugendlichen wäre dies allemal eine sehr gute Lösung.

(Beifall beim SSW und vereinzelt bei der SPD)

Für einen Kurzbeitrag nach § 56 Absatz 4 unserer Geschäftsordnung erteile ich jetzt der Frau Abgeordneten Roswitha Strauß das Wort.

Meine Damen und Herren! Ich habe mich noch einmal kurz zu Wort gemeldet, weil ich zwei Dinge sagen möchte.

Erstens. Ich glaube, es ist Aufgabe aller Abgeordneten, sich für die Belange der Kinder und Jugendlichen einzusetzen.

(Beifall bei der CDU und der Abgeordneten Ursula Kähler [SPD])

Niemand kann das bei einer Kinder- und Jugendbeauftragten ablegen.

Frau Heinold, zweitens möchte ich eine Lanze für Eltern brechen. Wenn Sie sagen, dass Kinder keine

(Roswitha Strauß)

Lobby haben, dann unterschlagen Sie die Arbeit Eltern, die sich dieser Aufgabe und dieser Verantwortung jeden Tag und jede Nacht in einem außerordentlichen Maße stellen. Ich möchte das hier richtig stellen.

(Beifall bei der CDU)

Natürlich gibt es auch Eltern, die sich ihrer Verantwortung nicht bewusst sind. Aber wer glaubt, dass er die Belange der Kinder und Jugendlichen auf die Gesellschaft übertragen könnte und ihnen damit gerecht würde, irrt sich gewaltig.

(Beifall bei der CDU)

Die riesigen Probleme, die wir haben, entstehen dort, wo Eltern ihre Aufgaben und ihre Verantwortung nicht wahrnehmen. Insofern möchte ich auch einmal Danke sagen und ein positives Zeichen für alle Eltern setzen, die ihre Aufgaben, ihre Arbeit und ihre Verantwortung im Sinne der Kinder und zum Wohle der Kinder wahrnehmen. Das ist Gott sei Dank die überwiegende Mehrheit.

(Beifall bei der CDU)

Jetzt erteile ich der Frau Abgeordneten Monika Heinold das Wort zu einem Kurzbeitrag.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Strauß, ich kann es kurz machen. Gehen Sie in die Fachkreise des Landes und vertreten Sie dort die Position der CDU, dass die Lobby für Kinder und Jugendliche ausreichend ist, weil die Eltern ihre Aufgabe gut erledigen. Machen Sie das. Viel Spaß dabei!

(Heiterkeit und Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Es folgt noch ein Kurzbeitrag von der Frau Abgeordneten Hinrichsen.

Ich möchte darauf hinweisen, dass wir das Amt der Kinder- und Jugendbeauftragten für wichtig halten. Es gibt Konfliktsituationen, insbesondere auch zwischen Eltern, Kindern und Jugendlichen. Das ist das Eine. Es gibt aber zweitens auch besondere Interessen, die eine Kinder- und Jugendbeauftragte auch uns und unserer Gesellschaft gegenüber zu vertreten hat. Diese Lobbyarbeit, denke ich, können die Eltern in diesem Sinne nicht unbedingt leisten. Ich verweise in

diesem Zusammenhang auf die Kinderrechtskonvention. Darin sind insbesondere Rechte in Bezug auf eigenständiges Denken und Handeln der Kinder selbst niedergelegt. Dafür, dies im Lande zu stärken, ist die Kinder- und Jugendbeauftragte da.

(Beifall bei SSW, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ein Antrag ist nicht gestellt. Damit ist der Tagesordnungspunkt erledigt.

Ich bitte die Geschäftsführer, die für die Tagesordnung geplante Zeit und die Ist-Zeit anzuschauen und daraus die notwendigen Konsequenzen zu ziehen.

Nun rufe ich Tagesordnungspunkt 25 auf:

Förderung von Schulsozialarbeitsprojekten aus ESF-Mitteln Antrag der Fraktion der FDP Drucksache 15/2070

Ich darf fragen: Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Dem scheint nicht so zu sein. Dann eröffne ich die Aussprache. Für die antragstellende Fraktion der FDP hat der Abgeordnete Dr. Ekkehard Klug das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Maßnahmen zur Verringerung des Schulversagens von Hauptschülern sind dann am wirksamsten, wenn sie möglichst früh ansetzen. Projekte, die hierauf ausgerichtet sind, zählen nach Auffassung der FDPFraktion zu den wichtigsten bildungs- und sozialpolitischen Aufgaben.

Die Begründung ist klar: Schulversagen zerstört Lebenschancen und die sozialen Folgekosten eines Scheiterns in der Schule belasten die Gesellschaft und auch die öffentlichen Haushalte in erheblichem Maße. Es ist überhaupt nicht nachvollziehbar, warum die Förderrichtlinien des Landes den Einsatz von Mitteln aus dem Europäischen Sozialfonds (ESF) für Frühförderprojekte, die solchem Schulversagen entgegenwirken, bislang ausschließen.

(Beifall bei der FDP – Vizepräsidentin Dr. Gabriele Kötschau übernimmt den Vorsitz)

Unser Antrag, meine Damen und Herren, fordert die Landesregierung daher auf, ihre Haltung zu ändern. Künftig sollen ESF-Mittel in Schleswig-Holstein auch für Projekte verfügbar sein, die bereits in den unteren Hauptschuljahrgängen ansetzen, etwa nach

(Dr. Ekkehard Klug)

dem Vorbild der Förderpraxis in Baden-Württemberg, wo das Pforzheimer Modell in diesem Bereich seit Jahren sehr erfolgreich praktiziert wird.

(Beifall bei der FDP)

Die Landesregierung hat in den vergangenen Monaten in dieser Frage mit seltsamen Ausflüchten reagiert und dabei auch manche Nebelkerze in die politische Landschaft geworfen. Ende Mai dieses Jahres behauptete das Bildungsministerium in der Antwort auf eine von mir eingebrachte Kleine Anfrage, die Vorgaben der EU-Kommission erlaubten keinen Mitteleinsatz für die unteren Hauptschuljahrgänge. Das Einheitliche Programmplanungsdokument Ziel 3 sehe im Politikbereich C - berufliche und allgemeine Bildung, lebenslanges Lernen - nur Finanzierungsmöglichkeiten für Maßnahmen vor, die älteren Schülern in den letzten Schuljahren zugute kämen. In einem Schreiben der Staatskanzlei vom 07. August wird dagegen explizit erklärt, Schleswig-Holstein hätte auch Maßnahmen nach dem Muster des Pforzheimer Modells in das Förderprogramm der EU einbringen können; man habe sich jedoch 1999 für andere Förderschwerpunkte entschieden. Auf einmal also eine ganz andere Sachdarstellung in einem Brief, der aus der Staatskanzlei stammt.

In einem mir ebenfalls vorliegenden Brief vom 4. September teilt die Vertretung der EU-Kommission in der Bundesrepublik Deutschland außerdem Folgendes mit - ich zitiere -:

„Der ESF-Politikbereich C bildet die Grundlage der Maßnahme 6 des Einheitlichen Programmplanungsdokuments zur Entwicklung des Arbeitsmarktes und der Humanressourcen.

… Entsprechend der Maßnahme 6 (sollen) weiterhin Modellversuche initiiert werden, um die Schulabbrecherquoten und die Zahl der jugendlichen Schulabgänger ohne Hauptschulabschluss zu reduzieren. Inwieweit hierbei ESF-Mittel für derartige Modellversuche erst ab Klassenstufe 8 bewilligt werden dürfen,“

- das war ja die frühere Lesart der Landesregierung -

„legt weder der Politikbereich C noch die Maßnahme 6 ausdrücklich fest.“

In den Leitlinien der EU, auf die in dem Schreiben Bezug genommen wird, ist eine solche Festlegung auf die älteren Schülerjahrgänge auch nicht zu finden. Es wird dort vielmehr darauf Bezug genommen, dass den Jugendlichen das für ihre Eingliederung in den Arbeitsmarkt erforderliche Grundwissen vermittelt wer

den müsse, „insbesondere Lesen, Schreiben, Rechnen“. Ich darf doch wohl annehmen, dass die Landesregierung dies nicht als Bildungsziele ansieht, die erst für 14- oder 15-Jährige einzufordern sind.

(Beifall des Abgeordneten Dr. Heiner Garg [FDP])

Die „Kieler Nachrichten“ haben in einem gestern veröffentlichten Artikel unter Berufung auf den Direktor des Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung, Jürgen Baumert, eine wesentliche Erkenntnis aus der PISA-Studie in Erinnerung gerufen: „Schwache und abweichende Schüler müssen früh und intensiv gefördert werden.“

Damit dies in Schleswig-Holstein künftig besser als bisher möglich ist, sollte der Landtag für den Antrag der FDP-Fraktion stimmen. Ich verweise auch darauf, dass es eine Reihe von Projekten im Lande gibt, die auf eine solche Entscheidung warten. Ein erfolgreiches Projekt gab es in Ratekau, das Ende August, nach zwei Jahren erfolgreicher Arbeit, leider eingestellt werden musste. Es liegt ein Antrag auf Aufnahme in die ESF-Förderung vor. Es besteht die Chance, für solche gut funktionierenden Schulsozialarbeitsprojekte im Hauptschulbereich in Schleswig-Holstein eine Entscheidung zu treffen, ein Signal des Landtages zu geben mit dem Ziel, dass wir hier im Sinne einer Landtagsinitiative, die wir alle einmal gemeinsam unterstützt haben, nämlich Jugendhilfe und Schule besser miteinander zu vernetzen, in Zukunft auch erfolgreich weiterarbeiten können. Ich bitte daher um Ihre Unterstützung.

(Beifall bei der FDP sowie der Abgeordneten Gero Storjohann [CDU] und Angelika Birk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Das Wort hat Frau Abgeordnete Herdejürgen.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wie der Kollege Klug bereits erläutert hat, zielt der Antrag der FDP auf den Programmpunkt 28 des Programms „Arbeit für Schleswig-Holstein - Fördernetzwerke zur Integration benachteiligter Jugendlicher in die berufliche Bildung“. Damit werden Mittel des Europäischen Sozialfonds und hier speziell mit der Zielsetzung, den Schulabbruch bei Übergang in die Praxis zu verhindern, eingesetzt. Im Zusammenhang mit dem vorliegenden Antrag stellt sich die Frage, inwieweit Maßnahmen in Klassenstufen, die nicht unmittelbar dem Einstieg ins Berufsleben vorausgehen, unter diese Zielsetzung zu fassen sind.

(Birgit Herdejürgen)

Davon ausgehend, dass Prävention sinnvoller ist als Intervention, ist die möglichst frühzeitige Förderung benachteiligter Schülerinnen und Schüler grundsätzlich zu begrüßen. Ich halte das für sinnvoll und in dieser Bewertung stimmen wir völlig überein, Herr Dr. Klug.

Es gibt allerdings einige Punkte, die wir in den Ausschussberatungen gern klären würden. Ich hätte zum Beispiel gern Informationen darüber, welche Auswirkungen eine Ausweitung des Maßnahmenkataloges um den Bereich der unteren Klassenstufen für die übrigen Maßnahmen hat, die bisher gefördert wurden. Darüber sollten wir uns im Einzelnen informieren lassen.