Gerade deshalb bleiben wir bei unserer Haltung, dass das Hartz-Konzept erst einmal vernünftig umgesetzt werden muss, bevor man weitere Schritte zum Beispiel beim Kündigungsschutz anpeilt.
Der rot-grüne Änderungsantrag zielt genau in diese Richtung. Auch die überfälligen Reformen der Bundesanstalt für Arbeit müssen erst einmal vor Ort greifen, und es ist ja noch nicht lange her, dass wir sie beschlossen haben.
Den Arbeitsämtern kommt in Zukunft eine Schlüsselrolle zu, wenn zum Beispiel die so genannten Personalserviceagenturen durch ihr Leiharbeiterangebot zur notwendigen Flexibilisierung des Arbeitsmarktes beitragen sollen. Was die Herkulesaufgabe des Umbaus des Sozialstaates angeht, warnen wir davor, nur am System herumzudoktern. Wer die Lohnnebenkosten signifikant und nicht nur um ein halbes oder um ein Prozent senken will, muss endlich einen großen Schritt in Richtung steuerfinanzierte Sozialleistungen gehen,
die dann zum Beispiel durch die Mehrwertsteuer oder Ökosteuer finanziert werden könnten. Dass dies auch ohne grundlegende Einschnitte in den Sozialstaat funktioniert, konnten wir in der Vergangenheit in den Niederlanden und auch in den skandinavischen Ländern sehen.
Darüber hinaus plädiert der SSW auch dafür, in dieser schweren wirtschaftlichen Situation die MaastrichtKriterien so anzupassen, dass Bund und Länder mehr Spielräume für die dringend notwendigen Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur oder für die öffentlichen Bauaufträge bekommen.
Weiterhin könnte die Erhöhung der Investitionen benutzt werden, um die Landesmittel im Bereich der EU-Förderprogramme, sei es für die Sozialfonds, für die GA-Förderung, für die Regionalprogramme oder für die Werftenhilfe, aufzustocken. Denn gerade in diesen Bereichen hat es in den letzten Jahren einen massiven Einbruch bei den landeseigenen Investitionen gegeben. Alle Erfahrungen zeigen aber, dass diese Direktinvestitionen den größten positiven Arbeitsplatzeffekt vor Ort haben.
Das gilt auch für Investitionen der Kommunen. In diesem Zusammenhang muss man ebenfalls deutlich machen, dass das von der Bundesregierung vorgeschlagene Kreditfinanzierungsprogramm für die Kommunen sehr wahrscheinlich erfolglos bleiben
wird, weil die Kommunen, zumindest in SchleswigHolstein, schon völlig überschuldet sind und keine weiteren Kredite, auch wenn sie billig sind, aufnehmen wollen. Viele dieser Weichenstellungen können nur auf Bundesebene in Gang gebracht werden.
Im Zusammenhang damit begrüßt es der SSW, dass sich der Wirtschaftsminister zusammen mit seinen Kollegen der anderen Bundesländer auf der Wirtschaftsministerkonferenz im Dezember 2002 auf einen umfassenden Forderungskatalog für die mittelständische Wirtschaft geeinigt hat. Die fünf zentralen Zielsetzungen für den Mittelstand - bessere Kreditversorgung, Steuererleichterungen, Abbau der Lohnnebenkosten, flexibler Arbeitsmarkt und Abbau bürokratischer Hemmnisse - können wir sicherlich alle im Prinzip unterstützen. Nur, bei der Umsetzung im Detail wird es immer Schwierigkeiten geben. Das wurde soeben bereits deutlich.
Wichtig ist mir hierbei aber auch, dass alle Parteien trotz unserer wirtschaftlichen Ansätze gemeinsam für den Wirtschaftsstandort Schleswig-Holstein werben. Trotz der aktuellen sehr schwierigen Lage und der schlechten Aussichten macht der Wirtschaftsbericht 2003 deutlich, dass sich der Wirtschaftsstandort Schleswig-Holstein in den letzten Jahren gewaltig entwickelt und eine grundlegende Strukturänderung durchgemacht hat. Dies ist schwer. Das zeigen zum Beispiel, was das Jahr 2002 angeht, die Höhe der ausländischen Direktinvestitionen, die Anzahl der Betriebsneugründungen und die Selbstständigenquote für Schleswig-Holstein.
Die Wirtschaftspolitik der Landesregierung mit den vielen Förderprogrammen und Beratungs- und Kreditfinanzierungsinstituten hat diesen Prozess positiv begleitet. Dabei ist die verfolgte Strategie, SchleswigHolstein als Brücke zwischen Hamburg und dem Ostseeraum zu profilieren, sicherlich richtig. Allerdings bleiben wir dabei, dass man die Förderung der leistungsfähigen Subregionen wie Schleswig, Flensburg oder die Westküste nicht vernachlässigen darf. Der SSW wird die Landesregierung weiterhin an ihre Verantwortung auch für diese strukturschwachen Regionen erinnern.
Ich beantrage hiermit, den Antrag der CDU zur federführenden Beratung an den Sozialausschuss und zur Mitberatung an den Wirtschaftsausschuss zu überweisen.
- Nein, ich meine es so: Die Arbeitsmarktpolitik gehört in den Sozialausschuss und damit gehört die Federführung für diesen Antrag dem Sozialausschuss
(Beifall beim SSW - Martin Kayenburg [CDU]: Wir stellen den Antrag, Herr Kolle- ge! Das ist eine Unverschämtheit!)
Im Rahmen der Redezeit ihrer Fraktion erteile ich jetzt zunächst der Frau Abgeordneten Birk das Wort.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Bundesregierung hat sich entschlossen, die Politik der Arbeitsämter auf die Vermittlung in den ersten Arbeitsmarkt zu konzentrieren. In der Umsetzung reduzieren sich bundesweit die Arbeitsämter auf die Vermittlung derjenigen, die Arbeitslosengeld erhalten. Berufsrückehrerinnen nach der Familienphase, Jugendliche ohne Ausbildung, Langzeitarbeitslose und Menschen mit Behinderungen sind zukünftig bei der Adresse Arbeitsamt nicht mehr richtig. Ich denke, das müssen wir uns alle erst einmal klarmachen. Diese sollen sich an die neuen Job-Center wenden. Dieses Zusammengehen von Kommunen und Arbeitsamt haben alle Fraktionen gewollt, um unnötige Bürokratie abzubauen und um umfassender zu helfen. Aber die Job-Center gibt es noch nicht und über ihre Gestaltung, Finanzierung und Zielsetzung wird gerade erst verhandelt. Angesichts erster bundesweiter Proteste wegen der Umsetzungspolitik des Arbeitsamtes, sich jetzt schon nur noch um die Arbeitslosengeldempfänger zu kümmern, sind Übergangsfinanzierungen seitens der Bundesregierung angekündigt worden, was wir sehr begrüßen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir sind jetzt als Landespolitikerinnen und -politiker gefordert, über den Bundesrat die Interessen der von mir genannten Gruppen zu vertreten, und wir sind auch gefordert, auf Landesebene eine neue Arbeitsmarktpolitik zu finden. Die Perspektiven des CDU-Antrages erfüllen diesen Anspruch nicht. Wir werden ihn dennoch in den Ausschuss überweisen, und zwar sowohl natürlich federführend in den Arbeitsmarktausschuss als auch natürlich mitberatend in den Wirtschaftsausschuss. Denn beides muss zusammenpassen.
Zu Recht fordern die Kommunen, dass sie in gleicher Augenhöhe mit dem Arbeitsamt eine gemeinsame regionale Arbeitsmarktpolitik gestalten können. Bisher betrachtet das Arbeitsamt sie aber bloß als untergeordnete Dienstleister. Herr Rohwer, hier sehen wir Handlungsbedarf; denn die jährlich eingeplanten
1.300 Arbeitslosen, die das Arbeitsamt jetzt über Personalserviceagenturen vermitteln will, sind weniger Menschen, als bisher die kommunalen Beschäftigungsträger aus der Sozialhilfe heraus in Arbeit gebracht haben. Das müssen wir uns klarmachen. Hier sind also Umsetzungskorrekturen des HartzKonzeptes auf Landesebene gefordert.
Die Modellversuche der MoZArT-Projekte, das Zusammengehen von Arbeitslosenvermittlung durch das Arbeitsamt und durch die Kommunen hier in Schleswig-Holstein geben uns dazu Ermutigung. Wir sollten diese Erfahrung - dazu ist eben der Sozialausschuss da, Herr Kayenburg - diskutieren.
Das gilt auch für das Instrument der Bildungsgutscheine. Wir begrüßen die Umsteuerung grundsätzlich. Wir hatten gefordert, dass es Bildungsgutscheine gibt; aber sie müssen auch einen umsetzbaren Rechtsanspruch bedeuten, damit der, der einen Bildungsgutschein in der Hand hat, auch tatsächlich einen einklagbaren Rechtsanspruch auf ein Weiterbildungsangebot vorfindet.
Wir brauchen - das haben uns die Frauenverbände gesagt - eine deutliche, genaue Präzisierung dessen, was das nun mit dem Arbeitslosengeld bedeutet. Dieses Arbeitslosengeld II ist, wenn es das Partnereinkommen einberechnet, ein Schlag ins Gesicht der Frauen. Auch muss die private Altersvorsorge beim Arbeitslosengeld II künftig möglich sein; sonst wären wir in unserem Gesamtkonzept inkonsistent.
Diese Dinge werden auf Bundesebene ausgehandelt und ich vermisse so ein bisschen - so sage ich einmal - hier im Hause das Interesse an diesem Thema. Dort entscheidet sich ganz maßgeblich, was mit berufstätigen und mit erwerbssuchenden Frauen künftig passiert, je nachdem, wie diese Frage mit dem Arbeitslosengeld II ausgestaltet wird.
Die Beratungsstellen Frau & Beruf verweisen auf die guten Vermittlungsquoten für Berufsrückkehrerinnen und forderten uns im Sozialausschuss auf - wir haben dort nämlich eine arbeitsmarktpolitische Anhörung gehabt, Herr Kayenburg; sehr interessant -, die Kinderbetreuungskapazitäten auszubauen und auch die Möglichkeiten für Existenzgründungen aus der Arbeitslosigkeit heraus noch zu verändern, um den neuen Formen der Existenzgründungen nach dem HartzKonzept Rechnung zu tragen. Die bisherigen Instrumente der Existenzförderung - so gut und wichtig sie sind, Herr Rohwer - sind für die Möglichkeit, aus der Arbeitslosigkeit heraus eine Existenz zu
gründen, noch nicht passgenau. Wir brauchen hier ganz andere Instrumente, die auf einem sehr niedrigen Schwellenniveau ansetzen. Die Technologiezentren beispielsweise sind für einen Erwerbslosen natürlich kein Mietobjekt, in dem er sich als Existenzgründungswilliger wiederfindet.
Zu Recht weisen die Weiterbildungsträger und Behindertenverbände darauf, dass es entscheidend ist, was „vermittelbar“ heißt. Wir sind uns als Grüne mit diesen Organisationen einig, dass die Kriterien der Rehabilitationsträger für Berufsunfähigkeit auch künftig gelten müssen und nicht neue Kriterien eingeführt werden. Es kann nicht sein, dass das Arbeitsamt darüber entscheidet, wer in Zukunft als erwerbsunfähig gilt. Ich meine das ganz ernst. Es ist nicht so, dass wegen mangelnder Kinderbetreuung oder mangelnder Nachfrage in dem eigenen Beruf ein Erwerbsloser für ewig aus dem Arbeitsmarkt ausgesteuert wird und für immer und ewig sozusagen der kommunalen Finanzierung überlassen wird. Das ist sowohl von den Kommunen als auch von den Fachverbänden kritisiert worden. Ich glaube auch nicht, dass es so vom Bundesgesetzgeber gewollt ist. Es ist aber im Augenblick die Politik der Arbeitsämter vor Ort. Hier gilt es für uns, sich landesweit zu engagieren.
Die Ausbildung der Jugendlichen haben Sie angesprochen, Herr Minister. Es hat mich sehr gefreut, dass Sie hier zu einem landesweiten Engagement aufgefordert haben. Das ist nämlich auch notwendig, weil wir gerade augenblicklich eine sehr schwierige konjunkturelle Lage haben und zusätzlich die Einschränkungen des Arbeitsamtes für Verschärfungen sorgen. Wir brauchen unser Jugendaufbauwerk, wir brauchen auch die hervorragende Initiative der Türkischen Gemeinde Schleswig-Holstein, die Migrantenbetriebe, die Ausbildereignung eröffnet und Jugendlichen mit Migrationshintergrund nach der Schule in den Beruf begleitet.
Solche Projekte stehen aber im Augenblick in der Finanzierung in der Schwebe - nicht seitens der Landesregierung, aber seitens des Arbeitsamtes. Hier müssen wir uns unterhalten, wie das künftig werden soll.
Last, but not least! Wie die vermehrte Vermittlung Schwerbehinderter gelingen kann, haben auch die schleswig-holsteinischen Arbeitsämter gezeigt, die dazu beitrugen, dass die bundesweit anvisierte Zielzahl von 50.000 Schwerbehinderten im ersten Arbeitsmarkt in einem relativ kurzen Zeitraum erreicht wurde. Es darf nicht sein, dass dieses Engagement der
Vermittlung von der Bundesanstalt nun künftig seitens des Arbeitsamtes untersagt wird. Dies haben uns aber die Behindertenverbände in den Anhörungen in den letzten Tagen im Sozialausschuss berichtet.
Ganz zentral ist die Frage: Wer soll das Arbeitslosengeld bezahlen? Wer soll die Job-Center finanzieren? Hier sehen wir auch den Bund in der Pflicht. Es geht da genau um das Kleingedruckte. Gerade auch im Hinblick auf die Perspektive erster Arbeitsmarkt kann ich auch sagen: Wer auf dem ersten Arbeitsmarkt Arbeitsplätze schaffen will, muss das einmal in den Bereichen tun, die Herr Hentschel skizziert hat, aber diese Arbeitsplätze müssen auch im Bereich Pflege, Erziehung, Betreuung, Bildung entstehen. Da ist ein riesiger gesellschaftlicher Bedarf,
aber keine bezahlte Nachfrage, weil die Kommunen kein Geld mehr haben, weil unsere Gesundheitsreform und weil unsere Pflegekassen diese Nachfrage nicht ausfinanzieren.
Wir sind im Augenblick in der Debatte über eine Gemeindefinanzreform. Wir haben im Augenblick eine Bildungsoffensive begonnen, wir sind in der Gesundheitsreformdebatte. Wenn wir einen ersten Arbeitsmarkt für diesen gesellschaftlichen Bedarf wollen, dann müssen wir es schaffen, eine Daseinsvorsorge mit ausreichender Finanzierung sicherzustellen. Wir können es uns nicht leisten, diese wichtigen Aufgaben künftig als ABM-Projekt zu schultern.
Da die Regierung die Redezeit überschritten hat, steht den Fraktionen auch die entsprechende Zeit von drei Minuten zur Verfügung. Ich erteile daher zunächst nach § 56 Abs. 6 der Geschäftsordnung Herrn Abgeordneten Dr. Garg das Wort.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst möchte ich auf zwei Punkte eingehen, die in der Debatte gefallen sind. Erstens, lieber Kollege Harms, wenn man auf die Erfolge der Reform der sozialen Sicherungssysteme in den Nachbarländern hinweist - beispielsweise in den Niederlanden -, dann gehört zur Redlichkeit und zur Ehrlichkeit natürlich auch, dass man ganz klar sagt, dass zuerst die Strukturen der Systeme verändert wurden, also die Frage,