Protokoll der Sitzung vom 11.10.2002

„Die Sicherheit der Rohstoffversorgung ist jedoch unbedingt erforderlich, da das Baugewerbe als bedeutendster Wirtschaftszweig an der Bruttowertschöpfung des gesamten Waren produzierenden Gewerbes hierauf angewiesen ist. Voraussetzung für eine gesicherte Versorgung der Wirtschaft mit Rohstoffen ist eine effiziente Ressourcenfor

schung sowie die planerische Sicherung bekannter Lagerstätten.“

Zur Sicherung und Zugänglichkeit der Rohstoffe wurde vor acht Jahren ausgeführt:

„Die bisherigen Untersuchungen ergaben, dass sich in einigen Gebieten jedoch bereits Verknappungstendenzen und somit künftige Versorgungsprobleme abzeichnen, die im Wesentlichen auf die geologisch bedingte ungleiche Verteilung sowie auf die fehlende planerische Sicherung und Zugänglichkeit der Vorkommen zurückzuführen sind.“

Vor diesem Hintergrund ist es ein Skandal, dass der jetzt - acht Jahre später - vom Wirtschaftsministerium vorgelegte Bericht belegt: Man ist nicht einen Schritt weiter. Nichts ist zur langfristigen Rohstoffsicherung getan worden. Im Gegenteil: Es ist davon auszugehen, dass die Versorgungslage schlechter geworden ist, und dies insbesondere unter dem Aspekt der zeitnahen und verkehrsgünstigen Verfügbarkeit.

So räumt die Landesregierung ein, dass bei den gegenwärtigen Genehmigungs- und Ausweisungsverfahren der Schutz von Natur und Umwelt einen deutlichen Vorrang hat und erst bei konkurrierenden Ansprüchen in konkreten Einzelfällen zu Schwierigkeiten geführt hat.

Der Zusatz, dass diese Schwierigkeiten aber bisher kein Anlass sind, generelle Versorgungsengpässe zu befürchten, beruht auf Glauben und Vermuten. Denn die Landesregierung muss weiter einräumen, dass sie weder Kenntnisse über die Gesamtfläche der Vorranggebiete hat noch über die darin vorhandenen Rohstoffreserven. Das haben wir im Wirtschaftsausschuss als nachzuliefern angemahnt.

Es ist von daher nicht nachvollziehbar und irreführend, wenn zwar von 1.100 qkm geologisch erfasster Lagerstätten und Vorkommen geredet wird, aber an keiner Stelle ausgeführt wird, welcher Anteil dieser Flächen überhaupt für einen zukünftigen Abbau als zugänglich betrachtet wird. Konkrete Aussagen über Maßnahmen der Landesregierung, die einer längerfristigen Tendenzaussage Rechnung tragen, fehlen völlig.

Es ist daher dringend geboten, weitere Vorranggebiete in den Regionalplänen auszuweisen. Die Beschränkung der Ausweisung von Vorranggebieten auf bereits genehmigte und im Genehmigungsverfahren befindliche Abbauflächen reicht nicht aus. Oder wollen Sie allen Ernstes den Kiesbedarf für den Bau der A 20, so sie denn kommt, mit Kiesimporten de

(Roswitha Strauß)

cken und die schleswig-holsteinischen Unternehmen kaltstellen?

Zusammengefasst belegt der Bericht acht tatenlose Jahre der Landesregierung, die dem Wirtschaftsstandort Schleswig-Holstein schaden.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der FDP)

Die Sorge der Kiesunternehmen ist mehr als berechtigt.

(Beifall bei CDU und FDP)

Ich erteile der Frau Abgeordneten Dr. HappachKasan das Wort.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Wenn der Kollege Benker sehr launig dargestellt hat, Schleswig-Holstein habe genug Kies, mag das im Sinne des Wortes vielleicht richtig sein. Gleichwohl hat es nicht genug Kies, wie wir am Beispiel Soziale Stadt oder Markttreffs gemerkt haben.

(Jost de Jager [CDU]: Es hat keine Kohle!)

Frau Strauß ist natürlich zuzustimmen, wenn sie sagt: Es ist ein Unterschied, ob wir lediglich genug Kies haben oder ihn auch fördern können. Genau um diese Diskrepanz geht es letztlich bei diesem Thema. Deswegen hat die FDP-Fraktion diesen Berichtsantrag eingebracht.

(Beifall bei der CDU)

Der nachfolgende Tagesordnungspunkt, Ausbau des NOK, macht die Bedeutung von Kies deutlich. Denn wer den NOK ausbauen will, braucht Kies. Wer die A 20 bauen will, braucht ebenfalls Kies. Für die A 21 und diverse Ortsumgehungen gilt das in genau gleicher Weise.

(Beifall bei FDP und CDU)

Kies ist kein beliebiger Rohstoff. Er kann nur sehr begrenzt durch recyceltes Baumaterial ersetzt werden. Auch wenn die Beschlussfassung des Wirtschaftsausschusses darauf Wert legt, bin ich gleichwohl dankbar, dass der Wirtschaftsausschuss einen Beschluss gefasst hat und bei den betroffenen Unternehmen nachfragen will, wie die Ausweisepraxis vor Ort ankommt.

Kies ist ein wertvoller Rohstoff. Aber sein Transport ist im Verhältnis zum Wert des beförderten Gutes ausgesprochen teuer. Eine fehlende Ausweisung von

Flächen zur Kiesförderung führt zwangsläufig zu einer Verlängerung der Transportwege, zu einer Verteuerung der Baumaßnahmen und gleichzeitig zu einem erheblichen CO2-Ausstoß.

(Beifall bei FDP und CDU)

Eine Verlängerung des Transportweges von 25 km von der Kiesabbaustätte bis zum Ort der Weiterverarbeitung bei einer Abbaumenge von 3 Millionen t bringt eine zusätzliche CO2-Belastung von 10.800 t. Das sollte man sich immer einmal vor Augen führen.

Zur Verwirklichung ehrgeiziger Infrastrukturprojekte wie dem Bau der A 20 ist die ortsnahe Bereitstellung von Kiesabbauflächen eine wichtige Voraussetzung. Für die mittelständischen Betriebe ist die Planungssicherheit ebenso wichtig. Dafür ist erforderlich, dass beendete Abbauvorhaben kontinuierlich durch gleichwertige neue ersetzt werden. Angesichts der hohen Anforderungen an Planfeststellungsbeschlüsse und der Neigung der Behörden, die Abbauflächen von beantragten Abbauvorhaben möglichst zu verringern, ist dies eine sehr schwierige Aufgabe.

Es ist richtig: In Schleswig-Holstein gibt es etwa 1.100 qkm geologisch erfasste Lagerstätten und Vorkommen des Rohstoffes Kies. Das klingt ganz gut. Allerdings heißt es im Arbeitsmaterial der Akademie für Raumordnung und Landesplanung zum Planungsraum I:

„Die großräumigeren Vorbehaltsgebiete umfassen z. T. auch Flächen, die mit Infrastruktureinrichtungen wie Straßen und Versorgungseinrichtungen … belegt sind. In einigen Vorranggebieten sind die Lagerstättenvorräte zum überwiegenden Teil abgebaut.“

Die Konfliktpotenzialanalyse des LANU aus dem Jahr 1998 zeigt, dass damals in diesem Planungsraum 85 % der Flächen eine Überlappung mit Naturschutzfachplanungen sowie mit Wald aufwiesen.

Die Aussagen zum langfristigen Versorgungszeitraum sind ebenfalls ungenau. Sie beschränken sich im Wesentlichen darauf, dass ausgehend von der derzeit im Durchschnitt für das Land gegebenen Versorgungssicherheit für die nächsten zehn Jahre gehofft oder vermutet wird, dass „innerhalb dieses Zeitraumes erschöpfte Gewinnungsstätten durch Inbetriebnahme neuer ersetzt werden“. Es ist eine Hoffnung. Ob sie sich erfüllt, wissen wir nicht.

Wesentlich ist, dass vergessen wurde zu erwähnen, dass es sich bei den zehn Jahren um einen statistischen Mittelwert handelt und in einigen Gebieten die Genehmigungen für den Abbau bereits in fünf Jahren

(Dr. Christel Happach-Kasan)

auslaufen. Sie erreichen auch nicht den Planungszeitraum von 15 Jahren, der für Raumordnungspläne gilt.

Von den 30 Jahren, die nach Aussage der Abteilung als Planungszeitraum für die langfristige Rohstoffsicherung angesehen werden, reden Sie schon überhaupt nicht mehr. Von daher ist es dringend, dass wir uns mit diesem Thema beschäftigen, auch wenn es am Freitagnachmittag ist und jeder nach Hause will.

(Beifall bei der FDP)

Ein weiteres Dilemma ist die Praxis der Ausweisung von Vorranggebieten. Es werden fast nur die Gebiete als Vorrangflächen ausgewiesen, die bereits für den Abbau genehmigt sind oder wo der Abbau unmittelbar bevorsteht. Das hat nichts mehr mit einer Planung für die Zukunft zu tun, sondern mit der Abarbeitung bestehender Ansprüche. Insgesamt wird nur ein Bruchteil der für eine langfristige Rohstoffsicherung, also besagte 30 Jahre, benötigten Fläche in den Regionalplänen ausgewiesen.

Außerdem reden Sie beim Abbau von Kies immer von Flächenverbrauch. Das ist falsch. Durch den Abbau der Kiesvorräte wird eine Fläche lediglich in Anspruch genommen. Danach ist sie nach dem Landesnaturschutzgesetz sogar vorrangig der natürlichen Entwicklung zu überlassen. Diese Fläche ist nicht verbraucht worden. Es gibt sie immer noch. Nachher dient sie dem Naturschutz.

(Beifall bei FDP und CDU)

Ich habe den Eindruck, dass sich die Solidarität dieser Landesregierung mit der Hansestadt Hamburg in sehr engen Grenzen hält. Wie soll eigentlich die Stadt Hamburg ohne große Kiesimporte aus England und Portugal auskommen, wenn gerade im Planungsraum I nicht genug Abbauflächen für die Zukunft gesichert sind?

„Zur Verbesserung der Standortbedingungen für die Wirtschaft sind in erforderlichem Umfang Flächen vorzuhalten, die wirtschaftsnahe Infrastruktur auszubauen sowie die Attraktivität der Standorte zu erhöhen.“

(Glocke des Präsidenten)

Frau Abgeordnete, kommen Sie bitte zum Schluss.

Ich komme zum Schluss.

„Für die vorsorgende Sicherung sowie die geordnete Aufsuchung und Gewinnung von standortgebundenen Rohstoffen sind die räumlichen Voraussetzungen zu schaffen.“

Das ist nicht das Wahlprogramm der FDP, sondern der entsprechende Gesetzestext.

(Beifall bei FPD und CDU)

Ich erteile das Wort Herrn Abgeordneten Hentschel das Wort.

Danke, Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn sich der Landtag mit dem Wort Kies beschäftigt, denken wir natürlich zunächst an den klammen Landeshaushalt und die Diätenreform. Das ist der Kies, der uns alle angeht und der die Öffentlichkeit bewegt.