Deswegen stellt sich bei dem vorgelegten Antrag die Frage, Herr Geißler: Hält er, was er verspricht? Oder deutlicher gesagt: Gute Verpackung, nämlich Überschrift, aber nichts darin? - Das möchte ich mit einigen kritischen Hinweisen und Fragen gerne untermauern.
Ihr Vorschlag, DNA-Analysen ohne Gefährlichkeitsprognosen, das heißt, ohne Wenn und Aber durchzuführen, verletzt meiner Ansicht nach das Gebot der Verhältnismäßigkeit.
Ihnen ist sicher bekannt, Herr Geißler - hören Sie einmal zu; ich unterstelle Ihnen einmal, dass Sie gut informiert sind -, dass das Bundesverfassungsgericht bereits am 14. Dezember 2000 festgestellt hat, dass jede DNA-Analyse ein Eingriff in das verfassungsrechtlich geschützte Recht auf informationelle Selbstbestimmung ist. Darüber kann man sich nicht einfach hinwegsetzen, auch Sie nicht, Herr Geißler.
(Beifall der Abgeordneten Wolfgang Kubicki [FDP] und Irene Fröhlich [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]- Zurufe von der CDU)
Wie wollen Sie die Verhältnismäßigkeit transparent begründen, ohne sie nach dem geltenden § 81 g StPO einer vorgeschriebenen Gefährdungsprognose zu unterstellen? - Ich denke, da müssen wir schon sehr, sehr aufpassen.
Meine weiteren Bedenken kommen aus dem datenschutzrechtlichen Bereich. Ich sage es einmal etwas plakativ: Es erinnert mich schon ein bisschen an George Orwell und an „Big brother is watching you“. In dem gestern vorgestellten Bericht des Bundesdatenschutzbeauftragten für die Jahre 2000/2001 hat sich dieser sehr gegen die erhebliche Ausweitung der freiwilligen DNA-Analysen ausgesprochen und erhebliche Bedenken erhoben. Was würde er erst, was würde Herr Bäumler - ich glaube, Sie haben da vorhin die falsche Stelle zitiert - zu Ihrem Antrag sagen? - Das werden wir nachfragen. Deshalb sind wir übrigens auch für die Überweisung in den Innen- und Rechtsausschuss.
Ich möchte durchaus sagen - das haben Sie an den Beginn Ihrer Rede gestellt -, dass auch wir die DNAAnalyse für ein wichtiges, die Strafverfolgungsermittlung erheblich verbesserndes Instrument halten. Da gibt es gar kein Wenn und Aber. Sie haben auch zitiert, dass es dazu auf Bundesebene durchaus Überlegungen gibt.
Ich möchte aber noch einmal auf das Bundesverfassungsgericht hinweisen, das am 15. März 2001 vier konkrete Fälle entschieden hat. Da ging es allerdings jeweils um bereits Verurteilte und deren Behandlung bei DNA-Analysen. Auch hier ist explizit gefordert worden, Herr Geißler, dass eine Einzelfallprüfung unumgängliche Voraussetzung ist. Es gibt kein „wenn, dann“ über ganze Tätergruppen und ich glaube, da müssen wir sehr, sehr sorgfältig sein.
Ich denke, das Thema ist mit hoher Sensibilität zu behandeln. Nicht jedes Mittel darf recht sein und
nicht jedes Mittel darf Recht werden. Für die SPDFraktion gebietet es sich, die Grundsätze des Strafprozesses, die ein hohes Gut unseres Rechtsstaates sind, auch und gerade bei diesen schrecklichen Taten zu verteidigen. Und die dürfen wir nicht nach Belieben ausdehnen.
(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abgeordneten Wolfgang Kubicki [FDP] und Lars Harms [SSW])
Ich hatte mich schon einmal dafür ausgesprochen, den Antrag zur abschließenden Beratung in den Innen- und Rechtsausschuss zu überweisen. Ich denke, wir sollten uns die Zeit nehmen, das Thema zu vertiefen.
Aus den Vorlagen meines wissenschaftlichen Mitarbeiters habe ich gesehen, wie oft dieses Thema hier schon eine Rolle gespielt hat. Lieber Herr Geißler, ich möchte Ihnen nicht zu nahe treten, aber vielleicht sollten wir nicht auf jeden größeren Prozess - zurzeit haben wir wieder einen in Schleswig-Holstein - mit solchen Anträgen reagieren. Wir erwecken damit den Eindruck von Handlungsfähigkeit bei solchen Dingen, die wir letztlich nicht haben.
(Vereinzelter Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und Beifall des Abgeord- neten Lars Harms [SSW])
Das Wort für die Fraktion der FDP erteile ich jetzt dem Fraktionsvorsitzenden, Herrn Wolfgang Kubicki.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bereits im Mai 2001 hat die CDU-Fraktion im Rahmen des Berichtes der Landesregierung zur Änderung des DNA-Identitätsfeststellungsgesetzes bemängelt, dass es bei der Entnahme von Körperzellen für die DNA-Identitätsfeststellung einer Gefährlichkeitsprognose über den Beschuldigten bedarf. Jetzt wird von der CDU eine entsprechende Bundesratsinitiative zur Abschaffung einer solchen Prognose eingebracht. Wir können direkt froh sein, Herr Kollege Geißler, dass die CDU in Schleswig-Holstein nicht dem rechts- und innenpolitischen Sprecher der CSULandesgruppe Wolfgang Zeitlmann gefolgt ist, der eine vorbeugende Datei mit DNA-Daten der gesamten männlichen Bevölkerung mit der Begründung fordert, dass das einer verstärkten Abschreckung potenzieller Täter dient. Sie müssen mir einmal erklären, warum Sie denn - wenn das doch der Abschreckung dienen soll - nicht den Vorschlag von Herrn Zeitlmann, der weitergehender als Ihr Antrag ist und deshalb der effektivere wäre, hier eingebracht haben.
Wieso Herr Zeitlmann die DNA-Daten der weiblichen Bevölkerung nicht will, ist mir allerdings nicht so recht bekannt. Wenn es um die Aufklärung von Straftaten geht, gibt es nur ganz bestimmte Bereiche, in denen Frauen für solche Straftaten nicht in Betracht kommen. Bei anderen Straftaten kommen sie ebenfalls jederzeit und überall in Betracht.
Doch mit einer solchen Begründung, Herr Kollege Geißler, müsste man von jedem Einwohner dieser Republik vorsorglich Fingerabdrücke oder sogar Stimmproben abnehmen. Und wie weit eine solche Abschreckung potenzieller Täter wirkt, haben die USA seit Anwendung der Todesstrafe praktisch erfahren - das habe ich Ihnen gestern schon einmal gesagt -: Es bewirkt rein gar nichts.
Nach Verbrechen, wie dem Mord an kleinen Kindern, ist es natürlich verständlich, wenn nach schnellen Wegen gesucht wird, solche Untaten zu verhindern. Eine schnelle Aufklärung sind wir der Gesellschaft, den Eltern des Kindes und auch dem Opfer selbst schuldig. Doch bei allem Verständnis für eine verbesserte Aufklärung, das in unserer Verfassung verankerte Menschenbild geht zu Recht gerade nicht davon aus, dass jeder kleine Ladendieb ein potenzieller Erpresser, Vergewaltiger oder sonstiger Straftäter ist, den der Staat vorsorglich überwachen muss und für den Fall des Falles weitergehende Beweismittel vorhält, um Fahndungs- oder Aufklärungsverzögerungen auszuschließen. Deshalb gilt in unserem Land auch immer noch - dankenswerterweise - die Unschuldsvermutung. Das ist auch gut so, Herr Kollege Geißler, denn straffällig gewordene Personen dürfen nicht für ihr zukünftiges Leben dem Generalverdacht unterworfen sein, dass sie wieder Straftaten begehen werden.
Ich habe gestern gelesen, dass die Staatsanwaltschaft Hamburg 10 % der Abgeordneten der dortigen Bürgerschaft für potenzielle Straftäter hält. Herr Kollege Geißler, wenn die dem Generalverdacht unterworfen würden, ihr künftiges Leben nicht straffrei führen zu können, hätten wir ein Riesenproblem. Sie übrigens auch.
Die DNA-Analyse darf deshalb auf keinen Fall zu einer Standardmaßnahme im Rahmen der Identitätsfeststellung werden. DNA-Proben helfen zwar bei einem konkreten Verdachtsmoment durchaus, schwerwiegende Mord- und Vergewaltigungsdelikte aufzuklären, für Massendelikte sind diese aber unverhältnismäßig. Umso mehr stört es, wenn die CDU der Bevölkerung weiszumachen versucht, dass es sich bei einer DNA-Probe lediglich um eine verbesserte Version des klassischen Fingerabdrucks handelt. Die CDU muss endlich damit aufhören, den Bürgern vor
zugaukeln, dass nur durch schärfere Gesetzes oder größere technische Überwachung mehr Sicherheit erzielt wird.
Die DNA-Analyse geht weit über die Bestimmung, ob jemand Täter oder Nichttäter ist, hinaus. Wissenschaftler haben eindeutig bekräftigt, dass solche DNA-Analysen Rückschlüsse auf weitaus mehr Kriterien zulassen als offiziell abgespeichert werden. Herr Kollege Geißler, wir werden Sie im Ausschuss mit den Leuten, die wirklich etwas von der Materie verstehen, zusammenbringen, damit Sie sehen, dass das, was Sie in Ihrem Kopf haben - was man möglicherweise auch erörtern kann - technisch tatsächlich problemlos überwindbar ist.
Wer den jährlichen Tätigkeitsbericht des Landesdatenschützers liest, kann erahnen, was oftmals mit einmal durch staatliche Institutionen erhobenen Daten passieren kann. Machen wir uns doch nichts vor, eine solche Datei weckt schlicht Begehrlichkeiten. Ich weise darauf hin, dass sich unsere Datenschützer bundesweit mittlerweile fragen, warum die Zahl der Telefonabhöraktionen, die dank der technischen Möglichkeiten problemlos gegeben sind, exponentiell in die Höhe geschossen sind. In keinem anderen Land der Erde wird so viel Telefonüberwachung mit einem gegenwärtig so geringem Ergebnis und mit einer so hoch betroffenen Anzahl von Personen, die mit dem Gesetz nicht in Konflikt geraten sind, betrieben wie in Deutschland. Herr Kollege Geißler, ich möchte nicht, dass das mit der DNA-Analyse - weil sie technisch möglich ist - in gleicher Weise passiert. Das können Sie gar nicht ausschließen.
Das Bundesverfassungsgericht hat in der Vergangenheit die verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Erhebung und Verarbeitung des genetischen Fingerabdrucks präzisiert. Danach kommt den Gerichten eine sehr weitgehende Pflicht zur Prüfung sämtlicher für das Bestehen einer Wiederholungsgefahr aussagefähiger Unterlagen und Informationen zu. Die Entscheidungen müssen sich mit allen für oder gegen eine Negativprognose sprechenden Umständen auseinander setzen und in der Begründung zu ihnen Stellung beziehen. Dieser sehr massive Richtervorbehalt, den das Bundesverfassungsgericht mehrfach bekräftigt hat, weist darauf hin, dass es verfassungsrechtlich äußerst bedenklich ist, in das allgemeine Persönlichkeitsrecht und in das Recht der informatio
nellen Selbstbestimmung einzugreifen. Und Sie wollen diese Grenzen bedauerlicherweise weiter verschieben.
Diese materiell-rechtlichen Anforderungen können nicht einmal durch die Einwilligung der Betroffenen ersetzt werden, da diese nicht für sich selbst über das Vorliegen der erforderlichen Schwere der Anlasstat und der Wiederholungsgefahr entscheiden können. Das heißt, es reicht nicht aus, dass der Straftäter selbst erklärt, er sei bereit, das zu machen, sondern es müssen die gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen, um eine entsprechende Gefährlichkeitsprognose abgeben zu können.
(Beifall der Abgeordneten Günther Hilde- brand [FDP], Ingrid Franzen [SPD], Karl- Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN] und Lars Harms [SSW])
Ein Verzicht auf den Richtervorbehalt bei Anordnung einer konkreten Probenentnahme bei einem einzelnen Tatverdächtigen ist deshalb in einem Rechtsstaat undenkbar. Wenn selbst bei einer Hausdurchsuchung der Richtervorbehalt zwingend vorgeschrieben ist, kann bei dem ungleich schwereren Eingriff der DNAAnalyse darauf nicht verzichtet werden, da das fundamentalen Prinzipien des Rechtsstaates widersprechen würde. Herr Kollege Geißler, für einen derartigen fundamentalen Eingriff in die Grundrechte des Einzelnen, der sich bis weit in die Zukunft des Betroffenen auswirken dann, können die Strafverfolgungsbehörden keinen Freibrief bekommen, sondern es ist vielmehr eine erhöhte rechtsstaatliche Kontrolle geboten. Ich sage Ihnen, deshalb haben wir momentan erhebliche Bedenken und werden bei dem heutigen Stand dem CDU-Antrag nicht zustimmen.
(Beifall bei FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN sowie der Abgeordneten Ingrid Fran- zen [SPD] und Lars Harms [SSW])
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die DNA-Analyse hat sich in den letzten Jahren als effizientes Mittel zur Aufklärung von Straftaten erwiesen. Sie ist aber auch ein schwerer Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Ich stelle mich grundsätzlich immer wieder gern der Debatte, welche Maßnahmen im Bereich der DNA-Analyse zur Aufklärung von Verbrechen notwendig und vertretbar sind. Im Falle des hier vor
liegenden Antrages der CDU verhält es sich so, dass ich wohl der Begründung zustimmen kann, dass wir aber andere Schlussfolgerungen für die gebotenen Maßnahmen ziehen als die CDU-Fraktion in ihrem eigentlichen Antragstext.
„Diese im geltenden Recht vorgesehene Beschränkung der Anlasstaten auf solche von erheblicher Bedeutung ist bei Vergehen mit sexuellem Hintergrund zu eng und auch verfassungsrechtlich nicht geboten. In diesem Bereich sind weniger gewichtige Straftaten der Beginn einer kriminellen Karriere, an deren Ende schwerste Straftaten stehen können.“
Nicht ganz verständlich ist mir, dass Sie als Konsequenz aus dieser Feststellung nicht auf eine Änderung der Voraussetzungen hinsichtlich der vorausgegangenen Straftat hinwirken, sondern auf die Abschaffung der Gefährlichkeitsprognose. § 81 g der Strafprozessordnung regelt die DNA-Analyse zu Zwecken der Identitätsfeststellung in künftigen Strafverfahren. Nach der derzeitigen Rechtslage ist Voraussetzung dafür, dass sowohl der Verdacht einer begangenen Straftat von erheblicher Bedeutung vorliegt - die so genannte Anlassstraftat - als auch eine Gefährlichkeitsprognose, also eine Prognose, dass gegen den Betreffenden in Zukunft erneut Verfahren wegen Straftaten von erheblicher Bedeutung zu führen sein werden.
Es hat sich nun gezeigt, dass es Fälle gibt, in denen die Anlassstraftat noch nicht von erheblicher Bedeutung ist, eine Gesamtbewertung aber zeigt, dass in Zukunft Straftaten von erheblicher Bedeutung zu erwarten sind, wie es auch der Kollege Geißler in der Begründung des Antrages schreibt.
Diese Prognose kommt zum Beispiel in der Praxis - das haben Sie hier auch gesagt - häufiger bei exhibitionistischen Straftätern vor. Daher mag es sinnvoll sein, den Anwendungsbereich so zu erweitern, dass auch bei nicht so erheblichen Anlassstraftaten eine DNA-Analyse stattfinden kann. Auf dieser Seite könnten wir die Latte niedriger legen. Die Gefährlichkeitsprognose als zweite Straftatbestandsvoraussetzung muss aber auf jeden Fall erhalten bleiben. Sie ist im Hinblick auf die präventive Zielrichtung der Untersuchung ein unverzichtbares Kriterium, um den Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung auf das erforderliche und das allein erträgliche Maß zu beschränken.
Die Bundestagsfraktionen von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN haben im Januar dieses Jahres einen Antrag zur Änderung des Sexualstrafrechts und anderer Gesetze in den Bundestag eingebracht, der genau diese Erweiterung des Anwendungsbereichs vorsieht. Danach soll eine DNA-Analyse für Zwecke künftiger Strafverfahren bei Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung unabhängig davon ermöglicht werden, ob bereits die Anlassstraftat von erheblicher Bedeutung ist. Dies ist zurzeit in der Debatte des Bundestages. Ich finde, das könnten wir uns in aller Ruhe angucken und uns auch referieren lassen und beraten. Deshalb finde ich, wir sollten das im Ausschuss noch weiter vertiefen.
Der hiesige Antrag hat sich so, wie er seiner Begründung zufolge intendiert war, in meinen Augen eigentlich erledigt. Lassen Sie uns dies dann aber noch detailliert in der Ausschussberatung erörtern.
Ich darf jetzt auf der Tribüne Schülerinnen und Schüler sowie Lehrerinnen und Lehrer der BrunoLorenzen-Realschule in Schleswig begrüßen. - Herzlich willkommen im Schleswig-Holsteinischen Landtag!