Protokoll der Sitzung vom 07.05.2003

Der beteiligte Wirtschaftsausschuss empfiehlt die Annahme des Gesetzentwurfs in geänderter Fassung.

Der federführende Umweltausschuss hat den Gesetzentwurf in vier Sitzungen, zuletzt am 23. April 2003, beraten und empfiehlt dem Landtag mit den Stimmen von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die Stimmen von CDU und FDP, den Gesetzentwurf in der Fassung der rechten Spalte der aus der Drucksache 15/2633 ersichtlichen Gegenüberstellung anzunehmen. Änderungen gegenüber der Regierungsvorlage sind durch Fettdruck kenntlich gemacht.

Der beteiligte Innen- und Rechtsausschuss und der beteiligte Agrarausschuss schließen sich diesem Votum an.

Meine Damen und Herren, ich empfehle Ihnen die Annahme des Landes-Artikelgesetzes in der Fassung der rechten Spalte der Drucksache 15/2633 mit der Maßgabe, dass Artikel 8 Satz 1 folgende Fassung erhält: „Dieses Gesetz tritt am Tage nach seiner Verkündung in Kraft.“

(Beifall bei CDU, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich danke der Frau Berichterstatterin. Ich eröffne jetzt die Einzelberatung.

Das Wort für die Fraktion der SPD erteile ich Herrn Abgeordneten Konrad Nabel.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren!

„Natur und Landschaft sind aufgrund ihres eigenen Wertes und als Lebensgrundlagen des Menschen auch in Verantwort für die künftigen Generationen im besiedelten und unbesiedelten Bereich so zu schützen, zu pflegen, zu entwickeln und, soweit erforderlich, wiederherzustellen, dass

1. die Leistungs- und Funktionsfähigkeit des Naturhaushalts,

2. die Regenerationsfähigkeit und nachhaltige Nutzungsfähigkeit der Naturgüter,

3. die Tier- und Pflanzenwelt einschließlich ihrer Lebensstätten und Lebensräume sowie

4. die Vielfalt, Eigenart und Schönheit sowie der Erholungswert von Natur und Landschaft

auf Dauer gesichert sind.“

Liebe Kolleginnen und Kollegen, dies sind die Ziele des Naturschutzes und der Landschaftspflege, wie sie in unserem Naturschutzgesetz in § 1 formuliert sind und auf die die CDU verzichten wollte, denen wir uns aber verpflichtet fühlen. Die optimale Umsetzung dieser Ziele waren uns Richtschnur bei den Vorschlägen zur Ergänzung des Gesetzentwurfs zur Umsetzung europarechtlicher Vorschriften in Landesrecht - Landes-Artikelgesetz, Drucksache 15/1950 -, mit dem unser Landesnaturschutzgesetz, das Wassergesetz, das Straßen- und Wegegesetz, das Eisenbahngesetz sowie das Waldgesetz geändert und ein Landes-UVP-Gesetz neu geschaffen wird.

Wie bereits in der ersten Lesung dieses Gesetzes versprochen, halten wir uns heute mit der zweiten Lesung an die vorgegebene Frist, die eine Umsetzung bis zum 8. Mai 2003, also morgen, verlangt. Wie ebenfalls in der ersten Lesung angekündigt, haben wir die durch die erneute Novellierung des Bundesnaturschutzgesetzes vom 25. März 2002 notwendige weitere Anpassung des Landesnaturschutzgesetzes als Fraktionen in das laufende Verfahren zum Landes

(Konrad Nabel)

Artikelgesetz eingebracht und legen Ihnen mit der Drucksache 15/2633 heute ein umfangreiches Antragspaket zum Beschluss vor.

Ich sage ausdrücklich „wir“ und meine die Fraktionen von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, denn weder CDU noch FDP noch SSW haben zum vorliegenden Gesetzentwurf im Rahmen der Ausschussberatungen eigene Anträge eingebracht. Die CDU ruhte sich auf ihrem Gesetzentwurf für ein neues Landesnaturschutzgesetz aus, zu dem an anderer Stelle bereits alles gesagt wurde und das wir weiterhin ablehnen, und die FDP, die dem CDU-Gesetzentwurf im Ausschuss zwar auch nicht zustimmen konnte, machte ohne eigene Anträge nur ihre Ablehnung unseres Gesetzes deutlich.

Heute liegt ein Text vor, der fälschlicherweise mit „Gesetzentwurf“ überschrieben ist. Das ist die Drucksache 15/2663. Das müsste eigentlich heißen „Änderungsantrag der Fraktion der CDU zur Drucksache 15/1950“. Das bitte ich bei der weiteren Debatte zu beachten.

Mit dem Gesetzentwurf der Landesregierung wurde die Umsetzung der genannten verschiedenen europäischen Richtlinien in Landesrecht angestrebt. Da diese Richtlinien bereits unmittelbar oder durch Bundesrahmenrecht galten, bringen die entsprechenden Regelungen im Landesrecht nichts substantiell Neues oder Kostenträchtiges für unser Land. So bringen etwa die Neuregelungen zur Auswahl und zur Meldung von Schutzgebieten nach der EU-Vogelschutz- und der FFH-Richtlinie, die rechtlichen Sicherungen die entsprechenden Schutzgebiete, insbesondere durch die Verträglichkeitsprüfung, die Änderung der Tierhegevorschrift und die Umsetzung der IVURichtlinie sowie das neue UVP-Gesetz vor allem mehr Rechtssicherheit und mehr Klarheit im Landesrecht. Dies gilt auch für die nun bevorstehende dritte Tranche der Meldung von FFH- und Vogelschutzgebieten. Das gilt auch bei dem seit Jahren bei uns im Land bewährten Verfahren der Beteiligung der Naturschutzverbände im UVP-Verfahren, aber auch bei der möglichen Beschränkung auf Vorprüfungen bei den meisten - kleineren - UVP-pflichtigen Maßnahmen.

Anders verhält es sich mit den weitergehenden Änderungen des Landesnaturschutzgesetzes. Über die Umsetzung der europarechtlichen Vorschriften - wie etwa durch die neuen §§ 20 a ff. zur Umsetzung der europäischen Richtlinien und die weiteren Vorschriften der 98er-Novelle des Bundesnaturschutzgesetzes wie etwa zur Bedeutung der Landwirtschaft mit der in Teilen neuen Landwirtschaftsklausel in § 7 unseres Landesnaturschutzgesetzes hinaus haben wir die zur

Umsetzung der Novelle des Bundesnaturschutzgesetzes vom 25. März 2002 notwendigen Änderungen eingebracht und wollen damit heute als erstes Bundesland die Regelungen des neuen Bundesnaturschutzgesetzes in Landesrecht umsetzen.

Dies wurde nur möglich, weil der Umweltausschuss unserem Wunsch folgend auf seiner Sitzung am 4. September 2002 unter Hinweis auf die zuvor erfolgte erste Lesung des Artikelgesetzes den Umweltminister um Unterstützung und Formulierungsvorschläge zur Umsetzung dieses Verfahrens gebeten hat. Den Kolleginnen und Kollegen im Umweltausschuss sei daher besonders gedankt, natürlich auch dem Umweltminister, vor allem aber seinen und unseren engagierten, hochmotivierten, kompetenten und kooperativen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dank auch an unseren Koalitionspartner, namentlich den Kollegen Matthiessen, der unsere Anträge unterstützt und durch seine Unterschrift mitgetragen hat. Zu Beginn des Verfahrens war es die Kollegin Irene Fröhlich, deren fachkundige und in Naturschutzfragen höchst engagierte Beiträge wir im Umweltausschuss inzwischen vermissen.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD)

- Sie ist leider nicht hier.

Viele der jetzt eingearbeiteten Änderungen unseres Landesnaturschutzgesetzes sind Präzisierungen oder Erweiterungen der bei uns bereits seit 1993 geltenden Vorschriften. Dies ist auch kein Wunder, denn unser Naturschutzgesetz lag der Novelle des Bundesnaturschutzgesetzes vom März 2002 zugrunde. Wir haben vor Jahren über den Bundesrat einen Änderungsvorschlag eingebracht. Dieser war sozusagen Pate des neuen Bundesnaturschutzgesetzes. Neben der Freude und dem Stolz darüber bringt uns dies vor allem Gelassenheit.

Für unser Naturschutzrecht bedeutet dies weit weniger Änderungen, als sie in anderen Bundesländern notwendig werden. Das gilt zum Beispiel für das Verbandsklagerecht, das jetzt auch im Bundesnaturschutzgesetz verankert ist. Bei uns gibt das seit zehn Jahren. Über die präzisierende Umsetzung in das Landesrecht hinaus gab es Forderungen der Naturschutzverbände nach erweiterten Beteiligungs- und Klagerechten. Auch wenn wir alle viel Verständnis für diese Forderungen hatten, sind wir dem nicht nachgekommen.

Wir haben uns aber vorgenommen, die Umsetzung der Konvention von Aarhus in Land und Bund offen

(Konrad Nabel)

siv voranzutreiben. Dieses UN-Übereinkommen vom Juni 1998 über den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten wird für die Transparenz von Verwaltungsentscheidungen und bei der Bürgerbeteiligung bis hin zur Klage neue Maßstäbe setzen.

An dieser Stelle weise ich daraufhin, dass wir alle unsere vorbildlichen Beteiligungsmöglichkeiten für Verbände und das Ehrenamt erhalten und ausbauen, ganz anders als die CDU, die in ihrem Entwurf zum Beispiel den ehrenamtlichen Naturschutzbeauftragen abschaffen wollte.

(Beifall bei SPD und SSW)

Als zweiter höchst bedeutsamer Punkt findet sich jetzt auch „unser“ Biotopverbundsystem als Biotopverbund im Bundesrecht wieder. Diese Verbindung von Biotopen, also von geschützten Landschaftsteilen, Naturschutzgebieten, FFH- und Vogelschutzgebieten, die allein und für sich genommen nur ein Flickenteppich wären, bietet großräumige Vernetzungsfunktionen und dient der Verbesserung ökologischer Wechselbeziehungen.

Diese Erkenntnisse hatten uns auch schon Anfang der 90er-Jahre dazu gebracht, unser Naturschutzgesetz zu formulieren. Jetzt wird auch der lokale Biotopverbund gestärkt, zum Beispiel durch die Aufnahme der Wegraine als Vernetzungselemente, aber auch die Landesgrenzen überschreitenden Biotopverbünde sind jetzt möglich. Es wird darüber hinaus klargestellt, dass Vorrangflächen auch außerhalb des Biotopverbunds möglich sind.

Meine Damen und Herren, ein mir ganz persönlich besonders wichtiger Aspekt ist die Orientierung an der Praxis und die Verkürzung von Verwaltungswegen. Dem wird zum einen durch die Übertragung einiger Aufgaben von der oberen auf die unteren Naturschutzbehörden Rechnung getragen. Das machen wir beispielsweise im Landeswassergesetz in § 77, wo wir die zuständigen Küstenschutzbehörden durch die unteren Küstenschutzbehörden ersetzt haben. Frau Kollegin Todsen-Reese, als Sie das bei uns abgeschrieben haben, haben Sie das vergessen zu übertragen. Wir waren da schon ein Stück weiter.

(Beifall des Abgeordneten Lars Harms [SSW])

Zum anderen tragen die Einrichtung von Ökokonten und Ausgleichsflächenkatastern zur Planungssicherheit, zur Transparenz und zur langfristigen Sicherung wertvoller Flächen für den Naturschutz bei.

Für ganz besonders wichtig halte ich die Erleichterungen und rechtlichen Verbesserungen bei der Einrichtung und Umsetzung wilder Weiden oder halboffener Weidelandschaften durch die in § 15 a und § 15 b definierten Ausnahmen.

(Zuruf der Abgeordneten Frauke Tengler [CDU])

Halboffene Weidelandschaften sind dabei, an die Seite konventioneller Methoden des Natur- und Landschaftsschutzes wie Schutzgebietsausweisungen und Biotopmanagement zu treten. Dabei sorgen auf extensiv genutzten und großräumig gekoppelten Naturschutzflächen wie zum Beispiel im Höltigbaum, in der Geltinger Birk oder im Stiftungsland Schäferhaus ganzjährig grasende Großherbivoren für ein Nebeneinander von offenen Landschaftsteilen und Gebieten unterschiedlicher Sukzessionsstadien.

Verbiss und Vertritt durch Rinder und Wildpferde, Schafe oder auch Rothirsche verhindern die Verdrängung von Wiesen und Gebüschen durch Wald. Es kann ein Mosaik unterschiedlich intensiv beanspruchter wertvoller Lebensräume entstehen.

(Zuruf des Abgeordneten Peter Jensen- Nissen [CDU])

- Hör zu, Jensen-Nissen! - Verluste beweideter Knicks können durch neu entstehende Waldinseln und Gebüsche kompensiert werden. Auch in ökonomischer Hinsicht ist das Konzept interessant, da mittelfristig mit sinkenden Kosten der Landschaftspflege zu rechnen ist.

Im § 15 a finden sich darüber hinaus Präzisierungen und die Neuaufnahme von Biotoptypen nach § 30 Bundesnaturschutzgesetz, zum Beispiel die für unser Land besonders prägenden Biotope im Meeres- und Küstenbereich.

Herr Abgeordneter Nabel, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Jensen Nissen?

Nein, meine Redezeit ist gleich zu Ende, Frau Präsidentin; deswegen nicht.

Anders als im CDU-Entwurf werden die für unser Land wichtigen Biotoptypen namentlich benannt. Substanzielle Erweiterungen finden sich auch in weiteren Paragraphen.

Meine Damen und Herren, meine Redezeit geht zu Ende.