Protokoll der Sitzung vom 15.11.2002

auf Mallorca. Da werden Sie die hohe Nachfrage nach speziellen gesundheitlichen Leistungen in Polikliniken und bei Fachärzten durch deutsche Residenten finden, die übrigens nach wie vor ihren ersten Wohnsitz hier haben. Das ist eine ganz spannende Sache.

Frau Ministerin, wenn Sie gesagt haben, dieser Bericht beziehe sich ausschließlich darauf, was in der Grenzregion, also zwischen Schleswig-Holstein und den skandinavischen Staaten passiert, dann will ich mich gern daran halten. Aber ich möchte im Ausschuss schon die Frage diskutieren: Wie viele Schleswig-Holsteiner fragen im Ausland Gesundheitsleistungen nach?

Das heißt, es ist zu monokosal oder es ist zu einfach, wenn die Krankenkassen beispielsweise davor gewarnt haben, wenn wir norwegische Patientinnen und Patienten oder dänische Patientinnen und Patienten in unseren Krankenhäusern behandeln würden, müssten deutsche Patientinnen und Patienten darunter leiden.

Die Frage ist auch, welche deutsche Patientinnen und Patienten eigentlich entsprechend stationäre Leistungen in Zukunft im Ausland wahrnehmen, aus welchem Grund auch immer. Das sind Kassenpatienten, das sind aber zum Teil auch Selbstzahler. Alle diese Fragen gehören zumindest auf die Tagesordnung der Diskussion im Sozialausschuss, weil es nämlich eine ganz spannende Frage ist, welcher Austausch, welche Wechselwirkung da eigentlich hinsichtlich der unterschiedlichen Systeme besteht.

Meine Damen und Herren, man muss ja die Redezeit nicht ausschöpfen. Ich möchte deswegen an Sie alle wirklich nur herzlich appellieren: Dieses Thema ist so spannend und dahinter steckt so viel Zündstoff, weil wir es nämlich erleben werden, dass natürlich durch das Vorschaltgesetz unsere Kliniken in einen ganz erheblichen Kostendruck kommen und dass das selbstverständlich auch auf die Patientenversorgung Auswirkungen haben wird.

(Beifall der Abgeordneten Christel Aschmo- neit-Lücke [FDP])

Deswegen lassen Sie uns doch bitte wenigstens bei diesem Thema in aller Ruhe im Ausschuss eine offene und ehrliche Analyse anstellen und uns dann überlegen, wie wir möglicherweise auf die Bundesgesetzgebung, aber auch auf die europäische Ebene einwirken können, dass es zu einem vernünftigen Austausch, zu einem internationalen Austausch bei der Inanspruchnahme und bei der Lieferung von Gesundheitsleistungen von Deutschland in andere Staaten und von anderen Staaten in die Bundesrepublik kommen kann.

Ich glaube, damit ist uns sehr viel weiter geholfen als mit gegenseitigen Anschuldigungen, hier wären zu wenig Patienten oder - wie von Ihrer Seite, Frau Höfs - man müsse nur einmal irgendwohin reisen. Ich bin da auch nicht mitgefahren, Frau Höfs, und ich glaube trotzdem zu gesundheitspolitischen Themen hier weiterhin sprechen zu dürfen.

(Beifall bei der FDP und des Abgeordneten Uwe Greve [CDU])

Das Wort hat Frau Abgeordnete Birk.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir diskutieren diesen Bericht zu einem guten Zeitpunkt, denn es ist ja längst auch auf europäischer Ebene auf die von Herrn Dr. Garg gerade skizzierten Patientenströme reagiert worden. Es gibt seitens der Gesundheitsminister auf EU-Ebene - so berichtet ja diese Drucksache - seit Juli 2002 einen Austausch über die Ausweitung der Möglichkeiten der grenzüberschreitenden Inanspruchnahme medizinischer Leistungen und entsprechend eine Verordnung 1408/71; dann gibt es auch mit 312 Millionen € ein Finanzprogramm von 2003 bis 2008. Jetzt, gerade im November, wird ein Programmausschuss zur näheren Präzisierung der Ansätze des Aktionsprogramms geplant.

Ich denke, es wäre schön, wenn wir dann im Laufe der Beratungen des Ausschusses ein bisschen mehr darüber erfahren könnten, ob das, was dort geplant wird, mit uns etwas zu tun hat.

Sehr konkret wird die Frage auch, wenn wir uns die DRGs vor Augen halten. Ich habe gelernt, dass man offensichtlich in anderen Staaten zum Beispiel ein Krankenhaus erst für geeignet hält, sich auf das Thema Brustkrebsoperationen zu spezialisieren, wenn im Jahr 200 Fälle auftreten. Das dürfte in SchleswigHolstein den meisten Kliniken schwer fallen. Man verhandelt deshalb auch schon über ganz andere Größenordnungen.

Da ist es natürlich interessant zu lesen - auf Seite 11 des Berichts -, dass 100 Patientinnen offensichtlich zwischen Dänemark und Schleswig-Holstein in einer kleinen Patientenbrücke eine sichere Behandlung erfahren können, dass es darüber zumindest im Bereich der Strahlenbehandlung jährliche Vereinbarungen gibt.

Es ist wichtig zu wissen, dass wir offensichtlich da, wo sich die Dänen schon länger mit dem Thema be

(Angelika Birk)

fassen, eine richtig feste Vereinbarung haben, wer welche Spezialisierung in der Grenzregion macht. Das halte ich in einem dünnbesiedelten Gebiet, wie es nun einmal die deutsch-dänische Grenzregion ist, für sehr sinnvoll.

In de Zusammenhang ist dann auch einzuordnen, dass sich die Rheumaklinik in Bad Bramstedt im Jahr 2000 - das sind übrigens neuere Zahlen, Herr Kalinka, nicht nur die von 1999 - über 140 dänische Patientinnen und Patienten freuen kann. Warum sage ich „freuen kann“? - Natürlich haben wir gerade auch im Rahmen der DRGs das Interesse der Kliniken - Herr Garg hat das hier angedeutet -, nun außerhalb des Budgets weiterhin behandeln zu können, um damit die Kasse aufzubessern.

Das dürfen wir schon nicht so ganz außer Acht lassen. Das ist einerseits sicherlich sinnvoll, wo es um die grenzübergreifende Spezialisierung geht, und da bildet natürlich, auch wenn das Meer dazwischen liegt, Norwegen auch eine Grenze mit uns, aber auf der anderen Seite möchte ich schon einer Entwicklung nicht Vorschub leisten, die zu einer Spezialisierung führt, die dann in Regelleistungen einen Einzugsbereich von hier bis zum Nordpol hat.

Das müssen wir uns schon gut überlegen, wie viel Spezialisierung wollen wir, die dann natürlich auch ein bestimmtes Ausmaß an Operationen im Jahr erforderlich macht, um immer auf dem neuesten Stand zu sein, und wo ist das Thema Regionalversorgung einschließlich der Möglichkeiten, sich zum Beispiel auch von Angehörigen während eines Krankenhausaufenthaltes besuchen zu lassen und so weiter, angesagt. Was muss Priorität haben?

Insofern finde ich es sehr gut, dass wir uns zum jetzigen Zeitpunkt mit diesen Fragen beschäftigen, wo alles noch am Anfang steht.

Auch habe zur Kenntnis genommen, dass immerhin die norwegische Regierung im Jahr 2001 eine Milliarde Norwegische Kronen für den Kauf von Gesundheitsdienstleistungen im Ausland bereithält. Das ist eine Stange Geld. Das fließt nicht alles nach Schleswig-Holstein, aber es ist natürlich - auch wenn in Zukunft vielleicht die Wartelisten in den Krankenhäusern abgebaut sind - eine Aussage.

Ich möchte in dem Zusammenhang auch noch einmal auf das Thema Ärzte und Pflege zu sprechen kommen. Es ist ja kein Geheimnis, dass viele deutsche Ärztinnen und Ärzte nach Skandinavien auswandern und dort mit lukrativen Verträgen gelockt werden. Wir können also schon sagen, unsere Unikliniken bilden einen erheblichen Anteil der Spezialisten der Zukunft für Skandinavien aus.

Es ist unüblich, dass Universitäten von den abnehmenden Krankenhäusern oder Ländern dafür Geld verlangen können, aber ich frage: Was kriegen wir auf der anderen Seite dann auch zurück? Denn - so meine ich - es sollte schon nicht nur ein einseitiger Austausch sein.

Auf der anderen Seite ist es ja so, dass die Skandinavier in der Pflege sehr viel weiter sind als wir; sie haben hierfür ja auch eine Fachhochschulausbildung. Ich finde es schon interessant, dass die zum Beispiel Uniklinik in Lübeck im Bereich der Pflege Kontakte zur Uniklinik in Oslo geknüpft hat und dass man dort - noch sehr vorsichtig; das ist alles noch in den Anfängen - darüber nachdenkt, wie man wechselseitig davon profitieren kann, indem man beispielsweise auch einen Pflegepersonalaustausch macht. Das ist auch etwas, wovon wir wiederum profitieren könnten, weil wir ja offensichtlich in der fachlichen Ausbildung, gerade was Aufstieg und wissenschaftliche Fundierung angeht, noch nicht so weit sind.

Insofern also ein Thema, das uns mehr als einmal beschäftigen wird. Hierin gebe ich Herrn Garg und auch Frau Höfs ausdrücklich Recht, die die Notwendigkeit und die Vorteile von grenzüberschreitenden Besuchen denjenigen, die aus verschiedensten Gründen nicht mit nach Oslo fahren konnten, vor Augen geführt haben.

Ich hoffe, dass wir in einer sachlichen und mit guten Zahlengrundlagen ausgestatteten Gesprächssituation im Sozialausschuss die Beratungen fortsetzen und dass dann auch der Herr Kalinka zu seinen sachlichen Fragen zurückfindet.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD - Zuruf des Abgeordneten Werner Kalinka [CDU])

Ich erteile der Frau Abgeordneten Hinrichsen das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Als einem vor einigen Jahren die Notarztwagen aus Flensburg plötzlich auch in Padborg begegneten, war es noch ein seltsames Gefühl. Mittlerweile ist es Alltag: Die Flensburger Feuerwehr fährt nämlich mit Blaulicht durch die dänische Grenzstadt. Heute sind die rot-weißen deutschen Rettungswagen wohl das sichtbarste Beispiel für pragmatische Zusammenarbeit bei der Krankenversorgung im Grenzland.

(Silke Hinrichsen)

Auch in der klinischen Behandlung von Kranken haben wir mittlerweile gute Erfahrungen gemacht. Die Beispiele lassen sich bisher immer noch an wenigen Fingern abzählen, aber die wichtigen ersten Erfahrungen sind vielfach schon gemacht worden. Stichworte sind hier die Behandlung dänischer Patienten in Flensburg, Kiel, Damp und Bad Bramstedt oder die norwegische „pasientbro“.

Diese Behandlungen an Krankenhäusern im Land, die durch andere Staaten finanziert werden, sind für Schleswig-Holstein zuerst unter einem wirtschaftpolitischen Aspekt aktuell. Die Landesregierung hat hier gemeinsam mit der Krankenhausgesellschaft vieles getan, um die wirtschaftlichen Interessen der heimischen Krankenhäuser im Ostseeraum zu vertreten.

Der Sozialausschuss - darüber wurde vorhin schon gesprochen - war erst vor wenigen Wochen in Begleitung der Krankenhausgesellschaft und der Krankenkassen in Oslo und hat die Kontakte weiter vertieft. Die grenzüberschreitende Zusammenarbeit hat aber auch gesundheitspolitische Aspekte. Mittlerweile geht es schon nicht mehr nur darum, dass unsere skandinavischen Nachbarn ihre Wartelisten abbauen, indem sie hier ganz bestimmte Operationen oder Behandlungen einkaufen.

Heute wird auch ganz konkret über eine Zusammenarbeit über die Grenze hinweg gesprochen. So führt zum Beispiel die Stadt Flensburg gegenwärtig Gespräche mit Sønderjyllands Amt über gemeinsame Projekte in der Gesundheitsversorgung. Außerdem hat der SSW in Flensburg die Initiative zur Planung von grenzüberschreitenden Projekten der vorbeugenden Gesundheitsförderung ergriffen. Diese Initiative unter dem Stichwort „Gesunde Stadt“ wird von den anderen Flensburger Fraktionen unterstützt.

Wir erwarten, dass die Landesregierung diese ersten grenzüberschreitenden Schritte in der Gesundheitspolitik positiv begleiten und auch fördern wird.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD und Beifall der Abgeordneten Angelika Birk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Es geschieht also schon einiges, aber alles steckt noch in den Kinderschuhen.

Deshalb lassen sich wohl auch nicht immer Erfahrungen vermeiden - wie am Krankenhaus in Flensburg -, dass eine verstärkte Inanspruchnahme der strahlentherapeutischen Einrichtungen zu Engpässen für Patientinnen und Patienten aus Schleswig-Holstein führt. Das Problem ist durch einen zweiten Linearbeschleuniger wieder behoben worden, aber wir stimmen der Landesregierung zu - so steht es auch in dem Bericht;

das halte ich für ganz wichtig -: Die Sicherstellung der Versorgung der Bevölkerung im Land muss Vorrang haben.

Eine theoretische Möglichkeit, solche Probleme zu verhindern, ist natürlich eine grenzüberschreitende Planung im Gesundheitswesen, wie sie die Landesregierung anstrebt. Wir halten so etwas allerdings für etwas unwahrscheinlich.

Die ganz unterschiedlichen Systeme der Versorgung und Finanzierung von Gesundheitsleistungen nördlich und südlich der Grenze lassen so etwas gegenwärtig unrealistisch erscheinen. Zudem ist es gerade ein Kennzeichen der dänischen Position in der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit, dass unsere nördlichen Nachbarn nicht der Zusammenarbeit wegen die Zusammenarbeit wählen, sondern aufgrund von pragmatischen, handfesten Vorteilen in klar umrissenen Bereichen. Deshalb wird es wohl auch künftig eher um Zusammenarbeit in Bezug auf konkrete Probleme als um eine umfassende Planung von Gesundheitsdienstleistungen gehen.

Herr Kalinka, ich kann Ihnen jetzt sogar verraten, woher Sie Ihre Zahl mit 280.000 haben; die steht nämlich im Bericht. Vielleicht haben Sie den Bericht ja auch zufällig gelesen. Sie haben dort nämlich leider ein Wort übersehen: „Ausgangspunkt für die ‚pasientbro’ waren Wartelisten“. „Waren“. Ich weiß nicht, ob Sie das Wort kennen, aber das beschreibt, dass das in der Vergangenheit so gewesen ist.

Darüber hinaus ist auch ausdrücklich in diesem Bericht hineingeschrieben worden, dass das norwegische Parlament insgesamt 1 Milliarde Norwegische Kronen zwar zur Verfügung gestellt hat für den Einkauf bestimmter Gesundheitsleistungen, aber nicht pro Jahr - darauf möchte ich gern hinweisen -, und es hat die Ausschreibung gegeben - wenn Sie den Bericht weiter gelesen hätten, wüssten Sie das - und diese Ausschreibungsfrist, an der sich schleswig-holsteinische Krankenhäuser beteiligt haben, ist erst im Februar 2001 ausgelaufen. Dann waren weitere Verhandlungen nötig und darüber hinaus war es auch so, dass die gesamte Ausschreibung europaweit stattfand. Wie Sie vielleicht weiter wissen, sind bei den Patienten die spezifischen Gegebenheiten zu berücksichtigen, wonach es natürlich klar ist, dass die Gesundheitsleistungen hauptsächlich im Nachbarland Schweden nachgesucht wurden; die Schweden hatten sich nämlich ebenso darum bemüht und es bietet sich wegen der Nähe doch an, eher nach Schweden zu gehen.

(Glocke der Präsidentin)

Frau Abgeordnete, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Kalinka?

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD)

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich schließe damit die Beratung.

Es ist beantragt worden, den Bericht der Landesregierung dem Sozialausschuss und dem Europaausschuss zur abschließenden Beratung zu überweisen. Wer so beschließen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? Dies ist einstimmig so beschlossen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 16 auf: