Protokoll der Sitzung vom 18.06.2003

Circa 10.000 Haushalte in unserem Land zahlen zurzeit noch Fehlbelegungsabgabe. Sie haben ab November des nächsten Jahres mehr Geld in der Tasche und wir hoffen alle, dass sie das nicht ins Sparschwein stecken, sondern in den Konsum.

Die Kollegin Renate Gröpel hat vor zwei Jahren zu meinem damaligen Kollegen Gero Storjohann gesagt - ich zitiere -: Die CDU-Forderung, ab sofort, ab 1. Juli dieses Jahres, auf die Abgabe zu verzichten, ist populistisch und im höchsten Maße unsolide.

(Holger Astrup [SPD]: Da hat sie Recht!)

So, liebe Kolleginnen und Kollegen, ändern sich die Zeiten. Es ist eigentlich doch beruhigend für die Bürgerinnen und Bürger in unserem Land, dass sich Politik von Gesetzen verabschiedet, wenn erkannt wird, dass sie überflüssig sind. Das kommt allerdings nicht so häufig vor. Das sollten wir öfter tun.

Dieser Gesetzentwurf wird in der Anhörung im Innen- und Rechtsausschuss nur Zustimmung erfahren. Da bin ich mir ganz sicher.

(Beifall bei CDU und FDP)

Ich erteile der Frau Abgeordneten Gröpel das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren!

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Kommt jetzt wieder Ihre Rede von vor zwei Jahren?)

- Nein. Ich werde gleich auf das eingehen, was Frau Schwalm von mir aus der Zeit von vor zwei Jahren zitiert hat. Das ist nach wie vor richtig. 2001 hätten wir auf 7 Millionen DM verzichten müssen, wenn wir Ihrem Antrag gefolgt wären. Das wäre ein Investitionsvolumen von 70 Millionen DM gewesen. Dazu haben wir uns nicht in der Lage gesehen. Insofern haben sich die Zeiten geändert, indem die Nettoerträge nicht mehr nachbleiben. So einfach ist das.

In den letzten beiden Jahren hätten wir, wären wir Ihrem Gesetzentwurf damals gefolgt, insgesamt sogar - jetzt noch in DM gerechnet - bei 11 Millionen oder 12 Millionen DM Verzicht gelegen. Das konnten wir uns schlichtweg nicht leisten. Davon haben diejenigen profitiert, für die wir neue Wohnungen gebaut haben und die sie brauchen.

(Beifall bei der SPD und der Abgeordneten Irene Fröhlich [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN])

Uns liegt heute der Gesetzentwurf zur Aufhebung des Gesetzes über den Abbau der Fehlsubventionierung im Wohnungswesen vor. Ich glaube, hier im Haus, aber auch im Land werden wir breite Zustimmung dafür erfahren - vom Mieterbund und von allen, die uns kritisiert haben. Auch die SPD-Fraktion unterstützt den Gesetzentwurf, der die Abschaffung der Fehlbelegungsabgabe zum 31. Oktober 2004 vorsieht.

Seit der Einführung der Fehlbelegungsabgabe 1992 hat es immer wieder heftige Diskussionen über den Sinn und den Zweck gegeben und die SPD-Fraktion hat bisher das Gesetz im Grundsatz auch für sozial gerecht gehalten. Durch Fehlbelegungsabgabe sollten Fehlförderung und Fehlsubvention vermieden werden. Auch heute reden ja alle wieder vom Abbau von Subventionen. Nur dann, wenn es konkret wird, gibt es große Widerstände bei den Betroffenen. Das ist hier nicht anders.

(Beifall des Abgeordneten Holger Astrup [SPD])

Mit der Abgabe sollen eben nicht die angeblichen Fehlbeleger aus ihren Wohnungen vertrieben werden, sondern diejenigen, die in einer niedrigen Einkommenssituation öffentliche Förderung erhalten haben, sollen bei gestiegenem Einkommen einen angemessen Mietzuschlag bezahlen. Diese Einnahmen fließen

(Renate Gröpel)

eben in die Förderung des sozialen Wohnungsbaus zurück. Deswegen - der Minister hat es schon erwähnt - konnten von 1992 bis 2002 immerhin circa 50 Millionen Nettoerträge wieder eingesetzt werden, das heißt zur Mitfinanzierung von 43.000 Wohnungen. Das ist doch nicht wenig Geld und es ist ein Stück Gerechtigkeit für diejenigen, für die die Wohnungen gebaut worden sind.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD)

Für die SPD-Fraktion war aber auch immer der Anteil der Verwaltungskosten ein großer Kritikpunkt. Wenn er jetzt 2002 bei 44 % lag und in den Folgejahren weiter steigt, steht das in keinem Verhältnis mehr zu den Einnahmen. Wenn zukünftig keine Nettoerträge mehr nachbleiben aus der Erhebung der Fehlbelegungsabgabe, bleibt nur die Konsequenz, dieses Gesetz aufzuheben. Da stimmen wir mit Ihnen allen überein.

Die Ursachen für den Rückgang der Einnahmen sind vielschichtig. Der Minister hat auf einige hingewiesen, auch Sie, Frau Schwalm. So laufen die Bindungen für die Sozialwohnungen aus, die nach dem Kostenmietrecht gefördert wurden. Aber - das darf ich noch einmal erwähnen - aufgrund der erheblichen Anstrengungen in den 90er-Jahren im Wohnungsbau haben wir zum Glück einen entspannten Wohnungsmarkt und so ist auch das Mietpreisniveau gesunken, das heißt die Mietpreisspanne für die Abgabe ist geringer geworden, und das ist im Sinne der Mieterinnen und Mieter nur zu begrüßen - auch wenn es dazu führt, dass wir dadurch weniger Einnahmen haben.

Auch die Förderpolitik der SPD im Wohnungsbau in den letzten Jahren hat dazu beigetragen, Fehlbelegung erst gar nicht entstehen zu lassen. Das war der Grund für die Einführung der vereinbarten Förderung. In Schleswig-Holstein waren wir Vorreiter. Seit dem 1. Januar 2002 ist die vereinbarte Förderung zur Regelförderung im Bundesgesetz geworden. Darauf können wir stolz sein, weil auch das dazu beiträgt, Fehlbelegung überhaupt gar nicht erst entstehen zu lassen.

(Beifall der Abgeordneten Ingrid Franzen [SPD] und Irene Fröhlich [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Das Wohnraumförderungsgesetz lässt zudem sehr flexible Regelungen bei der Belegung von öffentlich geförderten Wohnungen zu. Auch hier sind die Forderungen des Landtages vom September 2000 - ich erinnere daran - auf Antrag der Fraktionen von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in das Gesetz aufgenommen worden, flexible Regelungen zu schaffen. Zudem gibt es die Möglichkeit, ganze Gebiete, vor

allem Gebiete der sozialen Stadt, freizustellen, um problematischen Entwicklungen entgegenzuwirken.

Für die SPD-Fraktion ist es wichtig festzuhalten, dass durch den Wegfall der Einnahmen aus der Abgabe das Wohnungsprogramm nicht gefährdet ist. Das heißt, gerade mit der neuen sozialen Wohnraumförderung können wir zielgerichtet Wohnungsbau für diejenigen fördern, die nach wie vor auf staatliche Förderung angewiesen sind - kinderreiche Familien, Ältere und diejenigen, die immer noch ein niedriges Einkommen haben.

Gleichzeitig tragen das Städtebauförderungsprogramm und das Programm soziale Stadt dazu bei, stabile Bewohnerstrukturen in den Stadtteilen zu erhalten und zu schaffen.

Im Ergebnis begrüßt die SPD-Fraktion die Aufhebung des Gesetzes mit dem zeitlichen Ausstieg für alle Erhebungszeiträume zum 31. Oktober 2004. Wir bitten um Überweisung federführend an den Innen- und Rechtsausschuss und mitberatend an den Sozialausschuss.

(Beifall bei der SPD sowie der Abgeordneten Irene Fröhlich [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN] und Lars Harms [SSW])

Ich erteile Herrn Abgeordneten Kubicki das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte mich im Namen meiner Fraktion ausdrücklich bei der Landesregierung für diesen Gesetzentwurf bedanken. Er ist der erkennbare Beweis dafür, dass es anscheinend doch möglich ist, aus der Opposition heraus die Regierungsfraktionen zu überzeugen - wenn auch erst Jahre später. Aber das liegt wohl daran, dass in der Politik Argumente und Vorschläge immer nur dann schlecht sind, wenn sie vom politischen Gegner kommen. Das ist eben so. Wir leben zwar alle unter demselben Himmel, aber wir haben nicht alle denselben Horizont.

Bisher war die Fehlbelegungsabgabe eine der heiligen Kühe von Rot-Grün in Schleswig-Holstein. Die Kollegin Gröpel hat gerade noch einmal erläutert, warum sie eigentlich nicht abgeschafft werden sollte. Auch wenn Sie 50 % Verwaltungskosten und 50 % Einnahmen haben, müssen Sie erklären, warum diese sinnvollen Einnahmen dem Land entgehen sollten. So richtig überzeugend war Ihre Begründung dafür, wa

(Wolfgang Kubicki)

rum Sie dem Gesetzentwurf zustimmen, eigentlich nicht.

(Zuruf der Abgeordneten Renate Gröpel [SPD])

- Das galt 1988 auch schon, Frau Kollegin Gröpel; ich komme gleich darauf zurück. - Vor zwei Jahren haben wir das letzte Mal über eine Änderung des Gesetzes zur Fehlsubventionierung im Wohnungswesen debattiert. Wenn Sie einmal nachlesen, was bei der Einführung von uns gesagt wurde, da haben wir genau auf das hingewiesen, was jetzt eingetreten ist. Wir waren schon damals dagegen und haben gesagt: Der Kostenaufwand steht in keinem Verhältnis zum Ertrag.

Die CDU legte seinerzeit einen Gesetzentwurf zur Abschaffung dieses Gesetzes vor. Rot-Grün wollte dem nicht folgen. Dabei lagen die Voraussetzungen für eine Streichung der Abgabe bereits damals vor. Schon lange standen der Verwaltungsaufwand und der Ertrag in einem unangemessenen Verhältnis, Frau Gröpel.

Nur zur Erinnerung: Das Bundesverfassungsgericht hatte in seinem Beschluss vom Juni 1988 den Verzicht auf die Fehlbelegungsabgabe dann für möglich, ja sogar für verfassungsrechtlich geboten erklärt, wenn die Verwaltungskosten den durchschnittlichen Anteil von 10 bis 15 % erheblich übersteigen.

Seit Mitte der 90er-Jahre bewegen wir uns bei den Verwaltungskosten in einer Größenordnung von 30 bis 40 %. 2001 lag der Verwaltungsaufwand im Vergleich zu den Einnahmen ziemlich genau bei 36 %. Die letzte Pressekonferenz des Innenministers brachte nun hervor, dass dieser Anteil schon bei 44 % liegt, Tendenz weiter steigend. Es ist also höchste Zeit zu handeln, denn glaubt man Minister Buß, so würde diese Quote sich in naher Zukunft sogar noch verschlechtern.

Das liegt zum einen daran, dass immer mehr Wohnungen in Zukunft aus der sozialen Bindung herausfallen. Das ist gesagt worden. Zum anderen wird - so der Innenminister - bei anhaltender Wirtschaftsflaute und hoher Arbeitslosigkeit die Tendenz weiter verstärkt, dass die Zahl der zahlungspflichtigen Mieter für die Abgabe weiter zurückgeht.

Das ist interessant, Frau Kollegin Gröpel. Herr Buß räumt damit selbst ein, dass durch die verfehlte rotgrüne Wirtschaftspolitik in Berlin und Kiel immer mehr Menschen zu Sozialfällen werden, sodass die Fehlbelegung wegfällt. Das ist eine ehrliche Analyse, Herr Minister.

Die Abschaffung der Fehlbelegungsabgabe ist ebenfalls überfällig, um einer unausgewogenen Entwicklung vieler Nachbarschaften des sozialen Wohnungsbaus zu begegnen. Dies gilt insbesondere für die Städte. Auch vor zwei Jahren bestand schon die Gefahr, dass immer mehr Familien, kleinere Facharbeiter und Beamte mit regelmäßigem Einkommen die Sozialwohnungen verlassen und nur soziale Randgruppen zurückbleiben. Dabei sind es insbesondere die erstgenannten Gruppen, die zur Stabilisierung einer ausgewogenen Nachbarschaft beitragen.

Durch die Abschaffung der Fehlbelegungsabgabe können wir die Sozialwohnungen als Wohnort für breite Bevölkerungsschichten erhalten und schützen stabile Bewohnerstrukturen. Das war im Übrigen einer der Hauptgründe, warum die SPD-Fraktion im Berliner Senat zusammen mit der PDS-Fraktion zum 1. September 2002 die Fehlbelegungsabgabe vollständig abgeschafft hat. In Schleswig-Holstein haben wir auch hier viel Zeit verloren.

Herr Minister, im Übrigen werden Sie uns im Innen- und Rechtsausschuss erklären müssen, warum das Gesetz erst zum 31. Oktober 2004 aufgehoben werden soll und nicht bereits deutlich früher.

(Klaus Schlie [CDU]: Sehr richtig!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, durch das Wohnraumförderungsgesetz sind die Fördermöglichkeiten viel flexibler geworden. Das ist gut so. Ziel einer zukunftsorientierten Förderpolitik muss aber die Einführung der so genannten Subjektförderung sein, etwas, was die SPD auf Bundesebene nun ja auch flächendeckend versucht, ins Werk zu setzen. Wir müssen weg von den Belegrechtsbindungen und hin zu einem personenbezogenen Wohngeld. Die verhältnismäßig wenigen Mittel, die wir für zur Verfügung haben, müssen so effizient wie möglich eingesetzt werden. Das geschieht am besten bei den Betroffenen selbst und ist damit auch das Gerechteste.

Der Überweisung an den Innen- und Rechtsausschuss stimmen wir zu.

(Beifall bei FDP und CDU)

Ich erteile der Frau Abgeordneten Fröhlich das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Als Parlamentarierin bin ich zufrieden, wenn es auch hin und wieder einmal vorkommt, dass wir eine Rechtsnorm aufheben, weil sich der Zweck dieser Norm erledigt hat. Einen solchen Fall haben

(Irene Fröhlich)