Protokoll der Sitzung vom 08.05.2003

Die Kollegin Kähler hat behauptet, dass im Ausschuss keine konkreten Fragen gestellt worden sind. Deshalb hätte der Finanzstaatssekretär auch nicht antworten können. Ich weiß gar nicht, wer mir zum Beweis dieses falschen Vorwurfs eben so schnell die Niederschrift der Finanzausschusssitzung hingelegt hat, aber auf Seite 5 dieses Protokolls steht:

„Abgeordneter Wiegard verwehrt sich gegen den Eindruck, einseitig dem Landesrechnungshof die Verantwortung für die Veröffentlichung der Prüfungsmitteilungen in die Schuhe zu schieben, was von dem eigentlichen Thema ablenke, und macht auf die Verantwortung der Landesregierung und Stiftungen in diesem Zusammenhang aufmerksam. Er stellt klar, dass es der CDU um Aufklärung in der Sache gehe, und möchte von der Landesregierung wissen, wann, in welcher Höhe und mit welchen Folgen vermutlich oder tatsächlich ein Schaden für das Land eingetreten sei und ob es aus Sicht der Landesregierung sinnvoll sei, dass Mitglieder der Landesregierung beziehungsweise Staatssekretäre - also die Stiftungsaufsicht - gleichzeitig Mitglieder in Stiftungsvorständen oder Stiftungsräten seien.“

Das waren die ganz konkreten Fragen. Weil die nicht beantwortet wurden, haben wir sie noch einmal in unseren Berichtsantrag gekleidet und hier gestellt.

(Rainer Wiegard)

Nun sind sie beantwortet worden. Das ist die Wahrheit.

(Beifall bei CDU und FDP)

Herr Abgeordneter Neugebauer bitte.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich kann die Aufregung gar nicht verstehen. Es handelt sich eigentlich um einen ganz normalen Vorgang. Der Landesrechnungshof legt uns etwas vor und wir im Finanzausschuss denken darüber nach, ob in der Vergangenheit korrekt gehandelt worden ist. Leider ist das bisherige Verfahren durch eine Indiskretion geändert worden. Wir hätten uns in der Haushaltsprüfgruppe sachlich damit auseinander gesetzt, weil dann auch die Presse nicht anwesend gewesen wäre, Kollege Wiegard, und die Feststellung getroffen, es besteht Anlass, darüber nachzudenken, ob das Verhalten in der Vergangenheit richtig gewesen ist. Haben in der Vergangenheit alle handelnden Akteure richtig gehandelt? Dann ist doch zu fragen: Ist das in der Politik wie im privaten Leben? Nachher ist man klüger.

(Zuruf des Abgeordneten Rainer Wiegard [CDU])

- Das will ich gerade darstellen. Der akute Handlungsbedarf kann im Lichte heutiger Erkenntnisse gefunden werden. Ich vermute, wir sind uns einig, dass man feststellen muss, dass öffentliche Stiftungen anders handeln müssen als Privatpersonen. Der FDP-Bundesvorsitzende Westerwelle hat sich geoutet, dass er durch Anlagen am Neuen Markt viel Geld verloren hat. Ebenso haben es Unternehmen und alle Kreditinstitute gemacht. Die Kreditinstitute haben derzeit doch deshalb die finanziellen Probleme, weil sie einen Teil ihres Anlagevermögens in Aktien festgelegt haben. Sie sind ebenso wie Privatpersonen und diese Stiftungen Opfer der Kurseinbrüche gewesen.

Kollege Wiegard, was hätten Sie, Herr Dr. Garg oder gar der Landesrechnungshof den Beiräten, die einstimmig so entschieden haben, wohl heute vorgehalten, wenn es statt der Kurseinbrüche Kurssteigerungen gegeben hätte? Kolleg Garg, ich bin ziemlich sicher, Sie hätten gesagt: Ihr Landesregierung, Ihr Beiräte, Ihr habt Geld verschwendet, weil Ihr Euch nicht - wie andere Unternehmen, Banken und Privatpersonen - mit einem Teilbetrag Eures Anlagevermögens in den DAX oder in den Neuen Markt begeben habt. Ich bitte Sie also, das alles ein bisschen niedriger zu hängen.

(Beifall bei SPD und SSW)

Kollege Wiegard, nun muss man eine weitere Frage stellen: Wurde fahrlässig gehandelt? Darauf sage ich im Lichte der heutigen Erkenntnisse Nein, weil alle anderen sich genauso verhalten haben. Sie sind zu keiner anderen Entscheidung gekommen. Die Frage ist doch: Sind die übrigen drei genannten Stiftungen fahrlässig damit umgegangen? Darauf sage ich aufgrund meiner Erkenntnisse: Nein. Sie haben sich von der Landesbank beraten haben. Ich meine, das war eine Gewähr dafür, dass es sich um eine solide, seriöse Beratung handelte. Die Landesbank hat schließlich nicht nur die Stiftung beraten, sondern viele andere auch.

Zweitens. Wurden die Beiräte informiert? - Meine Erkenntnisse aus den Feststellungen bejahen diese Frage. Die Beiräte haben volle Information gehabt.

Die dritte Frage: War es strittig? - Meine Erkenntnisse lassen mich zu der Feststellung gelangen: Nein, es war in den Beiräten nicht strittig. Die Vertreter Ihrer Partei - ich hätte jetzt gern Herrn Kerssenbrock angeguckt, aber der ist vielleicht aus diesem Grunde aus dem Saal gegangen - haben wie alle anderen in guter Überzeugung und mit bestem Wissen dem zugestimmt. Deshalb würde ich Sie bitten, den Ball etwas flacher zu halten, aber mit uns gemeinsam jetzt darüber nachzudenken, ob man nicht Lehren aus dieser Vergangenheit ziehen sollte.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort zu einem Kurzbeitrag nach § 56 Abs. 4 der Geschäftsordnung erteile ich jetzt dem Herrn Abgeordneten Wagner.

(Frau Abgeordnete Ingrid Franzen [SPD] stürzt beim Verlassen ihres Platzes)

Die Sitzung ist unterbrochen.

(Unterbrechung: 17:01 bis 17:03 Uhr)

Die Sitzung ist wieder eröffnet. - Es ist Gott sei Dank nichts Schlimmes passiert. Wir wünschen Frau Franzen gute Besserung.

(Beifall)

Ich darf jetzt dem Kollegen Wagner das Wort zu einem Kurzbeitrag nach § 56 Abs. 4 der Geschäftsordnung erteilen.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn ich mich ganz spontan dazu entschlossen habe, hier zwei kurze Sätze zu sagen, dann nicht aus dem Grund, weil ich intimer Kenner der schleswig-holsteinischen Stiftungsszene wäre, sondern vielmehr aufgrund der Tatsache, dass ich bis zum Ende vergangenen Jahres selber Vorstand einer Stiftung war, die in Hamburg tätig gewesen ist. Diese Stiftung wurde vor drei Jahren gegründet, und ich musste diese ganze Etappe von der Gründung bis zum Auf-den-Weg-bringen mitmachen. Insofern empfehle ich in der Tat - und das sage ich ohne Häme -, einfach einmal in das Hamburger Stiftungsgesetz hineinzugucken. Da ist zum Beispiel in die Ausführungen über die Anlage von Kapital das schöne Wort „mündelsicher“ hineingeschrieben worden. In Hamburg wäre niemand auf den Gedanken gekommen, von dem Stiftungsgeld Aktien zu kaufen oder am Neuen Markt zu spekulieren. Im Gegenteil, ich war gezwungen, Papiere zu kaufen mit relativ niedrigen Zinsen, die aber mündelsicher gewesen sind.

(Ursula Kähler [SPD]: Das haben die meis- ten unserer Stiftungen auch gemacht!)

- Dann haben Sie aber einen schweren Fehler gemacht. Das ist der Punkt bei der ganzen Geschichte.

Ich empfehle, in das Hamburger Gesetz hineinzugucken, sowohl von den Regelungen der Stiftungsaufsicht her als auch von den Vorschriften zur Anlage des Stiftungskapitals ist das vernünftig und vorbildlich geregelt. Wenn wir uns daran anlehnen, wird so etwas zukünftig in Schleswig-Holstein in diesem Umfang sicher nicht mehr passieren.

(Beifall bei der CDU)

Weitere Wortmeldungen liegen aus dem Kreis der Abgeordneten zum jetzigen Zeitpunkt nicht vor. Gemeldet zum Ausschöpfen der Restredezeit von zwei Minuten hat sich der Herr Innenminister Buß.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Anregungen, um die Dinge für die Zukunft anders zu regeln, sind hier genügend gefallen. An dieser Diskussion wollen wir uns auch sehr gern beteiligen. Der Anlass, hier noch einmal darüber zu sprechen, war der Redebeitrag von Herrn Dr. Klug. Herr Dr. Klug, wenn Sie sagen: „Hier ist an den Börsen Geld verjuxt worden“, muss ich mich dagegen auch als Rechtsaufsicht mit aller Entschiedenheit wehren.

(Beifall bei SPD und CDU)

Ich denke, es ist auch Ihnen bekannt, dass die Anlage von Geld in Aktien eine völlig normale Anlageform ist, bundesweit üblich. Wir haben von Herrn Wagner gehört, dass man durchaus vorsichtig sein sollte. Das Wort „mündelsicher“ ist hier nicht enthalten. Es war also zulässig, so zu handeln. Ich habe dazu Ausführungen gemacht. Ich unterstelle, dass überall mit großem Verantwortungsbewusstsein gehandelt worden ist, und Sie wissen sehr genau, mindestens so gut wie ich, in welchem Maße Aktien unerwartet für die meisten Menschen in den Keller gegangen sind. Ich glaube, das kann man nicht vorwerfen. Deswegen ist diese Wortwahl, die ich von Ihnen in dieser Form überhaupt nicht gewohnt bin, meines Erachtens nicht in Ordnung. Das wollte ich hier gern feststellen.

(Beifall bei der SPD)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Dann treten wir jetzt in die Abstimmung ein. Es ist beantragt worden, den Antrag der Fraktionen der CDU und der FDP, Drucksache 15/2572, und den Bericht der Landesregierung, Drucksache 15/2248, zur abschließenden Beratung federführend dem Finanzausschuss, mitberatend den Ausschüssen für Bildung, Wirtschaft, Umwelt sowie Innen und Recht zu überweisen. Wer so beschließen will, den darf ich um sein Handzeichen bitten. - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Das ist einstimmig vom Hause so beschlossen.

Damit ist der Tagesordnungspunkt 15 erledigt. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 23 auf:

Bundesliegenschaften auf Sylt Antrag der Fraktion der CDU Drucksache 15/2643

Änderungsantrag der Fraktionen von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 15/2665

Ich frage: Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Dann treten wir in die Aussprache ein. Das Wort für die antragstellende Fraktion erteile ich Herrn Abgeordneten Maurus.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Thema Bundesliegenschaften ist seit einigen Jahren das Dauerthema auf den Tagesordnungen der Sylter Gemeindevertretungen, des nordfriesischen Kreistages und ein Gesprächsthema eigentlich ohne Ende auf Sylt und über Sylt hinaus.

(Heinz Maurus)

Nach diversen Verhandlungen mit der Bundesfinanzverwaltung macht sich jetzt, nachdem diese gescheitert sind, das Gefühl von Ohnmacht, Wut und bei dem einen oder anderen Betroffenen auch von Verzweiflung breit. Die Initiative „Bundesmieter in Not“ hat sich gegründet, und die „Sylter Rundschau“ berichtete gestern, am 7. Mai, von einem Thesenanschlag an der Lister Kirchentür. Die Entwicklung des Ortes wird mit äußerster Sorge gesehen. Von „Deutschlands nördlichster Hausmeister-City“ ist die Rede und im Winter „einer toten Stadt von Ferienwohnungen, Zweitwohnsitzen und dazwischen einer handvoll übrig gebliebener Einwohner“. So sieht der Lister Pastor die sich abzeichnende Entwicklung seiner Gemeinde.

Worum geht es nun konkret? Die Bundesregierung beabsichtigt, sich auf der Nordseeinsel Sylt im Zuge des Bundeswehrabzuges von ihren Liegenschaften zu trennen. Darunter befinden sich 680 Wohnungen, die von Sylter Bürgern, ehemaligen Bundesbediensteten und anderen bewohnt werden. Dieser Wohnungsbestand prägt die Orte List und Hörnum und ist auch in einigen Bereichen der Stadt Westerland prägend. Er ist ein unverzichtbarer Bestandteil der Wohnraumversorgung für Sylter und unverzichtbarer Bestandteil auch für die Sozialstruktur der Insel.

Von daher hatten sich die Sylter Kommunen entschlossen, mit dem Bund Verhandlungen aufzunehmen, mit dem Ziel, den Wohnungsbestand zur weiteren Dauervermietung zu erwerben und so Orts- und auch Sozialstrukturen zu erhalten. Für 539 Wohnungen boten die Sylter Kommunen auf der Grundlage des Ertragswertverfahrens für die insgesamt instandsetzungsbedürftigen Wohnungen 35 Millionen € an. Die Forderungen des Bundes beliefen sich auf der Grundlage des Sylter Verkehrswertes auf 107 Millionen €. Dass der Wert von Mietwohnungen nicht nach dem Ertragswert, sondern nach dem Verkehrswert ermittelt wird, ist zwar im Interesse des Bundes verständlich, aber bei der Veräußerung von Mietwohnungen durchweg nicht üblich.

In einem Sachstandsbericht an den Rechnungsprüfungsausschuss des Haushaltsausschusses des Deutschen Bundestages stellt das Finanzministerium, hier auszugsweise wiedergegeben, fest - ich zitiere -:

„In den konkreten Kaufverhandlungen, an denen auch den Gemeinden nahe stehende Wohnungsbauunternehmen beteiligt waren - ich füge hinzu: auch die LEG -, lehnten die Gemeinden eine Übernahme der Wohnungspakete zum Sachwert ab. Die gemeindlichen Ziele, die Wohngebäude auf Dauer als Mietwohnungen zu nutzen, ließen nur die

Zahlung eines Kaufpreises auf der Grundlage des Ertragswertverfahrens zu. Eine Einigung zum Bewertungsverfahren konnte nicht erreicht werden. Aus Sicht des Bundes ist ein Abweichen von der bundesweit angewandten Bewertung der Sachwertmethode zur Ermittlung des Verkehrswerts nicht zu vertreten.“

Ein entsprechender Haushaltsvermerk, der einen möglichen Ausweg oder eine mögliche Lösung des Problems dargestellt hätte, sollte wegen der damit verbundenen präjudiziellen Auswirkungen nicht in Erwägung gezogen werden.

„Die Verhandlungen mit den Sylter Gemeinden sind als gescheitert anzusehen."

Das Verhalten des Bundes ist hier nicht nachvollziehbar

(Beifall bei SPD und SSW)

und führt nicht nur zur Verunsicherung, sondern sogar zur Verängstigung von Bundesmietern, von Familien mit Kindern sowie Mietern, die in den meisten Fällen selbst der Bundesrepublik Deutschland ein Arbeitsleben lang treu gedient haben. Deren Wohnungen werden heute an Meistbietende verkauft. Pensionäre, Rentner und Hinterbliebene, Menschen in fortgeschrittenem Lebensalter sind durch die angekündigten Verkäufe verängstigt und verunsichert und werden so zum Teil im hohen Alter aus ihrer gewohnten Lebensumgebung vertrieben. Ich übertreibe wirklich nicht. Wir haben zahlreiche Briefe und zahlreiche Gespräche geführt. Was ich hier vortrage, ist in der Tat so.