Herr Kollege Kubicki, es gibt, wie Sie wissen, unter Völkerrechtlern hierzu unterschiedliche Auffassungen. Sie wissen, dass das Völkerrecht nicht durch ein oberstes Gericht abschließende Entscheidungen feststellen lassen kann. Ich glaube, dass wir nicht gut beraten sind, wenn wir als Schleswig-Holsteinischer Landtag praktisch per Abstimmung über Völkerrechtswidrigkeit in einer solch schwerwiegenden Frage entscheiden.
Ich möchte Ihnen das begründen. Mit Erlaubnis der Frau Präsidentin zitiere ich aus dem „Spiegel“ vom 30. Dezember 2002 den Bundesminister des Äußeren, Herrn Joschka Fischer:
„Schon seit Wochen versucht Joschka Fischer, die Deutschen auf eine Kehrtwende vorzubereiten. Kurz vor Weihnachten befand er, ein Krieg gegen Saddam wäre völkerrechtlich schon mit der alten UNOResolution 1441 vom November legitimiert, was bisher von Deutschen und Franzosen stets bestritten wurde. ‚Es bedarf keiner zweiten Resolution’...“
Das ist die Auffassung des Bundesministers für auswärtige Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland, Joschka Fischer, Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, im Deutschen Bundestag in Berlin.
Wenn das so ist, sollten wir als Schleswig-Holsteinischer Landtag uns an das halten, was uns die Verfassung vorgibt. Wir sind das Organ der obersten politischen Willensbildung bezogen auf die Angelegenheiten des Landes, wie sie die Verfassungsordnung wiedergibt. Ich glaube, dass wir alle gut beraten sind, uns an diese Grenzen zu halten und nicht per Beschluss des Landtages eine Völkerrechtsfrage zu entscheiden, die enorme Bedeutung für die Beziehungen der Bundesrepublik im Äußeren hätte. Sie würde bedeuten, dass wir keine deutschen Soldaten im Awacs-Bereich in der Türkei einsetzen dürften, dass wir keine Patriot-Systeme nach Israel oder in die Türkei senden dürften und dass wir auch die FuchsSpürpanzer aus Kuwait abziehen müssten.
Auch das muss man deutlich sagen, denn bei einer völkerrechtswidrigen Aktion wären alle diese Unterstützungshandlungen, die Beteiligungshandlungen sind, völkerrechtlich versagt. Auch hierüber bitte ich nachzudenken. Deswegen bleibe ich bei unserem Vorschlag, den wir Ihnen vorhin unterbreitet haben.
Ich glaube, wir haben eine gute Debatte geführt, in der die unterschiedlichen Meinungen deutlich geworden sind. Ein Bedarf zur Beschlussfassung besteht nicht. Deswegen haben wir Ihnen angeboten: Lassen Sie uns alle Resolutionen zurückziehen. Die Meinungen sind für die Bevölkerung deutlich geworden. Sollten Sie dabei bleiben, dass Sie abstimmen wollen, werden wir Alternativabstimmung beantragen und dann zu unserer Resolution stehen.
Bevor ich Herrn Abgeordneten Fischer das Wort erteile, möchte ich zunächst auf der Tribüne die Seniorengruppe der Anschar-Kirchengemeinde Neumünster und Besucher der beruflichen Schule des Kreises Nordfriesland/Husum begrüßen. - Herzlich willkommen!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Stritzl, wir trauen uns ja sehr viel zu, aber eines tun
wir hier wirklich nicht: Wir stimmen hier nicht über die Frage der Völkerrechtswidrigkeit ab. Das ist gar nicht Inhalt des Antrages, sondern unser Anliegen ist, unsere politische Meinung zu äußern, wir formulieren „nach Auffassung“und nichts anderes.
Damit machen wir genau das, was Sie gerade gefordert haben: Wir nehmen an der politischen Willensbildung in diesem Land teil. Das ist tatsächlich unsere vornehmste Aufgabe.
In keiner einfachen Debatte haben wir diesen Antrag hinbekommen. Ich darf an dieser Stelle allen Beteiligten ganz herzlich danken, dass sie angesichts der großen Verantwortung, die sie mit diesem Antrag übernehmen, bei diesem schwierigen, komplexen Thema über ihren Schatten gesprungen sind und dass es zu diesem gemeinsamen Antrag gekommen ist.
Der gemeinsame Antrag fasst die zentralen politischen Punkte der vorliegenden Anträge zusammen und macht damit eindeutig die politische Haltung der Unterzeichner in diesem Hause klar. Um nichts anderes geht es. Die Bürgerinnen und Bürger dieses Landes haben ein Recht darauf, die politische Haltung dieses Parlaments in dieser wichtigen Frage zu kennen.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Kollege Klug wird zu einem anderen Thema etwas sagen und nicht zu den Ausführungen des Kollegen Stritzl. Deshalb haben wir uns darauf verständigt, Herr Kollege Stritzl, dass ich Ihnen als Erstes antworte.
Ich bin erstaunt, werter Herr Vizepräsident, dass Sie die Rolle des Landtages in einer Art und Weise sehen, wie Sie sie bisher nicht gesehen haben. Ich kann mich an Beschlüsse des Landtages erinnern wie „das Kernkraftwerk Brokdorf ist sicher“ und bestimmte Maßnahmen, von wem auch immer, seien rechtswidrig. Ich kann mich erinnern, als ein Publikationsorgan in
Bezug auf den ehemaligen Ministerpräsidenten Björn Engholm etwas publiziert hatte, haben Sie beschlossen, das sei rechtswidrig, weil es ein Eingriff in die Persönlichkeitsrechte sei. Uns allen ist klar, dass wir kein Gericht sind.
Ich rede zur Sache: wenn Sie das nicht verstehen, tut es mir für Sie Leid, meine lieben Kolleginnen und Kollegen von der Union.
Die Sache ist die, dass wir bedauerlicherweise keinen Weltgerichtshof haben, der auf Antrag einer Nation darüber entscheiden kann, ob etwas völkerrechtswidrig ist oder nicht. Deshalb sind wir berufen. Wer denn sonst? Das erwarten doch die Menschen von uns, dass wir unserer Meinung Ausdruck geben, ob diese Verhaltensweise völkerrechtswidrig ist oder nicht. Aber wenn ich Sie richtig verstanden habe, Herr Kollege Stritzl, dann nehmen Sie dazu gar keine Stellung, weil Sie uns ja sagen wollen, Sie wissen nicht, ob es völkerrechtsgemäß ist, und Sie wissen auch nicht, ob es völkerrechtswidrig ist. Eigentlich wollen Sie gar nichts dazu sagen und deshalb frage ich mich, warum Sie irgendetwas dazu sagen.
Sie müssen hier bitte sagen, Herr Kayenburg, Herr Graf Kerssenbrock, Herr Maurus und alle anderen von der Union, ob Sie das Vorgehen der Amerikaner und der Briten für völkerrechtsgemäß halten, für legitimiert halten, und zwar nicht aus politischen Gründen, weil wir eine gleiche Wertegemeinschaft haben, sondern weil es rechtmäßig ist. Das will ich hören. Das ist eine saubere Position. Darüber können wir uns unterhalten, wie wir in der Öffentlichkeit damit umgehen. Wir halten es für rechtswidrig und sagen das und wir wollen das auch festgestellt wissen. Wir freuen uns, dass die Mehrheit des Hauses mit uns der gleichen Auffassung ist, und deshalb werden wir dabei bleiben, Herr Kollege Stritzl.
Verehrte Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich freue mich außerordentlich, dass es uns gelungen ist,
in dieser Frage zu einer gemeinsamen Resolution mit vier Fraktionen des Landtages zu kommen. Ich bedanke mich auch bei allen, dass wir einen Schritt aufeinander zugegangen sind. Ich bin stolz auf die Regierung in Berlin, dass sie eine so klare Position in der Frage hat.
Ich kann mir vorstellen, dass es Sie ärgert, aber ich bin stolz darauf. Mir war es ein Anliegen, bei der Abstimmung eine Formulierung zu finden, die deutlich macht, dass wir hinter dieser Regierung stehen, dass wir diese Position unterstützen und nicht durch die Hintertür noch ein Bein stellen. Deswegen finde ich, dass die Formulierung, die wir gefunden haben und die klar unsere Position und die Meinung des Landtages ausdrückt, ohne dass wir damit irgendwelche rechtlichen Konsequenzen oder Ähnliches implizieren, eine Position ist, die richtig ist. Es steht dem Landtag an, in dieser Weise seine Meinung zu äußern. Ich bedanke mich einmal und hoffe, dass möglichst viele zustimmen.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich kann es kurz machen, weil der Kollege Fischer im Grunde schon das vorweggenommen hat, wozu ich mich gemeldet hatte. Ich möchte aber noch einmal festhalten, die Fraktionen, die jetzt diesen Antrag tragen, haben sich zusammengetan, um hier an der Meinungsbildung teilzunehmen und den Menschen im Lande zu sagen, wie wir nicht rechtlich – das ist nicht das Zentrale -, sondern politisch und als Bürger dieses Landes die internationale Situation und den Krieg im Irak einschätzen.
Wer nur rechtlich denkt, juristisch denkt, springt zu kurz, denn alle wissen natürlich, dass Normen in der internationalen Politik sich entwickeln. Natürlich gibt es kein Grundgesetz der internationalen Politik. Das gibt es nicht. Aber hier in diesem Hause sagen wir, dass das, was im Irak im Moment abläuft, eine Verletzung des Völkerrechts ist. Dafür gibt es ganz viele gute Gründe, das zu behaupten, und dabei bleiben wird. Wir sollten jetzt nicht irgendwelche – ich mag das Wort fast nicht benutzen – Nebenkriegsschauplätze aufmachen. Es ist wichtig, an der zentralen Aussa