Protokoll der Sitzung vom 08.05.2003

und führt nicht nur zur Verunsicherung, sondern sogar zur Verängstigung von Bundesmietern, von Familien mit Kindern sowie Mietern, die in den meisten Fällen selbst der Bundesrepublik Deutschland ein Arbeitsleben lang treu gedient haben. Deren Wohnungen werden heute an Meistbietende verkauft. Pensionäre, Rentner und Hinterbliebene, Menschen in fortgeschrittenem Lebensalter sind durch die angekündigten Verkäufe verängstigt und verunsichert und werden so zum Teil im hohen Alter aus ihrer gewohnten Lebensumgebung vertrieben. Ich übertreibe wirklich nicht. Wir haben zahlreiche Briefe und zahlreiche Gespräche geführt. Was ich hier vortrage, ist in der Tat so.

(Beifall bei CDU, SPD, FDP und SSW)

Das jetzige Verhalten der rot-grünen Bundesregierung ist von einer beispiellosen sozialen Kälte geprägt. Der Bund benimmt sich auf Sylt schlimmer als jeder x-beliebige Spekulant. Diese Regierung wird darüber hinaus ihrer gesamtstaatlichen Verantwortung nicht gerecht, denn die Bautätigkeit des Bundes und seiner Rechtsvorgänger auf der Insel in Verbindung mit der Stationierung von Streitkräften hat Insel-, Orts- und Bevölkerungsentwicklung über nahezu 70 Jahre massiv mitbestimmt. Der Abzug der Bundeswehr stellt die Kommunalpolitik vor kaum lösbare Herausforderungen.

Der nunmehr angekündigte Verkauf, insbesondere der 680 Bundeswohnungen, bringt die Gemeinden, vor allem Hörnum und List, in existenzielle Bedrängnis. Da der Bund speziell in diesen Gemeinden einen Großteil des Mietwohnungsbestandes besitzt, ist leicht nachzuvollziehen, wie sich dessen Veräußerung zu Höchstgeboten auf die Sozialstruktur der Gemein

(Heinz Maurus)

den auswirkt. Statt Dauermietraum entstehen Zweitwohnungen. Der Bevölkerung wird vorhandener Mietwohnraum entzogen, Schulen und Kindergärten bekommen Probleme, das gesamte örtliche Gemeinwesen kommt ins Schwanken, vom Kinderwagen bis zur Feuerwehr.

Hier kann der Bund, der ja zunächst Entwicklungen aktiv verursacht hat, nun nicht passiv bleiben und so tun, als ginge ihn das alles nichts an.

Beachten Sie bitte die Redezeit.

Ich achte auf meine Redezeit und komme zum Schluss. - Es ist nicht nachzuvollziehen, weshalb diese Regierung den Sylter Kommunen und gegebenenfalls mit diesen kooperierenden gemeinnützigen Wohnungsbaugesellschaften die Bundeswohnungen nicht zur Erhaltung des Mietwohnungsbestandes auf der Insel zum Ertragswert verkauft, statt auf ungewisse, spekulative Verkaufserlöse durch den Verkauf an Dritte zu vertrauen. Dieses Verhalten ist so nicht akzeptabel und in seinen Folgen nicht verantwortbar.

Daher bitte ich um Unterstützung unseres Antrages und sage zum Schluss: Auch den Änderungsantrag der Fraktionen von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN können wir mittragen, sodass wir hier sicherlich zu einer einvernehmlichen Beschlussfassung kommen werden.

(Beifall bei CDU, SPD, FDP und SSW)

Das Wort für die Fraktion der SPD erteile ich der Frau Abgeordneten Renate Gröpel.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Sehr geehrter Herr Maurus, ich glaube, dass wir heute zu einer Einstimmigkeit hier im Hause kommen, was Ihren Antrag betrifft. Das tut ja auch einmal ganz gut nach den turbulenten Debatten.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir alle kennen Sylt als eine schöne Insel mit hohem Freizeit- und Erholungswert, liebenswerten Orten und einzigartigen Naturschutzgebieten, insgesamt eine Insel mit großer Lebensqualität. Wenn wir Sylt als Touristen besuchen, finden wir ein umfangreiches Angebot von Freizeitanlagen mit Ferienwohnungen und Hotels -

lieber Kollege Neugebauer, es gibt dort auch einen Campingplatz; deswegen kenne ich Sylt auch.

(Heiterkeit und Beifall)

Aber gibt es auch ausreichend bezahlbaren Wohnraum für diejenigen, die auf der Insel wohnen und arbeiten?

Mit Sorge sieht nicht nur der Deutsche Mieterbund die Entwicklung auf dem Sylter Wohnungsmarkt, sondern auch wir als SPD-Landtagsfraktion. So stoßen die geplanten Wohnungsverkäufe des Bundes auf der Insel auf heftige Kritik. Die überwiegend in Westerland, List und Hörnum liegenden Wohnungen sind teilweise seit Jahrzehnten von Syltern bewohnt, die kaum eine Chance haben, die Wohnungen zu den allgemein üblichen Preisen auf der Insel zu erwerben. Deshalb wollten die Stadt Westerland und die Gemeinden List und Hörnum die Liegenschaften erwerben, um auf der touristisch geprägten Insel bezahlbaren Dauerwohnraum zu erhalten.

Leider sind die Verkaufsverhandlungen gescheitert, weil der vom Bund ermittelte Verkehrswert von den Gemeinden nicht bezahlbar ist.

Daher stimmen wir - wie gesagt - dem Antrag der CDU zu, alles zu versuchen, um den Bund hier zu einem Einlenken zu bewegen.

Wie aus der Antwort auf meine Kleine Anfrage vom 3. April dieses Jahres nachzulesen ist, hat die Landesregierung bereits alles in ihrer Macht Stehende getan, um für die bestehenden Wohnungsverkäufe auf der Insel Sylt eine sozialverträgliche Lösung zu finden. Dafür herzlichen Dank an die Landesregierung.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

So wäre nach Ansicht der Landesregierung bei der Ermittlung des Verkehrs- wertes zu prüfen, ob und inwieweit sich das Gebot der Nutzung der Wohnungen als Dauermietwohnung für die ansässige Bevölkerung und die damit verbundene potenzielle Nutzungseinschränkung als ein den Verkehrswert beeinflussender Umstand darzustellen ist. Auf diese Frage haben die Kommunen und der Gutachterausschuss des Kreises Nordfriesland bereits hingewiesen.

Nachdem die Verkaufsverhandlungen zwischen den Inselgemeinden und dem Bund scheiterten, hat sich auch unsere Ministerpräsidentin Heide Simonis mit Schreiben vom 6. März 2003 an den Bundesminister der Finanzen für eine nochmalige Überprüfung des Kaufpreisangebotes der Kommunen eingesetzt und mit dieser Zielrichtung hat sich ebenfalls der Innen

(Renate Gröpel)

minister bei einem Besuch persönlich an den Verteidigungsminister gewandt.

(Beifall der Abgeordneten Irene Fröhlich [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und Lars Harms [SSW])

Doch leider ist eine direkte Einflussnahme auf die Wohnungsverkäufe des Bundes durch die Landesregierung nicht möglich, da sie nicht Verhandlungspartner ist.

Ich freue mich aber über die entschlossene Haltung der Landesregierung, weiterhin gegenüber dem Bund ihren Standpunkt zu vertreten und zu versuchen, auf eine Annäherung bei den Verkehrswertvorstellungen des Bundes und der Sylter Kommunen hinzuwirken. Außerdem geht aus der Antwort auf meine Kleine Anfrage auch hervor, dass die Inselgemeinden ihre planungsrechtlichen Möglichkeiten angewandt haben, um dem Verdrängungswettbewerb in den Wohnungsbeständen für die Inselbewohner durch die mögliche Umwandlung in Zweit- und Ferienwohnungen zu begegnen. Und zudem wurden in den Jahren 1995 bis 2002 insgesamt 208 Wohneinheiten mit Mitteln der sozialen und allgemeinen Wohnraumförderung gefördert. Das heißt, hier haben die Inselgemeinden und die Landesregierung alles in ihren Möglichkeiten Stehende getan, um angemessenen und bezahlbaren Wohnraum für die eingesessenen Bürgerinnen und Bürger auf Sylt zu erhalten oder neu zu schaffen.

Die SPD-Landtagsfraktion appelliert daher an den Bund, das Kaufpreisangebot der Sylter Kommunen nochmals zu prüfen und eine zufrieden stellende Lösung zu suchen, mit dem Ziel, soziale Strukturen und Bewohnerstrukturen in den Inselgemeinden zu erhalten.

(Beifall im ganzen Haus)

Das Wort für die Fraktion der FDP erteile ich jetzt Herrn Abgeordneten Dr. Heiner Garg.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! An und für sich könnte man hier als Ordoliberaler auftreten und sagen: Da verkauft der Bund Häuser, der blanke Hand braucht jeden Euro, jeden Cent in Berlin. - Was soll’s? Eine Marktlösung ist eine gerechte Lösung: Wer am meisten bezahlt, der bekommt es. Das ist gut für den Bund.

(Zuruf der Abgeordneten Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

- Nur, Frau Heinold, wenn es eine Abweichung von dieser Marktlösung geben soll, bin ich der Auffassung, dass es in der Tat einen guten Grund braucht, und diesen Grund will ich Ihnen heute liefern. Die Insel Sylt entwickelt sich nämlich zum größten Ferienclub Deutschlands, in dem nur noch wenige Menschen tatsächlich wohnen. Die Abwanderung der Einheimischen beschleunigt sich zusehends und der Anteil des Dienstleistungspersonals, der täglich vom Festland nach Sylt kommt, wächst immer schneller.

Die Verkaufsstrategie des Bundes verstärkt einerseits diese Trends und behindert andererseits die Kommunen erheblich in ihren Anstrengungen, Wohnraum für Einheimische zu schaffen. Bei der bisherigen Verkaufsstrategie zeichnet sich eindeutig ab, dass auf den Grundstücken mittelfristig Ferienwohnungen entstehen, weil sich damit auf Sylt am meisten Geld verdienen lässt. Ferienwohnungen stehen nicht für die Einheimischen als Wohnung zur Verfügung und deswegen sind wir ganz klar für Ihren Antrag, Herr Kollege Maurus. Wer auf den Grundstücken des Bundes Ferienwohnungen bauen will, der soll einen höheren Kaufpreis bieten als diejenigen, die Wohnungen für die einheimische Bevölkerung bereitstellen wollen. Folglich geht das Angebot an Wohnraum für Einheimische auf Sylt zurück. Der Preis für Wohnraum steigt noch weiter und immer weniger Menschen werden tatsächlich die Möglichkeit haben, dauerhaft auf Sylt zu leben.

Das wollen wir nicht und das widerspricht auch dem Regionalplan V, nach dem der künftige Wohnungsneubau nur noch den tatsächlichen Bedarf der einheimischen Bevölkerung decken soll.

Hinzu kommt, dass für neue Wohnungen auf Sylt so gut wie keine neuen Flächen vorhanden sind. Neue Wohnungen müssten zwangsläufig auf bereits bebauten Grundstücken gebaut werden. Wenn jetzt 610 Grundstücke dem Wohnungsmarkt entzogen werden sollen, widerspricht das auch eindeutig den Zielen des Landes. Die Frage ist also: Was können wir tun? - Wir können zumindest den Bund davon zu überzeugen versuchen, dass die Ziele der Sylter Kommunen es rechtfertigen, dass ihnen der Kauf der Immobilien ermöglicht wird. Wir können es nicht nur versuchen, wir sollten es auf jeden Fall versuchen. Ich bin sogar der Meinung, wir müssen es versuchen, denn es entspricht den Zielen unseres Landes, niedergelegt in dem eben erwähnten Regionalplan V, also einem Gesetz.

Die Haushaltslage der Sylter Kommunen macht es ihnen unmöglich, bei einem freien Verkauf der Bundesimmobilien mitzuhalten. Letztlich geht es also um zwei Fragen: Ersten. Wie viel Geld können

(Dr. Heiner Garg)

und wollen die Sylter Kommunen für wie viele der in Frage stehenden Wohnungen ausgeben? Zweitens. Wie viel lässt der Bund es sich kosten, auf die Ziele Schleswig-Holsteins und der Sylter Kommunen Rücksicht zu nehmen? All diese Probleme können nur in Verhandlungen zwischen den Sylter Kommunen und dem Bund geklärt werden. Wir müssen unserer Auffassung nach alles in unserer Macht Stehende tun, damit diese Verhandlungen wieder aufgenommen werden. Das muss schnell geschehen, denn der Bund verkauft jetzt schon auf dem freien Markt. Und je länger die Verhandlungen auf die lange Bank geschoben werden, desto kleiner wird die Zahl der in Frage stehenden Häuser und desto geringer werden die Chancen der Kommunen, ihre Ziele überhaupt noch in nennenswertem Umfang erreichen zu können.

Aus diesem Grund stimmen wir Ihrem Antrag, dem Antrag der Union, Herr Maurus, zu und da Sie den Änderungsantrag von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN übernommen haben, stimmen wir dem Gesamtpaket selbstverständlich auch zu. Ich wünsche Ihnen - und ich denke, im Namen von uns allen -, dass dieses Ansinnen viel Erfolg im Sinne derjenigen hat, die dort leben und arbeiten wollen oder auch müssen.

(Vereinzelter Beifall)

Das Wort für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erteile ich jetzt Frau Abgeordneter Irene Fröhlich. Gleichzeitig begrüße ich auf der Tribüne Studentinnen und Studenten der Universität Flensburg. - Herzlich willkommen!

(Beifall)

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben uns bei unserem auswärtigen Fraktionstag im April dieses Jahres in Gesprächen mit der Bürgermeisterin von Westerland und anderen Sylter Bürgerinnen und Bürgern selbst ein Bild von der Wohnungssituation auf der schönsten Nordseeinsel machen können. Wir alle kennen die Stellungnahmen von Pendlerinnen und Pendlern zwischen Sylt und dem Festland, aus denen eindeutig hervorgeht, wie hoch das existenzielle Interesse von Menschen offenbar ist, die eigentlich ihren Arbeits- und Lebensmittelpunkt auf Sylt haben möchten, daran aber durch völlig indiskutable Angebote auf dem Wohnungsmarkt gehindert werden.

Aus der Kleinen Anfrage - für die ich sehr dankbar bin - von Frau Gröpel geht eindeutig hervor, dass

sowohl die Sylter Gemeinden als auch der Landtag von Schleswig-Holstein nicht viel mehr tun können, als an die Bundesregierung und die sie tragenden Parteien im Bundestag zu appellieren. Das haben wir natürlich in persönlichen Gesprächen schon getan. Aber vielleicht hilft es doch noch mehr, wenn jetzt der Schleswig-Holsteinische Landtag sich als Ganzes ebenfalls hinter diese Appelle stellt, nachdem auch der Innenminister und vor allen Dingen auch die Ministerpräsidentin ebenfalls bei der Bundesregierung vorstellig geworden sind.

Natürlich habe ich Verständnis für die scharfen Rechnerinnen und Rechner im Haushaltsprüfungsausschuss. Aber sie sollen sich auch nicht täuschen. Es könnte sein, dass sie das von den Sylter Gemeinden angebotene Geld schneller in der Kasse haben, als das durch das freie Angebot auf dem Markt erhoffte. Außerdem sollten sie bedenken, dass es sich bei den knapp 600 Wohnungen um ein Gut handelt, das die Allgemeinheit bereits bezahlt hat. Insofern ist es nicht vergleichbar mit anderen privaten Vermögen.

Herr Maurus, ich möchte allerdings auch sagen, dass wir das Problem auf Sylt schon jahrelang haben. Schon jahrelang appellieren Sylter Gemeinden, Sylter Bürgerinnen und Bürger und auch die Grünen an die Bundesregierung, doch hier ein Einsehen mit den lokalen Problemen zu haben. Jahrelang hat schließlich die Bundesregierung diesem Ansinne, egal welcher Farbe sie angehörte, mit dem Hinweis wenig Beachtung geschenkt, dass sie natürlich auch verpflichtet ist, Vermögen, das dem Bund gehört, also allen Bürgerinnen und Bürgern, zum Höchstpreis auf dem Markt anzubieten. Dafür kann man auch Verständnis haben, aber ich finde, diese Argumente, die ich eben vorgetragen habe, sollten der Bundesregierung helfen, zu einem bessern Ergebnis zu kommen als die Vorgängerregierungen. Sollte ein erneutes Gutachten über den Verkehrswert weiterhelfen, so könnte und müsste dies schnellstens auf den Weg gebracht werden. Dem wird man sich sicher nicht entziehen können.

Ich möchte noch einmal sagen, warum es für uns wichtig war, den hier vorgelegten Antrag der Fraktion der CDU, dem wir in den ersten zwei Punkten ohne weiteres zustimmen können und werden, im dritten Punkt zu ändern. Ich finde, auf Sylt gibt es eine sehr zukunftsfähige Initiative, alle Sylter Gemeinden unter ein Dach zu bringen und eine Stadt Sylt einzurichten. Uns schien, dass der dritte Punkt diesen Bestrebungen eher entgegenlaufen würde, nämlich die Ortsstrukturen in den betroffenen Gemeinden durch geeignete Maßnahmen zu sichern. Wir meinen aber - und sind darin offensichtlich mit dem Antragsteller einig; Herr