Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst möchte ich auf zwei Punkte eingehen, die in der Debatte gefallen sind. Erstens, lieber Kollege Harms, wenn man auf die Erfolge der Reform der sozialen Sicherungssysteme in den Nachbarländern hinweist - beispielsweise in den Niederlanden -, dann gehört zur Redlichkeit und zur Ehrlichkeit natürlich auch, dass man ganz klar sagt, dass zuerst die Strukturen der Systeme verändert wurden, also die Frage,
Man kann also nicht sagen: Man nimmt alles so, wie es ist, belässt das, finanziert das aber in Zukunft über Steuern. Das ist nämlich keine Strukturreform. Das ist einfach unsinnig.
Punkt zwei! Lieber Kollege Hentschel, als Sie die strukturellen Probleme unserer Republik aufgezählt haben, haben Sie mit der Konsumzurückhaltung begonnen. Ich möchte Ihnen nur ganz kurz sagen, Konsumzurückhaltung ist niemals ein strukturelles Problem; es ist möglicherweise die Folge struktureller Probleme, die wir haben. Es ist aber selbst kein strukturelles Problem.
Des Weiteren haben Sie den Kollegen Kayenburg zitiert. Ich meine, Sie haben ihn falsch zitiert. Wenn ich den Kollegen Kayenburg richtig verstanden habe, dann hat er den Wirtschaftsminister dafür gelobt, was der Wirtschaftsminister so sagt, er hat ihn aber keineswegs dafür gelobt, was er tut beziehungsweise was er nicht tut.
Ein weiterer Punkt. Es ist das Stichwort Beschäftigungsschwelle gefallen. Herr Minister Rohwer, möglicherweise geben Sie mir Recht, dass die Beschäftigungsschwelle keine starre Größe ist, sondern dass man durch ordentliche Politik aktiv etwas an der Beschäftigungsschwelle tun kann. Die Beschäftigungsschwelle hängt nämlich erstens von der Innovationskraft einer Volkswirtschaft und zweitens von der Flexibilität des Arbeitsmarktes ab. Nur dann, wenn wir die Innovationskraft unserer Volkswirtschaft, also auch die Innovationskraft hier im Land - dafür sind im Übrigen die Zahlen der Patentanmeldungen, die hier nach wie vor sehr viel geringer sind als in Bayern und in Baden-Württemberg, eine Maßzahl -, stärken und wenn wir den Arbeitsmarkt flexibilisieren, senken wir die Beschäftigungsschwelle und mit dem Senken der Beschäftigungsschwelle kriegen wir dann auch mehr Arbeitsplätze hin.
Herr Minister, es war hier viel die Rede von Gemeinsamkeiten. Gemeinsamkeit fängt für mich mit einer schonungslosen und auch selbstkritischen Analyse des Handelns Ihrer Regierung in den letzten Jahren an.
Zur schonungslosen und auch selbstkritischen Analyse gehört dann, dass Ihre Sieben-Säulen-Strategie, die Sie hier heute Morgen vorgetragen haben, im März 2003 zu 143.000 arbeitslosen Männern und Frauen geführt hat. Das sind 14,5 % mehr als im Jahr zuvor. Wenn Sie dann Ihren Redebeitrag damit beschließen, dass Sie sagen „Weiter so!“dann sage ich: Weiter so mit uns ganz bestimmt nicht. Ich will nämlich nicht noch mehr Arbeitslose haben.
Noch ein Punkt. Mir ist schon klar, dass Wirtschaftspolitik im Land nicht die großen Rahmenbedingungen in der Bundesrepublik Deutschland oder in der Welt ändert, aber wenn Sie mit Unternehmen sprechen - egal, ob das ganz kleine Handwerksbetriebe sind oder ob das mittelständische Betriebe mit mehreren hundert Mitarbeitern sind -, dann beklagen die vor allem eines: Sie haben hier in Schleswig-Holstein das Gefühl, dass sie sich dafür entschuldigen müssen, dass sie hier Geld verdienen können. Das ist aber nun einmal notwendig, dass Unternehmen hier Geld verdienen können, denn nur dann, wenn sie Geld verdienen, werden sie auch investieren, und nur dann, wenn sie investieren, werden auch neue Arbeitsplätze geschaffen.
Das heißt, sorgen Sie dafür, Herr Minister. Wer, wenn nicht Sie in dieser Regierung, soll es insbesondere diesem Teil des Halbrundes beibringen, dass Unternehmen nun einmal dazu da sind, Geld zu verdienen, damit sie Arbeitsplätze schaffen können?
Ich will Ihnen abschließend Folgendes sagen: Sie werden Stellung nehmen müssen zu Fragen des Kündigungsschutzes, der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, der Mindestlöhne, zur Frage, wie es mit der Mitbestimmung weitergehen soll, zur Frage, wie es mit der Allgemeingültigkeit von Tarifverträgen, der Gültigkeit von Tarifverträgen weitergehen soll, ob individuelle Regelungen Vorrang vor betrieblichen Vereinbarungen haben sollen, Vorrang vor dem Flächentarifvertrag, und zu der Frage, wie es mit dem Günstigkeitsprinzip weitergehen soll.
Ich formuliere meinen letzten Satz. - Ich werde Ihnen sagen, was vermutlich passieren wird. Wenn Herr Minister Rohwer in Berlin vorspricht, kann ich Ihnen
schon jetzt sagen, dass der Landesvorsitzende der SPD und Parlamentarische Staatssekretär, Franz Thönnes, den sonst niemand kennt, dagegen spricht.
Herr Minister, mein Fazit des Wirtschaftsberichts und Ihrer Rede ist: Bislang sind Sie ein Ankündigungsminister geblieben, der sehr viel virtuellen Beton verbaut hat, aber ansonsten ziemlich wenig gebacken gekriegt hat.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Heiner, äußerlich sind wir kaum auseinander zu halten, aber inhaltlich trennen uns Welten.
Zur Lage am Arbeitsmarkt ein paar Gedanken aus der Sicht der Arbeitsmarktpolitik beziehungsweise der Struktur, wie sie sich in Zukunft entwickeln soll! Arbeitsmarkt- und Wirtschaftspolitik zusammenzufügen, macht Sinn, wie auch ich mittlerweile selbstkritisch eingestehe, weil man die Chancen begreifen muss, die sich daraus ergeben.
Die Chancen haben wir heute Morgen in der Debatte ja schon gesehen, denn der Wirtschaftsminister hat deutlich gemacht, wie sich auch die Wirtschaftspolitik verstärkt um die Förderung des ersten Arbeitsmarktes, auch für den Teil der im Moment aus dem Arbeitsmarkt ausgegrenzten Menschen, kümmern muss. Daher können wir diese Diskussion in Zukunft besser zusammenführen und vielleicht auch sinnvoller gestalten.
Zum Hartz-Konzept! Wenn das Hartz-Konzept ein weiterer Meilenstein in der Modernisierung des Sozialstaates sein soll - ich hoffe, dass es das hinbekommt -, muss man auch kritisch hinterfragen, worin Arbeitslosigkeit eigentlich besteht. Wenn man das kritisch hinterfragt und immer wieder nur individualisiert und sagt, der Arbeitslose sei eigentlich schuld an seiner Arbeitslosigkeit, es werde nur besser, wenn man den Arbeitslosen selber qualifiziere, ihm deutlich mache, dass er sich als Arbeitsloser bewegen müsse, dass die Arbeitsvermittlung effektiver werden müsse, greift das im Endeffekt ein Stück weit zu kurz, denn
auch die Wirtschaft ist gefordert, in diesem Rahmen Angebote zu machen und nicht nur vom einzelnen Individuum zu verlangen, dass es in der Lage ist, entsprechend zu reagieren.
Ich erspare es mir, noch einmal auf die Regelungen zum Arbeitslosengeld I und II und Sozialgeld einzugehen, mit deren Umsetzung wir uns ja noch werden beschäftigen müssen. Wichtig ist aber die Frage: Wer entscheidet in Zukunft eigentlich darüber, wer arbeitswillig oder in den ersten Arbeitsmarkt vermittlungsfähig ist? Das landet in Zukunft bei der Bundesanstalt für Arbeit. Das ist von der inhaltlichen Seite her wahrscheinlich richtig angesetzt, aber die Entscheidung hat die Bundesanstalt für Arbeit nicht aufzufangen, sondern die haben die Kommunen, die Kreise und kreisfreien Städte aufzufangen, indem sie über ihre Mechanismen gegensteuern müssen. Daher ist es nach wie vor wichtig, dass wir das Bekenntnis zu einer aktivierenden Arbeitsmarktpolitik abgeben, zu einer Arbeitsmarktpolitik, wie sie in ASH beschrieben ist.
Vor diesem Hintergrund muss eine Effektivitätskontrolle und -überprüfung stattfinden, die wir übrigens seit einiger Zeit bei ASH auch durchführen. Wir sind uns im Sozialausschuss ja einig gewesen, dass wir die Entwicklung in diesem Bereich gut finden, da sind wir nicht sehr weit auseinander, Heiner.
- Ich habe aber Zwischenrufe gehört. Wir sind uns trotzdem einig und das bleibt auch so, dass die Effektivitätskontrollen und Effektivitätsfragen geklärt werden müssen, natürlich auch vor dem Hintergrund, wie das verzahnt werden kann, eine aktivierende Arbeitsmarktpolitik und eine Wirtschaftspolitik, kommunale Ansätze. Natürlich muss man aufpassen, dass auch auf kommunaler, auf regionaler Ebene die Interessen der Kommunen und Städte berücksichtigt werden, dass das zusammengebunden wird. Das wird unsere Diskussion erbringen müssen.
Zum Antrag der CDU! Was unter den drei Spiegelstrichen zum Thema ASH geschrieben ist, werden wir überprüfen. Ob man das allerdings mit der Stringenz tun sollte, wie man das in den Forderungen unter den Spiegelstrichen gleich als Ergebnis vorwegnimmt, darüber sollten wir noch einmal in Ruhe nachdenken.
Meine kritische Haltung zum Thema Kündigungsschutz habe ich in der letzten Debatte des Landtages angemerkt. Darüber werden wir uns intern, aber auch insgesamt noch einmal intensiv unterhalten müssen. Die Forderungen zur Arbeitslosen- und Sozialhilfe nach dem Hartz-Konzept kommen jetzt in die Umsetzung. Bei Banken und Sparkassen werden wir uns über ganz andere Fragen unterhalten müssen. Da werden wir uns darüber unterhalten müssen, wie die Kreditvergabe in Zukunft sein wird, wie die Unterstützung für Projekte sein wird. Ich nenne „Basel II“ als Stichwort.
Das trifft ja nicht nur Unternehmen, das trifft Kommunen und das trifft Beschäftigungsträger genauso. Insofern ist das eine Diskussion, die wir in diesem Bereich organisieren müssen.
Was Heiner Garg eben angesprochen hat, die Frage des Flächentarifvertrages und die Frage, ob individuelle oder betriebliche Lösungen vorgezogen werden sollen, ist eine Frage, die die FDP in die Diskussion einbringt. Man wird diese Frage behandeln müssen. Ich sage aber gleich: Wir werden uns im Rahmen der Tarifverträge nicht bewegen.
Wir halten das Gut der Tarifautonomie, dass Gewerkschaften, Arbeitnehmervertreter, Betriebe und Unternehmensverbände Tarifverträge aushandeln, nach wie vor für richtig.
Das ist eine Grundlage für die Diskussion, die wir in der Zukunft gern mit Ihnen im Sozialausschuss und im Wirtschaftsausschuss führen wollen.