Protokoll der Sitzung vom 04.04.2003

Mit jeder Lockerung des Folterverbots gäbe der Rechtsstaat sich selbst auf. Ich denke, das sollten wir alle gemeinsam verhindern.

(Beifall im ganzen Hause)

Herr Abgeordneter Puls hat das Wort nach § 56 Abs. 4 unserer Geschäftsordnung.

Meine Damen und Herren! Ich möchte ganz kurz erläutern, warum wir den zweiten Absatz in unseren Antrag hineingeschrieben haben. Es ist aus meiner Antragsbegründung schon hervorgegangen. Es gibt auch in einflussreichen Polizeiverbandskreisen der Bundesrepublik das Bestreben, im Bereich des Notstandes für Amtspersonen etwas zu ändern oder ausdrücklich in das Gesetz hineinzuschreiben, dass für Amtspersonen dieses absolute Folterverbot relativiert werden soll, dass es nicht mehr in dieser Klarheit gelten soll, von der wir hier alle überzeugt sind. Ich will das zur Erläuterung sagen und im gleichen Atemzug diesen zweiten Absatz des Antrages zurückziehen. Mir kommt es darauf an und uns in der SPDLandtagsfraktion, dass wir als Landtag fraktionsübergreifend die von allen Fraktionen deutlich gewordene Haltung unterstreichen, dass wir für das absolute Folterverbot sind und dass wir an der klaren Rechtslage nicht deuteln wollen. Hier ist der Ort der öffentlichen Meinungsbildung.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der FDP)

Die Diskussion hat gezeigt, dass der Antrag nicht überflüssig war. Wir sollten ihn deshalb hier auch heute in der Sache mit dem ersten Absatz verabschieden.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Wir kommen zur Abstimmung. Wir nehmen zur Kenntnis, dass der Antrag in geänderter Form existiert, ohne den zweiten Absatz, also nur aus dem ersten Absatz besteht.

Geschäftsordnungsanträge – der weitestgehende war Rückzug des Antrags – sind vom Tisch. Der zweite Antrag war vom Kollegen Geißler: Überweisung an den Fachausschuss.

Herr Präsident, nachdem die SPD-Fraktion ihren Antrag geändert hat, halten wir an der beantragten Ausschussüberweisung nicht mehr fest.

Dann stimmen wir in der Sache über den wie eben vorgetragen geänderten Antrag ab. Wer diesem Antrag in der geänderten Form zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen und Ent

haltungen muss ich nicht aufrufen. Das war ein eindeutiges Meinungsbild: Einstimmig so beschlossen.

(Beifall im ganzen Hause)

Ich rufe Tagesordnungspunkt 39 auf:

Bekämpfung des Frauen- und Mädchenhandels

Landtagsbeschluss vom 13. Dezember 2002 Drucksache 15/2285 (neu) – 2. Fassung

Bericht der Landesregierung Drucksache 15/2562

Ich erteile das Wort der Frau Ministerin für Justiz, Frauen, Jugend und Familie, Frau Ministerin Lütkes.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Schleswig-Holstein ist ein Transitland, aber insbesondere ein Zielland für den Frauenhandel. Frauenhandel ist ein globales Problem, das weder ausschließlich auf Länder- noch auf Bundesebene gelöst werden kann. Daher wird denjenigen Initiativen und Programmen der Europäischen Union zukünftig wichtige Bedeutung zukommen, die die Zusammenarbeit mit den Herkunftsländern intensivieren, arbeitsmarktpolitische Maßnahmen für Frauen anregen und entsprechende Rückkehrerinnenprogramme unterstützen. Nur wenn die Migrantinnen und ihre Familien eine wirtschaftliche Perspektive in ihren Herkunftsländern haben, wenn sie ihnen geboten wird, kann der Frauenhandel mittelfristig wirklich eingedämmt werden. Wir müssen - wir können dem Problem auch auf Landesebene entgegentreten - hier etwas tun. Hier besteht, so ist mein Eindruck, nicht bei allen Fraktionen - -

Frau Ministerin, es war der Antrag zur Berichterstattung von allen Fraktionen gestellt.

Vielen Dank, Herr Präsident. Wir im Ministerium haben uns auch über diesen Antrag gefreut, zeigt er doch, dass der Landtag weiß, dass der Frauenhandel auch eine Verletzung der Menschenwürde ist, die, das darf ich wiederholen, unantastbar ist. Dieser Konsens ist erkennbar. Die Debatten in der Vergangenheit haben es gezeigt, dass der Landtag eine Lobby für den Kampf gegen den Frauenhandel darstellt.

Die Arbeit hier im Lande wird seit zirka vier Jahren intensiv durch die Förderung von contra unterstützt.

(Ministerin Anne Lütkes)

Die Förderung kann deshalb geschehen, weil es eine gemeinsame Konzeption für Handlungsstrukturen von Polizei, Justiz und contra im Innenministerium, dem Justizministerium und dem Frauenministerium gibt. Wir sind in diesen Jahren ein kleines Stück in Schleswig-Holstein vorangekommen. Ich werte es als Erfolg, dass contra nach Ablauf der Modellphase ab dem Jahr 2002 als Fachberatungsstelle etabliert wurde mit klarer Aufgabenvorgabe, getragen vom Land Schleswig-Holstein und der Nordelbischen Kirche. contra leistet Krisenintervention, sorgt für die Unterbringung, Betreuung und Begleitung der in Schleswig-Holstein vom Menschenhandel betroffenen und gefundenen Frauen. Die Erfahrungen des ersten Jahres als Fachberatungsstelle liegen nun vor. Auf dieser Basis ist es notwendig, den Schwerpunkt der Arbeit von contra die Beratungs- und Betreuungsarbeit, zu unterstützen und zu intensivieren.

Wir unterstützen als Landesregierung auch die Rahmenbedingungen im Kampf gegen den Frauenhandel. Die Polizei intensiviert die Ermittlungsarbeit. Es gibt beispielsweise hier in Kiel die Ermittlungsgruppe „Milieu“. Die Staatsanwaltschaft ermittelt regelmäßig und kompetent umfassend jedes Mal wegen des Verdachts auf Menschenhandel, oft im Rahmen der Verfolgung organisierter Kriminalität. Weil das so ist, halte ich auch die Einrichtung von Sonderdezernaten „Menschenhandel“ nicht für hilfreich. Das würde die Arbeit nicht maßgeblich voranbringen.

Es hat sich gezeigt – und das könnten wir, wenn Sie es wünschen, im Ausschuss genauer darlegen -, dass die betroffenen Frauen selten als gerichtsfeste Zeuginnen in Strafverfahren zur Verfügung stehen, zumal ihre Gefährdungslage durch die Aussage verstärkt werden kann. Im Übrigen haben wir contra im vergangenen Jahr zusätzliche Fördermittel zur Verfügung gestellt, um gezielt die Akquisition von neuen Unterbringungsorten voranzubringen. Erfahrungen liegen noch nicht vor. Leider müssen wir im gegenwärtigen Zeitpunkt feststellen, dass die Finanzierung einer Schutzwohnung, die aus vielen Gründen wünschenswert ist, von mir nicht vorgeschlagen werden kann, weil die Haushaltsmittel nicht ausreichen.

Gut und richtig finde ich den in Zusammenarbeit mit contra vorgelegten Vorschlag, mehr freiwilliges bürgerschaftliches Engagement an die Arbeit heranzuführen, ohne aber die professionelle Beratung und Begleitung zu gefährden. Eine Minimalversorgung der Frauen nach dem so genannten ersten Aufgriff muss gewährleistet werden. Ich weiß, dass das rechtlich nach dem Asylbewerberleistungsgesetz nicht unbedingt möglich ist; wir bemühen uns, in meinem Einzelplan eine entsprechende Lösung zu finden, die

dann im Rahmen des Haushalts vorgelegt werden kann. - Herr Finanzminister, wir verhalten uns da ganz korrekt, hoffe ich. Aber es muss eben eine Lösung gefunden werden, um diese Minimalversorgung der Frauen zu garantieren.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abgeordneten Dr. Heiner Garg [FDP])

Aber, meine Damen und Herren - Herr Präsident! -, zum Abschluss: Trotz aller Bemühungen und Verbesserungen und Erfolge haben wir festzustellen, dass unsere Maßnahmen nicht ausreichen. Aus meiner Sicht ist gerade im Bereich des Frauenhandels und der Prostitution ein verbesserter Schutz der Bleiberechte für die Frauen überfällig.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW sowie vereinzelt bei der SPD)

Ein spezifisch gestaltetes Aufenthaltsrecht für Frauen, die in der Prostitution arbeiten, könnte geeignet sein, Menschenhändlern und Schleusern zumindest teilweise die Grundlage für ihr kriminelles Handeln zu entziehen. Mein Haus arbeitet hier an einem gangbaren Weg, der aber - wie das Justiz- und Frauenministerium sorgfältig arbeitet - noch nicht so ist, dass ich ihn hier in aller spezifischen Ausformung beschreiben kann. Aber wenn Sie einverstanden sind, kommen wir gern auf Sie zu, sobald wir einen bundesrechtlichen Vorschlag erarbeitet haben, der aber hier natürlich auch landespolitisch diskutiert werden muss. Wir sind dabei.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Zum gegenwärtigen Zeitpunkt bleibt einem nur festzustellen - das werden Sie dem Bericht entnommen haben -, dass noch sehr viel zu tun ist. Ich kann Ihnen an dieser Stelle nur für Ihre Unterstützung, für Ihre Lobbyarbeit für diesen Politikbereich danken, aber insbesondere der Nordelbischen Kirche dafür danken, dass sie durchhält und uns bei dieser Arbeit weiter zur Seite steht. Vielen Dank.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und SSW)

Ich danke der Frau Ministerin für diesen Bericht. Ich eröffne die Aussprache und erteile zunächst der Frau Abgeordneten Sassen das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Zum zweiten Mal beschäftigt sich der Schleswig-Holsteinische Landtag in dieser Wahlperiode auf Initiative der CDU mit dieser Thematik. Wo auch immer ich darüber spreche, taucht die Frage auf: Gibt es das bei uns? - Ja, wir haben es gehört, auch in Schleswig-Holstein gibt es einen Frauenhandel mit einhergehender Zwangsprostitution und mit anderen Delikten in zunehmender Tendenz. Die Beratungsstelle contra hat einen wesentlichen Beitrag geleistet, dem zu begegnen.

Die Landesregierung war Mitveranstalterin der Fachtagung zur Bekämpfung des Frauen- und Mädchenhandels am 5. September 2001; sie übernimmt 48,4 % der Förderung, den Hauptanteil mit 51,6 % trägt das Nordelbische Frauenwerk. contra hat einen Abschlussbericht nach Ablauf der Modellphase vorgelegt, sodass man eigentlich davon ausgehen kann, dass die Landesregierung über die Arbeit von contra hinreichend informiert ist und in regelmäßigem Kontakt steht. Dennoch wurde meine diesbezügliche Kleine Anfrage vom 22. Juli 2002 nur unzureichend dahin beantwortet, dass der Facharbeitskreis „Frauenhandel“ bestehend aus Mitgliedern verschiedener Beratungsstellen und der Kriminalpolizei, eine fünfseitige Stellungnahme abgegeben hat, um in Beantwortung der Kleinen Anfrage auf die Mängel hinzuweisen.

Hatte die Landesregierung dort noch die Ansicht vertreten, die personellen Kapazitäten bei contra seien ausreichend für die Bewältigung der Anforderungen, muss sie jetzt zugeben, dass längerfristig begleiteten Frauen im vergangenen Jahr nur alle drei bis vier Wochen ein Gesprächstermin angeboten werden konnte, wodurch wertvolle Zeit verstrichen ist. 42 Erstberatungen mussten sogar aus Kapazitätsgründen abgesagt werden. So geht es nicht.

Das Geschäft mit den Frauen boomt. Etwa 250 €, wenn überhaupt, verdient eine Prostituierte aus Osteuropa durchschnittlich pro Monat in Deutschland. Das ist zwar ein Hungerlohn, aber das erscheint den Mädchen zunächst einmal als eine große Summe. Den Löwenanteil ihres Verdienstes ziehen die Zuhälter ein, die nach Schätzung des BKA jährlich 8,5 Millionen € an die Schleuser zahlen.

Alle diese Fakten haben mich bewogen, zusammen mit den Kolleginnen diesen Bericht anzufordern.

Ich bin froh, dass contra nach der dreijährigen Modellphase mithilfe des Nordelbischen Frauenwerkes seine Arbeit weiter fortführen kann. Es darf nicht geschehen, dass die Förderung der Landesregierung

von der jeweiligen Haushaltslage abhängig gemacht wird. Eine solche Zitterpartie angesichts dieses globalen Problems, das nur durch eine europaweite Zusammenarbeit und durch Aufklärungskampagnen in den Herkunftsländern gelöst werden kann, ist nicht zu verantworten.

Wir begrüßen, dass die Landesregierung in Zukunft contra institutionell fördern will, um Kontinuität bei der Bewältigung der schwierigen Aufgaben zu gewährleisten.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Da aber schon jetzt die personellen Kapazitäten nicht ausreichen und weitere kostenträchtige Maßnahmen erforderlich sind, stellt sich die Frage, wie die finanziellen Mittel aufgebracht werden sollen. Heißt das Zauberwort etwa freiwilliges bürgerschaftliches Engagement? Sieht die Landesregierung darin einen Weg, die finanzielle Förderung zurückschrauben zu können? Ich vermisse Ausführungen darüber, wie contra dazu steht.

Mit der Förderung von Fortbildungsmaßnahmen allein ist es nicht getan. Hier verlässt sich die Landesregierung zu sehr auf die Kreativität und Belastbarkeit der zwei hauptamtlich Tätigen, wohl wissend, dass diese beiden Sozialpädagoginnen nur mit 75 % der regulären Arbeitszeit tätig sind. Wie sollen diese auch noch Zeit finden, bürgerschaftlich Engagierte anzuwerben, Öffentlichkeitsarbeit zu betreiben, Spenden zu akquirieren und längerfristige Betreuung zu gewährleisten?

Es muss erneut über die Verwendung der für verfallen erklärten Gelder nachgedacht werden. Im ersten Halbjahr 2002 sind - sicherlich nicht zuletzt durch die Verstärkung der Ermittler - Vermögenswerte in Höhe von 185.588 € zugunsten des Landes und 2.774.000 € zugunsten Geschädigter vereinnahmt worden. Dies zeigt, dass wir darüber noch einmal sprechen müssen. So einfach, dass das haushaltsrechtlich problematisch sei, lassen wir unseren Antrag nicht vom Tisch fegen.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU)

Der Bericht der Landesregierung gibt zwar Aufschluss über die Ermittlungszuständigkeit im Einzelfall, lässt aber die Frage offen, ob die personelle Ausstattung der zuständigen Behörden ausreichend ist, um optimale Ermittlungsergebnisse erzielen zu können. Bei entsprechend mehr Personal bei der Polizei und noch intensiverer Kooperation mit der Staatsanwaltschaft ließe sich die Abschöpfung von Verbrechensgewinnen sicherlich noch verstärken und der Frauenhandel wirkungsvoller bekämpfen.

(Ursula Sassen)