Protokoll der Sitzung vom 10.10.2002

Was die FDP und die CDU an Steuersenkungen in ihren Bundestagswahlprogrammen hatten, war im wahrsten Sinne des Wortes unbezahlbar und auch unredlich, weil eben unrealistisch.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Quatsch!)

Wir kennen alle, lieber Kollege Kubicki, die Situation der öffentlichen Kassen insbesondere in den Ländern und Kommunen. Wer in einer solchen Situation mit zwei- bis dreistelligen Milliardenbeträgen operiert, der ist nicht glaubwürdig.

Natürlich muss man in einer konjunkturell schlechten Phase, wie wir sie zurzeit haben, aufpassen, wenn man Steuererhöhungen durchführen will. Es ist klar, dass man zurzeit nicht die Verbrauchsteuern erhöhen sollte, denn dadurch würde der Konsum noch

(Anke Spoorendonk)

weiter sinken und somit das Steueraufkommen nicht wie erhofft steigen. Steuererhöhungen, die also die Konjunktur unmittelbar belasten, lehnt auch der SSW ab.

Dabei kann ich mir eine Bemerkung nun wirklich nicht verkneifen. Wer meint, dass mit Steuererleichterungen oder Steuersenkungen alles andere praktisch von allein passiert, dass wir dann Wachstum und Investitionen und blühende Landschaften bekämen, der macht es sich wirklich auch zu leicht. Dennoch muss es nicht nur erlaubt sein, sondern es ist aus gesellschaftlicher Sicht geradezu notwendig, über Steuererhöhungen, die zur Steuergerechtigkeit beitragen, nachzudenken. Ich frage Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU und der FDP: Ist es gerecht und sinnvoll, dass normale Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit der Lohnsteuer den weitaus größten Teil des Steueraufkommens in Deutschland erbringen, während, wie wir alle wissen, dass viele der großen in Deutschland angesiedelten multinationalen Konzerne kaum oder gar nicht Steuern zahlen?

(Zuruf von der CDU: Das müssen Sie die Regierung fragen!)

- Ja, das tue ich auch.

Herr Stoiber war im Wahlkampf jedenfalls der Ansicht, dass dies nicht in Ordnung war. Also muss man jetzt doch zumindest eine Änderung der Körperschaftsteuer anstreben, die dazu führt, dass das Aufkommen aus dieser Steuer wieder positiv wird.

(Beifall bei SSW und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das hat der Landtag ja auch gefordert.

Jetzt komme ich zu Ihnen. Die Wiedereinführung der Vermögensteuer oder die Änderung der Erbschaftsteuer sind aus unserer Sicht ebenfalls und aus genau dem Grund, den ich vorhin nannte, nämlich Steuergerechtigkeit, mit auf der Agenda. Da können Sie sagen, was Sie wollen. Wenn Sie behaupten, Vermögensteuer sei eine Extrabelastung oder man besteuere etwas zweimal - -

(Zuruf von der CDU: Doppelt und dreifach! - Wolfgang Kubicki [FDP]: Es ist eine Sub- stanzbesteuerung!)

- Ich möchte nur darauf hinweisen, dass es neulich eine OECD-Aufstellung, ich glaube, im „Spiegel“ gegeben hat, woraus hervorgeht, dass die Bundesrepublik, wenn man Vermögen- und Erbschaftsteuer zusammenlegt, nur 2,5 % ihres Steueraufkommens aus eben diesem Bereich holt, während Großbritan

nien, Frankreich, Holland und die Schweiz über 11 % ihres Steuereinkommens aus diesen Steuern holen.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Das sind völlig andere Steuersysteme!)

Die Vermögensteuer gibt es in der Bundesrepublik gar nicht, und die Erbschaftsteuer ist relativ gering. Hier müssen wir zumindest auf europäischem Niveau ankommen.

Wenn jetzt einer sagt, weil er sich informiert hat, in Dänemark gebe es keine Vermögensteuer, dann kann ich hinzufügen, es gibt aber eine Erbschaftsteuer, die es in sich hat, und es gibt Spitzensteuersätze, die es auch in sich haben. Vielleicht sollte man sich auch noch einmal grundsätzlich mit den Spitzensteuersätzen befassen. Gerade diese Steuerarten, die Vermögensteuer und die Erbschaftsteuer kommen fast ausschließlich den Ländern zugute. Man kann nur hoffen, dass auch die unionsgeführten Länder sich am Ende für die SPD-Initiative entscheiden werden. Wie in aller Welt - ich sage es noch einmal - wollen wir sonst die notwendigen Investitionen im Bildungsbereich finanzieren?

(Beifall bei SSW, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Ende der Sparlatte ist längst erreicht.

Ich denke, es ist auch wichtig, sich über das Ehegattensplitting zu unterhalten. Ich denke, dass auch weiter Steuerschlupflöcher geschlossen werden müssen und dass die Ökosteuer neu strukturiert werden muss, sodass die Energie intensiven Betriebe nicht weiter günstiger dastehen als andere Betriebe.

Natürlich sind Steuererhöhungen kein Allheilmittel. Aber von vornherein jegliche Steuererhöhung auszuschließen, ist eine politische Begrenzung, die der SSW entschieden ablehnt.

(Beifall bei SSW, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Mir liegt noch eine Wortmeldung zu einem Kurzbeitrag nach § 56 Abs. 4 der Geschäftsordnung vor. Ich erteile Herrn Abgeordneten Dr. Garg das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Weil hier so viel von Redlichkeit die Rede war: Frau Kollegin Heinold, ich möchte Sie erstens daran erinnern, dass Überprüfen nicht Abschaffen heißt. Sie haben die ganze Zeit davon gesprochen, CDU und FDP hätten beschlossen, das Ehegattensplitting ab

(Dr. Heiner Garg)

schaffen zu wollen. Sehr geehrte Frau Kollegin Heinold, Überprüfen heißt nicht Abschaffen, und abschaffen, wenn wir denn redlich sind, wollen noch nicht einmal die Grünen in den Koalitionsverhandlungen, sondern sie wollen im oberen Bereich abschmelzen.

(Beifall bei FDP und CDU)

Das ist der erste Punkt, wenn wir hier schon über Redlichkeit sprechen.

Zweitens, Herr Kollege Harms, wenn wir uns schon über Redlichkeit unterhalten, dann werde ich es auch kurz vor der Mittagspause nicht zulassen, dass sich hier vorn Redner hinstellen und behaupten, dass bei vererbtem Vermögen keine Leistung dahinter stehe. Es steht sehr wohl eine Leistung dahinter, nämlich die Leistung des Erblassers.

(Beifall bei FDP und CDU)

Ich will auch darauf hinweisen, Herr Kollege Neugebauer, auch wenn Sie das nie kapieren werden, dass es sich dabei bereits um doppelt und dreifach besteuertes Vermögen handelt. Wenn Sie das noch einmal besteuern wollen, müssen Sie das hier klar sagen.

(Beifall bei FDP und CDU)

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Neugebauer?

Ein letzter Punkt, Frau Kollegin Spoorendonk. Wir brauchen uns über die unterschiedlichen Philosophien nicht zu unterhalten. Dass Sie Steuern möglicherweise bis ins Grenzenlose erhöhen wollen, um davon einen Wohlfahrtsstaat zu finanzieren, das mag so sein; das wollen wir nicht. Aber was nicht geht, ist, dass das deutsche Rechtssystem hier in der Argumentation völlig auf den Kopf gestellt wird. Auch Erbschaften stehen unter dem ausdrücklichen Schutz des Artikels 14 Grundgesetz, das heißt unter der Eigentumsgarantie des Grundgesetzes.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU)

Das sollte man vielleicht hier in dieser Debatte auch einmal ganz deutlich sagen.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU)

Wir haben noch zwei weitere Wortmeldungen nach § 56 Absatz 4 der Geschäftsordnung. Zunächst Frau Abgeordnete Heinold!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich mache es auch kurz. Sollte ich vorhin von „Abschaffung des Ehegattensplittings“ gesprochen haben - was ich nicht glaube, aber auch nicht weiß, weil ich frei gesprochen habe -, nehme ich das schon einmal vorsichtshalber zurück. Denn es geht natürlich um eine Reform des Ehegattensplittings und um eine Abschmelzung. Dieses haben wir auch beschlossen, Herr Wiegard. Ich lese Ihnen einmal vor, was wir beschlossen haben.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Aber nicht mit unserer Stimme!)

- Doch! Wir haben zwei Anträge beschlossen,

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Nein!)

einen rot-grünen Antrag, einen Antrag von der FDP. Aus unserem rot-grünen Antrag, in dem eine Passage zum Ehegattensplitting enthalten war, haben CDU und FDP diese Passage in ihren Antrag übernommen. Ich habe das nachgelesen. Das war im Mai 2001. Dann wurden die Anträge alternativ abgestimmt und der Antrag - ich glaube, das war ein FDP-Antrag, der sich mit dem Kindergeld befasste - wurde in geänderter Fassung angenommen. Dort war folgende Passage hineingekommen:

„Der Schleswig-Holsteinische Landtag unterstützt das Ziel, die staatlichen Leistungen weitgehend von der Institution der Ehe auf die Kinder zu verlagern. Zu diesem Zweck soll die geltende Regelung des Ehegattensplittings überprüft werden.“

(Beifall bei der FDP - Wolfgang Kubicki [FDP]: Richtig!)

Diese Passage war ausgesprochen klug formuliert. Ich gehe davon aus, dass Sie zu dieser Passage aus dem Antrag von CDU und FDP auch heute noch stehen.

(Beifall des Abgeordneten Günter Neuge- bauer [SPD])

Deswegen möchte ich Sie herzlich bitten, aus Ihrem heutigen Antrag, in dem Sie ja sagen, dass nichts mehr in Richtung Ehegattensplitting getan werden