Protokoll der Sitzung vom 03.04.2003

Damit die kurze Aufgeregtheit vorhin bei der Frage, welcher Ausschuss denn federführend - -

Herr Abgeordneter, kommen Sie bitte zum Schluss!

Ja, Frau Präsidentin. Ich möchte nur noch kurz erläutern - vielleicht ist das hilfreich -, wie man die Diskussion organisieren kann. Wir brauchen uns nicht unbedingt darüber zu streiten, welcher Ausschuss

(Wolfgang Baasch)

federführend ist. Nach unserer Geschäftsordnung ist es der Sozialausschuss. Ich rege an, dass der Sozialausschuss und der Wirtschaftsausschuss zu dieser Frage vielleicht einmal gemeinsam tagen könnten. Das wäre effektiv und wir könnten alle Punkte gebündelt zusammentragen. Das kann für uns dienlich sein. Dann können wir eine schöne und interessante Debatte führen.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Nach § 56 Abs. 6 der Geschäftsordnung erteile ich das Wort Herrn Abgeordneten Kalinka.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Bei aller Unterschiedlichkeit in der Bewertung der Politik der Landesregierung ist nach dieser Debatte doch beachtlich, dass der CDU-Antrag nicht unisono auf Ablehnung gestoßen ist, sondern eine beachtliche Gesprächsakzeptanz gefunden hat. Das sollte man einmal festhalten.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU)

Es müssen offenbar Punkte dabei sein, die den Nerv der Problematik getroffen haben. Wir nehmen Gespräche und Diskussionen dazu sehr wohl offen auf, Herr Minister. Umso wichtiger ist es mir, vier kurze Punkte anzusprechen. Erstens. Der Kollege Harms hat sich darüber erregt, dass wir die Kommunen auffordern, von ihrer Möglichkeit Gebrauch zu machen, bei Verweigerung von zumutbaren Arbeitsangeboten die Sozialhilfebezüge empfindlich zu kürzen. Ich habe Beifall bei den Grünen gehört.

Sie müssen schon erklären, ob Sie sich mit diesem Satz wirklich nicht einverstanden erklären können. Denn eines ist doch ganz klar: Wenn wir an dieses Thema nicht herangehen, werden wir auch diejenigen nicht motivieren können, die im Niedriglohnbereich sind. Über diese Zusammenhänge müssen wir uns unterhalten. Sie müssen als Grüne sagen, ob es Ihre wirkliche Meinung ist, dass das ein Tabuthema ist.

Zweitens. Der Kanzler hat angekündigt, zum 1. Januar 2004 eine Übersicht über die arbeitsfähigen Sozialhilfeempfänger zu erstellen, dann soll klar sein, wer das ist. Unser Problem ist doch, dass bis heute niemand sagen kann, wie die Arbeitslosen- und die Sozialhilfe zusammengelegt werden sollen, wie das gemacht werden soll. Wir haben bisher keinerlei Umsetzungsbezüge aus Berlin. Die Kommunen wissen überhaupt nicht Bescheid. Wir haben April, Mai in

Kürze. Das Ganze soll am 1. Januar 2004 losgehen. Das soll in Kürze losgehen und wir haben überhaupt keine Grundlagen für die Arbeit. Wie soll das denn überhaupt funktionieren? Sie müssen in die Puschen kommen. Das ist das politische Problem.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU)

Drittens. Es ist doch bedauerlich, wie wenig hier ein Punkt Beachtung gefunden hat, den ich im Augenblick für ganz wichtig ansehe. Die Zuwendungen für die AB-Maßnahmen werden überall gekürzt und sinken und die Umsetzung des so genannten HartzKonzeptes findet nicht statt. Dies geht vor allen Dingen zulasten derer, die es auf dem Arbeitsmarkt ganz schwer haben.

(Beifall des Abgeordneten Dr. Heiner Garg [FDP])

Hier entsteht im Augenblick eine Schere, mit der wir die Arbeitslosigkeit weiter zum Anstieg bringen.

Sie müssen als rot-grüne Koalition dieses Problem klären, Herr Minister. Wenn die ABM-Projekte alle weiter nach unten gefahren werden, was sich abzeichnet, und nichts an ihre Stelle gesetzt wird, wird es insbesondere für die schwer vermittelbaren Menschen noch schwieriger werden, einen Arbeitsplatz zu finden. Hierzu benötigen wir eine politische Antwort.

Ich wollte diese Punkte einfach ergänzend hinzugesetzt haben. Herr Kollege Baasch, wir sind uns soweit einig, Arbeitsmarktpolitik ist auch für mich ein Stück soziale Politik. Wir brauchen – das haben Sie richtig gesagt – eine aktive und aktivierende Arbeitsmarktpolitik. Bei aller Notwendigkeit von Weichenstellungen möchte ich das für mich ganz klar sagen, damit das auch in der Diskussion deutlich wird.

Ein letzter Punkt, um den wir uns auch und vor allen Dingen Gedanken machen sollten: Wo ist eigentlich Arbeit? Wir haben nicht nur das Problem, dass die Arbeitsplätze wegfallen, wir haben vor allen Dingen das Problem, dass die Arbeit nicht da ist. Um dieses Problemgebiet sollten wir uns gemeinsam kümmern.

(Beifall bei der CDU)

Ich habe noch einige Wortmeldungen zu Kurzbeiträgen vorliegen.

Zuvor möchte ich die nächste Besuchergruppe auf der Tribüne begrüßen: Senioren-Union Amt Süderlügum, Niebüll und Umgebung. – Herzlich willkommen!

(Beifall)

(Vizepräsidentin Dr. Gabriele Kötschau)

Zunächst erteile ich nach § 56 Abs. 4 der Geschäftsordnung dem Herrn Abgeordneten Harms das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Kalinka hat ja eben nachgefragt, wie ich es denn nun wirklich meine, nämlich meine Äußerung zu dem Antrag der CDU, wo gefordert wird, die Kommunen aufzufordern, von ihrer Möglichkeit Gebrauch zu machen, dass bei Verweigerung von zumutbarer Arbeit die Sozialhilfebezüge empfindlich gekürzt werden. Worum es uns geht, ist, dass ein Bild in einen solchen Antrag transportiert wird, das wir so nicht teilen können. Bei uns kommt es so an, dass das heißt: Bietet den Jungs mal immer Arbeit an, und wenn die die nicht nehmen, dann werden sie so richtig gequält und dann sind die das doch selbst schuld. Vor dem Hintergrund, dass wir 4,7 Millionen Arbeitslose haben, aber nur ein paar 100.000 echte freie Arbeitsplätze, ist so etwas nicht Ziel führend.

(Vereinzelter Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir müssen auch mal bedenken, die Kommunen tun dies ja schon. Sie tun dies schon, und zwar so, wie man es vernünftig macht: abgewogen, genau überlegend. Sie wissen genau, um welche Personen es sich handelt, wo sie so etwas machen können und wo nicht. Ich finde, da braucht man die Kommunen nicht noch einmal zu belehren und zu sagen: Nun müsst ihr noch einmal.

(Vereinzelter Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Bild, das herüberkommt, ist in meinen Augen ein verkehrtes, und es ist, um wieder einmal dieses böse Wort zu gebrauchen, ein Nebenkriegsschauplatz. Der Nebenkriegsschauplatz löst das Problem nicht, das Problem ist die Arbeitslosigkeit, nicht die kommunalen Kassen, die wir sanieren wollen. Das Problem Arbeitslosigkeit müssen wir angehen, und das Hauptproblem, das wir in der Bundesrepublik Deutschland haben, ist, dass die Lohnnebenkosten zu hoch sind. Wenn wir uns als Politiker immer darüber unterhalten, wie man die Lohnnebenkosten um 1% oder auch mal 1,2 % senken können, wird dadurch bei Ihnen, Herr Kayenburg, in Ihrem Betrieb keine Massenbewegung für neue Arbeitsplätze geschaffen. Das geschieht nur dann, wenn es mit den Lohnnebenkosten richtig in den Keller geht, wenn wir über 10 % oder 15 % sprechen. Wer mit den Verbänden spricht, der wird genau das hören. Alles andere ist ein Doktern an den Symptomen. Mit einem solchen Antrag, mit sol

chen Formulierungen haben wir immer nur das Problem, dass wir das auf andere Stellen schieben und sagen: Da muss etwas geschehen, regelt das mal in den Kommunen. Das ist aber nicht das Problem. Das Problem ist, dass wir es bisher nicht geschafft haben, den Mut aufzubringen, unser Sozialsystem komplett zu ändern. Das liegt möglicherweise daran, dass die, die es in den letzten 50 Jahren versucht haben, immer wieder abgewählt wurden, und davor scheut sich natürlich jeder.

(Beifall bei SSW und vereinzelt bei BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort zu einem Kurzbeitrag nach § 56 Abs. 4 der Geschäftsordnung hat der Herr Abgeordnete Eichelberg.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Wirtschaftsbericht ist im Grunde die Basis für die Strukturpolitik im Land. Wenn man den Wirtschaftsbericht intensiv liest und vor allen Dingen einmal vergleicht mit den Wirtschaftsberichten der vergangenen Jahre, dann merkt man, dass wir wenig tun. Wir stellen fest, haben Statistiken und merken eigentlich gar nicht, dass uns der Strukturwandel mehr vereinnahmt, als wir ihn steuern.

Das Nord-Süd-Gefälle nimmt kontinuierlich zu und das muss man schlichtweg sagen. Zwar ist der Wirtschaftsstandort Schleswig-Holstein insgesamt natürlich positiv und bietet alle Möglichkeiten, aber wir haben Probleme, wenn Betriebe der Lebensmittelverarbeitung aus dem Landesteil Schleswig mehr und mehr verschwinden und alles nach Mecklenburg oder nach Süden gekarrt werden muss, um dort veredelt zu werden; dazu kommen die hohen Mautkosten. Dann werden dem Norden Kosten aufgebürdet, die er überhaupt nicht packen kann. Wenn wir ab 2006 überhaupt keine Mittel für die Förderung mehr haben, dann „Gute Nacht, Marie“. Wenn wir heute das Steuer nicht herumreißen, sieht es für den Norden schlecht aus.

(Zuruf der Abgeordneten Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

- Aber für Ausgleichsmaßnahmen, liebe Frau Heinold. Sie werden sich daran erinnern. Die sind bis heute nicht realisiert. Ich will Ihnen mal etwas sagen: Im Süden profitieren wir nicht von der tollen Politik, die hier im Lande stattfindet, sondern von dem Auf

(Uwe Eichelberg)

bruch, der von Hamburg ausgeht. Das ist eindeutig der Fall.

(Beifall bei der CDU)

Ich meine, mitunter bestehen hier Wahrnehmungsschwierigkeiten, insbesondere wenn jetzt gejubelt wird, dass wir ein vergleichsweise hohes Wachstum haben. So steht es im Bericht. Die Lobhudelei tut ja richtig weh. Meine Damen und Herren, wir waren im letzten Jahr extrem schlecht.

(Vereinzelter Beifall bei CDU und FDP)

Wenn Sie einmal die letzten zwölf Jahre vergleichen: Die Schere zu den anderen westdeutschen Ländern vergrößert sich. Das heißt, Schleswig-Holstein geht wieder ins Armenhaus zurück, wenn wir nicht ordentlich gegenhalten, vor allen Dingen im verarbeitenden Gewerbe und bei den Dienstleistungen. Eines Tages schneiden wir uns alle selbst die Haare und leben vom Arbeitslosengeld. Das kann es doch nicht sein. Dem verarbeitenden Gewerbe verdanken wir die Exportquoten, die wir haben, obwohl die immer schlechter und schlechter werden. Wir müssen das anders anpacken als bisher und dazu gehört erst einmal eine vernünftige Strukturanalyse und dann schnelle Maßnahmen, damit etwas passiert.

Was mir richtig weh tut, ist im Grunde unsere Außenhandelsförderung. Wir haben das im Haushalt immer und immer wieder gefordert: Erhöht die Mittel, sonst brauchen wir in der Tat keine WSH und Außenwirtschaft. Für die paar Mittel brauchen wir die Leute nicht, die das verwalten. Es tut mir weh, wenn wir sehen, was bei Besuchen in den USA herausgekommen ist. Wir haben tolle Ansätze gesehen und viele Möglichkeiten. Und jedes Jahr frage ich mich: Was machen wir? - Wir machen überhaupt nichts. Das ist das Problem, wir schaffen keine Arbeitsplätze, wir beobachten nur, wie sie zerstört werden. Man nimmt dann zur Kenntnis: Die Zuckerfabrik geht weg aus Schleswig, das sind 120 Arbeitsplätze; Coppenrath & Wiese macht zu, das sind 120 Arbeitsplätze. Meine Damen und Herren, die Folgewirkungen für die Region sind doch verheerend! Coppenrath & Wiese hat allein pro Tag 26 t Sahne verarbeitet. Das hat doch Folgewirkungen für die ganze Region. Das spielt eine große Rolle, und das muss mit betrachtet werden. Und ich hoffe, das wird sich einmal ändern.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der FDP)

Zu einem weiteren Kurzbeitrag nach § 56 Abs. 4 der Geschäftsordnung hat der Herr Abgeordnete Hentschel das Wort.

Meine Damen und Herren! Verehrte Frau Präsidentin! Lieber Uwe Eichelberg, nach diesem Beitrag musste ich mich noch einmal melden. Wenn ich mir den Antrag der CDU vornehme, und das muss man nach dieser Debatte wirklich einmal machen, dann kritisieren Sie vernichtend die Politik der Landesregierung. Dann sehe ich mir an, was Sie in Ihrem Antrag tatsächlich fordern. Ich fange einmal an aufzugreifen, was da drinsteht: Sie appellieren an Banken und Sparkassen, endlich die Selbstständigkeit zu unterstützen. Wissen Sie, die Landesregierung, der Wirtschaftsminister, hat Instrumente aufgebaut, um genau das über die landeseigenen Einrichtungen wie Investitionsbank, Mittelstandsförderungsgesellschaft zu machen.

(Vereinzelter Beifall beim SSW)

Das sind die Fakten. Sie machen einen Appell und schreiben das in einen Antrag hinein.

Sie wollen eine Bundestagsinitiative zur Lockerung des Kündigungsschutzes für kleine und mittelständische Betriebe. Ist das etwas, was jetzt der Landesminister machen muss, wo das auf Bundesebene schon längst diskutiert wird? Wenn Ihnen das jetzt endlich einfällt, sind Sie wirklich hinter dem Mond.